Bezeichnung für Jahreszeiten im Spätmittelalter

Teresa C.

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Liebe Forumskolleginnen, liebe Forumskollegen,

ich habe wieder einmal eine Frage zum Spätmittelalter, diesmal 15. Jahrhundert (erstes Viertel).

Eine befriedigende Antwort habe ich bisher nicht bei der eigenen Suche gefunden. Gab es damals für die Jahreszeiten noch andere Bezeichnungen als die heute üblichen (Frühling, Sommer, Herbst und Winter). Kann mir da jemand weiterhelfen?
 
Da im Mittelhochdeutschen sumer Sommer, herbest/hervest Herbst und winter/winder winter hieß, würde ich davon ausgehen, dass dies so geblieben ist.

Beim Frühling dürfte es mit lenze/lentz/langez eher der Lenz sein.

Es gab noch andere Bezeichnungen für die Jahreszeiten, aber das Kleine Mittelhochdeutsche Wörterbuch nennt leider nicht die Zeiten des Vorkommens. Ob z.B. Hornunc, eigentlich der alte Name des Februars, aber auch für den Winter gebraucht, noch im 15.Jh. gebräuchlich war, kann ich nicht sagen.

Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung mag Angaben machen. Da nachzuschauen habe ich erst heute Abend Zeit.
 
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Im systematischen Teil nennt der Grotefend, aber ebenfalls ohne Angabe zu zeitlicher Verortung und mit viel Latein:

Frühling: lenz, glenz, auswärts, ver
Sommer: estas
Herbst: einwärts, laubrise, autumnus
Winter: hiems, iemps, bruma.

Von den noch nicht erwähnten deutschen Ausdrücken kennt das kleine Mittelhochdeutsche Wörterbuch keinen. Entweder sie kommen so selten vor, dass es keine Rolle spielt, sind neuhochdeutsch oder eines der Werke hat einen Fehler gemacht.

Da ich letzteres bei den Jahreszeiten nicht erwarte, würde ich im Sinne der Ausgangsfrage nicht von den zusätzlichen Bezeichnungen ausgehen.
 
Wenn ich mich recht entsinne, sind deine Protagonisten aus dem süddeutschen Raum/bairischen Dialektgebiet, richtig? Kannst/Möchtest du das Gebiet näher einschränken?

Grundsätzlich kannst du Sommer und Winter weiter benutzen. Für Sprecher aus dem bairischen Dialektraum war für Frühling "Auswarts" und für Herbst "Eiwarts" üblicher. Je nach Landstrich aber auch Verschleifungen/Abwandlungen für den heutigen hochdeutschen Lenz (Longs bspw. im bayerischen Oberland) und den Herbst (Hirgst, Hörwescht etc.)
 
Im Grimmschen Wörterbuch (online als DWB zu finden) finde ich Sommer und Winter für die gesuchte Zeit belegt. Herbst und Frühling sind erst später im Gebrauch, Lenz hingegegen konnte schon für das 8. Jahrhundert belegt werden.

Weil ich einen Bezug zu deinem Schreiben vermute:
Nur weil die Wörter existierten, heißt das nicht, sie auch von vielen benutzt wurden. Also beispielsweise könnten die Leute das Jahr mehr nach den zu verrichtenden Arbeiten oder den jeweiligen Festtagen gedacht haben (bei der Aussaat, vor der Ernte, Ostern, Weihnachten etc.). Ich lese recht viele Gerichtsakten des 17. Jahrhunderts -- den Gerichtsschreiber als Medium mal außen vorgelassen -- darin werden vage Zeitangaben häufig über die Kirchenfeiertage "um Ostern herum", "14 Tage nach Martini" oder auch "in der Ernte[zeit]" definiert, manchmal auch Monatsnamen.

Was ich sagen will, ist, dass Personen oder Personengruppen nicht unbedingt in den astronomischen Kategorien der Jahreszeit dachten, sondern mehr in Bezug auf ihre Lebensrealität.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zumindest zeigen die Gerichtsakten, dass sie sich an die Ereignisse in Zusammenhang mit der eigenen Tätigkeit erinnerten. In welchen Zeiteinteilungen geplant oder gedacht wurde, wird komplizierter zu ermitteln sein. Zumal die Einteilung in Jahreszeiten sehr wohl mit Realitäten wie Aussaat und Ernte zu tun hat.

