Christen/Kirchen im 2. Jhdt. in Germanien?

GermagnaMania

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Irenäus von Lyon (135 - 200) erzählt von in Germanien gegründeten Kirchen. Deren Überreste werden zwar nach fast zwei Jahrtausenden so gut wie unauffindbar sein, weil sie höchstwarscheinlich aus Holz waren, aber wir haben noch diese kostbare Erwähnung, welche zwar nur nebenbei gemacht wird, aber trotzdem uns von ihrer Existenz erzählt.

"Wie ich schon sagte, hat die Kirche, die diese Verkündigung und diesen Glauben empfangen hat, obwohl sie über die ganze Welt verstreut ist, ihn doch sorgfältig bewahrt, als ob sie nur ein Haus bewohnte. Sie glaubt auch an diese Punkte, als ob sie nur eine Seele und ein und dasselbe Herz hätte, und sie verkündet sie und lehrt sie und überliefert sie in vollkommener Harmonie, als ob sie nur einen Mund besäße. Denn wenn auch die Sprachen der Welt verschieden sind, so ist doch die Bedeutung der Überlieferung ein und dieselbe. Denn die Kirchen, die in Germanien gegründet wurden, glauben und überliefern nichts anderes, ebenso wenig die in Hispanien, die in Gallien, die im Osten, die in Ägypten, die in Libyen und die in den zentralen Regionen der Welt."
 
Irenäus von Lyon (135 - 200) erzählt von in Germanien gegründeten Kirchen. Deren Überreste werden zwar nach fast zwei Jahrtausenden so gut wie unauffindbar sein, weil sie höchstwarscheinlich aus Holz waren, aber wir haben noch diese kostbare Erwähnung, welche zwar nur nebenbei gemacht wird, aber trotzdem uns von ihrer Existenz erzählt.

"Wie ich schon sagte, hat die Kirche, die diese Verkündigung und diesen Glauben empfangen hat, obwohl sie über die ganze Welt verstreut ist, ihn doch sorgfältig bewahrt, als ob sie nur ein Haus bewohnte. Sie glaubt auch an diese Punkte, als ob sie nur eine Seele und ein und dasselbe Herz hätte, und sie verkündet sie und lehrt sie und überliefert sie in vollkommener Harmonie, als ob sie nur einen Mund besäße. Denn wenn auch die Sprachen der Welt verschieden sind, so ist doch die Bedeutung der Überlieferung ein und dieselbe. Denn die Kirchen, die in Germanien gegründet wurden, glauben und überliefern nichts anderes, ebenso wenig die in Hispanien, die in Gallien, die im Osten, die in Ägypten, die in Libyen und die in den zentralen Regionen der Welt."
Fragt sich, was a) mit Germanien gemeint ist (wohl eher die römischen linksrheinischen Provinzen) und b) of Irinaeus Gebäude meint oder nicht doch eher Gemeinden.
 
und das haben die Neuadventisten (?) entdeckt? Klingt sensationell ;)
Tatsächlich habe ich das zuerst von Altvater Johannes aus dem Kloster Buchhagen, von einem Video von 2020, erfahren. Dann habe ich nach der Quelle gesucht, um das zu bestätigen und wurde fündig.

Fragt sich, was a) mit Germanien gemeint ist (wohl eher die römischen linksrheinischen Provinzen) und b) of Irinaeus Gebäude meint oder nicht doch eher Gemeinden.
Es könnte ebenfalls kein entweder/oder, sondern sogar beide Gebiete gemeint sein. Es wird in allen englischen Übersetzungen als "Germanien" und in einer sogar als "Deutschland" übersetzt. Den lateinischen Text selbst habe ich jedoch nicht zur Hand, um das genau zu überprüfen. Jedoch scheint es mir sehr unwarscheinlich, dass eine Religion einfach am Rhein halt macht und in einem eher dezentralisiertem Germanien nicht Fuß fassen kann. Dass ausländische Religionen über den Rhein kommen wäre ja keine Neuigkeit.

