Churchill und Osteuropa

chrdidt

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Meine Frage bezieht sich auf Churchills Strategie nach der erkennbaren Übermacht sowjetischer Truppen an der Ostrfront.
Ich nehme hier Bezug auf sein Buch " Der Zweite Weltkrieg".
Grössere Konflikte bildeten sich ja seit der rumänischen Kapitulation und der Einflussnahme Stalins in innerpolitische Angelegenheiten derselben heraus. Churchills Bedenken wurden von Stalin mit dem Hinweis der britischen Aktionen gegen kommunistische Rebellen Griechenlands noch abgewürgt, doch wurde klar das dort wo Stalins Truppen einmal stehen würden sie auch bleiben werden und im ähnlichem Sinne wie mit den Baltenstaaten, eroberte Gebiete von ihnen sowjetisiert werden.
Folgend erötert Churchill einige militärische Aktionen, die dem Umfange seiner Darstellungsgrösse nach ihm hochrangig wichtig waren.
Es scheint fast so als sei ihm die Landung in Italien wichtiger als die Vorbereitungen zu " Overlord ", zwar bestreitet er selbst eine vorrangige Stellung die ihm anscheinend von Kritikeren attestiert wurde, aber dem Leser kommen da doch Zweifel. Besonders in Zeiträumen der Stagnation forciert er mit Nachdruck eine Schwerpunktbildung. Die Landung in Anzio, die Unternehmungen auf die kleinen griechischen Inseln (für die eigens zur Unterstützung Kaitscheks beorderte und zugesicherte Landungsboote abgerufen wurden), seine Planungen einer Landung in Trieste und sein extrem grosses Bemühen die Türkei auf seiten der Westallierten in den Krieg einzubeziehen.
Mir kommt es so vor als ob Churchill den Ostblock vorausgeahnt hat und gehofft hat den Sowjets in einigen Gebieten Ost und Südost Europas zuvorzukommen. Allein mit Overlord wäre diese Osblockbildung und Sowjetisierung sozusagen gesichert, ein Zugriff auf Osteuropa durch Westallierte unmöglich.
Meine Frage ist nun ob man von einem "Wettrennen" um Osteuropa nach der gesicherten Nierderlage Deutschland sprechen kann. Hier besonders zwischen GB und Udssr.
Churchill hat ja noch einige Meter an Büchern geschrieben, sind dort Präzisionen seiner Strategie bezüglich Osteuropas zu finden?
Oder spielen dort eher Einflüsse des Kalten Krieges in seine Geschichtsbiographie ein?
 
Der bevorstehende Bruch mit der Sowjetunion zeigte sich z.B. auch an deren Verhalten während des Warschauer Aufstandes 1944. Obwohl die Rote Armee bereits am östlichen Weichselufer stand, griff sie nicht in die Kämpfe zwischen der Polinischen Heimatarmee und der Wehrmacht ein. Mehr noch, als die Briten die Polnische Heimatarmee aus der Luft unterstützen wollte, verbot Stalin den Amerikanern, seine Flugplätze gleich hinter der Front zu benutzen. Somit konnte nur die Royal Airforce einige wenige Versorgungsflüge von Bari (Italien) aus fliegen, was aber keinen nennenswerten Einfluß auf die Kampfhandlungen hatte.
 
Es scheint fast so als sei ihm die Landung in Italien wichtiger als die Vorbereitungen zu " Overlord ", zwar bestreitet er selbst eine vorrangige Stellung die ihm anscheinend von Kritikeren attestiert wurde, aber dem Leser kommen da doch Zweifel. Besonders in Zeiträumen der Stagnation forciert er mit Nachdruck eine Schwerpunktbildung.

Die Meinungsverschiedenheiten über die Strategie im Mittelmeer waren eigentlich schon bei der Planung der Landungen in Nordafrika (TORCH), den Vorgängerplanungen Gmynast/Super-Gymnast zwischen Churchill und Roosevelt aufgetreten.

Man war sich nur grundlegend einig, zunächst - als schwächeres Glied - den Baustein Italien aus der Achse herauszubrechen. Sodann legten die USA den Schwerpunkt auf die Landung in Nordfrankreich, während Churchill den Balkan als erfolgversprechenden Ansatzpunkt zur Beendigung des Krieges ansah.

