Brücken in der Stadt

Princeps

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Warum wurden Brücken in Städten früher oft mit Häusern bebaut?
Wurden sie fast immer bebaut?
Gab's da rechtliche Anlässe? Oder ging's eher um Platzknappheit?
Warum waren anscheinend gerade Geldwechsler und Goldschmiede häufig auf den Brücken niedergelassen?
Warum hörte das mit der Bebauung dann irgendwann (wann?) auf?
Tolles Beispiel: Krämerbrücke in Erfurt.
Touri-Klamaukbeispiel: die alte Brücke in Florenz. Dort aber bemerkenswert, dass sie zwei Laufebenen hat.
 
Brücken

Warum die Brücken zum Bebauen so attraktiv waren, weiß ich auch nicht genau. Aber das Ende ist doch ziemlich offensichtlich: Zu stark bebaute Brücken stürzten leicht ein, besonders bei Hochwasser. - Habe gerade Süskinds "Parfum" wiedergelesen, in dem der Einsturz des Pont au Change in Paris im Mai 1753 sehr anschaulich geschildert wird. Anschließend ordnet der König den Abriß sämlicher Häuser auf den Brücken in Paris an. - Bei diesem Autor bin ich mir sicher, daß die historischen Hintergründe korrekt recherchiert sind.
Viel Erfolg bei weiteren Recherchen!
 
eine Möglichkeit, die ich mir vorstellen könnte ist, daß die Häuser auf/an der Brücke mit dem Wegezoll zu tun haben könnten. Ist aber nur eine Vermutung, Beleg habe ich keinen dafür
 
Ich tippe auf Platznot. Stadtmauern grenzten den vorhandne Platz ein, so dass sich die Stadt nach außen nciht ausdehnen konnte. Außerdem baut man doch eh überall hin, wahrscheinlich hat niemand einen Grund gewusst, wieso man ncht auf Brücken bauen sollte, wie an anderen Straßen (denn das sind sie ja irgendwie) auch.
 
Scheinbar ist die Erfurter Krämerbrücke in Deutschland ein Unikat. Es war also keinesfalls üblich, dass man auf Brücken Häuser errichtete.

Da irrst Du Dich aber - bspw. waren folgende Brücken in Paris mit Häusern bestanden, und zwar über das Mittelalter hinaus:
  • Pont-au-Change - wahrscheinlich frühmittelalterlich, neu gebaut etwa 1130, bebaut mit ca. 100 Häusern (Geldwechsler, Goldschmiede) - Abbruch der letzten Häuser im 18. Jh.
  • Petit-Pont - errichtet Ende 9. Jh. an der Stelle eines antiken Vorgängers, bebaut mit ca. 20 Häusern - bis zum 17. Jh. mehrfach(!) neu errichtet
  • Pont St-Michel - errichtet Ende 14. Jh., bebaut mit ca. 30 Häusern - bis ins 17. Jh. dreimal neu gebaut, ab 1616/22 in Stein - Abbruch der Häuser 1802/07
  • Pont Notre-Dame - errichtet 1412 an der Stelle eines antiken Vorgängers, bebaut mit ca. 70 Häusern - um 1500 Neubau nach Einsturz - Abbruch der Häuser 1786
Dagegen wird die Pont Neuf als Unikat "erste Pariser Brücke ohne feste Häuser" genannt, die allerdings auch erst nach 1577 errichtet wurde. Und selbst auf dieser befanden sich im 17. Jh. immerhin längerfristig Marktstände.

Genauere Zahlen dazu unter http://www.hglippert.claranet.de/dparis.html
Anm. zu dieser Seite: Hauptstudium Baugeschichte "Die Stadt Paris"...

Ein weiteres Beispiel einer bebauten Brücke: die Alte Brücke in Frankfurt a.M. - http://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Brücke_(Frankfurt)#Bauten_auf_der_Alten_Br.C3.BCcke

Um zu der Frage zu kommen, warum dies im Mittelalter üblich war: meiner Ansicht nach ist dies im Kontext zu sehen, daß Brücken damals einen außerordentlich starken Einfluß für die Entwicklung der Städte und das Straßen- und Wegenetz hatten. Dies wiederum ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß die Brücken unter Regalien fielen (d.h. unter das Zollrecht) und zudem auch die Wasserwege im Mittelalter große Bedeutung bspw. für den Handel hatten.
Siehe auch http://hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7956-3-2.php
 
Ich empfehle mal sich die Gemälde von Hubert Robert anzuschauen, wo man den Abriss eben jener Gebäude auf den Pariser Brücken recht anschaulich sieht. http://www.reproarte.com/Kunstwerke/Hubert_Robert/Abbruchhäuser+auf+der+Notre-Dame+Brücke/9288.html
Dass noch heute solche bebauten Brücken nicht nur in Erfurt existieren, spricht für mich eigentlich dagegen, dass sie statisch so gewaltige Anforderungen. Gut die Brücken über die Seine sind weitaus hoher als die in Erfurt. Aber ich denke auch, dass stadtplanerische Aspekte wie die freie Sicht auf bedeutende Bauwerke eine große Rolle dabei spielten, diese Gebäude abzureißen.
 
Grund für die bebauten Brücken?

Wenn ich an Florenz denke, Ponte Vecchio, Kundenströme würde ich sagen. An der Brücke kann man doch keine Seitenstraße nehmen. Man muss doch einfach an den Läden vorbei. Und im mittelalter gab es viel weniger Brücken als heute.

Grüße Repo
 
Grund für die bebauten Brücken?