„Seinen Namen hatte er daher, dass sein Vater Mederich lange als Geisel in Gallien festgehalten, dort in griechische Geheimlehren eingeführt worden war und seinen Sohn, der eigentlich Agenarich hieß, nach dem Gott Serapis in Serapio umbenannt hatte.“ (Ammianus 16,12)

Die Möglichkeit, dass es sich dabei nur um Gemeinschaften handelte, das habe ich mir im Nachhinein ebenfalls gedacht. Demnach könnte es sich um die vermeintlichen germanischen Holzkirchen auch einfach, wie im römischen Reich, zum Gottesdienst genutzte Herrenhäuser vom Ortsadel, vielleicht sogar auch heilige Haine, oder wie in einem krimgotischen Beispiel auch um große Zelte gehandelt haben. (siehe unten)

The Terving ruler Athanaric opposed the spread of Christianity among the Goths, fearing that the new faith would destroy Gothic culture. According to the historiographer Sozomenos (Eccl. Hist. 6.37), Athanaric appointed Winguric (Wingureiks, Wingourichos, also Jungeric) to eradicate the Christian faith from the Gothic lands. In Crimea, Winguric placed an idol in a chariot and paraded it before a tent used by Christians for their church service; those who worshipped the idol were spared, and the rest were burned alive in the tent. A total of 308 people died in the fire, of which only 21 are known by name.
 
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Fragt sich, was a) mit Germanien gemeint ist (wohl eher die römischen linksrheinischen Provinzen) und b) of Irinaeus Gebäude meint oder nicht doch eher Gemeinden.
Zumal im griechischen Originaltext Germanien im Plural stand: "... ai en Germaniais ... ekklesiai ...".

(In der verlinkten Ausgabe wird dennoch die gegenteilige Auffassung vertreten, was mich aber nicht überzeugt.)
 
Nec enim aliter credunt, neque aliter tradunt ecclesiae quae sunt in Germania, neque quae sunt in Hiberis, neque quae sunt in Celtis, neque quae sunt in Oriente, neque quae sunt in Aegypto, neque quae sunt in Libya, neque quae sunt in medio mundi constitutae.

Also ich würde hier eindeutig als Gemeinden übersetzen. - nichts andere überliefern die Gemeinden, die in Germanien etc. sind,
 
Zumal im griechischen Originaltext Germanien im Plural stand: "... ai en Germaniais ... ekklesiai ...".

(In der verlinkten Ausgabe wird dennoch die gegenteilige Auffassung vertreten, was mich aber nicht überzeugt.)
Richtig, der Kommentator weiß, dass es zwei germanische Provinzen waren und dennoch meint er, dass unbedingt Germanien als Ganzes gemeint sein müsse, weil ja der Plural verwendet wird, was nicht logisch ist.
 
@Ravenik
@El Quijote
Nach Überlegung ist das einzige verbleidene Argument, welches meine Interpretation noch verteidigen würde, dass Irenäus damit sowohl die römischen Provinzen und das freie Germanien meint, aber selbst das erscheint mir schwach. Noch dazu habe ich keine Lateinfähigkeit, um dies zu decken.

Demnach: Im Angesicht von Latein- und Griechischkundigen, muss ich mit meinem vermeintlichen Beweis von germanischen Holzkirchen im 2. Jahrhundert im freien Germanen die Waffen strecken. Somit ist ohne den Text ist mein Argument auf schiere Annahmen vermindert. Danke für den Austausch.
 
Dagegen, dass mit „Kirchen“ spezielle Kirchenbauten gemeint sind, spricht für mich auch die Abfassungszeit. Irenäus schrieb im 2. Jhdt. Zu dieser Zeit waren, soweit bekannt, noch keine speziellen Kirchengebäude üblich.

Rein begrifflich bezeichnete das griechische Wort „ekklesia“ eigentlich die Volksversammlung (einer griechischen Stadt). Dann wurde es auch für eine Glaubensgemeinde verwendet.
Ab wann das Wort schließlich auch für das Kirchengebäude selbst verwendet wurde, weiß ich nicht.

Im Text ergibt ohnehin nur die Bedeutung „Glaubensgemeinde“ Sinn: Eine Gemeinde kann glauben und überliefern, nicht ein Gebäude.
 
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Ich glaube zwar immer noch, dass Irenäus mit "Germanien" (Plural) die beiden römischen Provinzen "Germania inferior" und "Germania superior" gemeint hat, habe aber eine interessante Stelle bei Irenäus' Glaubensbruder und Zeitgenossen Theophilos von Antiochia gefunden. In seiner Schrift "An Autolykos" beschreibt er im 32. Kap. des 2. Buches die Besiedlung der Welt:
Aus der verlinkten deutschen Übersetzung geht das nicht wirklich hervor, aber im griechischen Originaltext steht "Germanien" (ebenso wie Gallien und Spanien) im Plural.

Da es um die Besiedlung der Welt geht, wäre denkbar, dass mit "Germanias" nicht nur die beiden Provinzen gemeint sein können, sondern auch das freie Germanien.

