(Bild-)Quellen zur Zeit der Nibelungen

Eichelhäher

Aktives Mitglied
Ich bin ein Forum aufgerutscht. Mein nächstes Projekt für einen weiteren illustrierten Roman steht an. ;) Nun, da die erste Auflage von "Darkness over Cannae" fast ausverkauft ist, grase ich weiter die Helden meiner Kindheit ab: Dietrich von Bern wird es wohl sein, was genau, ist noch nicht entschieden. Ich neige stark zum Ende des Nibelungenliedes.

Ich habe mich schon umgetan auf der Suche nach gutem Material (Quellen und Bild), und habe den Forschungsband zur Thidrekssaga von Hanswilhelm Haefs erstanden, ebenso diverse viel versprechende Ospreys (Roman miliary clothing 400-640, The Hun 375-565, Attila and the Nomad hordes). Goten und Franken gibts einige in "Germanic Warrior 236-568" und "Rome's Enemies - Germanics and Dacians".

Ich muss dazu sagen, dass ich mich für die Nibelungen-/Dietrichsage nicht so sklavisch an die Historie gebunden fühle wie bei Hannibal. Ich kann mir zum Beispiel für Dietrich gut ein paar skandinavische und byzantinische Einflüsse vorstellen, um so die Vermengung Dietrich/Thidrek/Theoderich abzubilden, ohne sie historisch erklären zu wollen. Mehr als Osterei für Eingeweihte.

Hat jemand Lesetipps für mich, oder weiteres gute Bildmaterial? Zum Beispiel auch für Architektur/Häuserbauweise? Cannae war da ja einfach, so'n freies Feld stellt weniger Ansprüche als König Etzels Hof...

Wie sah es wirklich mit der Verbreitung des Christentums aus? Die späteren Fassungen von Nibelungenlied etc. sind ja alle in christlicher Zeit entstanden und stülpen das Christentum über die Heldensagen; das wird im 4. Jh wohl unter Franken und Ostgoten kaum verbreitet gewesen sein?

Danke schonmal :winke:
 
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Der Schreiber des Nibelungenliedes stellt sich ja bei König Etzels Hof eine Burg vor. Wenn ich mich dagegen an Priskos richtig erinnere, muss man bei Attila wohl eher an Jurten, z.T. mit fahrbarem Untersatz denken.
 
Ja, genau, das ist einer dieser Anachronismen, die mit der späteren Überlieferung aufgekommen sind. An Jurten habe ich auch schon gedacht.

(Das ist gut für mich - weniger Perspektive. Hauptsache, keine gotischen Gewölbe. :rotwerd: Glücklicherweise kannten ja die Goten noch keine Gotik.)

Die Ospreys habe ich jetzt durchgearbeitet und sie lassen kaum Wünsche offen - damit bin ich visuell schon mal gut bedient. Aber falls noch wem irgendeine Quelle möglichst vieler verschiedener Ornamente aus der frühen Völkerwanderungszeit einfällt...
 
Wie sah es wirklich mit der Verbreitung des Christentums aus? Die späteren Fassungen von Nibelungenlied etc. sind ja alle in christlicher Zeit entstanden und stülpen das Christentum über die Heldensagen; das wird im 4. Jh wohl unter Franken und Ostgoten kaum verbreitet gewesen sein?

Danke schonmal :winke:

Zu diesm Punkt: Im 5. Jahrhundert - wo man im Regelfall die Nibelungensage frühestens mit historischen Ereignissen verknüpft - dienten Germanen in großer Zahl seit fast 100 Jahren im spätrömischen Heer. Nach Autoren wie Heiko Steuer hatte die Armeeausrüstung und -tracht einen großen Einfluss zumindest auf die fränkischen und alemannischen Krieger. Besonders untersucht wurde dies wohl bei den aufwändigen mehrteiligen Gürteln.
Indirekt trifft dies auch auf die Verbreitung des Christentums zu. Nach meiner Ansicht war es den Eroberern des weströmischen Reichs nicht gänzlich fremd. Es war zwar nicht Mehrheitsreligion, aber in Grabfunden tauchen gelegentlich synkretistische Elemente auf, etwa die Verwendung des Kreuzes.
Viele dieser "neuen" germanischen Christen pflegten freilich Glaubensinterpretationen, die sich stark von den Vorstellungen der Kirche unterschieden. Dies ist immer wieder z.B. ein Thema in den "Zehn Büchern Geschichte" des Gregor von Tours.
 
oder weiteres gute Bildmaterial?
Der Tagungsband Frauen im frühen Mittelalter enthält etliches Bildmaterial aus dem 8.-11. Jh.!! Mag sein, dass diese oft nur skizzenhaften, aber authentischen (!) zeitgenössischen Darstellungen unseren heutigen allgemeinen Vorstellungen von Tracht und Habitus der Zeit (a la modernere Historienfilme) nicht so ganz entsprechen, aber dafür sind sie nun mal authentisch und zeichnerisch teilweise wirklich furios (!)
Nein, koloriert ist da nichts.
Bestimmt findest du das lesens- und betrachtenswerte Buch in der nächsten Uni-Biblio.
 
