Brauche Hypothesen zu "Flucht und Vertreibung"

G

Gast_Paed

Gast
Hallo,

ich studiere Pädagogik und bin nun als fachfremder mit einem Geschichtsthema konfrontiert. Ich muss / möchte eine Dokumentenanalyse schreiben. Als Texte habe ich mir zusammen mit dem Dozenten die "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" ausgesucht, da mich das Thema zumindest generell persönlich interessiert.

Zum Vorgehen bei der Dokumentenanalyse sei gesagt, dass ich zumindest etwas theoriegeleitet arbeiten muss. Dass heißt, ich brauche einige Hypothesen bzw. Kernfragen zu dem Thema.

Ich wollte aber nicht sowas eher spezielles wie "Gab es Vergewaltigung" / "Wie langer war man interniert" / "Wurde euch all euer Besitz geraubt" etc. nehmen, sondern eher "globalere" Ansätze. Ich habe z.B. an die Hypothese "Hitler hat Schuld an unserem Elend" gedacht. Aber so ganz zufrieden bin ich damit auch nicht.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mir mit ein paar Ansätzen aushelfen könntet.

Achso, zweiter Punkt:

Das Vorgehen ist ja wegen der historischen Quelle auch eher "historisch" als pädagogisch. Ich hab jetzt zwar in Auszügen die Bücher von Ahasver von Brand gelesen und dazu auch das Werk von UTB "Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit" aber ein bisschen generelles zu Quellenkritik und Umgang mit Quellen würde mich auch weiterbringen. Dazu auch gleich noch eine Frage:

-> Kann ich die vorgeschlagene Dokumentation als "Massenhaft gleichförmige Quellen" klassifizieren? Das Buch geht da zwar von Formularen etc. aus, aber in der Dokumentation geht es ja letztlich auch darum, über die einzelnen Schicksale der Personen auf die großen Leitlinien von Flucht und Vertreibung zu schließen

Danke für eure Hilfe

Hanna
 
Hallo Gast,

du könntest vielleicht untersuchen, wohin denn die Vertriebenen eigentlich "verteilt" wurden. Ich habe da vor einiger Zeit eine Grafik gesehen und erstaunt festgestellt, dass z.B. in NRW oder der Pfalz nur relativ wenige Vertriebene gelandet sind, in Bayern dagegen massenhaft.

Mögliche Gründe? Nun, manche Gebiete (z.B. das Ruhrgebiet) waren ungleich stärker vom Krieg geschädigte als andere (Bayern irgendwo auf dem Land). Außerdem war es ja damals gar nicht so einfach, die Flüchtlinge irgendwo hinzubringen. Die Bahnlinien waren ja beschädigt und ohnehin überlastet.

Es wurde damals übrigens von offizieller Stelle entschieden, wer wohin kam. In unserer Familie sah das so aus, dass meine Großmutter nach Oberfranken kam, weil sie schon verheiratet war, ihre Geschwister aber nach Donauwörth, weil sie eben noch nicht verheiratet waren. Gut, heute ist diese Entfernung egal - 2 Stunden mit dem Auto und man ist da. Aber ich denke, für damalige Verhältnisse bedeutete es, dass man seine Geschwister erst einmal eine Weile nicht mehr sah.

Schöne Grüße

Petra
 
Literatur zu Flucht und Vertreibung

Hallo,

ich hab momentan ein wenig Probleme aus der Vielzahl der verfügbaren Literatur, Aufsätze, Sammelbände etc. das Passende Herauszufinden.

Ich suche Literatur (egal ob Aufsatz oder Monographie, etc.) zum Thema "Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten". Aber keine Einführungswerke, sondern Werke, die folgende Aspekte beleuchten:

- Schuldfrage
- Vergleichbarkeit der Vertreibungsverbrechen mit den NS-Verbrechen
- Ethisch-moralische Einordnung

Gibts da eventuell etwas, was bisher an mir vorübergegangen ist?

Wäre sehr nett, wenn vielleicht jemand einen guten Tipp hätte. Danke
 
hm... witz oder ernsthaft gemeint ??

Ein persönliches und weniger hilfreiches, inhaltliches Statement, weil die Frage etwas "schräg" formuliert ist und eher eine Frage der politischen Bewertung darstellt:

ad 1: Schuldfrage: Es gibt eine klare Ursache für den Einmarsch bzw. den Beginn des Krieges in Russland. Insofern kann die Schuld im völkerrechtlichen Sinne nur beim 3. Reich liegen. Also ist die Schuldfrage geklärt!

ad 2: an der Brutalisierung der Kriegsführung - wohlgemerkt der Kriegsführung - haben beide Seiten aktiv sich beteiligt. Durch den "Kommisarbefehl" - zumindest zeitlich betrachtet - hat das DR entscheidend zur Dynamisierung der Brutalisierung des Krieges beigetragen. Und die Rote Armme hat sich aktiv ihrerseits beteiligt.

ad 2: Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung: Ich persönlich habe noch nie die Logik verstanden, die Verbrechen der einen Seite durch die Verbrechen der anderen entschuldigen zu wollen oder gar zu rechtfertigen.