Und ich würde dem neuen Kleinen Mittelhochdeutschen Wörterbuch hinsichtlich des herbest/hervest zubilligen, dass mehr und gründlicher analysierte Quellen benutzt wurden als in Grimms Wörterbuch. (Lexers maßgebliches Handwörterbuch entstand erst später.)

Aber Lili hat natürlich recht, dass man in Deutchland immer den Dialekt berücksichtigen muss. Der Nachteil des Großteils der Mittelhochdeutschen Quellen ist ja, dass eine Hochsprache benutzt wurde. Natürlich belegen sie, welche Wörter es schon gab, aber die alltägliche Sprache war vielleicht konservativer.

Aber auch Naqia liegt nicht ganz falsch: Die Einteilung des Jahres war nicht immer und zu allen Zwecken nur in 4 Jahreszeiten üblich.

Laut Grotefend, der ja ein Praxishandbuch ist, welches zudem als Sammlung des Wissens der deutschen Archivare und Historiker zum Thema gelten kann, sind mehrere Einteilungen zu unterscheiden:

1- Zweiteilung in Sommer und Winter (Dies und die oben erwähnten Belegschwierigkeiten begründeten wohl die veraltete Vermutung, dass Frühling und Herbst im Deutschen zunächst nicht benutzt wurden. Den Klammerinhalt habe ich im Kopf, und bin zu beschäftigt, ihn nachzuschlagen.) Hier gab es unterschiedliche Stichtage. Ich nenne mal die, die der Grotefend für Deutschland nennt:
a- Michaelis (29.Sept.) und Ostern
b- Martini (11.Nov.) und Walpurgis (1.Mai)
c- nur für die Niederlande (meint hier auch Westfalen und Niedersachsen): Matthei (21. Sept.) und Gertrud (17.März) (Für ältere Leute in Ostwestfalen kann ich bezeugen, dass Gertrud bei ihnen immer noch als Ende der kalten Jahreszeit gilt.)
Die Grenzen werden/wurden auch Wintertag und Sommertag genannt.
In Weistümern wird für die Zweiteilung verwendet:
im rise und im love; bi Stroh und bi grase, was natürlich dem jeweiligen Dialekt angepasst werden muss.

2-Dreiteilung nach den Gepflogenheiten der Landgerichte/des ungebotenen Things:
Mittwinter (25.12.), Ostern, Mittsommer (24. Juni) oder
Zwölften (6.1.), Ostern, Pfingsten

3-Vierteilung in Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Hierbei konnten die Zeiträume abweichen:

a- wie heute: Tag- und Nachtgleichen, 'ebennacht' genannt (21. März und 21. Sept.); Solstitien, 'sungichten' genannt, aber nicht einfach nach dem regelmäßigen Datum 21, aber auch ohne Rücksicht auf die Verschiebungen: 25. Dezember und 24. Juni.

b- Die genannten Termine wurden bisweilen auf die XII. Kalenden Januarii, Apr., Jul. und Oct. gelegt. (21. Dezember, 21. März, 20. Juni, 20. Sept.)

c- Verlegung auf die Quatembertage, also Mittwoch bis Samstag nach Invocavit (1. Fastensonntag), Ostern, Pfingsten, Kreuzerhöhung (14. Sept.) und Lucie (13. Dez.)
 
Lenz hingegegen konnte schon für das 8. Jahrhundert belegt werden.
Selbst wenn es uns an derart alten positiven Belegen mangelte, könnten wir anhand des Umstands, dass Lenz uns im Deutschen in lautverschobener Form vorliegt (vgl. ndl. lente, lautunverschoben) festhalten, dass das Wort bereits im Germanischen vorhanden gewesen sein muss. Zumindest in den Dialektgruppen, aus denen das Deutsche und Niederländische hervorgingen.
 
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