Besserer Start für die Menschheit?

ThousandDawn

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Liebe Historiker,
Ich bin Laie und habe seit einiger Zeit eine hypothetische Frage im Kopf.

Im Laufe der Menschheitsgeschichte gab es viele wichtige Erfindungen, die zum heutigen Entwicklungsstand geführt haben. Werkzeug, Feuer zugänglich machen, Geld, Behausungen, aber auch Konzepte, Ideen, Wertvorstellungen. Als erste Erfindung anerkannt ist, glaube ich, der Faustkeil. Aber gibt es eine Erfindung, die besser als Beginn unserer Erfolgsgeschichte funktioniert hätte?

Also wo würden wir heute stehen, wenn nicht Werkzeuge, sondern Demokratie, Domestizierung oder Schrift und Sprache das erste große Ding gewesen wären? Wie wäre es weiter gegangen? Welche Meilensteine wären früher erreicht worden?
Kurzum: welche anderen Szenarien wären noch denkbar?

Bei aller Gedanken-Experimentierfreude geht es mir aber um Dinge, die wirklich am Anfang einer Kultur hätten stehen können. So wären Landwirtschaft ohne Werkzeuge oder Elektroautos vor der ersten Metallschmelze vielleicht unwahrscheinlich.

Wenn es zu dem Thema gute Quellen gibt, freue ich mich auch auf verweise.

Vielen Dank fürs mitdiskutieren und liebe Grüße, Damian
 
Ganz platt gesagt: Hätten die Menschen Demokratie gehabt und keinen Fauskeil, dann hätte sich das Projekt Menschheit innerhalb weniger Tage erledigt gehabt.
Was sich jetzt im ersten Lesen vielleicht demokratiefeindlich anhört, ist gar nicht demokratiefeindlich gemeint. Es gibt sogar Menschen, die glauben, dass es einen Urkommunismus gab, der sich erst mit der Thesaurierung von Gütern überlebt hätte.

Was passiert, wenn sich Menschengruppen konstituieren? Das kann man überall beobachten, von Kindergartengruppen bis hin zu politischen Prozessen: Die Gruppe sucht sich Anführer. Jemanden, der die Verantwortung übernimmt oder zumindest bestimmt, wo es lang geht. Klar, es gibt immer ein paar, die das nicht interessiert oder ggf. auch eine zweite Gruppe. Auch in einer Demokratie erleben wir das: Deswegen haben wir Parteichefs, Regierungschefs, Oppositionsführer, Unternehmer und Gewerkschaftsfunktionäre...
Die Demokratie unterscheidet sich von anderen Formen also im Grunde genommen dadurch, dass sie - je nach ihrer Verfasstheit - sich immer wieder das Feedback der Gruppe holt (das tun Diktaturen allerdings auch, sogar mit Referenden*), dass sie die Macht der Anführer beschränkt, Gewalten teilt und Minderheiten/Opposition schützt.


*Referenden in Diktaturen sind i.d.T. ein beliebtes Mittel, die Legitimität der Regierung und ihr "demokratisches" Wesen zu "belegen". Sie täuschen dann darüber hinweg, dass die Auswahl meist begrenzt ist und die notwendige Elemente für eine Demokratie wie Gewaltenteilung und Minderheitenschutz nicht gegeben sind.
Referenden können natürlich auch - siehe z.B. die Schweiz - Element einer direkten Demokratie sein. Nicht, ich in der Richtung missverstanden würde, Referenden seien diktaturimmanent.
 
Also wo würden wir heute stehen, wenn nicht Werkzeuge, sondern Demokratie, Domestizierung oder Schrift und Sprache das erste große Ding gewesen wären?
Das ist eine Huhn oder Ei Frage!
Gegenfrage: wie stellst du dir eine Sprache vor den ersten Werkzeugen vor? Ihr müssten doch die Begriffe, die Worte, die Namen für das fehlen, was mit ihrer Hilfe schneller und besser erfunden und entwickelt werden soll.
 
