Arten von Streitäxten während der Völkerwanderungszeit

Sorry, stelle ich hiermit zur Verfügung. Nachzulesen bei Agathias Historien II, 5. Agathias war ein byzantinischer Historiler, der im 5. Jh. lebte

Dann darf ich annehmen, du redest von diesem werten Herrn hier:
Agathias – Wikipedia

Zu diesem Bezugsautoren wäre meine erste Frage, ob er sich jemals im "Barbaricum" oder in den betroffenen, angrenzenden Gebieten aufgehalten hat oder lediglich aus der Ferne ausschrieb, was ihm aus zweiter und dritter Hand so zu Ohren gekommen ist?

Gerade in letzterem Fall, falls der "Bericht"erst noch durch x Stationen stille Post wandern musste, bis er in Schriftform umgesetzt wurde, wäre es alles andere als verwunderlich, wenn er auf dem Weg die an der einen oder anderen Station gewisse kreative Ausschmückungen erfahren haben würde.

Es wäre nicht zufällig möglich die entsprechende Passage des Orriginaltextes zu zitieren? Gegebenenfalls würde das weiteren Aufschluss geben.

Ansonsten würde ich ins Kraut geschossen eine Anmerkung und einen Verdacht dazu haben:

Anmerkung: Neben den fehlenden archäologischen Funden, erscheint es seltsam, dass gerade ein im oströmischen Bereich sitzender Geschichtsschreiber von einer solchen Bewaffnung der Alamannen berichtet, während sich weströmische Quellen, die wesentlich näher am Geschehen waren, anscheinend darüber ausschweigen. Man sollte das eigentlich eher umgekehrt erwarten und wenigstens auch erwarten, dass hier Refferenzquellen vorliegen würden.
Das erhärtet den Verdacht, dass da auf dem Weg, den die Erzählung genommen hat, möglicherweise einiges nicht sauber transportiert wurde.

Der Verdacht (aber der kann auch Murks sein), wäre, dass der Autor möglicherweise nicht so ganz sauber zwischen Franken und Alamannen zu unterscheiden wusste und möglicherweise eine Umdeutung der aufkommenden Franziska vorliegt.


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Edit: Dank an Silesia
 
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An sich kann das nur eine aufgeschriebene Geschichte vom Hörensagen sein, was eben so nach Schlachten kolportiert wird.
Wenn ich mir schon anschaue, was teilweise für ein Schrott an neuzeitlichen Darstellungen zu den Kriegen des 20. Jahrhunderts vorliegt, kann man an solche älteren Darstellungen nur höchst vorsichtig herangehen.
 
Quellenkritisch ist dieser Satz interessant:

Bows and arrows, slings and other weapons capable of hitting a distant target form no part of their equipment.

Langbögen vom Typ Oberflacht gehören zum klassischen Inventar von Alamannengräbern. Nun behauptet Agathias, Fernwaffen wie Pfeil und Bogen benützten die Alamannen gar nicht, dafür aber Doppeläxte und Angones, die er als Mischform aus Speer und Lanze/Spieß beschreibt.
 
Kurz dazu Bachrach in ähnlicher Fragestellung, in:

Procopius, Agathias and the Frankish Military
Speculum, Nr. 3/1970), S. 435-441

Though both Byzantine authors list weapons that were surely used by the Franks, the tactics they describe are otherwise unconfirmed.It must be made very clear that Procopius' and Agathias' accounts only are of limited value for the study of the Franks as an ethnicgroup and of no value if used as a description of the heterogeneous Merovingian military.
 
Curtius Rufus schreibt in seiner Alexandergeschichte, dass die Barkaner (Reiter und Fußsoldaten) mit Doppeläxten und leichten Schilden ausgerüstet gewesen seien:
"Barcanorum equitum duo milia fuere, armati bipennibus levibusque scutis cetrae maxime speciem reddentibus: peditum decem milia equitatum pari armatu sequebantur" (3. Buch, 2. Kap.)


Nicht die Doppelaxt, aber die Streitaxt scheint durchaus zur Standardausstattung der Warägergarde gehört zu haben:
Warägergarde – Wikipedia
Anna Komnena erwähnt in der "Alexias" ausdrücklich (2. Buch, 9. Kap.), dass die Waräger Äxte trugen.


Ein reichhaltige Quelle für die Verwendung von Streitäxten ist auch die "Heimskringla".
 
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Die Frage ist, ob er sich korrekt auf die 'Infanterie' wie gesagt bezieht oder vielleicht nur eine als Besonderheit erwähnte Bewaffnung eines kleinen Teils, vielleicht eines speziellen Gefolges oder von für einen speziellen Zweck bereitgehaltenen Kriegern, falsch als Bericht über die ganze Infanterie bezieht.