Aber: Etwas davor beschreibt Theophilos die Besiedlung des "Nordens". Die Auflistung, in der "Germanien" erwähnt wird, folgt dem römischen Reich von Kleinasien aus nach Westen: Asia, Hellas, Makedonia, Italia, Gallien (Plural, also wohl die verschiedenen gallischen Provinzen), Spanien (ebenfalls Plural, also wohl die verschiedenen spanischen Provinzen), Germanien. Somit würde ich eher vermuten, dass doch auch hier mit "Germanias" die beiden "germanischen" Provinzen gemeint sind, während das rechtsrheinische freie Germanien unter die (nicht näher spezifizierte) Besiedlung des "Nordens" fällt.
 
Für einen Christen schon. Auch wenn sich das Christentum anfangs primär im Römischen Reich verbreitete, waren die Christen früh an einer Verbreitung auch außerhalb des Reiches interessiert. Man denke an die Geschichte von der Bekehrung eines Äthiopiers durch Philippus oder das "Pfingstereignis", dessen u.a. auch Parther, Meder und Elamiter teilhaftig geworden sein sollen. Zumindest Äthiopier als Bewohner des inneren Afrika wurden wohl kaum als viel weniger "barbarisch" wahrgenommen als Germanen.
 
Irenäus von Lyon (135 - 200) erzählt von in Germanien gegründeten Kirchen. Deren Überreste werden zwar nach fast zwei Jahrtausenden so gut wie unauffindbar sein, weil sie höchstwarscheinlich aus Holz waren, aber wir haben noch diese kostbare Erwähnung, welche zwar nur nebenbei gemacht wird, aber trotzdem uns von ihrer Existenz erzählt.
Heute kam im Radio, dass in Frankfurt(?) auf einem Gräberfeld ein Ring [edit2: Amulett] mit einer Inschrift gefunden wurde, der darauf schließen ließe, dass der bzw. die Bestattete Christ/in gewesen sei.

Edit: Ich sehe gerade, dass das im Thread "Neue archäologische Entdeckungen" schon thematisiert wurde, ich habe die Beiträge hierherüber kopiert.
Edit 2: Fehler entweder im Radiobeitrag oder - wahrscheinlicher - in meiner Erinnerung.
 
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Auf der Videoplattform, die nicht verlinkt werden soll, hat der dortige User „Stadt Frankfurt am Main“ die Pressekonferenz online gestellt.

Darunter ein kurzer Vortrag von Prof. Dr. Scholz von der Goethe-Universität Frankfurt über das „Abrollen“ der Silberfolie, Übersetzung und kirchengeschichtliche Aspekte des Fundes.

Die Grabung selber wurde bereits 2022 in Archäologie in Frankfurt am Main 2017 – 2019 veröffentlicht. Wegen der Bedeutung des Grabfeldes, ohne der „Frankfurter Silberinschrift“, für die provinzialrömische Forschung ist eine gesonderte Publikation geplant.
 
Der erste archäologisch nachweisbare Christ nördlich der Alpen hat im heutigen Frankfurt gelebt.

"Der älteste Christ nördlich der Alpen war Frankfurter"

Auch wenn der Text auf der Silberfolie christlich ist, ist laut diesem Artikel damit nicht erwiesen, dass der damit Bestattete auch tatsächlich Christ war:


Der Artikel wirft einiges an berechtigten Fragen zum Amulett auf, z. B. wer Titus sein soll. Interessant ist auch die Umzeichnung der Inschrift. Da zolle ich den Epigraphikern meine Hochachtung, dass sie daraus irgendetwas entziffert konnten.

Zweifelhaft ist m. E. allerdings auch, ob der Bestattete Germane war, wie es die Überschrift nahelegt. Immerhin lebte er in einer Römerstadt, er mag vielleicht ein eingewanderter oder romanisierter Germane oder von solchen abstammen, vielleicht stammte er oder seine Vorfahren auch aus einer anderen Region des Reiches. Frankfurter war er jedenfalls nicht, da zwischen Nida und Frankfurt keine Siedlungs- oder Bevölkerungskontinuität besteht. Zwischen dem Ende von Nida und der ersten Erwähnung von Frankfurt liegen gut 500 Jahre. Und erst weitere 400 Jahre später im 12. Jhdt. wurde Heddernheim erwähnt, auf dessen Gebiet Nida liegt. Und erst 1910 wurde Heddernheim zu Frankfurt eingemeindet.


