Burgund - der vernachlässigte "Sohn"?

Joinville

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Im Jahr 1349 vermachte Graf Humbert II. die Dauphine von Vienne (Grafschaft Albon) dem französischen König. Obwohl es ein Lehen des Königreichs Burgund, welches dem Reich angehörte, war.
Bereits mit der Übernahme der Provence durch Karl von Anjou, 1246, rückte dieses wichtige burgundische Lehen aus dem Machtbereich der Kaiser.
Und 1295 wurde die Freigrafschaft (France Comte) der französischen Verwaltung unterstellt. 1384 kaufte schließlich Herzog Philipp "der Kühne" die Freigrafschaft auf.

Wie konnte es geschehen das die Macht der Kaiser im burgundischen Regnum, welches seit 1032 unter Reichsherrschaft stand, so gering stand?

Hätte eine stärkere Präsenz der kaiserlichen Macht in Burgund nicht die Position der Herrscher in Italien wesentlich verbessert?

Wie stark sah sich der burgundische Feudaladel dem Reich verpflichtet?


Ich danke all jenen im voraus, welche auf meine Fragen eingehen.
:winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Dazu einige wichtige Anhaltspunkte:

- Das Königreich Burgund der Rudolfinger (888-1032) war ein ziemlich instabiles Gebilde, in welchem der König immer mehr Machtbefugnisse den starken Regionalfürsten (insbesondere den Savoyern) und den Bischöfen überlassen musste.

- Rudolf III. hatte bereits nur noch einen sehr begrenzten Aktionsradius, wie man auch an seinem Itinerar sieht. Er stand zudem unter starkem Einfluss des deutschen Reiches, wie auch schon sein Vater Konrad.

- Beim Thronfolgekrieg zwischen Odo von Blois und Konrad II. war das Reich gespalten. Viele Adlige erhofften sich eine Fortsetzung der bisherigen (schwachen) Zentralmacht und hielten deshalb zu Odo.

- An diesen Verhältnissen konnten die Salier nach Übernahme der Herrschaft nur wenig ändern, auch wenn sie es punktuell versuchten. Bis und mit Heinrich III. war die kaiserliche Politik in Burgund recht aktiv, später überliess man das Feld den Zähringern, die auf ihre Weise recht erfolgreich waren, aber eben nur in den nördlichen Gebieten, wo sich auch die rudolfingischen Könige bis zuletzt noch ein Mindestmass an Einfluss bewahrt hatten.

- Als Basis für eine starke Position in Italien war Burgund nur bedingt geeignet. Das musste auch König Rudolf II. erfahren, der sich für kurze Zeit als König von Italien versuchte - und scheiterte.
 
Wie konnte es geschehen das die Macht der Kaiser im burgundischen Regnum, welches seit 1032 unter Reichsherrschaft stand, so gering stand?

Hätte eine stärkere Präsenz der kaiserlichen Macht in Burgund nicht die Position der Herrscher in Italien wesentlich verbessert?
Den Teil der Reichsgeschichte kenne ich nicht so genau. Aber für mich gibt es verschiedene Gründe, die ich sehe. Die Erhebungen der Opposition bedeutender Adelsgeschlechter zog schon einmal das Interesse der Herrscher an. Da haben wir als Beispiel den Kampf Heinrich IV. mit dem Gegenkönig Rudolf von Schwaben. Aber es ließen sich auch viele andere Beispiele solcher Konflikte auf dem Gebiet des Kernlandes des HRR finden. Zum anderen haben wir eine Ablenkung der Kaiser durch den von Dir schon angeführten ständigen Konfliktherd in Italien. Italien musste jeder König sehen, der es auch bis zum Kaiser bringen wollte und da lag sozusagen das rebellische Norditalien für den künftigen Kaiser am Weg und blieb ihm wie Friedrich I. in dauerhafter Erinnerung.
Also ich würde von einer ganzen Reihe von Gründen ausgehen. Manche Kaiser hatten andererseits und bei den unzureichenden Kommunikationsmitteln garnicht die Zeit sich mit dem Territorium des Reiches zu beschäftigen, was eher am Rande der Hauptinteressenzone lag.

Wäre so ungefähr meine Annahme.:grübel:
 
Ich denke, dass Grundübel war wohl wirklich die Übertragung der wichtigsten Grafschaftsrechte an die Bischöfe, die König Rudolf III. von Burgund um die Jahrtausendwende vollzogen hat. Damit "entfremdete" er zahlreiche Rechte und Güter der Krone für immer.

Und nochmals: Konrad II und Heinrich III. kümmerten sich sehr wohl recht aktiv um Burgund, nur wurden die meisten burgundischen Hoftage nicht auf burgundischem Gebiet, sondern in der grossen Königsspfalz in Zürich abgehalten. Nur vereinzelt reiste der König noch bis nach Solothurn. Unter Heinrich IV. setzen diese Besuche dann gänzlich aus. Er scheint Burgund nur einmal bereist zu haben: Auf dem Weg nach Canossa.
 
Das Problem lag m.E.darin.daß Burgund als letzter selbständiger Teil des alten Lotharingischen Reiches als eigenständiger Teil zum HRR kam und als solcher eine eigene Rechts- und Lehnsstruktur hatte,die mit denen des Reiches nicht unbedingt kompatibel waren.Das bedeutete,daß der Kaiser sich ,selbst wenn er wollte, nicht ohne weiteres in die inneren Angelegenheiten einmischen konnte.
Die dezentrale Struktur des Reiches und des Reichsverbundes kam dem noch entgegen .Selbst innerhalb des Reiches war der Kaiser ja meist nur in der Lage via Hausmacht seine Ansprüche gegen die Partikularinteressen durchzusetzen, in Italien klappte es eigentlich nie und im Arelat kam als Konkurrenz noch das zentralistischer ausgelegte französische Königtum hinzu.dazu kam oft das Problem der doppelten Lehnsabhängigkeit einerseits vom Kaiser andererseits vom König,so daß es auch rechtlich schwierig war, hier einseitig Herrschaftsansprüche durchzusetzen.
 
In Niederburgund/Arelat gab es tatsächlich lehnsrechtlich ein ziemliches Durcheinander. Obwohl seit 1032 der Kaiser als Haupt des "regnum burgundiae" theoretisch oberster Lehnsherr war, waren manche Graf- und Herrschaften Lehen des französischen Königtums. Bereits Odo von Blois/von der Champagne, Thronkandidat 1032, war beidseits der Reichsgrenze begütert und politisch aktiv gewesen. Auch andere Adlige hatten entsprechende Doppelrollen.
 
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