... dass sie die Macht der Anführer beschränkt, Gewalten teilt und Minderheiten/Opposition schützt.
Sehr schön beschreibt Popper in seiner "Offenen Gesellschaft und ihre Feinde" die Bedeutung der gegenseitigen Kontrolle, d.h der gegenseitigen Beschränkung der Kräfte im Staat (Kap. 7: Das Prinzip des Führertums). Das ist der eigentliche Kern der Demokratie und das Ziel, das man mit der Gewalteneinteilung bezweckt. Sie soll das sog. "Paradox der Freiheit" lösen: was nämlich, wenn das Volk in seiner Freiheit einen Tyrannen wählt? (Eine Frage, die schon Platon in Rep. 562c stellt und bei uns 1933 Wirklichkeit wurde.) Die Beschränkung der Macht der Anführer, die du anführst, ist hierbei der zentrale Teil dieses Kontrollmechanismus: den Tyrannen, bevor er zu einem werden kann, schon an der Wurzel zurechtstutzen. Freilich benötigt man hierfür stabile Institutionen, und das führt schon zur Beantwortung der Frage, warum eine "Demokratie" sicher nicht zu den ersten Erfindungen der Menschheit gehört hat: sie ist von allen Verfassungsformen die mit den meisten Voraussetzungen und versteht sich nicht von selbst.
 
Das Problem verstehe ich nun nicht. Wir erfinden doch tagtäglich Neologismen.
wir haben auch einen sehr umfangreichen Wortschatz - wenn wir aus diesem wirklich alles streichen, was mit Zivilisation/Technik etc zu tun hat (wir uns also eine Art Urzeitsprache vorstellen), dann wird es vermutlich nicht mehr so einfach mit den tagtäglichen Neologismen (?)
(mir kommt da gerade die amüsante Ursprache in "am Anfang war das Feuer" in den Sinn)
 
wir haben auch einen sehr umfangreichen Wortschatz - wenn wir aus diesem wirklich alles streichen, was mit Zivilisation/Technik etc zu tun hat (wir uns also eine Art Urzeitsprache vorstellen), dann wird es vermutlich nicht mehr so einfach mit den tagtäglichen Neologismen (?)
Sicher, heute bilden wir Neologismen vorwiegend durch Derivation (Ableitung) und Komposition (Neukombinierung von Lexemen). Aber ganz wie Pippi Langstrumpf können wir auch heute noch einen Spunk erfinden. Der Vorteil von Derivation und Komposition gegenüber Phantasieworten ist i.d.R., dass Derivation und Komposition auf dem schon vorhandenen Wortschatz basieren und somit nicht erklärungsbedürftig sind. Was ein Spunk war, wusste ja nicht einmal Pippi selbst. In einer Gesellschaft, deren Sprache nicht über ein überbordendes Lexikon (Lexikon = Wortschatz) verfügt, ist man eben mehr auf "Spunks" angewiesen und muss stärker darauf vertrauen, dass der "Spunk" sich in der Alltagssprache der Gruppe auch durchsetzt.
 
Das ist eine Huhn oder Ei Frage!
Gegenfrage: wie stellst du dir eine Sprache vor den ersten Werkzeugen vor?
Ja genau, wir werden keine endgültige Antwort bekommen und dadurch die Geschichte nicht ändern. Aber die Huhn und Ei Frage wird bis heute noch gerne gestellt und zerdacht.
Ich sagte, dass ich Laie bin und genau deswegen spreche ich hier Historiker an. Korrigier mich, aber gibt es nicht eine Disziplin, die sich mit alternativer Geschichte befasst?

Zu deiner Frage: Sprache sähe heute ganz anders aus. Vielleicht weniger bildlich. Aber ein "Baum" "Gefahr" "Nahrung" hätten unsere Vorfahren vielleicht schon ohne Faustkeil hinbekommen können. Und dieser kann ja dann recht schnell erfunden werden.

Wieso ist die Ausbildung der Stimmbänder/ Umstrukturierung des Gehirns denn so abhängig von Werkzeugen?

LG
 
Vielen Dank für euer Mitdiskutieren!
Vielleicht ist das gar nicht notwendig, aber ich möchte eine Sache nochmal hervorheben:
Die Erfindungen, die ich herausstellen möchte sollen nicht die einzige bleiben, sondern einen alternativen Ausgangspunkt darstellen. Das bedeutet, dass die Erfindung Sprache auch durch Technik usw. beeinflusst wird. Nur eventuell ein paar (tausend) Jahre später.
Die Beispiele, die ich genannt habe sind nur Beispiele. Wenn Währung (oder etwas anderes) plausibler ist, würde ich gerne darüber reden.

Übrigens ist die Sache mit der Demokratie sehr interessant :) die hätte ich wohl auch als erstes aus dem Rennen geschickt.

LG
 
In einer Gesellschaft, deren Sprache nicht über ein überbordendes Lexikon (Lexikon = Wortschatz) verfügt, ist man eben mehr auf "Spunks" angewiesen und muss stärker darauf vertrauen, dass der "Spunk" sich in der Alltagssprache der Gruppe auch durchsetzt.
plausibel - freilich bleibt noch die Frage, woher dann die Verknüpfungen kommen (ab wann beginnt Chomskis "angeborene" Grammatik) - - - davon abgesehen: die Rekonstruktion des "indo-europäischen" hat doch auch schon ein recht umfangreiches Lexikon, gut möglich, dass wir uns einer reduzierten "Ursprache" gar nicht annähern können (?)
 
gibt es nicht eine Disziplin, die sich mit alternativer Geschichte befasst?
Es gibt immer mal wieder Leute - auch Historiker -, die sich dazu hinreißen lassen, ein "Was wäre denn?" zu überdehnen. In einem begrenzten Maße ist ein "Was wäre wenn?" notwendig, um Handlungsalternativen, welche Akteure in ihrer historischen Situation hatten aufzuzeigen und so schließlich zu einer Urteilsbildung zu kommen. Man unterscheidet zwischen dem Sachurteil und dem Werturteil.
Das Sachurteil bewertet, ob die Akteure anders hätten handeln können, das Werturteil auf Basis des Sachurteils, was man aus der historischen Perspektive und dem persönlichen Standpunkt davon hält.
Ich kann so z.B. feststellen, dass es folgerichtig* war, Ludwig XVI. zu guillotinieren (Sachurteil), dies aber trotzdem als Justizmord bewerten (Werturteil).

Wieso ist die Ausbildung der Stimmbänder/ Umstrukturierung des Gehirns denn so abhängig von Werkzeugen?
Du kannst davon ausgehen, dass das Überleben des Menschen von seiner Fähigkeit zu kommunizieren und sich zu organisieren abgehangen hat: Wir haben kein Fell, keine Klauen, keine Reißzähne und sind schwächer und langsamer als unsere Beutegreifer. Sprache und Werkzeug sind von Anfang an unabdingbar gewesen, um a) unseren Fressfeinden zu entkommen und b) uns Nahrung zu erschließen. Deshalb schrieb ich oben, dass ohne Werkzeug das Projekt Menschheit nach wenigen Tagen gescheitert gewesen sei. Wir wären verhungert oder gefressen worden.

Übrigens ist die Sache mit der Demokratie sehr interessant :) die hätte ich wohl auch als erstes aus dem Rennen geschickt.
Das habe ich ja, wenn du zwischen den Zeilen liest, gar nicht getan. ;) Jede Form gesellschaftlichen Zusammenlebens braucht Einigungsprozesse. Wenn römische Legionen ihre Legaten zu Kaisern erhoben haben, geschah das per Akklamation, nicht per Wahl. Auch so etwas wurde organisiert. Wenn sich jemand ohne Charisma zum Anführer einer Gruppe aufschwingt, wird er keinen Erfolg haben. Wenn der Anführer einer überschaubaren Gruppe aus Verwandten, die alle wissen, dass er mit sieben Jahren noch ins Fell gepinkelt hat, sich diktatorisch geriert, wird er vielleicht seinen Cousin in einem Zweikampf umbringen können, aber er hat keine Chance die Gruppe zu führen. Auch der junge Neandertaler, der seine Gruppe führt, kann nicht einfach sagen, wo es lang geht, sondern er wird sich mit der Gruppe besprechen müssen. Das ist keine Demokratie, aber das sind gruppendynamische Prozesse, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich ein Großteil der Gruppe einbringen kann.

plausibel - freilich bleibt noch die Frage, woher dann die Verknüpfungen kommen (ab wann beginnt Chomskis "angeborene" Grammatik) - - - davon abgesehen: die Rekonstruktion des "indo-europäischen" hat doch auch schon ein recht umfangreiches Lexikon, gut möglich, dass wir uns einer reduzierten "Ursprache" gar nicht annähern können (?)
Wo es Menschen gibt, wird gesprochen, wir können davon ausgehen, dass der Neandertaler sprechen konnte und vermutlich auch unser gemeinsamer Vorfahr. Wenn wir sprechen und uns artikulieren können, können wir auch Neologismen bilden. Der Ursprung jeglicher Sprache MUSS auf der Bildung von Neologismen basieren, da - erste Stunde spachwissenschaftliches Einführungsseminar - Signifiant und Signifié, es keinen natürlichen Zusammenhang von Bezeichnetem und Bezeichnendem gibt (sofern nicht Onomatopoesie vorliegen, aber auch die sind ja nicht wirklich natürlich, sondern nur Natur wiedergebend.)

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oder eben Inhalt und Ausdruck

*Achtung: Dies ist ausdrücklich nicht als historische Expertise gedacht, es soll damit nur der Unterschied von Sach- und Werturteil verdeutlicht werden und wie weit die mitunter auseinander liegen können.
 
Der Ursprung jeglicher Sprache MUSS auf der Bildung von Neologismen basieren, da - erste Stunde spachwissenschaftliches Einführungsseminar - Signifiant und Signifié, es keinen natürlichen Zusammenhang von Bezeichnetem und Bezeichnendem gibt (sofern nicht Onomatopoesie vorliegen, aber auch die sind ja nicht wirklich natürlich, sondern nur Natur wiedergebend.)

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oder eben Inhalt und Ausdruck
Und da kommen wir wieder zum Ursprung des Threads: Denn es ist viel einfacher Konkreta zu bezeichnen, als Abstrakta.
Nehmen wir den Baum. Unsere hypothetische erste Menschengruppe sitzt in der Savanne jemand haut mit seiner flachen Hand vor die Schirmpinie und sagt "Baum". Fortan sind alle Bäume "Baum". Nun gibt es aber mehr als einen Baum (auch ein beliebtes Spiel in Sprachwissenschaftseinführungsseminaren die Aufgabe: "Zeichnen Sie doch mal einen Baum" - danach wird verglichen. Die meisten malen Laubbäume, manche aber auch Nadelbäume, dritte dekorieren ihre Bäume mit Obst - Baum ist eben nicht gleich Baum).
Stein, Baum, Mensch, Hirsch, Regen, Wolke, Sonne, Kaninchen, Wolf, Mücke, Blume sind leicht zu bezeichnen.
Aber Sinn und Unsinn? Philosophie? Gott? Geist? Demokratie? Das sind alles keine Dinge der natürlichen Welt und die sind eben nicht so einfach zu bezeichnen. Dazu braucht es dann tatsächlich eines entsprechenden Lexikons, mit denen man die Abstrakta dann auch erklären kann. Die Philo-Sophie, die Liebe zur Weisheit, die Demo-Kratie, die Herrschaft des Volkes....
 
