Byzantinische Chronologie

Brahmenauer

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Bei den Chronologie-Kritikern gibt es unterschiedliche Auffassungen über Umfang und Verteilung der sogenannten Phantomzeit im Frühmittelalter. In diesem Zusammenhang gibt es eine Zusammen/-Gegenüberstellungstellung einer "kurzen" und "längeren" Chronologie von Byzanz. Dabei wurden die Jahre von ca. 500 bis ca. 900 der Zeit von ca. 250 bis 600 gegenüber gestellt und der zeitliche Abstand der Ereignisse und Personen heraus- gearbeitet.
 

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Nehmen wird doch mal die Byzantinischen Kaiser und ihre Münzen. Alle gefälscht?

hoppla, ich bin im falschen Thrad gelandet - ich glaubte, in Byzanz zu sein und wollte auf Thimoteus antworten, könnt ihr mir helfen, das zu tranferieren?

Es ist nicht von Fälschung die Rede, sondern von Verdopplung. Meinen Beitrag habe ich für einige Leser als interessant genug eingeschätzt und wollte sie daran teilhaben lassen. Dein Beitrag betrachte ich als Widerlegungsversuch einer noch gar nicht gestellten Frage. Da ich mich in Byzanz und insbesondere mit Münzen nicht gut auskenne, verweise ich auf Paul C. Matin, der 2000 folgendes dazu schrieb:

"Können Münzen Karl den Großen retten?"

...Als wichtigste Quelle für die byzantinische Geschichte gilt bekanntlich die "Chronik" von Theophanes (dem "Bekenner"), die die Jahre 284/5 bis 813 abdeckt [Mango/Scott 1997]. Für die erste Hälfte der Chronik bis 602 sind die von ihm beschrieben Ereignisse auch in anderen Quellen zu finden - ab 602 steht er im Grunde allein, worauf die Herausgeber im Vorwort ausdrücklich aufmerksam machen[S.V]:
"From AD 602 to 813, however, Theophanes is for us aprimary source in the sens that the writings he utilized have been almost entirely lost".

Ob Theophanes (752-818), Mönch, Verteidiger des orthodoxen Glaubens, sogar Heiliger, fabuliert hat und wenn ja, wo, entzieht sich also unserer Kenntnis. Es gibt keine Möglichkeit, seine Angaben zu checken - es sei denn, man zieht Münzen heran, die byzantinische Herrscher von Phokas bis Michael I. zeigen und behauptet, weil es diese Münzen gibt, muß es auch die dazugehörenden Herrscher gegeben haben, was natürlich ein rasch durchschauter Zirkelschluß ist.
Wie sieht es nun mit den Münzen als "Kaiser-Beweise" zwischen Phokas (602-610) und Michael I. (811-813) aus, wobei es sich - einschließlich des wenig bekannten Mezezius (668-669) - um 22 Figuren handelt, Mitkaiser nicht eingerechnet?
Der erste, der sich an der Zuordnung byzantinischer Herrscher zu bestimmten Münzen versuchte, war Fèlicien de Saulcy im Jahr 1836. Sein damals erschiener "Essai" gilt inzwischen als völlig ungenügend, zumal bis heute immer wieder neue Gepräge aus unbekannten Quellen aufgetaucht sind. Zum Beispiel kaufte die inzwischen als führend geltende Dumbarton Oaks Collektion, mit deren Hilfe Bellinger und Gierson ab 1966 den maßgeblichen "Catalogue of the Byzantine Coin...." (kurz: DOC) herausgaben, zwischen 1956 und 1960 in der Schweiz von einem Sammler, der "anonym bleiben wollte", über 10.000 byzantinische Münzen [DOC I, XIV].

Man muß allerdings nicht den gewaltigen DOC-Corpus durcharbeiten, um rasch auf zahlreiche Ungereimtheiten zu stoßen. Es reicht schon ein beliebiger Versteigerungskatalog, z.B. zuletzt "An Important Collection of Byzantine Coins" [Sothebys, New York, 2.11.98]. Vor allem sieht man sofort, daß Eickhoffs Behaupung, auf "jeder " Prägung sei das Kaiserjahr "zu lesen", frei erfunden ist. es gibt Angaben von Regierungjahren bei Goldmünzen (Solidi) nur in Ausnahmen [Geirson 1950] sowie bei den minderwertigen Kupferstücken (Folles), die vor allem Justinian I. in Massen prägen ließ. Ab 668 ist die Datierung der Kupfermünzen "very irregular" [DOC II, 127]. Die in Kathogo und Alexandrien geprägten Stücke tragen von vorneherein nie ein Datum, die Münzen ex Sizilien beenden die Datierung mit dem Jahr 19 des Heraklius (610-641)[DOC II, 128]
Die Solidi von Constans II. (641-688) betreffend lesen wir:
"the date numerials [...] which have usually been interpreted as regal years [...] are more probably indictions." [DOC II, 125]
"Indictio" war ein 15 Jahre dauernder oströmischer Fiskalzyklus. Betreffend Leo III. (717-741), der von DOC als "wichtigster Herrscher der byzabntinischen Geschichte" gefeiert wird, heißt es:
"Leos´s coinage presents a number of problems, some as yet unsolved [ungelöst]. The fundamental one is that of actually indentifying the coins struck during his reign, a matter on which the standard reference works are all seriously astray" [irreführend]. [DOC III, 226]