Sicher unerwartet kam der hartnäckige deutsche Widerstand in Italien 1943/44 nebst Besetzung des nördlichen Teiles des Landes 1943; die Landung bei Anzio wurde erst danach erwogen, um den schnellen Vormarsch zu unterstützen. Bereits hier trat als wichtiges Problem die Knappheit an Landungsmitteln bei den Allierten (Pazifik/Europa, sodann Mittelmeer/Kanal) auf, die Landungen in Frankreich sollten nach dem Willen der USA keinesfalls mehr weiter verzögert werden und ab Frühjahr 1944 definitiv möglich sein.


Ich glaube nicht, dass ein Fernhalten der Roten Armee vom Balkan das entscheidende Motiv war. Bereits auf die Algier-Konferenz (Churchill-Eisenhower-Cunningham-Alexander-Tedder), kurz nach Washington, wurden die Grundzüge der Mittelmeer-Strategie vor der Landung auf Sizilien besprochen: 29.5.-3.6.1943, zu dem Zeitpunkt war die Rote Armee in der Ostukraine und weit weg vom Balkan.
Churchill begründete die Invasion Siziliens und kurz danach des italienischen Festlandes vielmehr mit der sofort danach verfügbaren Option, über Italien auf den Balkan zu gelangen und die dortigen deutschen Positionen zu erschüttern bzw. zu erobern: "In this way the utmost aid in our power will be given to Russia and also to BOLERO" (=somit auch Vorbereitung der Invasion in Frankreich). It is only when and if these prospects are decisively closed to us that we should consider secondary or minor alternatives for medeterranean action."

Die Vorstellung, damit auch der Sowjetunion helfen zu können, ist nicht unplausibel vorgetragen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Informationen über eine neue deutsche Sommeroffensive 1943 an der Ostfront u.a. über Enigma verfügbar (Juli 1943: ZITADELLE). Deren Ergebnis und die sowjetischen Lage waren nicht absehbar, zumal die Rote Armee zwei Monate zuvor eine vielbeachtete Niederlage bei Charkow im Ausgang der Winteroffensiven und nach Stalingrad erlebt hatte.

Quelle: u.a. Howard, Band IV in der Reihe Butler, Grand Strategy, S. 497 ff. (The decision to invade Italy)
 
Der bevorstehende Bruch mit der Sowjetunion zeigte sich z.B. auch an deren Verhalten während des Warschauer Aufstandes 1944. Obwohl die Rote Armee bereits am östlichen Weichselufer stand, griff sie nicht in die Kämpfe zwischen der Polinischen Heimatarmee und der Wehrmacht ein. Mehr noch, als die Briten die Polnische Heimatarmee aus der Luft unterstützen wollte, verbot Stalin den Amerikanern, seine Flugplätze gleich hinter der Front zu benutzen. Somit konnte nur die Royal Airforce einige wenige Versorgungsflüge von Bari (Italien) aus fliegen, was aber keinen nennenswerten Einfluß auf die Kampfhandlungen hatte.
Ja das war August 44, da setzte Stalin die Allierten schon vor vollendete Tatsachen. Churchill wusste das der der zuerst kommt die Zukunft des Landes maßgeblich beeinflusst. Im Oktober 44 in Moskau gab es dann überhaupt keine Zweifel mehr. Zit. Bierut (Führer der Lubliner Regierung)
"Wir sind hier, um im Namen Polens zu verlangen, daß Lemberg zu Rußland gehören soll" Churchill dazu im Buch " Nachdem aus dem Polnischen ins Englische und Russische übersetzt worden war, blickte ich Stalin an und sah in seinen ausdrucksvollen Augen ein verständnisinniges Zwinkern..."
Einflussnahme war unmöglich.
 
Die Meinungsverschiedenheiten über die Strategie im Mittelmeer waren eigentlich schon bei der Planung der Landungen in Nordafrika (TORCH), den Vorgängerplanungen Gmynast/Super-Gymnast zwischen Churchill und Roosevelt aufgetreten.

Man war sich nur grundlegend einig, zunächst - als schwächeres Glied - den Baustein Italien aus der Achse herauszubrechen. Sodann legten die USA den Schwerpunkt auf die Landung in Nordfrankreich, während Churchill den Balkan als erfolgversprechenden Ansatzpunkt zur Beendigung des Krieges ansah.