Hitler hat einen massiven Vernichtungskrieg gegen die Juden und Teile der "rassisch minderwertigen" Slawen geplant, ideologsich ausführlich begründet und durch entsprechend Sondereinsatzgruppen systematisch umsetzen lassen. Dieses "System der Vernichtung" hat keine Vorlaufer und keine Nachfolger, was nicht heißen soll, dass die Dimensnion der stalinistischen Verbrechen geringer waren (Aber das ist eine andere Diskussion).

Bedingt durch die schnellen Erfolge der Wehrmacht sind Millionen von Russen in Kriegsgefangenschaft gekommen und viele sind umgekommen. Es war dabei prozentual wahrscheinlicher als Russe in deutscher Kriegsgefangeschaft um Leben zu kommen wie anders herum.

Aber diese Überlegungen sind eigentlich nicht besonders hilfreich, weil nicht die Masse der OPfer entscheidend ist, sondern es wurde an jedem einzelnen Russen, Deutschen, Polen, Letten etc. großes Unrecht vorgenommen und hier ist das einzelne Individuum von Bedeutung.

Da finde ich persönlich, das gegenseitige Aufrechnen von Toten oder von Verbrechen - ehrlich gesagt - ziemlich merkwürdig.

ad 3: ethisch-moralische Einordnung: Die meisten der Kriegsverbrechen hat keine historischen Vorläufer, zumindest nicht was die Intensität und die Größenordnung angeht.

Am ehesten sollten die Verhandlungen und die Begründunge während den Nürnberger-Kriegsverbrecher-Prozesse eine rechtliche Beurteilung der Verbrechen ermöglichen.

Und noch eine abschließende persönliche Bewertung. Dass die Flucht so durchgeführt wurde wie sie sich darstellt, liegt nicht zuletzt an der desaströsen und menschenverachtenden Planung der Evakuierung durch die NSDAP. Aber wie hatte sich doch Hitler sinngemäß geäußert, wenn die Deutschen sich im Überlebenskampf nicht durchsetzen können, dann sollten sie doch gefälligst auch mit ihm untergehen.

Es zeigt nur, wie die Nationalsozialisten alle Begriffe und Dimensionen des Politischen und von Ehre und Anstand pervertiert haben.

Naja und Literatur: Ein relativ neues: Andreas Kossert: Kalte Heimat
 
Zuletzt bearbeitet:
ad 1: Schuldfrage: Es gibt eine klare Ursache für den Einmarsch bzw. den Beginn des Krieges in Russland. Insofern kann die Schuld im völkerrechtlichen Sinne nur beim 3. Reich liegen. Also ist die Schuldfrage geklärt!
Die Schuldfrage für den 2. WK allgemein ist damit geklärt. Hier geht es aber um die Schuld der Vertreibung und somit würde dein Ansatz nur helfen, wenn Du noch begründest, dass die Nazis für alle Folgen des Krieges - auch sowjetische Initiativen - Verantwortung übernehmen müssen, weil dies zwangsläufige Entwicklungen waren oder ob es für die SU Handlungsalternativen gegeben hätte, die nicht zur Vertreibung führten.
 
schwere frage

Zunächst geht es um "Flucht" und "Vertreibung". Insofern sehe ich die Frage im Kontext 44/45.

Ich habe von der völkerrechtlichen Schuld bzw. Verantwortung gesprochen. Und ich habe auch deutlich gemacht, dass die Verbrechen der Einsatzgruppen etc. sicherlich keine Legitimation sind, seinerseits gegen das Völkerrecht oder das - wie auch immer zu definierenden - "Menschrecht" zu verstoßen.

In die kollektive, individuelle oder moralische Schuldfrage mische ich mich nicht ein! Diese Aspekte werden in der Regel sowieso nur nach ideologischen "rechts-links" Schemata diskutiert und das ist nicht mehr mein Interesse.

Aber dieser Krieg war auch kein Krieg, sondern Hitler hat einen "Kreuzzug" geführt, in dem er im Rahmen seiner messianischen Sendung - und anderen traute er die Umsetzung seiner Ziele auch nicht zu - Osteuropa arisieren wollte. In diesem Kreuzzug ging es - aus der Sicht vo Stalin, um das Überleben der Slawen in Russland. Es ging der UdSSR darum, einen gigantischen Genozid zu verhindern, neben der Frage des Machterhalts, gigantischer als er bis Ende 44 bereits war. Pathetische Worte, aber der Dimension des Konflikts ein wenig angemessen.

Was soll ich also von der Regierung eines Staates - der UdSSR - erwarten, die komplett ausgelöscht werden sollte. Was für Alternativen hatte diese Regierung ab Ende 44 denn - auch vor dem Hintergrund des "unconditional surrenders - und was hätte Sie denn - @Themistoles - tun sollen? Großzügig sein, vergeben und vergessen und alles zu einem gigantischen Mißverständnis erklären??????
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben