CCAA in 3 D – Rekonstruktion des römischen Köln

Mummius Picius

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Groß angekündigt war es nicht: hätte meine Frau nicht einen Bekannten im Chor, der an der Hochschule lehrt … etc. Vor ein paar Monaten war auch schon mal ein öffentlicher Vortrag zum Projekt. Und die Veranstaltung heute, am 10. Oktober 08 in der Fachhochschule Köln am Ubierring war dementsprechend die offizielle "Release Party". Ich war dabei.

Ich will gar nicht von den verschiedenen Beteiligten reden, die sich brav "im Namen der …" vorstellten; es möge genügen, wenn ich das Hasso-Plattner-Institut, die FH für Gestaltung Köln (so hieß sie zumindest noch, als ich das letzte Mal da war), die Geldgebe-für-milde-Zwecke Stiftung von Rheinenergie und das Römisch-Germanische Museum Köln nenne. Diese ganzen Offiziellen versammelten sich für eine Veranstaltung von zwei Stunden, davon vielleicht 20 Minuten tatsächliches Betrachten des Projekts, drei Minuten Ehrung des Fußvolks, das sich für dieses Projekt die Nächte um die Ohren geschlagen hat, und ansonsten nicht viel.

Viele waren auch nicht da – vielleicht 20, 30 Leute; sieben auf der Präsentiererseite waren noch knapp ausgewogen. Wirklich wenig Aufmerksamkeit angesichts der Tatsache, dass vier Jahre Arbeit – eigentlich sechs, mit allen Vorstudien und -gesprächen – 3 Gigabyte Daten und 15 Millionen Polygone im Projekt stecken. Es wurde ja auch nichts anderes gemacht als das römische Köln wieder aufgerichtet, digital, nur, und nur mit bestimmten Schwerpunkten, aber immerhin.

Und das Projekt ist – schön. "Die Kolonie war ein Prestigeprojekt, mit seinen prachtvollen Fassaden, die über die Mauer ragten, gegen das barbarische Germanien gerichtet" – das kommt rüber. Und so wurde auch offensichtlich die größte Mühe in diesen relativ gut erforschten Repräsentationsbezirk gesteckt, der auf der östlichen Seite des Cardo Maximus gelegen hat. Besonders beachtlich und mit viel Liebe gemacht: der Capitolstempel, der Ara Germaniae, das große Forum mit dem halbrunden Säulengang. Hervorragend die Idee, auf der Deutzer Rheinseite mithilfe dieser virtuellen Stadt "Zeit-Fernrohe" zu installieren, mit denen man drüben die antike Stadt betrachten kann! Hervorragend auch das Ansinnen, die Stadt in Kiosk-Applikationen innerhalb des RGM zugänglich/erfahrbar zu machen. Schade, dass keiner daran dachte, das Ganze in irgendeiner Form unter die Leute zu bringen – bei 250.000 Eulen, die hineingesteckt wurden, und vor allem so viel Mühe ist es irgendwie schade, dass das Projekt jetzt gewissermaßen in den Schubladen abgedeckt wird wie ein archäologischer Befund im Sandbett unter den Fundamenten eines Neubaus.

Schade auch, dass Köln so unglaublich unerforscht (bzw. vernichtet jenseits der Erforschbarkeit) ist. Und irgendwie fehlt der Rekonstruktion auch der Mumm in den Knochen und der Saft in den Adern. Klar ist bislang noch kein Rest eines Theaters, eines Circus, eines Amphitheaters gefunden worden, aber das heisst nicht, dass sie nicht da waren (dafür haben wir Belege), und per Ausschlussverfahren lassen sich die möglichen Stellen sehr gut eingrenzen – natürlich wäre das dann eine Hypothese, aber nicht mehr Hypothese als die Plazierung eines runden Marstempels neben das Capitol oder die mehrstufige Anlage des Ara Germaniae. Wir wissen auch von mindestens einem Triumphbogen – der hätte wohl in der Nähe des Forums gestanden, auch hier gibt es Wahrscheinlichkeiten, die nicht unwahrscheinlicher sind als andere, welche selbstverständlich ihren Einzug in die Rekonstruktion hielten. Das ist vor allem auch deswegen schade, weil die zeitliche Eingrenzung (entgegen der Behauptung von Herrn Hellenkemper) unpräzise ist – das Prätorium ist zwar in seiner letzten Bauphase dargestellt, dafür fehlen aber die Rheinbrücke und das Castell Divitiacum. Klar ist das Prätorium in seiner letzten Bauphase "am coolsten", aber es ist anzunehmen, dass das restliche Köln zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so schick war. Auch eine Gräberstraße wurde mehr in Richtung "Anmutung" als in Richtung "Rekonstruktion" nachgebaut: wären da ein paar virtuelle Bäume zuviel gewesen? Die Stadt steht in einer grünen Tundra. kaum dass ein paar Felder entlang der Ausfallstraßen angerissen sind. Der Rhein verwandelt sich mangels "Schäl Sick" in einen Ozean, man kommt sich vor wie im Lied von den Bläck Fööss "hie sieht et wirklisch us wie bei uns ze huss."

Es wäre übertrieben negativ, hier von einer vertanen Chance zu sprechen, aber irgendwie ist es doch eine "Kölsche Lösung": die Ziele wurden in gleichen Maßen übertroffen und unterboten, keiner ist richtig unglücklich, keiner ist richtig zufrieden, das Geld ist ausgegeben und eine praktische Verwendung findet sich vorerst nicht.

Eine Besprechung mit schönen Bildern gibt es auch bei Heise:
heise online - 10.10.08 - Römisches Köln digital rekonstruiert
 

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Ein sehr interessanter Beitrag - vielen Dank fürs Einstellen. Und es wäre wirklich wünschenswert, wenn diese Sache umgesetzt würde.
Ich habe ja schon ein paar Mal im Prätorium gestanden, aber selbst mit Hilfe der vorhandenen Rekonstruktionszeichnungen hatte ich immer Schwierigkeiten, mir was vorzustellen.
 
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