Besatzung und Plünderungen

cluedo

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Mich würde interessieren, wie lange man im Köln-Bonner Raum von einer Besatzung sprechen kann, die mit Plünderungen bzw. irregulären Requirierungen einherging? Das heißt:

- wann traten für die Landbevölkerung halbwegs ruhige Zeiten ein, in denen sie ihren landwirtschaftlichen Alltag wieder aufnehmen konnten.

- wie überlebten die Dörfler diese marodierenden Horden? Wenn die Vorräte gestohlen bzw. vernichtet wurden, wie kamen sie über den Winter?

- ab wann bestand die Möglichkeit sich ein wenig Wohlstand zu erarbeiten?

Für jede Information wäre ich sehr dankbar,
cluedo
 
Da das Kölner Stadtarchiv aus bisher noch ungeklärten Gründen nicht zugänglich ist, versuch es doch mal in Bonn.

Ich erinnere mich an das Wort fringsen für Mundraub begehen.
Der Begriff geht zurück auf die vom Kölner Kardinal Frings am 31. Dezember 1946 in der St. Engelbert Kirche in Köln-Riehl gehaltene Silvesterpredigt, in der er mit Bezug auf die Plünderungen von Kohlenzügen und die schlechte Versorgungslage in einem grimmigen Winter ausführte.
 
Wenn ich den Fragesteller nicht völlig missverstehe, geht es ihm nicht um das "Fringsen" durch die deutsche Bevölkerung, sondern um "Plünderungen" durch die Besatzer - was immer er darunter versteht.:grübel:
Ein sachlicher Aspekt ist hieraus zu ersehen
http://de.wikipedia.org/wiki/Lebensmittelmarke#Deutschland
Abgesehen von der Lebensmittelrationierung wurden die Bauern nicht von plündernden Horden terrorisiert, sondern haben sich durch Tausch- und Schwarzhandel von den Städtern erheblichen Wohlstand eingehandelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und da der Fragesteller die Frage in Frz. Revolution und Napoleonische Epoche gestellt hat, darf man wohl davon ausgehen, dass Cluedo die Französische Besatzung des linken Rheinufers seit 1794 meint. :winke:
 
Ich glaube ihr liegt beide falsch, wir sind hier in einer anderen Epoche:
Es geht um die Franzosenzeit bis 1814/15.

Nach der Eroberung durch die frz.Truppen und die Annexion der Gebiete duerfte es den Menschen in diesen Gebieten nicht besser oder schlechter ergangen sein als den anderen Franzosen. Zu leiden hatte man insbesondere under den Aushebungen fuer die frz. Armee

Gruss, muheijo
 
:oops: Wahrscheinlich war ich zum Zeitpunkt meiner Frage so sehr im Geschehen der damaligen Zeit, dass für MICH völlig klar war, worum es geht. Entschuldigung.

Also, meine Frage bezieht sich auf die Besatzung des Rheinlandes durch die Franzosen im Herbst 1794. Das Buch: " 1794 - Die Franzosen auf dem Weg zum Rhein" macht deutlich, wie hart diese Zeit für die Zivilbevölkerung war und das vor allem die Gebiete entlang des Rheins immer wieder unter den hin und her ziehenden Truppen zu leiden hatten.

Mich würde nun interessieren zu welcher Zeit eine gewisse Ordnung ins System kam und wie manche Dörfer, die geradezu leergefressen wurden, überhaupt den Winter überstanden.
 
...
Nach der Eroberung durch die frz.Truppen und die Annexion der Gebiete duerfte es den Menschen in diesen Gebieten nicht besser oder schlechter ergangen sein als den anderen Franzosen. Zu leiden hatte man insbesondere under den Aushebungen fuer die frz. Armee

Gruss, muheijo


Es ging ihnen wohl schlechter als den Franzosen, denn (lt. G. Schneider) wurde die Ausbeutung im großen Stil nicht nur gebilligt, sondern vom Wohlfahrtsausschuss geradezu gefordert.
Zitat:
Nehmt Belgien alle Lebensmittel weg, die Pferde, Leder, Tuch, einfach alles, was uns nütlich sein kann, genau wie all das, was die Rückkehr der Feinde begünstigen könnte. ... Eure Macht ist uneingeschränkt ...