Da wir das ohne weitere Quellen nicht beurteilen können, können wir keine angemessene Quellenkritik vornehmen und müssen die Nachricht damit als nicht ergiebig stehen lassen. Fände sich z.B. bei Ammian eine Nachricht etwa über eine spezielle Leibwache direkt gefolgt von einer Erwähnung des alemannischen Aufgebots, dann wäre die Sache beispielsweise klar.

Es gibt natürlich Fälle, in denen wir isolierte Nachrichten stehen lassen, bzw. stehen lassen müssen. Doch hier geht es um eine Sache, von der wir wissen, dass sie oft fehlerhaft überliefert wird und wir haben archäologische Daten und andere Berichte die etwas über die Bewaffnung aussagen und nichts zu diesen Äxten liefern.
 
Um zur Völkerwanderungszeit zurückzukommen: Ammianus Marcellinus erwähnt für die Schlacht bei Adrianopel zwischen Römern und Goten für beide Seiten den Gebrauch von Äxten:
"nostri quoque ultimo cadendi contemptu occursantes receptis gladiis obtruncabant, et mutuis securium ictibus galeae perfringebantur atque loricae" (31,13,3).

Prokopios erwähnt in seiner Kriegsgeschichte (1,21), dass unter Belisars Truppen manche Streitäxte trugen.
 
Curtius Rufus schreibt in seiner Alexandergeschichte, dass die Barkaner (Reiter und Fußsoldaten) mit Doppeläxten und leichten Schilden ausgerüstet gewesen seien:
"Barcanorum equitum duo milia fuere, armati bipennibus levibusque scutis cetrae maxime speciem reddentibus: peditum decem milia equitatum pari armatu sequebantur" (3. Buch, 2. Kap.)

Allerdings rund 200 Jahre nach den fraglichen Ereignissen, ist also ohne Refferenzquellen und archäologische Zeugnisse auch als bestenfalls "unsicher" zu bezeichnen.
 
Ging es bei den großen Doppeläxten nicht nur um zwei Mann unmittelbar beim Kaiser? Kann gerade nicht nachgucken, aber ich habe so etwas im Kopf.
 
Zurück zur Schlacht am Casilinus (554): Delbrück geht auf diese Schlachtbeschreibung in einem eigenen Kapitel ein.(3.Buch Justinian und die Goten, Kapitel 4. Delbrück hält wie oft die numerische Überlegenheit des fränkisch-alamannischen Heeres für unglaubwürdig, und aufgrund des beschriebenen Ablaufs und der beschriebenen Schlachtordnungen (hohler Eberkopf, zu große Distanz für Fernkampf von den Flanken) kann er "den Verdcht nicht unterdrücken, dass diese ganze Erzählung eine freie Fantasie ist, herausgesponnen aus dem einen Wort "Eberkopf". (Delbrück,S441).
Zu den Doppeläxten und der sonstigen Bewaffnung schreibt er nichts. Ich unterstütze da EQ, in zahlreichen alamannischen Männergräbern wurden Bögen, Köcher und Pfeilspitzen gefunden, manche Spitzenformen schienen dazu gedacht Rüstungen und Schilde zu durchdringen.
PDF hier: Rekonstruierte Bögen und Pfeile aus dem alamannischen Gräberfeld von Seitingen-Oberflacht, Lkr. Tuttlingen, Baden-Württemberg, im Germanischen Nationalmuseum | KulturGut : aus der Forschung des Germanischen Nationalmuseums
 
Zuletzt bearbeitet:
Da die Axt ein Hiebwaffe ist, ist es auch eigentlich egal ob die Schneide scharf ist. Ein Knochen der durch die Wucht der auftreffenden Axt gebrochen ist kaput. Also auch der Mann der getroffen wurde mindestens Kampfunfähig. Also spricht in meinen Augen für die Doppelaxt nur das Prestige.
 
Hallo

Ich schließe mich da auch EQ an. Man nenne mir ein alam. Grab mit einer Doppelaxt, das gibt es bisher nicht.

Was die Doppelaxt an sich angeht, so halte ich diese als Waffe, erst Recht, wenn sie nur einhändig geführt wird, als nutzlos. Entweder man benutzt nur 1 Schneide, dann ist die zweite totes Gewicht, das man jedesmal mitschwingen muß. Oder man benutzt für eine Schlag von rechts oben nach links unten Schneide 1 und dann aufwärts von unten nach oben Schneide 2. Das ist aber so sehr dämlich,weil man dann mit der Schneide 2 absolut keine Kraft aufbringen kann, da man das Handgelenk ja nicht um 180° dreht,wie bei einem Schlag mit nur einer Schneide.

mfg
schwedenmann
 
Könnte der Sinn der Doppelaxt nicht darin liegen, dass man zwei Schneiden hat, sodass man die Axt einfach umdrehen kann, wenn eine Schneide kaputt ist?
 