Wenn sich jemand ohne Charisma zum Anführer einer Gruppe aufschwingt, wird er keinen Erfolg haben. Wenn der Anführer einer überschaubaren Gruppe aus Verwandten, die alle wissen, dass er mit sieben Jahren noch ins Fell gepinkelt hat, sich diktatorisch geriert, wird er vielleicht seinen Cousin in einem Zweikampf umbringen können, aber er hat keine Chance die Gruppe zu führen.
:D:D diese lebensnahe Passage hätte ein (scherzando) vorab redlich verdient
erste Stunde spachwissenschaftliches Einführungsseminar
sorry, ich war schon in der Pause nach der ersten Stunde, weshalb ich fürwitzig Verknüpfungen & Chomsky erwähnte ;)
Stein, Baum, Mensch, Hirsch, Regen, Wolke, Sonne, Kaninchen, Wolf, Mücke, Blume sind leicht zu bezeichnen.
Aber Sinn und Unsinn? Philosophie? Gott? Geist? Demokratie? Das sind alles keine Dinge der natürlichen Welt und die sind eben nicht so einfach zu bezeichnen. Dazu braucht es dann tatsächlich eines entsprechenden Lexikons, mit denen man die Abstrakta dann auch erklären kann.
richtig - und interessant ist, wie das erklären anfangs (bei den Feuersteins etc) vonstatten ging. (die Sache mit den Bäumen führt zum kategorisieren, was die lieben Kleinen ohne Grammatiklehrer und ohne Vorkenntnisse beim Spracherwerb scheinbar wie von allein praktizieren - vgl. D.E. Zimmer "so kommt der Mensch zur Sprache" Haffmans Verlag) Der strammste Mammutjäger mit den meisten Nachkommen und ohne eingenässte Nachtfelle kann zwar auf einen Baum zeigen, dabei "Baum" sagen und irgendwelche gestischen Bewegungen vollführen und ad hoc erfundene Laute grummeln: da das aber unpräzise ist, könnte der Angesprochene den Baum besteigen oder verprügeln statt ihn zu fällen. Weiterhin bleibt unklar, ob allein das "vorkauen" durch den stärksten Mammutjäger die Erfindung von differierenden Wortendungen und Wortarten markiert (erneut könnte die "angeborene Grammatik" ins Spiel kommen)
 
Das ist eine Huhn oder Ei Frage!
Ich würde eher sagen: Beides, Werkzeuge und Sprache, ging Hand in Hand, wobei ich die Sprache geringfügig vorne sehe, obwohl sie für Erfindungen von Werkzeugen nicht notwendig ist. Aber unseren nächsten Verwandten, Schimpansen und Bonobos, sind auch schon in der Lage, mit so etwas wie Sprache miteinander zu kommunizieren, sich z.B. auf etwas zu einigen.

Auch einige der Tiere, die in Rudeln leben und gemeinsam jagen, kennen Hierarchien, haben FührerInnen und Strategien, für Ordnung innerhalb der Gruppe zu sorgen.
 
Also wo würden wir heute stehen, wenn nicht Werkzeuge, sondern Demokratie, Domestizierung oder Schrift und Sprache das erste große Ding gewesen wären?

Kurze Antwort:
Wir würden weiterhin auf den Bäumen hocken oder durch die Savanne schlurfen.

Längerer Versuch:
Ich kann der Ansicht des Thread-Erstellers nicht viel abgewinnen. Werkzeugentwicklung war nicht zufälligerweise eines der ersten menschlichen Produkte, sondern sie ist für die allermeisten der genannten Entwicklungen eine unabdingbare Voraussetzung. Eine Ausnahme hierfür würde ich allenfalls für die Sprachentwicklung machen; möglicherweise war sogar diese und nicht der Faustkeil das "erste große Ding" - wenn wir das "Aufrechtgehen" jetzt einmal weglassen.

Um diese These - Werkzeugentwicklung als Voraussetzung - nur kurz und fragmentarisch an ein paar der genannten Alternativen zu exemplifizieren:

Schrift:
Wie soll man schreiben ohne Schreib-"Werkzeug" und ohne "Schreibmaterial". Sogar Vorformen der Schriftlichkeit - etwa Höhlenzeichnungen - waren in die Wände geritzt - wahrscheinlich nicht mit den Fingernägeln.

Demokratie:
Gedanken über eine vernünftige Art der Herrschaftsausübung kann man sich erst dann machen, wenn eine Herrschaft besteht. "Herrschaft" setzt aber das Vorhandenseins einer zumindest rudimentären staatlichen/öffentlichen Organisation voraus, in der eine nicht mehr unmittelbar überschaubare Anzahl an Menschen zusammenlebt.
Allein das Überleben einer solchen Anzahl an Menschen zu sichern braucht eine Umenge an materiellen Voraussetzungen, die ohne vorangegangene Werkzeugentwicklung kaum vorstellbar wäre.
 