Übrigens gibt es mittlerweile auch schon einen Wiki-Artikel zur Silberinschrift aus Nida: Frankfurter Silberinschrift – Wikipedia
 
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Καί ούτε αί έν Γερμανίαις ίδρυμέναι έκκλησίαι άλλως πεπιστεύκασιν, ή άλλως παραδιδόασιν
(Meine Smartphone-Tasta hat leider kein Gravis, Spiritus asper/lenis, Zirkumflex über gr. Buchstaben, iota subscriptum, usw. Im modernen Druckgriechisch wird das auch nicht mehr verwendet)

έκκλησία ist zuerst die Volksversammlung, die Versammelten, der Versammlungsplatz, Versammlungszimmer, im bzw seit dem NT die Kirche, die Gemeinde.

Im Benseler Griechisch-Deutsch Wörterbuch steht für ιδρυώ neben errichten, gründen, erbauten "besonders das Heiligtum eines Gottes".

Γερμανίαις ist Mehrzahl, anders als in der Lateinischen Übersetzung Germania.

The plural of course must apply to the whole of Germany proper, and not, as some have supposed, to the Rhenish provinces alone.

Buch I Griechisch-Latein auf Grundlage der ältesten Handschriften Clermont, Arundel und Codex Voss:

Naja, jedenfalls vor der konstantinschen Wende gabs ja keine organisierte Reichskirche, Geld hatten sie auch keins und hatten häufig Verfolgung zu befürchten, ob das wirklich bedeutet, dass sie dort ein Gebäude errichteten, vielleicht wurde doch eher eine Gemeinde in bestehenden Gebäuden eingerichtet, aber was kostet wiederum so ne Holzhütte.
 
Naja, jedenfalls vor der konstantinschen Wende gabs ja keine organisierte Reichskirche, Geld hatten sie auch keins und hatten häufig Verfolgung zu befürchten, ob das wirklich bedeutet, dass sie dort ein Gebäude errichteten, vielleicht wurde doch eher eine Gemeinde in bestehenden Gebäuden eingerichtet, aber was kostet wiederum so ne Holzhütte.

Danke für das Heraussuchen der Stelle. Man wird für das frühe Christentum von wenigen, kleineren Gemeinden ausgehen dürfen, heute würde man sie wohl Grassroots-Movement bezeichnen. Ich gehe auch davon aus, dass man sich in Privathäusern getroffen hat (dürfte ja eine kleinere Anzahl von Personen gewesen sein) und angesichts der Christenverfolgungen hat man sich dann eher diskret getroffen.

Bei den bekannten, ältesten Kirchen sieht es vor der Konstantinischen Wede sehr knapp mit Nachweisen aus:


Ich vermute für die Verbreitung des Christentums, dass sie von Rom aus gegangen sein dürfte. Alle Wege führen nach Rom, aber auch in Gegenrichtung führen alle Wege von Rom in die Provinzen. Über Beamte, Soldaten und Händler gab es immer wieder Kontakte zwischen der Hauptstadt und den entfernten Provinzen.

Gibt es eigentlich auch schon für das zweite Jahrhundert Berichte über Christen, die im Auftrage der Kirche sich in die entlegenen Provinzen aufgemacht haben, um dort die neue Lehre des Christentums zu predigen? Ich meine damit "Apostel" der zweiten, dritten oder vierten Generation.

Γερμανίαις ist Mehrzahl, anders als in der Lateinischen Übersetzung Germania.

The plural of course must apply to the whole of Germany proper, and not, as some have supposed, to the Rhenish provinces alone.

Es gab damals die beiden germanischen Provinzen (Germania inferior mit Köln und Germania superior mit Mainz als jeweilige Provinzhauptstadt) sowie das rechtsrheinische Germanien (Germania Magna) außerhalb des Germaniens. Falls es innerhalb des rechtsrheinischen Germaniens bereits Missionierungen der Germanen gegeben haben sollte, so können sie doch nur aus dem Reichsgebiet heraus erfolgt sein. Es mag sein, dass vielleicht der ein oder andere Germane über Kontakte auch schon vom Christentum gehört hatte und sich vielleicht auch hat taufen lassen.

Das Problem mit den Hauskirchen im Reich oder germanischen Christen ist, dass man wohl kaum Nachweise darüber wird finden können. Selbst wenn man Gegenstände mit christlichen Symbolen in einem germanischen Siedlungskontext findet, wüßte man nicht, ob diese von Christen stammen oder ob diese als Souvenirs oder Schmuckstücke dahin gelangt sind. Ich habe z. B. auch ein Auge der Fatima von einem Urlaub mitgebracht, obwohl ich kein Moslem bin, einfach nur, weil es hübsch aussieht.
 
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