Bögen auf dem Balkan - Interpretationsproblemarbeit

Kalojan

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Bögen auf dem Balkan


Innovationsresistenz oder Fehlinterpretationen?


Das Problem:


Das Problem, das bei der Behandlung mit diesem Thema auftaucht, lässt sich am ehesten Anhand von 2 Zitaten aus 3 Büchern (Das erstere Zitat taucht fast 1 : 1 gleich in 2 Büchern auf, da vom selben Autor):

The Roman Bow was about 1m long when strung and smoothly recurved, rather than having distinct “ears” in the Central Asian Style.
Dieses Zitat in 2 Büchern von Timothy Dawson , “Byzantine Cavalryman c.900-1204“ und „Byzantine Infantryman Eastern Roman Empire c.900-1204“, die beide im Osprey Publishing Verlag erschienen sind, auf.

Die in diesen 2 Büchern vorkommenden Rekonstruktionen sind daher auch dieser Beschreibung entsprechend:

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Byzantine%20Infantryman/2.jpg

„Byzantine Infantryman Eastern Roman Empire c.900-1204“, Timothy Dawson, Osprey Publishing Verlag

Etwas andreres steht in einem weiteren Werk, das bei Osprey Publishing geschrieben steht. Das Buch ist allerdings von Ian Heath geschrieben, mit dem Namen „Byzantine Armies 886 – 1118“:

The Byzantine bow was a composite weapon, 45 – 48 Inch long (114 cm - 121 cm) with short, powerful limbs, probably originally adopted from the Huns.
Es sind 2 widersprüchliche Daten, die hier wiedergegeben wurden.

Grundlagen:


Die in diesen 3 Büchern beschriebenen Bögen entsprechen völlig verschiedenen Typen. Der bei Timothy Dawson beschriebene Bogen ist mit einem Typus verwandt, den wir heute als „skythisch“ bzw. „skythenzeitlich“ bezeichnen würden: Die Bögen hatten, wie auch auf dem Foto oben zu sehen, eine sanft geschwungene Form. Diese „ears“, wie sie in Timothy Dawsons Zitat genannt werden, werden in der Fachsprache mit dem arabischen Wort „siya“ bezeichnet, bzw. im russischen als „Fischschwänze“. Es sind die Wurfarmenden von Reflexbögen, die meistens mit Horn verstärkt wurden.

Genau anders eben, als im Zitat von Ian Heath: Der von ihm beschriebene Bogen entspricht den hunnenzeitlichen Bögen wie zB der Typen „Aktobe II“ und „Minfeng, die Mitte des 5. Jahrhunderts nach Christus bzw. sogar schon im Mitte bis Ende 3., Anfang 4. Jahrhundert in Europa auftauchen, und den awarenzeitlichen Bögen, die im 6. Jahrhundert in Europa auftauchen. Diese Bögen verfügen bereits über die beschrieben Siyas, was ihren Auszug weicher macht als bei Bögen des von Timothy Dawson beschriebenen Typus.

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/imagesAwarenbogen8.jpg
http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/imagesAktobeIIMain.jpg
http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/MinfengBogen2.jpg

Oben, Rekonstruktion einess Awarenbogens Typ Szentes, Mitte Rekonstruktion des hunnenzeitlichen Bogens Aktobe II, unten Rekonstruktion des Minfeng-Bogens, erstellt bei Marook-Armouries

Beweismittel A: Zeitgenössische Abbildungen in Chroniken und Wandmalereien:



http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Manasses Chronicle/65-manasses-chronicle.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Manasses Chronicle/42-manasses-chronicle.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Armbrster.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Manasses Chronicle/63-manasses-chronicle.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/...th - Medieval Armies 2/BulgarischerReiter.jpg

Abbildungen bulgarischer Schützen; Manasses Chronik

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Ian Heath - Medieval Armies 2/Byzantiner.jpg

Abbildungen aus verschiedenen byzantinischen Chroniken

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Ian Heath - Medieval Armies 2/Ungarn.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Ian Heath - Medieval Armies 2/Rumnen.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Ian Heath - Medieval Armies 2/Kumane.jpg

Oben Ungarische, in der Mitte Rumänische, unten ein kumanischer Soldat, Kepes Kronika

Die hier gezeigten Darstellungen aus Chroniken decken sich mit den Darstellungen von Timothy Dawson: Nicht ein Bogen, bei dem sowas wie Siyas dargestellt sind, ausgenommen beim ersten Bild aus der Manasses Chronik, bei dem man bei den Bogen des Reiters, der sich gerade in die Festung zurückzieht, leicht sowas wie Siyas erkennen kann.

Interessant in diesem Kontext zu sehen, ist das Detail einer Darstellung aus einem serbischen Kloster:

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/untitled_116.jpg

Bei dieser Darstellung ist die Ausrüstung sehr detailliert dargestellt, und speziell auf dieser Großaufnahme zu sehen ist, dass bei diesem Bogen deutlich Siyas zu sehen sind.

Beweismittel B: Archäologische Funde:


http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/stryki_122.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/img_0016_181.jpg

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/img_0002_389.jpg

Funde von Siyas aus Bulgarien

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Bulgarequipment-1.jpg

Rekonstruktion einer bulgarischen Ausrüstung, vermutlich 8. Jahrhundert.

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/109_0831_170.jpg

Funde von Siyas aus Serbien.

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/photo-0442_139.jpg

Serbischer Bogen, 14. Jahrhundert, Militärmuseum Belgrad

Die Funde der Siyas aus Bulgarien, erinnern stark an diese, die man bei den magyarischen Bögen der Landnahmezeit, sprich 9. Jahrhundert, finden kann. Dieser Typus war für eine lange Zeit dominierend, zumindest bis zum Einfall der Mongolen und Tataren mit ihren Bögen Mitte des 13. Jahrhunderts.

Der Serbische Bogen aus dem 14. Jahrhundert, entspricht dem Typus, den die Osmanen verwendeten, wenn auch in etwas einfacherer Ausführung. Dieser Bogentypus dominierte wohl den Balkan für eine lange Zeit, beginnend im frühen bis mittleren 14. Jahrhundert.


Schlussfolgerungen:


Im Rückblick, und im Angesicht der Beweismittel, lag wohl Timothy Dawson mit seinen Schlussfolgerungen falsch: Die Bögen auf dem gesamten Balkan, hatten genau wie die Bögen die in Byzanz verwendet wurden, Siyas. Man könnte also kurz zusammenfassen, wie die Bögen auf dem Balkan vom 7. Jahrhundert bis zur Ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aussahen:

Gespannt ca. 100 cm bis 122 cm lang (vermutlich später auch länger, bis 135 cm).

Leichte bis keine Asymmetrie, zugunsten eines längeren oberen Wurfarms

Die Wurfarme endeten in Siyas.

Gegen ende der Ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis etwa Ende des 13. Jahrhunderts, kamen zu den vorherigen Merkmalen Sehnenbrücken hinzu.

Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts kamen allmählich die Bögen der Osmanen und Krim-Tataren auf den Balkan, und verdrängten die vorherigen Bogentypen aufgrund ihrer höheren Durchschlagskraft und dem stärker werdenden Einfluss der Osmanen und Krim-Tataren auf den Balkan.

Weiters lässt sich Schlussfolgern, dass man vorsichtig mit der Deutung von Bildern aus Chroniken sein sollte, da die Details sich weniger mit den archäologischen Funden decken. Interessant zu erwähnen ist, das alle hier geziegten Bilder aus den Chroniken im 14. Jahrhundert entstanden, also der Zeit, als der osmanische Bogen bzw. der krim-tatarische Bogen Einzug fanden. Zum Abschluss wäre also ein Vergleich mit einem Bild aus einer Chronik sowie einer Rekonstruktion eines Bogens der Osmanen ergibt.

http://www.grozerarchery.com/htm/torok/alap/1.gif

http://i664.photobucket.com/albums/vv10/SergejKorolev/Manasses Chronicle/42-manasses-chronicle.jpg


Quellen:


Autor Verlag Buch



Timothy Dawson Osprey Publishing Byzantine Cavalryman c.900-1204
Byzantine Infantryman c.900-1204


Ian Heath Osprey Publishing Byzantine Armies 886-1118


Wargames Research Group Armies of the Middle Ages, Volume 2



uvm.



www.marook-armouries.de
 
Zuletzt bearbeitet:
Die in diesen 3 Büchern beschriebenen Bögen entsprechen völlig verschiedenen Typuses.

Über dieses Wort musste ich gerade wirklich nachdenken. Dachte zuerst, es wäre ein englisches Bognerfachwort mit dem Bestandteil use.

Die korrekte Pluralform ist Typen, wie Du sie auch an anderer Stelle verwendest.
Denk es dir einfach so: Zwischen Typus und Typ gibt es nur den einen Unterschied, dass die (graeco-)lateinische Endung (-os/)-us mal wegfällt, mal nicht. Der deutsche Plural ist aber immer gleich.

Und wenn Du unbedingt aus Typus einen Plural bilden möchtest, der nicht Typen lautet, dann wenigstens *Typusse

Sorry fürs Schlauschieten, aber das bin ich mir als Gründer der Gruppe Orthographische Pedanterie einfach schudig.
 
Eingehendes über die Geschichte des Reflexbogens kann man in dem vor kurzem im Verlag Angelika Höring erschienenen Buch "Reflexbogen, Geschichte u.Herstellung" nachlesen. Dies ist die umfassenste in deutscher Sprache vorliegende Publikation zum
Thema Reflexbogen.
 
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