Ein Augenzeuge aus dem Oberbergischen berichtet:
Zitat:
Ganze Scharen fielen in die Häuser, plünderten, raubten, misshandelten Mädchen und Weiber, trugen Pött und Kessel, Fleisch und Butter, Heu und Hafer ins Lager. Küh und Schweine, Gänse und Hüner wurden den armen Leuten weggenommen und geschlachtet. ...
... So zerschnitten sie die Betten, streuten die Federn in die Luft oder mischten selbige unter Stroh, Viehfutter und ausgelassenes Öl, gossen Öl und Wein, Bier, Tran und Essig zusammen, um alles völlig zu verderben, zerschlugen Spiegel, Tische...
... Weiber von 60 Jahren und Kinder von zwölf Jahren wurden von ihnen selbst im Angesichte ihrer Eltern, Ehemänner und Kinder misshandelt. ...
(alle Zitate aus: 1794 - Die Franzosen auf dem Weg zum Rhein)

Ich muss sagen, mich erinnert das sehr an die russische Besetzung Ostpreussens im Winter 1944/1945
 
Ein Augenzeuge aus dem Oberbergischen berichtet:
Nur eine Verständnisfrage: Der Augenzeuge - wer war das? - befand sich also linksrheinisch. An welchem Ort? (Das Oberbergische selbst ist ja rechtsrheinisch, und 1794 gingen die Franzosen nicht über den Rhein hinaus, sondern erst im September 1795.)

...wurde die Ausbeutung im großen Stil nicht nur gebilligt, sondern vom Wohlfahrtsausschuss geradezu gefordert.
Sich "aus dem Lande zu ernähren", war Kriegsbrauch bei allen Heeren der damaligen Zeit. Was Plünderungen und Verwüstungen betrifft, so versuchten die Befehlshaber sie in der Regel einzudämmen, weil solche Vorfälle der Disziplin abträglich waren.

Ich muss sagen, mich erinnert das sehr an die russische Besetzung Ostpreussens im Winter 1944/1945
Dieser Vergleich wird den Opfern von 1944/45 wohl nicht ganz gerecht.
 
Sich "aus dem Lande zu ernähren", war Kriegsbrauch bei allen Heeren der damaligen Zeit.

Eben nicht. Die Armeen des 18. Jahrhunderts versorgten sich meist über Magazine, die man unterwegs anlegte. Deshalb waren die Kriege des Alten Fritz auch räumlich ziemlich begrenzt. Einfach mal auf Wien oder Potsdam zu marschieren, wie es später Napoleon machte, war da undenkbar. Versorgungsengpässe und Desertation führten aus zum Fiasko in Böhmen und später zum Scheitern der Kampagne gegen das revolutionäre Frankreich. Die Kanonade von Valmy war da eher nicht die entscheidende Ursache für den Abbruch, im Grunde war das doch ein "Hornberger Schiessen".
 
Danke für die Richtigstellung! Ich muss meine Aussage auf die Revolutionsheere beschränken:
Der nun vom ganzen Volk unterhaltene Krieg musste sich bald selbst auf Kosten eroberter Länder ernähren und ließ dann auch keine Schonung mehr gelten. Sobald der Nachschub versagte, wurde alles beigetrieben, was die Soldaten brauchten: Lebensmittel, Teilbekleidung, Pferde und Fuhrwerke einschließlich Hilfspersonal." [1]
[1] Fiedler, Taktik und Strategie der Revolutionsheere, Augsburg 2002, S. 173
 
Nur eine Verständnisfrage: Der Augenzeuge - wer war das? - befand sich also linksrheinisch. An welchem Ort? (Das Oberbergische selbst ist ja rechtsrheinisch, und 1794 gingen die Franzosen nicht über den Rhein hinaus, sondern erst im September 1795.)

Sich "aus dem Lande zu ernähren", war Kriegsbrauch bei allen Heeren der damaligen Zeit. Was Plünderungen und Verwüstungen betrifft, so versuchten die Befehlshaber sie in der Regel einzudämmen, weil solche Vorfälle der Disziplin abträglich waren.

Dieser Vergleich wird den Opfern von 1944/45 wohl nicht ganz gerecht.

Hallo jschmidt,

das Oberbergische lag und liegt immer noch rechtsrheinisch und es stimmt, die Franzosen waren 1794 noch nicht dort. Meine Frage lautete ja auch, wie lange diese Plünderungen im rheinischen Gebiet anhielten, da die Franzosen gerade im linksrheinschen immer wieder von Nord nach Süd unterwegs waren, ehe sie schließlich auch über den Rhein gingen. So gab es im August 1795 in Aachen einen Tumult, weil die Brotpreise exorbitant in die Höhe geschnellt waren, weil die Franzosen im Frühjahr die gesamten Mehlbestände annektiert hatten.


Was die Befehlshaber versuchten und was Realität war, ist ja schon mal sehr unterschiedlich, was aus den Augenzeugenberichten aus obigem Buch sehr deutlich hervor geht.


