Colonel House und die Möglichkeit einer Allianz im Jahr 1913

Arnaud28

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Guten Tag,

ich habe bei einem Artikel über Colonel House gelesen, dass auf Seiten der Amerikaner im Jahr 1913 eine mögliche Allianz zwischen Großbritannien, dem Deutschen Kaiserreich, den USA und Japan ausgelotet wurde.
Wichtig war ihm auch den Gegensatz zwischen GB und dem Kaiserreich zu entspannen.
House beklagte sich darüber, dass weder Deutschland noch England bereit waren einander Zugeständnisse zu machen.
Ich finde es aber interessant, dass man auf Seiten der USA derartige Bündnisse zumindest durchgespielt hat.

Quelle:
Edward M. House: Der Mann, der die Welt retten wollte
 
1. Ich finde diese Information schon interessant, es zeigt, Deutschland war nicht so isoliert wie angenommen, es hätte auch anders kommen können.
2. Wenn bei einem derartigen Bündnis Frankreich und Rußland ausgenommen sind, kann man erkennen, dass die Amerikaner die beiden als potentielle Gegner erkannt haben. Im Prinzip wäre es eine Art frühe NATO gewesen. Die USA hätten allein aufgrund ihres Potentials die Führung hier übernommen.

Weiß jemand, ob es hierzu noch Literatur gibt?
Herzlichen Dank für jede Art der Anregung.
 
Wie hat sich House die Ausgestaltung des Bündnisses vorgestellt?

England war 1913 mit Frankreich und Russland in der Triple Entente verbunden. Die Vereinbarung mit Russland war von großer Bedeutung für den Erhalt des Empire. Mit Japan war London ebenfalls verbunden und auch dieses Bündnis war für den Erhalt und Sicherung des Empire von Bedeutung.

England wollte schon um die Jahrhundertwende kein Bündnis mit Deutschland; aber da waren die Möglichkeiten für punktuelle Absprachen zumindest im Bereich des Möglichen vorhanden.

Hatte House Ideen, Vorstellungen wie gerade der Gegensatz in der Flottenrüstung zwischen London und Berlin überbrückt hätten werden können? Daran war man ja gerade 1912 im Zuge der Mission von Haldane gescheitert. Jedenfalls bin ich mir sicher, das ein Bündnis, das irgendwie gegen Frankreich oder Russland gerichtet gewesen wäre, in London keine Möglichkeit auf Realisierung gehabt hätte.
 
1. Ich finde diese Information schon interessant, es zeigt, Deutschland war nicht so isoliert wie angenommen, es hätte auch anders kommen können.

Es gab eine Rivalität zwischen der USA (Monroe Doktrin) und der Alten Welt, GB und DR. Teilweise in Lateinamerika und auch in Fernost / Pazifik (Indonesien etc.) ausgetragen.

Gleichzeitig gab es zwischen den USA und GB eine homogenere "Sicherheits-Kultur", wie Brechtken es zeigt. Wichtig für das persönliche Verständnis bzw. Sympatie zentraler Akteure.

Weiß jemand, ob es hierzu noch Literatur gibt?

Ein komplexes Thema im Schnittpunkt des Navalismus / Imperialismus.

