Bornholmer Straße (ARD)

Stefan70

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Liebe Historiker und Geschichtsinteressierte,

wer hat den gestern in der ARD den Film Bornholmer Straße gesehen und wie fandet ihr ihn?

Ich freue mich auf eure Antworten.

Stefan
 
Liebe Historiker und Geschichtsinteressierte,

wer hat den gestern in der ARD den Film Bornholmer Straße gesehen und wie fandet ihr ihn?
Ich fand ihn ganz gut . Es muss auch tatsächlich so gewesen sein, dass alle ,die etwas zu sagen hatten, auf Tauchstation gegangen waren und die überforderten Grenzer überhaupt nicht wussten, was sie tun sollten. Wer in der DDR seinen Wehrdienst abgeleistet hat, kannte genügend solche Offiziersfiguren, wie sie in dem Film dargestellt wurden. Ich fand die gar nicht so sehr karikiert, die waren wirklich so.
 
Ich fand die gar nicht so sehr karikiert, die waren wirklich so.

Na ja, teilweise war's schon grotesk, wie z.B. 5 Mann eine Leiter holen, oder man sich kindisch freut, endlich einen Befehl erhalten zu haben. (*hüpf*)
(Den mehr oder weniger besoffenen Oberst vor seinen Telefonen mag es vielleicht gegeben haben.)

Aber ich mochte das, und trotz - oder wegen - dieser teilweise recht speziellen Art:
Der Film vermittelte einen sehr guten Eindruck, wie es sich zugetragen haben muss*, unter welchem Druck die Personen standen, wie das System funktionierte bzw. versagte, und wie menschlich auch ein DDR-Grenzer sein konnte.

Insgesamt ein sehr schøner Rueckblick an eine aufregende Zeit.
Und man ist geneigt, Dankbarkeit zu zeigen, dass da ein paar ganz wenige Menschen einen klaren Kopf behalten haben und die richtigen Entscheidungen trafen.
Man mag sich nicht vorstellen, wie das geendet hætte, wæren Schuesse gefallen.

* ein Teil Fiktion inclusive

Gruss, muheijo
 
Na ja, teilweise war's schon grotesk, wie z.B. 5 Mann eine Leiter holen, oder man sich kindisch freut, endlich einen Befehl erhalten zu haben. (*hüpf*)
(Den mehr oder weniger besoffenen Oberst vor seinen Telefonen mag es vielleicht gegeben haben.)
Die Freude über den Befehl kann ich sehr gut nachvollziehen. Die bewaffneten Organe der DDR waren steng hierarchisch aufgeteilt und ohne den Befehl eines Höheren ging nichts. Man muss sich vorstellen, dass eine so schwere Entscheidung, wie das Öffnen der Grenze mit einem Hochverratsprozess hätte enden können. Dass keiner dafür den Hut aufhaben wollte ist doch verständlich.
Besoffene Offiziere waren übrigens keine Seltenheit.
Solche Witzfiguren, wie den kleinen Schreihals, der ständig mit dem Hund hantierte gab es ebenfalls in der NVA, Bereitschaftspolizei ,etc. Mich erinnerte der unheimlich an den Zugführer, unter dem ich gedient habe. Das war auch so eine Witzfigur ,der man ansah, dass sie in der Schulzeit immer die Klassendresche bekommen hat und nun in einer Uniform endlich etwas darstellen konnte.
 
Dafür, dass der Film von der ARD so intensiv beworben wurde - mit Themenabend -, fand ich den Film eher schlecht. Vom Drehbuch und der Regie her. Die Schauspieler blieben blass, was auch an Drehbuch und Regie lag. Der Film wollte zu viel. Er wollte zum einen die Problemsituation der Grenzer und das Leiden der Masse, also die ganze Absurdität der Situation und das Seelenleben der Dabeigewesenen darstellen, zum anderen aber auch den Fernsehzuschauer ansprechen, der bei allzu schweren Themen lieber ins Dschungelcamp oder auf den Comedykanal schaltet.