Sicher unerwartet kam der hartnäckige deutsche Widerstand in Italien 1943/44 nebst Besetzung des nördlichen Teiles des Landes 1943; die Landung bei Anzio wurde erst danach erwogen, um den schnellen Vormarsch zu unterstützen. Bereits hier trat als wichtiges Problem die Knappheit an Landungsmitteln bei den Allierten (Pazifik/Europa, sodann Mittelmeer/Kanal) auf, die Landungen in Frankreich sollten nach dem Willen der USA keinesfalls mehr weiter verzögert werden und ab Frühjahr 1944 definitiv möglich sein.


Ich glaube nicht, dass ein Fernhalten der Roten Armee vom Balkan das entscheidende Motiv war. Bereits auf die Algier-Konferenz (Churchill-Eisenhower-Cunningham-Alexander-Tedder), kurz nach Washington, wurden die Grundzüge der Mittelmeer-Strategie vor der Landung auf Sizilien besprochen: 29.5.-3.6.1943, zu dem Zeitpunkt war die Rote Armee in der Ostukraine und weit weg vom Balkan.
Churchill begründete die Invasion Siziliens und kurz danach des italienischen Festlandes vielmehr mit der sofort danach verfügbaren Option, über Italien auf den Balkan zu gelangen und die dortigen deutschen Positionen zu erschüttern bzw. zu erobern: "In this way the utmost aid in our power will be given to Russia and also to BOLERO" (=somit auch Vorbereitung der Invasion in Frankreich). It is only when and if these prospects are decisively closed to us that we should consider secondary or minor alternatives for medeterranean action."

Die Vorstellung, damit auch der Sowjetunion helfen zu können, ist nicht unplausibel vorgetragen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Informationen über eine neue deutsche Sommeroffensive 1943 an der Ostfront u.a. über Enigma verfügbar (Juli 1943: ZITADELLE). Deren Ergebnis und die sowjetischen Lage waren nicht absehbar, zumal die Rote Armee zwei Monate zuvor eine vielbeachtete Niederlage bei Charkow im Ausgang der Winteroffensiven und nach Stalingrad erlebt hatte.

Quelle: u.a. Howard, Band IV in der Reihe Butler, Grand Strategy, S. 497 ff. (The decision to invade Italy)

Sehe ich auch so, entscheidene Motiv war genügend Kräfte in Italien zu Binden und die russische Front zu entlasten, schliesslich müssten sonst die Allierten ein Jahr lang zuschauen bis Overlord, während Stalin die Hauptlast weiterträgt. Ich glaube, auch wenn Churchill das nicht ausspricht, daß sie von dem deutschen Widerstand überrascht waren.
Warum forcierte Churchill dann die Offensive? Ich meine ob die 19 deutschen Divisionen nun 300km weiter südlich gebunden werden ist für Overlord und die russische Front doch eigentlich egal. Und grössere Mißgeschicke könnten zudem wichtige Kräfte aus Overlord abgängig machen.
Die Balkanidee die bei einer schnellen Niederringung Italiens in greifbarer Nähe gewesen wäre, hätte strategisch weitergreifende Möglichkeiten hervorgebracht. Z.B eintritt der Türkei nachdem innerhalb Bulgariens gekämpft wird usw. So wie es dann aber gekommen ist hat aber Stalin aber mit Tito zusammengearbeitet. Im Oktober 44 in Moskau Churchill in Bezug der sowjetischen Einflusses auf Jugoslawien: " ...; und die Vereinbarung, in Jugoslawien einen gemeinsamen 50:50 Kurs zu verfolgen, schien mir zweifellos die beste Lösung in Anbetracht der durch Titos Verhalten für uns entstandenen Schwierigkeiten und de Mitwirkung russischer und bulgarischer, unter sowjetischem Oberbefehl stehender Streitkräfte an Titos rechtem Flügel." W.C. "Zweiter Weltkrieg" S.995
Naja das ist alles natürlich was wäre wenn.., aber diesen Part hätte auch GB übernehmen können.
 
Sehe ich auch so, entscheidene Motiv war genügend Kräfte in Italien zu Binden und die russische Front zu entlasten, schliesslich müssten sonst die Allierten ein Jahr lang zuschauen bis Overlord, während Stalin die Hauptlast weiterträgt. Ich glaube, auch wenn Churchill das nicht ausspricht, daß sie von dem deutschen Widerstand überrascht waren.
Warum forcierte Churchill dann die Offensive? Ich meine ob die 19 deutschen Divisionen nun 300km weiter südlich gebunden werden ist für Overlord und die russische Front doch eigentlich egal.