Ashigaru, guter Punkt. Wobei das ja schon stark in die Geschicht eingreift, wen man da christianisiert und wen nicht - da ist ne Menge Spannendes möglich.

Dekumatland: Klingt sehr interessant! Nur ist mir das 8. Jh. arg spät. Ich seh's mir trotzdem mal an; in der Epoche bewege ich mich auch sonst schon mal. Ist das der Band von Hans-Werner Goetz?
 
Dekumatland: Klingt sehr interessant! Nur ist mir das 8. Jh. arg spät.
leider sind bildliche Darstellungen aus dem 6. Jh. noch weiter entfernt von den beliebten Vorstellungen zum Äußeren "germanischer" Krieger und Warlords, z.B. die Mosaiken von Ravenna (Theoderich) sehen recht römisch-byzantinisch aus.
Ja, das ist der Band von Goetz - einige der Abbildungen zeigen auch frühmittelalterliches (fränkisches?) Kriegsvolk mit Speeren, großen Rundschilden und langen Mänteln/Gewändern.
Im Ausstellungskatalog "die Franken", Reiss Museum, findest du eine Rekonstruktion der Tracht eines bewaffneten fränkischen Kriegers ungefähr aus der "Niebelungenzeit", also einen merowingischen Kriegsmann.
 
Ganz neu erschienen ist dieses kleine Heft.

Strassmeier / Gagelmann: Das fränkische Herr der Merowingerzeit. Teil 1: Bekleidung, Trachtzubehör, persönliche Ausrüstung, Rüstung, 2014.

Teil 2 (Schild, Waffen ...) und Teil 3 (Jagd, Pferd ...) sind in Planung bzw. Vorbereitung.

Die Reihe "Heere und Waffen" erscheint in einem Verlag der sich auf Zinnfiguren spezialisiert hat.

Ich habe den erschienen Teil 1 vor kurzem gelesen bzw. angeschaut. Die Illustrationen sind mit viel Liebe zum Detail gemalt worden. Die Quellen und die Literatur wird genannt, wie es sich gehört.
Ich habe schon manches Buch zur Völkerwanderungszeit und Merowingerzeit gelesen, aber das ist wirklich das erste, in dem wirklich systematisch die Ausrüstung durchexzerziert wird. In den Texten wird praktisch von jedem Detail der Illustration die archäologische oder historische Grundlage genannt. Auch unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten und Probleme der Überlieferung wird hingewiesen.
Thema des Heftes sind in erster Linie die Franken und daneben die anderen Stämme des Frankenreiches.

Schwierig wird es bei den Hunnen. Das fällt mir gar nichts ein, außer der die Turmschädel und der Narbenkult. Die Darstellung als wildes Reitervolk passt mit dem edlen Sagen-Etzel der mittelhochdeutschen Dichtung nicht zusammen. Aber vielleicht waren die historischen Hunnen auch Kathaphrakten mit glänzenden Rüstungen und nicht die aus schlechten Filmen bekannte Horden wilder Reiter in Pelz- und Lederkleidung.

Im Mittelpunkt der Nibelungensage stehen Könige und ihre adelige Gefolgschaft. Die Waffen, die Kleidung und auch die Höfe burgundischer, gotischer, fränkischer und romanischer Oberschicht dürfte sich kaum unterschieden haben. Die Germanen jener Zeit haben einen Großteil ihrer Sachen von Römern übernommen, im kleineren Maßstab von den Hunnen. An unterschiedlichen Bestattungssitten kann man diese Volksgruppen teilweise unterscheiden, an der Ausrüstung ihrer Oberschicht zu Lebzeiten aber nicht.

Jeder Laie wird bei einer realistischen Abbildung eines spätantiken römischen Soldaten mit Nasalhelm, Kettenhemd, Rundschild, Hose usw. sofort an einen Wikinger denken.

In Italien haben sich übrigens einige Bauwerke aus gotischer Zeit erhalten.
 