Bönker, Dirk (1998): Maritime Aufrüstung zwischen Partei- und Weltpolitik. Schlachtflottenbau in Deutschland und den USA um die Jahrhundertwende. In: Ragnhild Fiebig-von Hase und Jürgen Heideking (Hg.): Zwei Wege in die Moderne. Aspekte der deutsch-amerikanischen Beziehungen 1900-1918. Trier: WVT, Wisschaftlicher Verlag Trier (Mosaic, 2), S. 231–259.
Bönker, Dirk (2001): Admiration, Enmity, and Cooperation. U.S. Navalism and the British and German Empires before the Great War. In: Journal of Colonialism and Colonial History 2 (1).
Bönker, Dirk (2012): Militarism in a global age. Naval ambitions in Germany and the United States before World War I. Ithaca, N.Y.: Cornell University Press .
Brechtken, Magnus (2006): Scharnierzeit 1895 -1907. Persönlichkeitsnetze und internationale Politik in den deutsch-britisch-amerikanischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg. Mainz: P. von Zabern
Fiebig-von Hase, Ragnhild (1984): Lateinamerika als Konfliktherd der deutsch-amerikanischen Beziehungen 1890 - 1903. Vom Beginn d. Panamerikapolitik bis zur Venezuelakrise von 1902/03. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht
Fiebig-von Hase, Ragnhild; Heideking, Jürgen (Hg.) (1998): Zwei Wege in die Moderne. Aspekte der deutsch-amerikanischen Beziehungen 1900-1918. Trier: WVT, Wisschaftlicher Verlag Trier (Mosaic, 2).
Herwig, Holger H. (1976): Politics of frustration. The United States in German naval planning, 1889-1941. 1st ed. Boston: Little, Brown.
Herwig, Holger H. (1986): Germany's vision of empire in Venezuela, 1871-1914. Princeton, N.J.: Princeton University Press
Mehnert, Ute (1998): Amerika und die "Gelbe Gefahr": Karriere eines Schlagworts in der deutschen Diplomatie. In: Ragnhild Fiebig-von Hase und Jürgen Heideking (Hg.): Zwei Wege in die Moderne. Aspekte der deutsch-amerikanischen Beziehungen 1900-1918. Trier: WVT, Wisschaftlicher Verlag Trier (Mosaic, 2), S. 161–176.
Overlack, Peter (1999): Asia in German Naval Planning Before the First World War. The Strategic Imperative. In: War and Society 17 (1), S. 1–23.
 
Was nicht in den Artikel der Süddeutschen steht:

House regte während seines ersten Station in London gegenüber Grey eine Konferenz an. Teilnehmer sollten Grey, der deutsche Staatssekretär des Äußeren und er selbst sein. Grey winkte freundlich mit den Befindlichkeiten in Paris und Petersburg ab. Tyrell überzeugte House davon, das die Flottenproblematik ein, eigentlich das, entscheidendes Hindernis sei.

Churchill hatte ja gerade im Oktober 1913 das sogenannte Flottenfeierjahr vorgeschlagen gehabt, welches von der deutschen Seite abgelehnt worden war.

Im Mai 1914 gab es noch einmal eine Möglichkeit zu einem Gespräch über die Flottenproblematik. Cassel informierte Churchill, das Tirpitz gern mit Churchill während der Kieler Woche sehen und sprechen würde. Dazu benötigte Churchill natürlich die Einwilligung vom Premier und der nimmt natürlich Rücksprache mit Sir Edward Grey.
Grey wollte das lieber auf kleiner Flamme behandelt, also hier den deutschen Marineattache in London, wissen. Grey machte sich Sorgen um die Wirkung eines solches Besuchs in Deutschland. Man würde in der europäischen Presse ein schreckliches Getue hervorrufen und der Fahrt der Geschwader eine Bedeutung verleihen, die außer jeden Verhältnis steht zu allem, was seinerzeit mit den Fahrten geplant war. Man wird die wildesten Gerüchte verbreiten und wir werden uns im Foreign Office dauernd in Erklärungen an Botschafter und Dementis an die Presse verwickelt sehen, die man uns zuschreiben wird. (1)

Chrurchill war wohl enttäuscht, denn er schrieb an dem Premier und Sir Edward:
"Ich bin überzeugt, das keine andere Besprechung der erwähnten Punkte als durch mich und Tirpitz persönlich von Nutzen wäre. Fragen dieser Art gestalten sich viel zu spröde und formell, wenn man sie auf dem üblichen Wege behandelt. [...]" (2)

Im Prinzip also genau wie Dezember 1913 machte sich Sir Edward Sorgen um die Wirkung dieser möglichen Gespräche zwischen Tirpitz und Churchill in Deutschland auf seine Verbündeten Frankreich und Russland. Schade eigentlich.

(1) BD, Band 10/2 2 .Teilband, Dokument 512
(2) BD, Band 10/2 2 .Teilband, Dokument 513
 
Churchill hatte ja gerade im Oktober 1913 das sogenannte Flottenfeierjahr vorgeschlagen gehabt, welches von der deutschen Seite abgelehnt worden war.