Wenn ich an Florenz denke, Ponte Vecchio, Kundenströme würde ich sagen. An der Brücke kann man doch keine Seitenstraße nehmen. Man muss doch einfach an den Läden vorbei. Und im mittelalter gab es viel weniger Brücken als heute.

Grüße Repo

Die Kundenströme-Theorie dürfte auf den Ponte Vecchio wohl kaum zutreffen. Die ursprünglichen Buden hatten einen gänzlich anderen Zweck, als den, Kunden anzulocken:

Ursprünglich waren auf der Brücke hauptsächlich Schlachter und Gerber ansässig. Die Schlachter warfen ihre stinkenden Abfälle in den Arno, die Gerber wuschen ihre Stoffe, die zuvor mit Pferdeurin gegerbt wurden. 1593 wurden diese jedoch per Dekret durch Goldschmiede ersetzt, die sich noch heute zahlreich in den kleinen Läden auf der Brücke befinden.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ponte_Vecchio

Auch die Goldschmiede dürften weniger von großen Kundenströmen gelebt haben, im Unterschied zu den heutigen Souvenirhändlern.
 
Die Kundenströme-Theorie dürfte auf den Ponte Vecchio wohl kaum zutreffen. Die ursprünglichen Buden hatten einen gänzlich anderen Zweck, als den, Kunden anzulocken:
Auch die Goldschmiede dürften weniger von großen Kundenströmen gelebt haben, im Unterschied zu den heutigen Souvenirhändlern.

Entsorgung ist natürlich auch ein Argument.

Und durch so manche Gerbergasse fließt auch heute noch ein Kanal.

Grüße Repo
 
neben den genannten platzproblem in mittelalterlichen städten und der frage der entsorgung problematischer abfälle wird auch die überlegung eine rolle gespielt haben, mit dem verkauf/der vermietung den bau der brücken teilweise zu finanzieren.
 
Entsorgung ist natürlich auch ein Argument.

Und durch so manche Gerbergasse fließt auch heute noch ein Kanal.
Passt zwar nicht zu den Goldschmieden, aber das klingt zusammen mit Hyokkoses Fundstück so, als ob dort viele Leute wohnten, die einfach möglichst nah am Wasser sitzen wollten und Ufer ist ja noch begrenzter als Platz innerhalb der Mauern allgemein, oder?
 
Für Florenz sind die Kundenströme ja nun widerlegt, aber eine gewisse Rolle werden die auch gespielt haben.

Der Pfister 1406 hat auch mehr Brot verkauft, wenn 1000 Leute am Tag am Laden vorbei sind, statt 50.
Wie der Bäcker 2006. Und Geld war 1406 so rund wie heute.

Grüße Repo
 
Für Florenz sind die Kundenströme ja nun widerlegt, aber eine gewisse Rolle werden die auch gespielt haben.

Ich würde weniger von Kundenströmen direkt sprechen, sondern allgemein von Marktverkehr sowie von handwerklichen und wirtschaftlichen Zentren (Knotenpunkten). Sprich: wer im Mittelalter Handwerk, Gewerbe und Handel treiben wollte, siedelte sich vornehmlich dort an und/oder vertrieb seine Waren in der näheren Umgebung (Produktion und Warenumschlag). Dabei ist natürlich noch wichtig, daß zum einen in den Städten eine gewisse Spezifizierung der Gewerbe eintrat (z.B. eben die von Hyokkose genannten Beispiele für die Ponte Vecchio Florenz) und zum anderen der Umstand, daß "richtige" Marktplätze - i.S.v. zentralen großen Plätzen, wie wir sie heute kennen - erst in späteren Städtegründungen (v.a. ab dem Spätmittelalter) planmäßig angelegt wurden.

Vgl. dazu bspw. auch Wilhelm Volkert "Von Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters" u.a. ...

Schauen wir erneut auf das Beispiel Paris:
Wenngleich die Stadt auch als Markt erst nach 1200 erheblich mehr Bedeutung hatte als die traditionellen Marktplätze in der Champagne, so lassen sich dennoch recht gute Schlüsse ziehen.
Das mittelalterliche Paris bestand grob gesagt aus der Ile de Cite und den ihr benachbarten Bezirken an Nord- und Südufer (Place de Greve und St. Germain). An den Ufern bzw. den Brückenköpfen zu diesen lagen die Marktzentren. Die Brücken, welche die Ile de Cite mit diesen Ufern verbanden, waren die vier bereits genannten: Pont-au-Change, Petit Pont, Pont St. Michel, Pont Notre Dame.
Die Bedeutung der Brücken für Handwerk, Gewerbe und Handel wird daraus mE dann offensichtlich...

Noch einige hilfreiche Links dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Paris_im_Mittelalter#Paris_wird_das_wirtschaftliche_Zentrum_Frankreichs
http://de.wikipedia.org/wiki/Paris_im_Mittelalter#Die_Nord-S.C3.BCd-Achse_und_die_Seinebr.C3.BCcken
und zur Orientierung noch
http://www.paris.citysam.de/paris-stadtplan.htm
(Ausgangspunkt ist der Louvre, aber mit dem Zoom ganz nach links (-) und Klick Richtung rechts unten erhält man einen guten Überblick über das alte Stadtzentrum!)

PS: Angesichts der fortgeschrittenen Zeit mußte ich den Beitrag etwas vereinfachen; ich bitte deshalb um Nachsicht und ggf. Korrekturen und/oder Ergänzungen... :fs:
 
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