Was mir missfallen hat, war der Klamauk. Der Anfang mit dem Hund hätte nicht sein müssen. Ja, er sollte die Absurdität des Grenzregimes darstellen, verstanden, aber das war dann doch recht lächerlich. Auch dass quasi der Grenzübergangsstau und der Stau in Oberstleutnant Schäfers Darmregion zueinander in Beziehung gesetzt wurden, gehört für mich in die Kategorie verzichtbarer Klamauk. Man hatte den Eindruck, Drehbuch und Regie konnten sich nicht einigen, ob sie einen ernsthaften Film oder eine Komödie machen sollten. Entsprechend endete dann auch der Film mit dem Satz der Ehefrau, die von den nächtlichen Ereignissen an der Grenze nichts mitekommen hat mit: "Darüber macht man keine Witze."

Dabei gab es wirklich gute Ansätze. Die Öffnung der Grenze stellte den ganzen Lebenssinn der Grenzer in Frage, insbesondere dann, wenn sie seit 28 Jahren dabei waren. Das wurde angerissen, aber nicht vertieft. Die inneren Konflikte blieben einfach zu oberflächlich dargestellt, weil der Film zu vollgestopft war.

Man hätte aus dem Film wesentlich mehr machen können, wenn man sich fokussiert hätte. Oder wenn man sich dafür entschieden hätte, einen ernsthaften Film oder eine Komödie zu machen (eine Komödie kann ja auch eine Art sein, sich einem ernsten Thema anzunähern, siehe etwa die Holocaustfilme Zug des Lebens oder Das Leben ist schön). Allein die Story mit den jungen Grenzbeamten, der den Drücker nicht betätigen will, weil seine Freundin auf der anderen Seite der Gittertür steht, hätte einen ganzen Film ausfüllen können. Aber so blieb der Konflikt zwischen den beiden oberflächlich, was symptomatisch für den Film war.
 
Warum muss Kommödie und Tragödie immer so streng voneinander getrennt werden. Das Leben besteht aus beidem und die DDR sowieso. Auch die Öffnung der Grenze hatte durchaus eine komische Seite. Ein Bollwerk, welches Jahrzehnte unüberwindlich war ,öffnet sich auf Grund einer Fehldeutung der Pressekonferenzmeldung von Schabowski, durch die Bevölkerung . Der hatte überhaupt nicht gesagt, dass die Grenze sofort offen ist ,sondern dass Visa kurzfristig erteilt werden und diese Regelung unverzüglich gilt. Visa wurden doch nicht an der Grenze sondern bei den Behörden erteilt. Dass alle, die etwas zu sagen hatten, nicht erreichbar waren, hatte der echte Grenzoffizier schon oft in Interviews erzählt.
Es ist auch eine Ironie der Geschichte, dass eine Figur wie Schabowski, der wahrscheinlich längst vergessen wäre, durch diese Pressekonferenz unsterblich geworden ist und einen vollkommen unverdienten Platz in der Weltgeschichte bekommen hat.
 
Warum muss Kommödie und Tragödie immer so streng voneinander getrennt werden.
Das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil, ich habe auf Filme verwiesen, wo das sehr gut gelungen ist. Hier hatte man den Eindruck, dass das vielleicht mal das ursprüngliche Konzept des Films gewesen ist, aber es zu mehr als Klamauk nicht gereicht hat.
 
Das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil, ich habe auf Filme verwiesen, wo das sehr gut gelungen ist. Hier hatte man den Eindruck, dass das vielleicht mal das ursprüngliche Konzept des Films gewesen ist, aber es zu mehr als Klamauk nicht gereicht hat.

Das kannst Du als Wessi wahrscheinlich gar nicht nachvollziehen, aber der größte Teil des DDR-Wehrdienstes war noch viel größerer Klamauk. Würde man da manches, was ich selbst dort erlebt habe verfilmen, wäre die Kommödie perfekt. Insbesondere die Lächerlichkeit dieser Offiziere und Unteroffiziere, die ohne einen Befehl gar keine vollwertigen Menschen waren, fand ich absolut gelungen. Die waren einfach so.
 