Den Vorwurf, den Opfern von 1944/1945 nicht ganz gerecht zu werden, kann ich nicht nachvollziehen. Gerade weil ich mich sehr ausgiebig mit der russischen Besatzung in Ostpreußen beschäftigt habe, erinnern mich diese Augenzeugenberichte an ähliches Leid aus dieser Zeit. Hunger, Kälte und die ständige Situation der Ohnmacht gegenüber den Befehlen der Eroberer.

Gruß,
cluedo
 
Den Vorwurf, den Opfern von 1944/1945 nicht ganz gerecht zu werden, kann ich nicht nachvollziehen. Gerade weil ich mich sehr ausgiebig mit der russischen Besatzung in Ostpreußen beschäftigt habe, erinnern mich diese Augenzeugenberichte an ähliches Leid aus dieser Zeit. Hunger, Kälte und die ständige Situation der Ohnmacht gegenüber den Befehlen der Eroberer.

Das gesamte linksrheinische Gebiet ist ja von F annektiert worden, spæter wurde dies von den auslændischen Mæchten im Frieden von Basel 1795, Campo Formio 1797 und letztlich Luneville 1801 bestætigt, das Gebiet wurde der frz. Verwaltung angegliedert. (Departements, Gesetzgebung)
Ab diesem Zeitpunkt (1795, spætestens 1797) wuerde ich von relativ normalen Verhæltnissen mit entsprechender Rechtssicherheit sprechen.
Es gab zwar noch das Intermezzo mit der geplanten "Cisrhenanischen Republik", aber Ende 1797 war Schluss: Das Rheinland war auch verwaltungstechnisch franzøsisch.

Die Kampfhandlungen waren bis 1795, bis dahin muss man von den "ueblichen" Kriegswirren ausgehen.
Die Græuel wæhrend der Besetzung Ostpreussens 1944/45 hatte eine ganz andere Dimension.
Warum?
Die Voraussetzungen waren anders:
Die Russen ræchten sich an dem ihnen angetanen Unrecht wæhrend der deutschen Besatzung Russlands, in Ostpreussen konnte man diese Rache, diesen Hass erstmals auf deutschem Boden ausleben.
Die Franzosen haben Gebiete erobert, die sie spæter selbst besitzen wollten, sie waren daran interessiert, die Bevølkerung zu franzøsisieren und nicht auf Dauer gegen sich aufzubringen oder zu vertreiben oder gar auszurotten; sie hatten ein "Sendungsbewusstsein", sie wollten ihre Revolution exportieren. "Krieg den Palæsten, Friede den Huetten"

Das es auch Auswuechse gegeben hat, will ich nicht in Abrede stellen; generell ging es aber um die Versorgung und den Erhalt der Truppe - das war in Ostpreussen anders.

Ich bin mir sicher, dass man das auch ganz gut anhand von Zahlen darstellen kann.

Gruss, muheijo
 
Zuletzt bearbeitet:
Den Vorwurf, den Opfern von 1944/1945 nicht ganz gerecht zu werden, kann ich nicht nachvollziehen.
Einen "Vorwurf" habe ich Dir keinesfalls machen wollen. Es ging mir nur um die - ständig auftretende - Problematik historischer Vergleiche.

Die Græuel wæhrend der Besetzung Ostpreussens 1944/45 hatte eine ganz andere Dimension. [...]
Ja, vielen Dank, so war mein Hinweis gemeint!
 
Das gesamte linksrheinische Gebiet ist ja von F annektiert worden, spæter wurde dies von den auslændischen Mæchten im Frieden von Basel 1795, Campo Formio 1797 und letztlich Luneville 1801 bestætigt, das Gebiet wurde der frz. Verwaltung angegliedert. (Departements, Gesetzgebung)
Ab diesem Zeitpunkt (1795, spætestens 1797) wuerde ich von relativ normalen Verhæltnissen mit entsprechender Rechtssicherheit sprechen.
Es gab zwar noch das Intermezzo mit der geplanten "Cisrhenanischen Republik", aber Ende 1797 war Schluss: Das Rheinland war auch verwaltungstechnisch franzøsisch.
Die "normalen" Verhältnisse traten meines Erachtens erst 1797/98 ein. Wobei 1798 der sogenannte Klöppelkrieg als Ausdruck der Unzufriedenheit mit den neuen Machthabern zu werten wäre. Die Zufriedenheit mit den Franzosen war wohl am ehesten in den Städten gegeben, wogegen auf dem Land der Widerstand wohl am stärksten war.
Wenn man das Buch von Günther Schneider aufmerksam liest erfährt man ja auch genug französische Kriegsgreuel.

Mit dem Basler Frieden kam es zwar zu einer Einigung mit Preußen, welche in der Folge Norddeutschland vom Kriegsgeschehen ausschloss, aber das löste noch nicht ganz die Unsicherheiten der Bevölkerung.
 