Danke für Deine Antwort.
Leider ist das Thema Flottenfeierjahr ein dunkler Fleck bei mir.
Gibt es hierzu irgendeine Zusammenfassung? Worum ging es dabei?
Ich habe nur diese historische Quelle gefunden:
Dort steht geschrieben, dass die britische Presse Churchill zerrissen hätte.

1913
Dr. Schiemann: Deutschland und die große Politik 1913
 
Es ging darum einen Weg aus dem Rüstungswettlauf zu finden. Die liberale Regierung wollte lieber ihre Wahlversprechen erfüllen und mehr Geld für Soziales ausgeben. Hierfür schlug Churchill das Flottenfeierjahr vor, welches vorsah, das ein Jahr lang keine neuen Kriegsschiffe gebaut werden sollen.

Für die Jahre 1908-1912 war in Deutschland das Vierertempo festgelegt worden. Man glaubte in Berlin, England könnte nunmehr finanziell nicht mehr mithalten. Die Antwort Londons war das Fünfertempo. Ein Wahnsinn ohnegleichen!
Im Jahre 1909 wurde vom englischen Parlament der Bau von 8 weiteren Dreadnoughts beschlossen.
Obwohl klar wurde, dass das deutsche Weltmachtkonzept nicht aufging, wurde die 2.Marokkokrise für eine weitere Flottennovell von der deutschen Marineleitung genutzt. Der Reichstag, unter dem Druck einer chauvinistischen Öffentlichkeit, genehmigte 1912 die Absicherung des geplanten Sollbestandes von 60 Großkampfschiffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Leider ist das Thema Flottenfeierjahr ein dunkler Fleck bei mir.
Gibt es hierzu irgendeine Zusammenfassung? Worum ging es dabei?

Mit Flottenfeierjahr scheint eine Art Pause im Flottenbau im Rahmen eines generellen Flottenabkommens gemeint zu sein.

Ich habe per Google noch eine ausführliche Quelle zu dem Thema gefunden, nämlich

Flottenabkommen unter handelspolitischen Bedingungen? / Max Schippel. - [Electronic ed.].
In: Sozialistische Monatshefte. - 19(1913), H. 24191324, S. 1542 - 1547

Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung: Sozialistische Monatshefte 1897 - 1933 (fes.de)

Der Text zu dem Flottenfeierjahr bzw. dem Flottenabkommen fängt ganz unten auf der verlinkten Seite an. Oben kann man zu den weiteren Seiten navigieren.

Dort wird auch der Begriff "Feierschicht" verwendet und das scheint ein Begriff für eine ausgefallene Schicht, besonders im Bergbau, zu sein:

Feierschicht – Schreibung, Definition, Bedeutung, Beispiele | DWDS

Daher nehme ich an, dass mit Flottenfeierjahr eine Art Flottenbaumoratorium gemeint ist.
 
1. Ich finde diese Information schon interessant, es zeigt, Deutschland war nicht so isoliert wie angenommen, es hätte auch anders kommen können.

Es hätte relativ einfach anders kommen können, wenn man von deutscher Seite her, außer in Beziehung auf Österreich nicht seit spätestens den späten 1890er Jahren außenpolitisch einen wirren Zickzack-Kurs gefahren wäre.

2. Wenn bei einem derartigen Bündnis Frankreich und Rußland ausgenommen sind, kann man erkennen, dass die Amerikaner die beiden als potentielle Gegner erkannt haben.
Wo genau kann man das erkennen?
Das ist genau die gleiche Fehldeutung, wie diejenige die Tripple Entente als primär gegen Deutschland gerichtet zu sehen.
Solche Gedankenspiele zeigen einfach nur, dass man eine Einigung mit Deutschland und Großbritannien als wünschenswert ansah und den Wert irgendwelcher Abkommen mit Frankreich und Russland demgegenüber für weniger wichtig betrachtete.

Eine Verbindung zwischen den USA, Großbritannien, Japan und dem Deutschen Reich hätte schlicht auf ein Kartell der führenden/kommenden (Japan) Seemächte abgezielt.
Das wäre weniger eine Vorwegnahme der NATO, als viel mehr des Washingtoner Flottenabkommens gewesen.
Nicht mehr und nicht weniger.
 