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Gotisch im Sinne von Völkerwanderungszeit? Weißt du, welche?

Das "Heere und Waffen"-Buch habe ich heute beim Suchen auch gefunden, war aber von dem Hannibal-Buch derselben Reihe ziemlich unangetan. ;) Wobei bei dem hier zumindest keine Übersetzung vorliegt, die das Ding insgesamt so runterreißt.

Die Merowinger sind mir auch wieder nen Ticken zu spät... oder gibt sich das in der Völkerwanderungszeit nicht viel?

Da bin ich schon wieder und jongliere mit Jahrzehnten, wo ich extra gemeint hatte, bei den Nibelungen ist die Historie nicht ganz so wichtig...

Jeder Laie wird bei einer realistischen Abbildung eines spätantiken römischen Soldaten mit Nasalhelm, Kettenhemd, Rundschild, Hose usw. sofort an einen Wikinger denken.

Ach wo! Höchstens, wenn der Hörner am Helm und Lederklamotten trägt! ;)

Ich gucke erstmal mit den hier gefallenen Buchempfehlungen weiter, und der Haefs ist vielversprechend. Vielleicht fällt euch dann was ein oder auf, wenn die ersten Produktionsskizzen kommen. :) Danke schonmal!
 
Die Merowinger sind mir auch wieder nen Ticken zu spät... oder gibt sich das in der Völkerwanderungszeit nicht viel?
Die Merowinger sind eine ausgesprochen langlebige Dynastie, ca. 300 Jahre
Nach gängiger Theorie könnten einige früher Merowinger die historischen Vorbilder von Siegfried und Brunhild bilden. Von daher passt das ja schon zusammen. Hierzu gibt es im Forum natürlich seitenweise Diskussion.

Es gibt ein Mausoleum von Theoderich dem Großen in Ravenna.
 
Die Merowinger sind eine ausgesprochen langlebige Dynastie, ca. 300 Jahre. Nach gängiger Theorie könnten einige früher Merowinger die historischen Vorbilder von Siegfried und Brunhild bilden. Von daher passt das ja schon zusammen.

Berühmt berüchtigt ist Brunichildis, an deren "wahnsinniges" Leben voller Intrigen, Mord und Macht teilweise in der Geschichte des Nibelungenliedes erinnert sein könnte.

Brunichild ? Wikipedia

Hierzu gibt es im Forum natürlich seitenweise Diskussion.

Die werde ich mir mal heraussuchen.
 
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Die Merowinger sind mir auch wieder nen Ticken zu spät... oder gibt sich das in der Völkerwanderungszeit nicht viel?
...hm... die sehr prominenten Merowinger Chilperich und Chlodwig sind doch mittendrin in der Völkerwanderungszeit :winke:

als recht wahrscheinliche historische Themen, welche das mittelalterliche Nibelungenlied verarbeitet, sind ermittelt:
- die unbotmäßig gewordene spätantike Grenztruppe der Burgunder wird von Heermeister Aetius mithilfe hunnischer Hilfstruppen schwer gemaßregelt, die Reste der besiegten Burgunder werden in die Sapaudia umgesiedelt (von hier stammt auch das Namenmaterial der Nibelungenstoffs bzgl. der Burgunden/Nibelungenkönige)
- Attila, einerseits als Bedrohung, andererseits speziell die (H)Ildico Hochzeitsnacht... ([h]ildico - Hilde(chen) - Kriemhilde - Etzel)
- völlig ahistorisch spukt Ostgote Theoderich herein, allerdings ohne die klerikale Arianerverketzerung, sondern stattdessen als Superheld
- Andeutungen german. heidnischer Überlieferungen/Sagenstoffe (Brynhild als Walküre, von Wotan/Odin eingeschläfert, aber von Sigurd erweckt)
- Brunichildis-Fredegunde-Sigibert: der bekannte Merowingerkrimi :)
- evtl. die Badeszene in Sachen Hildebad und Uraias in der ostgotischen Geschichte nach Theoderich (jedenfalls bezeichnet Wolfram diese Episode in seinem glänzenden Gotenbuch als nibelungisch)
- diverse Einsprengsel aus der Zeit der Abfassung des Nibelungenlieds (frühes 13. Jh.) ((Rüdiger von Bechelarn usw - da gibts regalweise Literatur, als Übersicht völlig ausreichend ist der Kommentar im zweisprachigen Reclam)