Ich glaube nicht, dass es um die Bindung von Verbänden (die bei den Allierten sogar in größerem Umfang vorlag) gegangen ist.


Die Entlastung der in der noch in der Ost-Ukraine befindlichen Ostfront wurde unter dem Aspekt gesehen, dass sich die Allierten Truppen auf dem Balkan vorschieben, was
- die Rohstoffzufuhr, auch das rumänische Öl entscheidend abgeschnitten hätte (es gibt u.a. die Aussage von Speer, dass wenige Monate nach Verlust des Balkans die Rüstungsproduktion zusammenbricht, was nachvollziehbar erscheint)
- eine Front auf dem Balkan unmittelbar im Rücken der Ostfront aufgebaut hätte, ohne die Begrenzungen des italienischen "Stiefels".

Insofern war beim Stocken der Offensive auch die Anzio-Landung logisch, um schnellstmöglich Norditalien zu erreichen.

Richtig ist natürlich ebenso, dass 1943/44 beachtliche deutsche Kräfte durch diese eingetretene Entwicklung nicht der Ostfront verfügbar waren.
 
Habe gestern Overy: Wurzeln des Sieges unter dem Aspekt "Overlord" angesehen. Interessant ist seine Schilderung der Einschätzung der Engländer durch die Amerikaner. Das beanspruchen des Oberbefehls war auch eine Folge der Einschätzung, die Engänder würden nicht hinter "Overlord" stehen.

Seine Schilderung der Konferenz von Teheran läßt eher Übereinstimmungen zwischen Roosevelt und Stalin erkennen und es wird ein isolierter Chruchill dargestellt.

Chruchill hatte auch auf dieser Konferenz die "Mittelmeer-Variante" in den Vordergrund gestellt. Die von Roosevelt aber als nicht kriegsentscheidende Nadelstiche abgelehnt wurden. Ebenso von Stalin.

Es wirft damit die Frage auf, welche Szenarien sich Churchill für ein Nachkriegs-Europa vorstellte.

Wären die West-Allieierten seinen Vorstellungen gefolgt, dann wäre primär der Mittelmeer-Raum gegen Stalin behauptet worden. Andererseits hätte diese Strategie aber Zentral-Europa dem russischen Einfluss überlassen.

Diese Strategie hatte zur Folge gehabt, dass England seine traditionellen Einflußgebiete über den WW2 hätte sichern können, die USA wäre um ihren Erfolg "betrogen" worden, da Zentraleuropa nicht als durch die USA-kontrolliert angesehen werden konnte. Der zweite Gewinner wäre Stalin gewesen.

Dieser Aspekt überrascht und wirft die nächste Frage auf, ob Churchill Anfang 44 keine Chance mehr gesehen hat, ein angemessenes kontinentales Gegengewicht gegen die deutlich erstarkte Rote Armee zu bilden.

Die Rote Armee wäre 1944 vermutlich stark genug, mit den verbliebenen Verbänden der Wehrmacht im Jahr 44/45 - mehr oder minder - alleine fertig zu werden.

Wollte man den Advokatus Diabolus spielen, dann stellt sich die Frage, warum hat Stalin nicht die Engländer unterstützt. Er hätte sie problemlos von zentraleuropa fern halten können. In diesem Fall hätte Stalin Fakten schaffen können und problemlos, Deutschland, die Beneluxstaaten und Dänemark besetzten können (und Frankreich vermutlich dann auch noch, wenn er es gewollt hätte).

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint Churchills Strategie ein wenig verwunderlich. War seine Strategie bereits zu diesem Zeitpunkt defensiv und diente lediglich der Absicherung des englischen Empire?

Sollte diese Überlegung plausibel sein, dann hätte Stalin das bekommen können, was er Hitler vorenthalten hat.

Die Schlussfolgerung lautet aber dann auch, 1. Stalin wollte gar nicht "alles" erobern und / oder 2. Rossevelt war die treibende Kraft, das die Westalliierten nach Berlin marschiert sind und die gemeinsame Zielsetzung wurde erzwungen
 
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Vertieft man die Fragestellung der unterschiedlichen strategischen Priorisierungen (anhand von Weinberg: Welt in Waffen und Keegan: Second WW) dann kommen sie zu einer sehr ähnlichen Einschätzung der divergierenden Positionen von Roosevelt und von Churchill.

