Briefe von berühmten und weniger berühmten Menschen der Weltgeschichte

Dion

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Es gibt eine Seite im Netz, die Briefe von berühmten und weniger berühmten Menschen der Weltgeschichte veröffentlicht: Letters of Note

Als Beispiel seien diese 2 Briefe genannt, von Owain Glyndŵr, dem walisischen Prince of Wales, dem spätmittelalterlichen Rebellen gegen Englands Herrschaft, an den König von Schottland und an den König von Frankreich, in denen er sie um Unterstützung bat.
 
In dem Zusammenhang empfehle ich immer wieder gerne die auch in Buchform erschienen "Briefe der Lieselotte von der Pfalz" Die Tochter des pfälzischen Kurfürsten war als Gattin des Bruders von Ludwig XIV am Hof von Versailles und schrieb oft und gerne nach Hause nach Heidelberg
 
bedenkt man, dass ein Gutteil der Briefe und Briefwechsel im 18. und 19. Jh. ohnedies für die Nachwelt stilisiert war (!), ist aus diesem Zeitraum ohnehin jeder Brief jeder a- oder b-VIP-Persönlichkeit durchaus interessant - umgekehrt sind freilich die wenigen Briefe dieses Zeitraums, die explizit privat bzw. nicht für die Nachwelt geschrieben waren, umso interessanter (um ein Beispiel zu nennen: der kurze Briefwechsel zwischen Wagner und Nietzsches Arzt...)
 
Interessante Briefsammlungen gibt es natürlich auch aus früheren Zeiten, z. B. hunderte Briefe von und an Cicero, darunter auch von Leuten wie den Bruti und Caesar höchstpersönlich. (Und das sind noch nicht einmal alle, einige Sammlungen sind auch verloren, z. B. Ciceros Briefwechsel mit dem Historiker Cornelius Nepos. Der würde mich besonders interessieren, da zwar beide mit Atticus eng befreundet waren, Cornelius Nepos aber kein Geheimnis daraus machte, dass er von Ciceros literarischen Ergüssen nicht ganz so angetan war. Was sich die beiden also wohl geschrieben haben? Aber da Cicero mehrmals Atticus konsultierte, wenn er dessen Hilfe bei Geschichtsrecherchen - insbesondere wer bekleidete wann welches Amt? - benötigte, könnte ich mir vorstellen, dass er sich auch an Nepos in solchen Angelegenheiten wandte. Somit könnten die verlorenen Briefe auch eine historische Fundgrube sein.)
Ebenfalls interessant die Briefsammlung des jüngeren Plinius, insbesondere sein Briefwechsel mit Kaiser Traian, der interessante Einblicke gewährt, was ein Statthalter so getrieben hat.
 
Sehr empfehlen kann ich die Briefe-Sammlung 'Geschichte Schreiben', herausgegeben und kommentiert von Simon Sebag-Montefiore, erschienen bei Klett-Cotta. Derzeit ist das Buch für einen Apfel und ein Ei als Mängelexemplar bei Jokers zu haben.
 
Also, ich finde den Briefwechsel von Jesus von Nazareth mit dem König der Osrhoene (Abgar V) am interessantesten. Abgar V, an Lepra, vielleicht auch nur an Gicht erkrankt, schrieb Jesus einen Brief:
Abgar Ukkama, der Fürst, entbietet Jesus, dem guten Heilande, der in Jerusalem erschienen ist, seinen Gruß. Ich habe von dir und deinen Heilungen Kunde erhalten und erfahren, daß diese ohne Arznei und Kräuter von dir gewirkt werden. Du machst nämlich, wie erzählt wird, Blinde sehend, Lahme gehend, Aussätzige rein, treibst unreine Geister und Dämonen aus, heilst die, welche schon lange von Krankheiten gequält werden, und erweckst Tote. Auf alle diese Nachrichten hin sagte ich mir: entweder bist du Gott und wirkst diese Wunder, weil du vom Himmel herabgestiegen bist, oder du bist, weil du dieses wirkst, der Sohn Gottes. Daher wende ich mich in diesem Briefe an dich mit der Bitte, dich zu mir zu bemühen und mich von meinem Leiden zu heilen. Ich habe nämlich auch gehört, daß die Juden wider dich murren und dir Böses tun wollen. Ich habe eine sehr kleine, würdige Stadt, welche für uns beide ausreicht.
Gemeint ist Edessa. Jesus schrieb zurück:
Selig bist du, weil du an mich glaubst, ohne mich gesehen zu haben. Es ist nämlich über mich geschrieben, daß die, welche mich gesehen haben, nicht an mich glauben, und daß die welche mich nicht gesehen haben, glauben und leben sollen. Bezüglich deiner schriftlichen Einladung, zu dir zu kommen, mußt du wissen: es ist notwendig, daß ich zuerst all das, wozu ich auf Erden gesandt worden bin, erfülle und dann, wenn es erfüllt ist, wieder zu dem zurückkehre, der mich gesandt hat. Nach der Himmelfahrt werde ich dir einen meiner Jünger senden, damit er dich von deinem Leiden heile und dir und den Deinigen das Leben verleihe.
Dieser Brief war immerhin am Stadttor von Edessa weithin sichtbar angebracht. Es wird berichtet, dass der Angriff der Perser dadurch abgewehrt wurde, während Harran, das alte, heidnische Loch direkt nebenan, fast dem Erdboden gleichgemacht wurde (nicht ganz, der Mondgott hatte den Ort trotz allem beschützt).
 
Ich muss bei bekannten Briefeschreibern vor allem an den jüngeren Plinius denken. Dem Briefwechsel mit Kaiser Trajan verdanken wir einige Informationen über die Organisation des frühen Christentums und über das Vorgehen des römischen Staates im Umgang mit dem Christentum und bithynischen Christen.

Dem Briefwechsel mit Tacitus verdanken wir eine dezidierte Beschreibung des Vesuvausbruchs und ein Bericht vom Tod seines Onkels. Plinius Beschreibung gilt heute unter Vulkanologen als recht authentisch, und eine bestimmte Form der Eruption trägt seinen Namen.
 
Dem Briefwechsel mit Tacitus verdanken wir eine dezidierte Beschreibung des Vesuvausbruchs und ein Bericht vom Tod seines Onkels. Plinius Beschreibung gilt heute unter Vulkanologen als recht authentisch, und eine bestimmte Form der Eruption trägt seinen Namen.
Erst neulich habe ich erfahren, dass der katastrophale Vesuvausbruch nicht am 24. August 79 stattfinden konnte, wie Plinius schrieb, sondern erst im Oktober – weil man unter den Trümmern u.a. die (damals) frische Kastanien fand. Aber möglicherweise war das (nur) ein Abschreibfehler, schließlich ist wenig wahrscheinlich, dass sich Plinius, der ja Augenzeuge des Ausbruchs war, so gravierend im Datum irren würde.
 
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