Ich teile die Bewertung von El Quijote aus Beitrag 5.

Ich gehe sogar noch einen schritt weiter und finde den Klamauk total übertrieben und unangebracht. Den Film würde ich unter Unterhaltsam einstufen, aber ohne historischen dokumentarischen Anspruch. Vergleichbar mit Sonnenallee oder God by Lenin.

Der innere Widerspruch der Grenzer sollte so an einer einzigen Handlung nicht ins Lächerliche gezogen werden, denn immerhin haben die Angehörigen der Grenze, Jahre lang Menschen schikaniert bis hin zum kaltblütigen morden. Die Darstellung im Film suggeriert, dem Zuschauer, daß die Jungs ja garnicht so schlimm waren, mehr nur Witzfiguren und das waren diese Leute ebend nicht.

Ich finde dann solche Filme, wie Das Leben der Anderen wesentlich näher an der Problematik, die ein Film kritisch darstellen und übermitteln möchte.

Nein, der Film über den Grenzübergang "Bornholmer Straße" war nur lustige Unterhaltung, leider.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Darstellung der Befehlskette habe ich gar nicht kritisiert.
Sicher ist der Film kein großes Meisterwerk aber als total misslungen würde ich ihn nicht bezeichnen. Die Blassheit der Schauspieler deckt sich durchaus mit der Farblosigkeit solcher Befehlsempfänger, die immer nur das tun, was ihnen ein Höherer anweist und alles brav nachbeten ,was von ihnen verlangt wird. Solche Leute gibt es überall und in jeder Gesellschaftsform und meist besitzen sie leider eine gewisse Macht.
 
Sehe ich genauso wie Galeotto.
Seine beiden Beiträge treffen es.

Waren ein paar sehr starke Szenen dabei (z.B. Lehrerin die zu ihrer Tochter wollte u.a.).

Auch wenn’s zu diesen Zeitpunkt in der DDR überall brodelte, man also meinen könnte, die müssten doch darauf vorbereitet sein, ist gut vorstellbar, das Grenzpersonal hat es kalt erwischt. Jedenfalls war das gut im Film herausgearbeitet worden.

Für mich deshalb gut gelungen die Darstellung der Grenzer zwischen Pflichterfüllung, aufkommender Angst der Situation nicht mehr gewachsen zu sein und dabei zwangsläufig auch entstehenden grotesken Situationen (z.B. Leiter zur Einschätzung der Lage).

Und dann dieser Oberst.
Der war Spitze!
Ein Parteisoldat vom Scheidel bis zur Sohle.
Er wusste genau, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen wo auch in seinem Bereich alles den Bach herunter geht.
Und genau passend dazu hörte er sich die Platte mit dem Lied von Ernst Busch an: „Nur auf die Minute kommt es an“. Über den Telefonhörer konnte ja auch der Kommandeur mithören.
Sehr, sehr starke Szene!!!

Heute lese ich in der Presse, der regierende Bürgermeister von Berlin – West Momper wurde schon sehr frühzeitig seitens der DDR informiert dass die Mauer geöffnet wird.
Am 06.11.1989 teilte dies Momper den Bundeskanzler Kohl mit.
Dem vorausgegangen war wohl ein Geheimgespräch mit Günter Schabowski. Beide haben sich Ende Oktober im Ost-Berliner Palast Hotel auf Wunsch von Schabowski getroffen.
Der Senat bildete daraufhin eine Arbeitsgruppe (Anzahl Grenzübergänge, Besucheransturm teilweise mit PKW) und die Stadtkommandanten der Alliierten wurden informiert.

Der Zeitplan, angedacht war wohl der Dezember, geriet allerdings völlig durcheinander, weil Schabowski bei der legendären Pressekonferenz da herumzustottern sagte: "Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort, unverzüglich".

G. Schabowski ging ja dann ins Hessische und war von 1993 – 1999 in Rothenburg an der Fulda als Redakteur für die „Heimatnachrichten" tätig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der innere Widerspruch der Grenzer sollte so an einer einzigen Handlung nicht ins Lächerliche gezogen werden, denn immerhin haben die Angehörigen der Grenze, Jahre lang Menschen schikaniert bis hin zum kaltblütigen Mord.
Da teile ich Deine Meinung nicht. Man muss die Lächerlichkeit solcher Systeme darstellen.
Die Situation an dem Tag der Maueröffnung war einfach Realsatire. Auch Mielke war lächerlich, mit seiner berühmten Rede in der er erklärte, dass er alle Menschen liebt, trotz seiner unerhörten Macht und Verbrechen . Eichmann erwies sich als jämmerliche Figur vor Gericht. Alles hat zwei Seiten.
Letztendlich war dieser Tag doch auch einer der Glücklichsten des 20. Jh.s. Warum soll man ihn nicht so darstellen. Es gibt ja auch Filme, die die Grausamkeit des Grenzregimes zeigen. An diesem Tag waren sie aber eben mal nicht brutal .
 
Letztendlich war dieser Tag doch auch einer der Glücklichsten des 20. Jh.s. Warum soll man ihn nicht so darstellen. Es gibt ja auch Filme, die die Grausamkeit des Grenzregimes zeigen. An diesem Tag waren sie aber eben mal nicht brutal .

Das stimmt, da gebe ich dir Recht. Aber bei den Thema war ich nicht auf soviel Witz eingestellt. Ich habe mich bei dem Film dennoch köstlich amüsiert.
 
Die Blassheit der Schauspieler deckt sich durchaus mit der Farblosigkeit solcher Befehlsempfänger,

Ich meine nicht, dass die Blässe beabsichtigt war sondern an der Umsetzung des Filmes lag. Wie gesagt, die Geschichten wären da gewesen. Also die Konfrontation zwischen dem Liebespaar - er Grenzer, sie Eingesperrte - bespielsweise. Das hätte man - gleichsam als Kammerspiel im großen Ganzen - vertiefen können.
 
Ich meine nicht, dass die Blässe beabsichtigt war sondern an der Umsetzung des Filmes lag. Wie gesagt, die Geschichten wären da gewesen. Also die Konfrontation zwischen dem Liebespaar - er Grenzer, sie Eingesperrte - bespielsweise. Das hätte man - gleichsam als Kammerspiel im großen Ganzen - vertiefen können.

Ich verstehe, was du meinst, und deine Kritik auch von weiter oben bezuegl. Klamauk ist sicher nicht ganz unberechtigt.
Aber dein Kammerspiel wære sicherlich erst gegen 23.30 im Fernsehen gelaufen, mit entsprechendem geringen Zuschauerquoten.
Insofern ist's mir lieber, dass die Erinnerung der breiten Masse zugænglich ist, und der Klamauk hat die starken Szenen nicht ueberdeckt.

Ist's wirklich schon 25 Jahre her???

Gruss, muheijo
 
Ein Erzählstrang des Filmes ging ja auch in die Richtung, dass es absolut nicht ausgemacht war, dass der Abend des 9. November unblutig verlaufen würde. Man denke an den Streit im Hinterzimmer: Die MGs liegen auf dem Tisch und das Scharfschützengewehr wird auch dazugeholt. Der Film beansprucht für sich nah am historischen Geschehen geblieben zu sein. Die Hauptperson Harald Schäfer basiert auf dem realen an der Bornholmer Straße diensttuenden Oberstleutnant Harald Jäger. Wie nah ist diese Szene an der Realität?
 
Mit Kammerspiel war nicht unbedingt das gemeint, was wir im Theater oder auf 3sat oder arte des Nächtens zu sehen bekommen, sondern eher eine Einbettung dieser Beziehungsgeschichte, in der ja auch die ganze Dramatik der Nacht lag, in das Geschehen an der Bornholmer Straße, als pars pro toto.
 
Man wollte wohl hauptsächlich das Dilemma des diensthabenden Offiziers darstellen, davon wäre durch die Liebesgeschichte abgelenkt worden.
 
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