Wenig hilfreich ist mal wieder die Autobiografie von "Monti" (FM Montgomery) zu diesem Thema.

Von Churchill wurde primär die "Vienna"-Lösung präferiert, die auf einer Landung auf dem Balkan bzw. dem Ausbruch aus Nord-Italien basieren sollte.

In dieser Überlegung kann man einen frühen Ansatz des "Containments" erkennen, da er vor der Roten Armee in Wien ankommen wollte. Zeigt aber auch, dass Churchill lediglich das Mittelmeer und den Balkan als "hegemonialen" Bereich definiert hat, da er nur für dieses Areal eine militärische Projektion vornehmen wollte.

Wie insgesamt seine Strategie auf den Balkan und die Türkei abzielt und Stalin den Zugang via Bosporus ins Mittelmeer verwehren wollte.

Eine englische Zielsetzung, die bereits im Vorfeld des WW1 eine sehr bedeutende Rolle gespielt hat.

Unklar bleibt nach wie vor bei diesen Überlegungen, ob Churchill sich bereits zu diesem Zeitpunkt mit einer Besetzung von Mittel- und eventuell auch Nordeuropa durch die Rote Armee abgefunden hatte.

Spanndend wäre, ob Churchill den 14 Punkte Plan kannte, den Molotow 1940 mit nach Berlin genommen hatte. Zwei dieser Forderungen bezogen sich auf den Zugang zu den "Ozeanen". Zum einen der Zugang zum Mittelmehr via Bosporus und zum anderen der Zugang zur Nordsee via Kattegatt.

Zumindest die zweite Forderung von Stalin zur Erweiterung seines hegemonialen Einflussbereichs hätte er als Ergebnis des WW 2 durchsetzen können, wenn lediglich Churchill sein Gegenspieler gewesen wäre.

ps. Ich weiss zwar nicht, aus welchem Grund jemand glaubt, einen Beitrag von mir "melden" zu müssen. Problematisch finde ich, dass er offensichtlich den Diskurs vermeidet. Mit dieser Form von "Diskussionsvermeidung" kann ich ehrlich gesagt wenig anfangen.
 
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Möglicherweise setzen diese Betrachtungen, die seitens Churchill sehr stark auf den Balkan abstellen, zeitlich etwas spät an.

Der anglo-amerikanische Konflikt - siehe oben - bestand schon bei der Frage Landung in Nordafrika. Ursache waren zwei Überlegungen:
- soll man Italien vorab als Bundesgenossen durch Kapitulation aus der Achse herausbrechen oder direkt auf dem schnellsten Weg, das ist nun mal der Kanal und Nordfrankreich, den Sieg gegen Deutschland erzwingen?
- der Einsicht, dass insbesondere die logistischen Kapazitäten nicht für parallele Großlandungen reichen würden

Zu diesem Zeitpunkt stand die Rote Armee weit im Osten, noch im Sommer 1942 gab es allierte Befürchtungen eines kurz bevorstehenden Zusammenbruchs, und Stalingrad lag noch in der Zukunft. Hier wurde die Strategie im Kern entschieden, vor dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Landung in Nordfrankreich den Zwischenzeitraum zu nutzen, Italien zum Ausscheiden aus dem Krieg zu zwingen. Dafür ging man schrittweise vor, was nahelag.

An diesem eingeschlagenen Weg hielt Roosevelt beharrlich fest. Wenn man sich die nachfolgenden Schwierigkeiten der Invasion 1944 anschaut, war das wohl der richtige Weg. Auch im Frühjahr und Frühsommer 1943 - entsprechend der eingeschlagenen Strategie wurde nun in Italien und nicht auf dem Balkan gelandet - lag ein Vordringen der SU auf den Balkan weit in der Ferne. Im Gegenteil, die Rote Armee befand sich nach der deutschen Konsolidierungsphase in Schwierigkeiten.

Ich würde eher vermuten, dass sich Churchills Strategie nicht auf ein entweder/oder bezogen haben kann, also eine Preisgabe von Nord- und Mitteleuropa kalkulierte (etwa mangels Interesse). Ebenso wird sich Stalin nicht über die Zeitdauer des Weges nach Berlin im Klaren gewesen sein, man beachte die zögerliche Haltung im Vorfeld der Kursker Schlacht, die sowjetische Strategie des Schlagens aus der Nachhand zu diesem Zeitpunkt, und die schweren Verluste in II./1943. Leningrad war eingekesselt, die 6 "Rollbahnschlachten" in der Frontmitte brachten fürchterliche Verluste und keine Ergebnisse, und den Dnjepr überschritt man erst im September 1943 - kurz vor der Schlammperiode.