Die Frage nach dem Ursprung ist eine Chimäre. Egal, was man nimmt, es ist immer nur ein Schritt auf einem langen Weg, ein Mosaiksteinchen im Gesamtbild. Für was man sich entscheidet, sagt mehr über das eigene Weltbild, als über die Geschcihte des Menschen. ;)

Faustkeil: Die Entwicklung von Steinwerkzeug und dessen gezielter Herstellung ist verdammt komplex; und lang. Kenn mich auch nicht wirklich aus. Vor den ersten Geräten, die man heute Faustkeile nennt, gab es aber schon einfachere Steinwerkzeuge, die gezielt hergestellt wurden, und Faustkeile selber unterlagen eine langen Entwicklungsgeschichte.

Eine andere, entscheidende Technik bei der Menschwerdung wäre die Nutzung des Feuers.

Die Technik allgemein lässt sich aus der Geschichte der Menschheit schlicht nicht rausrechnen. Wenn man sich eine Lebensform vorstellen will, die die Demokratie vor dem Faustkeil entwickelt, muss man sich Nicht-Menschen (und damit Fantasy & SF) zuwenden; intelligente Delfine oder so werden mit Fauskeilen nicht viel anfangen können. ;)

Ameisen betreiben Landwirtschaft und haben andere Arten domestiziert, ohne intelligent zu sein (vermutlich...).

Zur Sprache: Irgendwann muss dieses wichtige Merkmal der Menschheit einen enormen Komplexitätszuwachs erfahren haben. Es ist mWn zumindest nicht auszuschließen, dass dies recht plötzlich geschah, zumindest im Maßstab der Evolutionsgeschichte; dh dass es "vorher" zwar eine Sprache mit Begriffen gab, aber keine komplexe Grammatik, die eine Kommunikation über abstrakte Themen ermöglichte. Aber a) ist es Spekulation, aich das könnte ein langwieriger Prozess mit hundert Zwischenstufen gewesen sein, und b), selbst wenn es recht schnell geschah wissen wir nicht, wann. Hatten die Neanderthaler eine komplexe Sprache, die der unsrigen vergleichbar ist? Hatten es die zeitgleich lebenden Jetztmenschen?
 
Also wo würden wir heute stehen, wenn nicht Werkzeuge, sondern Demokratie, Domestizierung oder Schrift und Sprache das erste große Ding gewesen wären?

Stellen wir uns einfach mal die Gegenfrage, ob es überhaupt möglich gewesen wäre diese Dinge ohne entsprechende Werkzeuge effektiv umzusetzen?

- Mit was schreibt man denn auf was, wenn man keine Werkzeuge hat um Schriftträger herzustellen?

- Macht die Domestizierung von Tieren irgendeinen Sinn, wenn man über keine Werkzeuge verfügt tierische Produkte zu verarbeiten oder die potentielle Arbeitskraft von Tieren auch ausnutzen zu können?

- Was hat man von Demokratie wenn man dafür überhaupt keine Zeit hat, weil in Ermangelung von Werkzeugen selbst die Beschaffung der allernotwendigsten Nahrungsmittel enorm Zeitaufwändig ist und sämtliche Zeit und Energie in Beschlag nimmt?
 
Eine Ausnahme hierfür würde ich allenfalls für die Sprachentwicklung machen; möglicherweise war sogar diese und nicht der Faustkeil das "erste große Ding" - wenn wir das "Aufrechtgehen" jetzt einmal weglassen.
Ich weiß nicht, ob das heute noch state of the art ist, aber als ich vor 24 Jahren im Einführungsseminar in die germanistische Sprachwissenschaft ist, verkaufte die Professorin den aufrechten Gang für die anatomisch notwendige Voraussetzung, um a) das Gehirn und b) den Stimmapparat zu entwickeln, mit dem wir A) unsere Werkzeuge und B) unsere Sprache ersinnen.
 
Der aufrechte Gang wurde lange vor dem Auftreten der Gattung Homo entwickelt. Die ersten aufrecht gehenden Hominiden unterschieden sich sonst, besonders hinsichlich Gehirngröße und -aufbau, nicht wesentlich von ihren nicht-aufrecht gehenden Verwandten, wenn ich mich richtig erinnere. Das dürfte tatsächlich eher eine Präadaption für folgenden Entwicklungen gewesen sein als anders herum.
 
Für Paläontologie bin ich nicht mehr zuständig. Das gehört für mich zu den Biowissenschaften, auch wenn die Methoden oberflächlich der Archäologie ähneln.
 
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