Wie undatierte Münzen plötzlich doch ein Datum bekommen können, beweisen die Solidi von Justin I. und Justinian I. mit der Aufschrift DN IVSTIN ET IUSTINIAN PP AVG [Sotheby`s, Nr. 65, 66]. Sie werden auf 527 datiert, weil in der Theophanes-Chronik [264f] für das Jahr 526/7 zu lesen steht, daß
"am Osterfest der kranke Kaiser Justin seinen eigenen Neffen Justinian als Kaiser bestimmte, während er (Justin] noch lebte und ihn krönte".
Beide regierten dann gemeinsam vier Mnate lang und gaben in dieser Zeit offenbar die schönen Münzen, beide nebeneinander sitzend mit einem Globus in der Linken zeigend, in Auftrag...

Probleme mit byzantinischen Kaisermünzen

Die Ungereimtheiten der byzantinischen Münzprägung in der von Illig gelöschten drei Jahrhunderten würden Seiten füllen. Einige seien herausgegriffen [Bezug jeweils DOC bzw. Sotheby`s]:

1. Phocas [602-610) trägt auf seinen, sehr häufig zufindenden Solidi stets einen Spitzbart, der ihm ein düsteres Aussehen verleiht, und ist en face zu sehen. Auf seinen Semisses und auf einem großen Silber-Medaillon erscheint er im Profil und bartlos. Kann es sich vielleicht auch um Nikephorus II. Phocas handeln (963-969)?
2. Justinian II., der 685 mit 16 Jahren Kaiser wurde, wurde 695 in einer Revolte abgesetzt. Seine Nase wird abgeschnitten und er selbst verbannt. Nach einer märchenhaften Irrfahrt, die ihn sogar mit dem Khan der Khasaren und dem bulgarischen König zusammenbringt, kommt er wieder auf den Thron und herrscht ein zweites Mal, 705-711. Die zweite Amtsperiode beginnt mit seiner Ausrufung zum Kaiser, was nicht recht einleuchtet, da er bereits Kaiser ist.
3. Constans II. (641-668) wird auf seinen Münzen als CONSTANTINUS bezeichnet. Seine Prägungen zwischen 665 und 668 tragen keine Herrscherjahre.
4. Die Münzen von Mezezius (668-669) wurden lange Zeit Constantin IV. zugeschrieben, bis 1978 rätselhafterweise ein Solidus mit seinem Namen erschien. Von der Münze gibt es inzwischen vier (gefälschte?) Exemplare. Mezezius war laut Gibbon "sizilianischer Tyrann", auf dem Solidus steht aber das Münzzeichen für Konstantiniopel (CONOB).
5. Consatantin IV: (668-685) erscheint auch als CONSTANTINUS, während Constantin V. (741-775) auch zusammen mitv seinem verstorbenen Vorgänger Leo III. (717-741)abgebildet wird. Laut Gibbon soll er sich besonders über eine Platte, bedeckt mit angeschnittenen Nasen, gefreut haben.
6. Unterschiede der Physiognomien von Leo III. (717-741) und Leo V. (813-820) lassen sich nicht feststellen.
7. Tiberius III. (698-705) wird in Harnisch abgebildet, vor sich einen Speer haltend. Diese Darstellung eines Kaisers findet sich zum letzten Mal auf römischen Müzen des 5. Jh., und dies nur im Westen (!) des Reiches.
8. Leontius (695-698) erscheint auf Münzen als LEON - ebensowie auch Leo III., IV.und V. Handelt es sich gar um die selbe Person?
9. Auffallend häufig ist auf den byzantinischen Münzen die Kombination von Kaisern mit dem Namen Leo und Mitkaisern mit dem Namen Constantin:
Leo II. und Constantin V. (720-41), Leo IV. und Constantin VI. (776-80) sowie Leo V. und Constantin (nicht numeriert, 813-820).
10. Bis Constantin VI. (gestorben 797) tragen die byzantinischen Münzen nur den Titel BASILEVS (König, Kaiser). Michael I. (811-813)aber läßt dann zum 2. Mal Münzen mit dem Titel BASILIS POMAION (König(e) bzw. Kaiser der Römer) schlagen [DOC III, Plate XVIII]. Es ist aber der gleiche Michael, der im Vertrag von Aachen 812 Karl (den Großen) ausdrücklich als "Imperator" und "Basileus" anerkannt hat. Und daß Rom bzw. die Römer zum Reich Karls d. Gr. zählten, gilt als unbestritten. Wer herrscht also 812 in Rom?