Die Frage des Balkans/Italiens würde ich daher eher in die Kategorie "schnellstes Kriegsende" einsortieren. Für die kriegswirtschaftliche Bedeutung des Balkans hatte Roosevelt kein Empfinden, zumal die USA rüstungsseitig auf die Luftschläge gegen die Kriegsindustrie setzten. Zudem wird ihnen mit der gewaltigen Motorisierung der Balkan unangenehm gewesen sein, da die Vorteile absehbar gegen den deutschen Widerstand nur schwer auszuspielen sein würden. Auf einen Gebirgskrieg war man nicht eingestellt. Dieses Argument zog für Italien nicht, da "überholende" Landungen aufwärts der italienischen Westküste leicht möglich waren - dass Anzio/Nettuno dann so schiefging, hatte man nicht auf der Rechnung.

Ab dem Januar 1944 war die richtungsfrage obsolet, da man nicht eine zweite Landung vor der Normandie durchführen konnte und in Anzion bereits gebunden war.
 
1. Ich würde eher vermuten, dass sich Churchills Strategie nicht auf ein entweder/oder bezogen haben kann, also eine Preisgabe von Nord- und Mitteleuropa kalkulierte (etwa mangels Interesse).

2. Die Frage des Balkans/Italiens würde ich daher eher in die Kategorie "schnellstes Kriegsende" einsortieren. Für die kriegswirtschaftliche Bedeutung des Balkans hatte Roosevelt kein Empfinden,

zu 1. Obige Autoren stellen es zumindest so dar, dass er die Mittelmeerkarte spielen wollte, wohlwissend, dass er durch das Binden von Ressourcen damit eine alternative Lösung via "Kanal" blockieren kann.

Die Amerikaner mussten wohl sehr rüde eine weitere Unterstützung im Mittelmeer Ende 43 / Anfang 44 verweigert haben, insbesondere in Richtung Aegeis.

Sie vermuten, dass Churchill die direkte Variante nicht wollte, da er analog zum WW1 eine Abnutzungsschlacht befürchtete.

zu 2. Aus dieser Perspektive ist ja gerade die Normandie als zweitbeste Lösung gewählt worden, was den direkten Zugang betrifft (im Vergleich zum Pas de Calais) Das Ruhrgebiet war für die motorisierten Verbände schneller zu erreichen. Außerdem war die Gefahr eine "Steckenbleibens" in den Alpen durchaus nicht von der Hand zu weisen.

Bei der Beschäftigung mit diesem Thema war ich erstaunt über die nicht unerheblichen Interessengegensätze zwischen Churchill und Roosevelt, denen ja eigentlich ein deutlich besseres Verhältnis unterstellt wurde wie beispielsweise Roosevelt und Chamberlain.

Die Konferenzen der "C in C" der Amerikaner und der Engländer wurden ebenfalls von den obigen Autoren nicht als ein "Damenkränzchen" beschrieben, sondern teilweise hart am Rande der Tätlichkeit. Und in diesem Zusammenhang wird eher die stoische Ruhe von Eisenhower als Garant für die Kooperation betont.

Als Ergebnis einer Landung auf dem Balkan und einem Vorrücken auf Wien, hätten sicherlich auch deutsche Truppen aus Frankreich herangezogen werden müssen, aber die Anwesenheit kampfkräftiger alliierten Truppen auf dem Balkan hätte durch seine Auswirkungen auf den vorhandenen Truppenpool in England eine Landung in Frankreich vermutlich dann nicht mehr ermöglicht.

Mir persönlich ist diese Sichtweise auf Churchill plausibel, da immer das englische Interesse am Mittelmeer betont wurde. Es war einfach der Lebensnerv für die Verbindung nach Fernost. Möglicherweise war er sich der "Überdehnung" der militärischen Möglichkeiten des Empire bewusst und versuchte durch diese "reduktionistische" Großmachtpolitik zu retten, was noch zu retten war.

Ein großer russischer Marinehafen im Mittelmeer wäre für die englischen Interessen weniger erträglich gewesen wie die Russen in Berlin. Um es mal in einem Satz zu pointieren.
 
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