Könnte der Sinn der Doppelaxt nicht darin liegen, dass man zwei Schneiden hat, sodass man die Axt einfach umdrehen kann, wenn eine Schneide kaputt ist?

Da wäre vom praktischen Standpunkt her die Frage, inwiefern das das zusätzliche Gewicht rechtfertigen würde? Das führt wie gesagt zum einen zur schnelleren Ermüdung und stellt somit eine grundsätzliche Hypothek da, außerdem erhöht es beim Einsatz der Waffe ja auch die Belastung des Schafts bei jedem Schlag.

Der Vorteil wäre also eine zweite funktionsfähige Schneide, der Nachteil, dass der Anwender deutlich schneller ermüdet und langsamer ist, wie auch ein erhöhtes Risiko, dass die Axt unterhalb des Kopfes bricht.

Ich persönlich halte das für keinen guten Tausch im Vergleich zu einer normalen Axt, aber das ist jetzt nur meine Privatmeinung.
 
Zurück zur Schlacht am Casilinus (554): Delbrück geht auf diese Schlachtbeschreibung in einem eigenen Kapitel ein.(3.Buch Justinian und die Goten, Kapitel 4. Delbrück hält wie oft die numerische Überlegenheit des fränkisch-alamannischen Heeres für unglaubwürdig, und aufgrund des beschriebenen Ablaufs und der beschriebenen Schlachtordnungen (hohler Eberkopf, zu große Distanz für Fernkampf von den Flanken) kann er "den Verdcht nicht unterdrücken, dass diese ganze Erzählung eine freie Fantasie ist, herausgesponnen aus dem einen Wort "Eberkopf". (Delbrück,S441).
Das relativiert er in den folgenden Sätzen allerdings etwas, indem er lediglich davon ausgeht, dass Agathias eine falsche Vorstellung vom "Eberkopf" gehabt habe. Ansonsten geht er aber dann doch davon aus, dass der Eberkopf die römische Schlachtreihe durchbrechen sollte und dass die Fernkampf-Kavallerie der Römer ihn umschwärmte.

Da die Axt ein Hiebwaffe ist, ist es auch eigentlich egal ob die Schneide scharf ist. Ein Knochen der durch die Wucht der auftreffenden Axt gebrochen ist kaput. Also auch der Mann der getroffen wurde mindestens Kampfunfähig.
Wenn aber die Wucht nicht groß genug ist um den Knochen zu brechen, wird es schon sinnvoll sein, wenn der Getroffene durch die Schneide wenigstens eine Wunde davonträgt.
 
Wenn aber die Wucht nicht groß genug ist um den Knochen zu brechen, wird es schon sinnvoll sein, wenn der Getroffene durch die Schneide wenigstens eine Wunde davonträgt.

Auch eine unscharfe Axt kann Risswunden erzeugen. Bestes Beispiel ist hier das Küchenmesser. Auch hier kann man sich fürchterlich an stumpfen Klingen schneiden. Und die bluten mehr, als bei scharfen Klingen.
Und egal wie verwundet, zur damaligen Zeit war der Wundstarrkrampf und auch der Wundbrand immer ein Begleiter des Menschen.
 
Wer etwas zu Doppeläxten in dieser Zeit schreibt, ist Zöllner, Geschichte der Franken, S. 156. Da Butilin ja als fränkischer Amtsherzog fungierte und nach Zöllner gleichsam offiziös in Italien war, hätte ich mich eigentlich gleich erinnern müssen.

Zöllner beschreibt die Franziska und kommt dann zu einer "quellenbedingten Interpretationsschwierigkeit", da die Axt in Quellen auch als Doppelaxt benannt wird. (Gregor von Tour: "...bipennum suam quod est franciscam..." dt.: "...seine Doppelaxt, was eine Franziska ist..."; Hinkmar, Vita Sti.Remigii, Migne PL125 col 1129: "Francisca quae vocatur bipennis" dt: "eine Franziska, die Doppelaxt genannt wird".) Er nennt verschiedene Erklärungen:

1- Er selbst hält es für einen Topos, da Vergil, Horaz, Ovid, Plinius, Tacitus u.s.w. den Begriff für jede Streitaxt nutzen und die späteren Autoren dies vielleicht einfach übernommen haben.
2- "pinna" sei in der Bedeutung Spitze u.a. bei Cäsar und Quintilian belegt und die Franziska habe in ihrer klassischen Form (die sich ja später änderte) eben zwei Spitzen gehabt. Quintilian schreibe sogar, dass die Streitaxt, weil sie zwei "pinno" hätte, als Doppelaxt würde. Isidor von Sevilla ahme ihn darin nach, dass er zwei Spitzen zwei Flügel gegenüberstelle. Allerdings ist die Quintilian-Stelle nicht ganz klar, da ja nach üblicher Interpretation 'bipennis' wörtlich 'zweiflügelig' heiße und schon 'zweischneidig' eine übertragene Bedeutung ist (nach Georges zur Erklärung der Ablehnung durch Zöllner ergänzt).
3- Wohl als Kuriosum erwähnt er eine ältere Erklärung, dass sich bei den Saliern eine Waffe mit Schneide und Spitze wie bei einem Eispickel entwickelt habe, die daher als 'bipennis' bezeichnet worden sei. Für eine solche Waffe fehlten aber "einigermaßen ausreichende Belege".

Wie auch immer die Erklärung lautet, steckt bei Agathias also wohl die Franziska hinter der Doppelaxt.
 
Wie auch immer die Erklärung lautet, steckt bei Agathias also wohl die Franziska hinter der Doppelaxt.
Danke für die Wiedergabe der Herleitung Zöllners. Ich kenne Franzisken nicht gut genug, um das zu beurteilen mit den zwei Spitzen. Ich habe zwar schon die eine oder andere gesehen und den ein oder anderen Bericht zur Ausgrabung fränkischer Gräberfelder gelesen und die Fundzeichnungen gesehen, aber ich bin leider zu wenig Archäologe, um mich für Formendetails wirklich zu interessieren.
Ich sehe hier allerdings eine Diskrepanz zum Agathias-Text: Die dahinter stehende These wäre ja, dass Agathias die spätlateinische Verwendung von bipennis ins Griechische übersetzt habe. Allerdings sprich Agathias den Alamannen jegliche Fernwaffen ab und die Franziska war nun mal eine Wurfaxt. Klar hatte die eine Reichweite von vielleicht 15 - 30 Metern und wahrscheinlich wird es experimentalarchäologische Untersuchungen geben, wie sinnig ihr Einsatz bei verschiedenen Entfernungen war. Der archäologische Befund steht dem Agathias in diesem Satz vollends entgegen. Und somit meine ich, dass man keine geistigen Klimmzüge (oh, ich plagiiere hier gerade jemanden mit den Klimmzügen) machen muss, um die Doppelaxt bei Agathias irgendwie mit der historischen Realitär der Alamannen und/oder Franken zu harmonisieren.
 
Ich hatte Prokop aus der Liste bei Zöllner nicht erwähnt, da ich mich auf die Zitate beschränkte. Er beschreibe die Franziska als "einfache, aber zweischneidige Axt". (S.156 Anm.4) Das zeigt m.E., dass er sich einer Diskrepanz von Gegenstand und Begriff bewusst war und Agathias kannte nolens volens Prokop, da er ja an ihn anschließt. Auch wenn das natürlich nicht auf die Alemannen-Stelle bezogen werden muss. Eine Rede von Streitäxten, wenn wir wie Zöllner 'bipennis' gleich 'Streitaxt' setzen, kann ja auch einem Barbaren-Topos entsprechen.
 
Hieß, verstehe ich dich richtig, nicht nur die Franziska bipennis? Der folgende Titel legt nahe, dass die Franziska (auch) bipennis genannt wurde: Ulrich Dahmlos: Franzisca – bipennis – securis. Bemerkungen zu archäologischem Befund und schriftlicher Überlieferung. In: Germania, Band 55 (1977), S. 141–165.
Mit zwei Spitzen macht insofern Sinn, da die Franziska an der Schneide insbesondere oben ausgeprägte Spitzen besessen hat, die wohl oft durch Aufprall abgebrochen sind.
Noch ein Abschnitt aus Isidor von Sevilla Etymologiarum libri XX/liber XVIII:
"8] Sica a secando dicta. Est enim gladius brevis quo maxime utuntur qui apud Italos latrocinia exercent; a quo et sicarii dicti. Tranquillus (lud. hist. 195) autem dicit: 'Dum cuiusdam gladiatoris in ludum emissi gladius curvatus fuisset ex acie recta, procucurrit unus ad id corrigendum; tumque a pugnante responsum est: Sic ha pugnabo. Inde sicae nomen datum.' [9] Secures signa sunt quae ante consules ferebantur; quas Hispani ab usu Francorum per derivationem Franciscas vocant. Ea signa portari ne aut usum perderent belli, aut vacans aspectum amitteret gladiorum."
Vergleicht Isidor hier die Äxte in den Rutenbündeln (Fasces) mit den fränkischen Franzisken?
Unten eine experimentalarchäologische Rekonstruktion der Flugbahn aus Dahmlos.
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