[...] Die heute geltende Zuschreibung von Münzen zu Herrschern geht übrigens zurück aud die Arbeit, die sich der Verwalter der byzantinischen Münzen im Britischen Museum, Warwick Wroth, Ende vorigen Jahrhunderts [19.] gemacht hat, indem er die vorhandenen Exemplare auf Tische legte und anschließend so lange hin- und herschob, bis alles irgerndwie passte - seinen Gibbon["The History of the Decline an Fall of the Roman Empire"; 1776-78] immer in der Hand. Wroths "Catalogue of Imperial Coins in the British Museum" erschien 1908 in 2. Bänden...
(Paul C. Martin, 2000; Zeitensprünge 1/2000, S 88 f)

Das Festmachen byzantinischer Geschichte anhand von Kaisermünzen ist also möglicherweise wesentlich mühsamer als vermutet.
 
Zuletzt bearbeitet:
... ich bin im falschen Thrad gelandet - ich glaubte, in Byzanz zu sein und wollte auf Thimoteus antworten, könnt ihr mir helfen, das zu tranferieren?

Nicht weiter schlimm; jetzt ist Dein Beitrag am gewollten Platz... :fs:

Es ist nicht von Fälschung die Rede, sondern von Verdopplung. Meinen Beitrag habe ich für einige Leser als interessant genug eingeschätzt und wollte sie daran teilhaben lassen. Dein Beitrag betrachte ich als Widerlegungsversuch einer noch gar nicht gestellten Frage. Da ich mich in Byzanz und insbesondere mit Münzen nicht gut auskenne, verweise ich auf Paul C. Matin, der 2000 folgendes dazu schrieb...
...
Das Festmachen byzantinischer Geschichte anhand von Kaisermünzen ist also möglicherweise wesentlich mühsamer als vermutet.

Da ich so frei war, die entsprechenden Fragestellungen zu verlinken, möchte ich natürlich sogleich antworten...

Erst einmal etwas Grundsätzliches: als was Du meinen Beitrag betrachtest, ist Deine Sache, zumal ich hoffte, Dir damit das Grundproblem verdeutlichen zu können.
Möglicherweise liegt es an der Komplexität des Sachverhalts, aber ob man hier nun Fälschung annimmt oder Verdopplung, ist dabei nämlich nicht vordergründig relevant, sondern weicht lediglich dem eigentlichen Grundproblem aus:
Wer hat wann und warum mit hunderten verschiedenen Prägestöcken (schon allein deren Anfertigung ist eine Heidenarbeit) verschiedene Münztypen prägen lassen, um dutzende verschiedene Kaiser vorzugaukeln, die es gar nicht gab. Warum hat derjenige oder diejenige(n) auch gleich noch so komplizierte Ereignisse wie Gegenkaiser mitgefälscht? (Hätte man doch auch einfacher haben können!)
Wo hat man dafür tonnenweise Edelmetall hergenommen? Ich finde, das ist nicht die unwichtigste Frage, denn das braucht eigentlich jeder Herrscher für andere Dinge...

Und wer hat die ganzen zu diesem Fälschungszweck hergestellten Münzen in halb Europa und dem Vorderen Orient verteilt (unter Siedlungsschichten, in Schiffswracks ect.)?
Auch eine interessant Frage ist, wer sich die Entwicklung des byzantinischen Münzbildes (die Gestaltung der stilisierten Kaiserporträts) vom 7. bis ins 10. Jahrhundert ausgedacht hat?
Zitat aus http://www.geschichtsforum.de/186847-post33.html
Grundproblem: Egal ob Fälschung oder Dopplung - wozu dieser ganze Aufwand, wenn es doch eigentlich dann viel einfacher sein könnte?

Und vor allem weicht man dabei auch folgender Problematik aus, wenn wir uns denn auf die Verdopplung festlegen wollen:
Die Münzen werden nicht nach Gusto einfach Kaisern zugeschrieben, auf den Münzen steht der jeweilige Herrschername in griechischen Buchstaben drauf. Den muss man nur entziffern, und schon weiß man, welcher Kaiser die jeweilige Münze prägen ließ. Und gerade in der angeblichen "Phantomzeit" gibt es etliche Kaiser mit einmaligen Namen.
Beispiele:
Leontius
Phlippicus
oder der Gegenkaiser Artabastos
Da hat mit Sicherheit niemand einen Konstantin mit einem anderen Konstantin verwechselt. Nehmen wir doch gleich mal dieses konkrete Beispiel:
Konstantin IV. lässt auf die Rückseite seiner Münzen seinen berühmten Vorvorgänger Heraclius prägen.
Konstantin V. ist gemeinsam mit seinem Sohn Leo IV. und seinem Vater Leo III. auf der Rückseite, zu sehen.
Ganz klar unterscheidbar und historisch gut in den Kontext eingebettet.
Zitat aus http://www.geschichtsforum.de/187392-post84.html
Grundproblem: Wie lassen sich Dopplungen erklären, wenn bei genauer Methodik relevante Unterschiede offenbar werden und zudem einmalige Kaiser auftreten?
 
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