Eine schöne Quelle zu der Zeit ist die Chronik des Johann Peter von Delhoven, einem Chronisten aus Dormagen (Galgenpapst hat bei Alltagsleben in der Neuzeit schon daraus zitiert). Dormagen lag am nördlichen Ende des Erzbistums Köln und dürfte daher vergleichbares mit der Situation zwischen Köln und Bonn erlebt haben.

- wann traten für die Landbevölkerung halbwegs ruhige Zeiten ein, in denen sie ihren landwirtschaftlichen Alltag wieder aufnehmen konnten.
Mit Ausnahme von Kampfhandlungen dürften nur relativ wenig Störungen da gewesen sein, schließlich war den Franzosen die Versorgung mit Lebensmitteln sehr wichtig. Eventuelle Ausgangssperren werden kaum die Landbevölkerung betroffen haben und die Städter gingen kaum auf die Felder.

- wie überlebten die Dörfler diese marodierenden Horden? Wenn die Vorräte gestohlen bzw. vernichtet wurden, wie kamen sie über den Winter?
Es gab wohl sehr wenig Diebstahl, dafür gezielte Requirierungen. Der Unterschied für die Betroffenen ist natürlich gering (weg ist weg), aber es wurde schon von Amts wegen darauf geachtet, dass nicht mehr als einzelne Hungertote vorkamen. Zumindest für Dormagen sind keine großen Abgaben berichtet worden, die Belastung ergab sich aus der Einquartierung von Soldaten, die natürlich mit versorgt werden mussten. Berichtet wird von vielen Problemen, die aber irgendwie überstanden wurden. Den damaligen Bewohnern dürften die Truppen (es waren nicht nur Franzosen, es kamen später auch andere Verbündete durch) zwar wie marodierende Horden vorgekommen sein, im Vergleich mit anderen Szenen aus der Zeit haben sie aber wohl Glück gehabt.

- ab wann bestand die Möglichkeit sich ein wenig Wohlstand zu erarbeiten?
Wohlstand war schwer, weil die Wirtschaft arg belastet wurde. Nötig waren gute Kontakte zur neuen Obrigkeit, Ausnutzung der neuen Gesetze (die Gilden waren weg, man konnte ohne große Vorbedingungen eigenes Gewerbe anmelden) oder aber Schmuggel über den Rhein.

Übrigens, gestern und heute lief bzw. läuft auf Phoenix ein Vierteiler über Napoleon und die Deutschen. Da wurde auch auf das Alltagsleben in der linksrheinischen Provinz eingegangen. Die Teile werden garantiert in den nächsten Tagen noch einmal wiederholt.

Solwac
 
Wobei 1798 der sogenannte Klöppelkrieg als Ausdruck der Unzufriedenheit mit den neuen Machthabern zu werten wäre.

Ja, wobei man noch werten muesste, inwieweit ein lokaler Aufstand repræsentativ fuer das gesamte linksrheinische Gebiet ist.

Wir entfernen uns allerdings dann auch von der urspruenglichen Fragestellung des TE: (wenn auch gern :))
Der Kløppelkrieg war eine Reaktion auf die verwaltungsmæssigen Verænderungen (am hæufigsten wird hierbei Steuerlast, Rekrutierung und Sækularisation genannt), und eben nicht auf die unmittelbaren Geschehnisse wæhrend des (dann bereits abgeschlossenen) Krieges.

Gruss, muheijo
 
Vielen Dank für eure zahlreichen Kommentare.

Sicher habt ihr Recht mit der Schwierigkeit Ostpreussen mit der damaligen Situation im Rheinland zu vergleichen. Dort trafen die Gräuel die gesamte Bevölkerung, während es beim Einmarsch der Truppen wohl "nur" einige Ortschaften betraf.

Mir waren einfach beim Lesen Dinge aufgefallen, die mich an die Berichte der damaligen Zeit erinnerten. Ich denke, der psychische Druck der kriegerischen Auseinandersetzung, Hunger, Erschöpfung und das Machtgefühl nach einem erkämpften Sieg entfachen in Menschen Anteile, die sie in den Augen der Zivilbevölkerung zu wilden Tieren machen.

Vielen Dank für den Link zum Alltagsleben in der Neuzeit. Da werde ich mich mal reinknien ;)

Die Jahreszahlen, die ihr angebt reichen von 1795 bis 1797/1798, da werde ich mich doch noch ein wenig intensiver mit den Kriegshandlungen und Truppenbewegungen im linksrheinischen Gebiet beschäftigen dürfen ;)

Nochmals danke.
Gruß,
cluedo


 
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