Wenn es also um historisch passende Kostüme geht, wenn dabei der Nibelungenstoff partout in die Völkerwanderungszeit lokalisiert werden soll, dann genügt doch, was man über spätantike Truppen (germanische wie hunnische) weiß (Trachten, Bewaffnung usw.) - aber dann sollte alles gar zu höfisch-christliche des Hochmittelalters (Gang zum Münster usw.) weggelassen werden

...was ich immer wieder faszinierend finde: der "Untergang" der Burgunden, die ja tatsächlich nicht total untergingen, sondern umgesiedelt wurden und sich danach konsolidierten - warum ist diese Randepisode so prominent in der Sagenstoffe-Überlieferung geworden? Die Schlacht auf den katalaunischen Feldern kurz danach schaffte es nicht in diesen Überlieferungskanon, obwohl sie weitaus bedeutsamer war (historisch), die Barbarenheere, die den zugefrorenen Rhein überschritten, in Gallien marodierten, in Spanien ansässig wurden und sogar bis Tunesien kamen (Geiserich) tauchen gar nicht als Sagenstoffe auf... seltsam

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Nachtrag: mir fällt grad noch was ein - der Sonderband zu Fibeln des RGA. Da sind archäologisch "gesicherte" schwarz-weiß Zeichnungen zur german. Tracht der Spätantike
 
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Maglor: Klar, das Mausoleum! Da gehe ich auch mal gucken.

Heine: Spannend; danke!

Dekumatland: Ich meinte, innerhalb der Völkerwanderungszeit - ich kann momentan noch nicht beurteilen, ob es große Unterschiede von 370 nach 600 gab, zum Beispiel, dazu müsste ich erst tiefer einsteigen. Die Illustratorin in mir würde sich jedenfalls über die späteren Lamellenpanzer extrem freuen. ;) Eventuell mische ich auch die Elemente ganz bewusst. Ebenso, wie die Sagen selbst ein Amalgam sind. Das wäre ein ziemlich guter und befreiender Ansatz.

Danke für deinen tollen Post; der fasst sehr vieles sehr gut zusammen und hilft mir sehr weiter! Die Vermeidung der hochmittelalterlichen Elemente ist definitv das, was ich will, ja. Da hat ja sogar Wolfgang Hohlbein mit seinem "Hagen von Tronje" einen Ansatz gewählt, den ich mit 15 äußerst spannend fand, was die christliche Frühzeit angeht und Hagen als das Relikt aus älterer Zeit.

Das muss jetzt alles erstmal wirken.
 
Neh, den mochte ich noch nie! ;)

Ich tendiere zum Ende der Nibelungen an Etzels Hof. (Kommentar eines Freundes: "Du magst es gern blutig, oder?") Dadurch vermeide ich auch die charaktertechnisch sehr schwierige Brunhild. Nur um Kriemhild komme ich dann wohl nicht rum...
 
Die Merowinger sind eine ausgesprochen langlebige Dynastie, ca. 300 Jahre
Nach gängiger Theorie könnten einige früher Merowinger die historischen Vorbilder von Siegfried und Brunhild bilden. Von daher passt das ja schon zusammen. Hierzu gibt es im Forum natürlich seitenweise Diskussion.

Es gibt ein Mausoleum von Theoderich dem Großen in Ravenna.

Tatsächlich wurde der lange Streit der Königin Brunichild bzw. ihrer jeweiligen Gemahlen mit anderen Merowingern, der von 575 bis 613 dauerte, und indem sich das Haus beinahe selbst auslöschte, gelegentlich als einer der Stoffe gedeutet, die ins Nibelungenlied einflossen.
 
Ich lese grade mit zunehmender Faszination den Band des Germanisten Hanswilhelm Haefs, der die kompletten Ursprünge der Sage, einschließlich "Attila", "Bern" und "Theoderich", einen Steinwurf von meiner Haustür entfernt verortet (von der Voreifel über Kornelimünster bis Bonn), und die bekannteren Helden und Schurken sind dann irgendwann in die Überlieferung geraten, weil die Donau halt bekannter ist als die Dhünn, und Theoderich bekannter als irgendein Frankenprovinzkönig namens Didrik.

Absolut faszinierend.
 
Der Schreiber des Nibelungenliedes stellt sich ja bei König Etzels Hof eine Burg vor. Wenn ich mich dagegen an Priskos richtig erinnere, muss man bei Attila wohl eher an Jurten, z.T. mit fahrbarem Untersatz denken.
Das sollte man militärisch nicht unterschätzen. Ich assoziiere mal die unbezwingbaren Wagenburgen der Hussiten.
 
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