Es hätte relativ einfach anders kommen können, wenn man von deutscher Seite her, außer in Beziehung auf Österreich nicht seit spätestens den späten 1890er Jahren außenpolitisch einen wirren Zickzack-Kurs gefahren wäre.

Tirpitz war kein dummer Mann. Und wie man sieht hat die Flottenpolitik durchaus politisches Kapital geschaffen.
Es ist ja so, dass Großbritannien ihre Vereinbarungen mit anderen Ländern eingegangen ist, weil man musste, nicht aus gutem Willen. Dies hatte man in Berlin erkannt.

Wo genau kann man das erkennen?
Das ist genau die gleiche Fehldeutung, wie diejenige die Tripple Entente als primär gegen Deutschland gerichtet zu sehen.

Das Eine geht nicht ohne das Andere.
 
Tirpitz war kein dummer Mann.
Hat auch niemand behauptet, aber er hat die deutschen Möglichkeiten deutlich überschätzt oder die Britischen unterschätzt.

Es ist ja so, dass Großbritannien ihre Vereinbarungen mit anderen Ländern eingegangen ist, weil man musste, nicht aus gutem Willen. Dies hatte man in Berlin erkannt.
Es ist doch viel mehr so, dass man in Berlin nicht in der Lage war zu erkennen, dass wenn man sich in Großbritannien schon keine "splendid isolation" mehr leisten konnte, man sich eine "Politik der freien Hand", wie man sich das in Berlin vorstellte, auf Grund der wesentlich ungünstigeren geographischen Situation noch viel weniger leisten konnte.

Das Eine geht nicht ohne das Andere.
Natürlich geht das eine ohne das Andere.
Um in einem größeren Paket die Kolonialen Interessengegensätze in Asien Beizulegen und sich auf der Basis der Verteidigung eines einmal hergestellten Status Quo zu dessen Verteidigung mindestens zeitweise zusammen zu tun, bedurfte man in London und St. Petersburg keiner besonderen Feindschaft gegenüber Deutschland.
Da reichte im Zweifel auch die Befürchtung der Überdehnung der eigenen Kräfte an der kolonialen Peripherie und die Überzeugung sich dort im Augenblick keine größeren Konflikte leisten zu können.

Gegen wen war sie denn dann gerichtet?
War sie überhaupt gegenn irgendwen gerichtet?

Zunächst einmal war sie als Block einfach die Reaktion auf den Dreibund und dessen Machtpolitisches Übergewicht in Europa nachdem Russland nach 1905 zunächst einmal weitgehend handlungsunfähig war.

Das die russisch-japanische Auseinandersetzung und ihre Auswirkungen das europäische Mächtegleichgewicht nachhaltig gestört hatte, nachdem sich Frankreich ab 1905 technisch recht isoliert dem Dreibund gegenüber sah, sollte wohl einleuchten?

Und ich denke über das wechselseitige Bedürfnis GBs und Russlands sich über weite Teile Asiens zu verständigen, brauche ich dir nichts zu erzählen. Da dürftest du in Teilen ja weit umfangrechere Detailkenntnisse haben als ich.

Die einzige Europa betreffende Motivation Russlands irgendwelche Probleme mit Deutschland zu haben, war das Berlin die Balkanpolitik der K.u.K.-monarchie deckte.
Russlands Motivation, was Europa betrifft, sich mit Frankreich und Großbritannien zu arrangieren lag in der Rivalität zu Österreich-Ungarn, nicht zu Deutschland begründet.

Und was GB betrifft, wissen wir beide, dass man sich in London durchaus darüber im Klaren war, dass Deutschland das Flottenrüsten auf Grund des durch Russlands Erholung entstandenen verstärkten Rüstungsbedarfs zu Lande, auf Dauer finanziell ohnehin nicht würde durchhalten können.
Womit auch klar war, dass Deutschland, wenn es sich nicht mit Russland verständigte GBs Stellung nicht ernsthaft würde herausfordern können.

In London wollte man Veränderungen des Status Quo zu Gunsten Deutschlands und zu Lasten Frankreichs vermeiden.
Das man diese Gefahr 1905 und folgend einfach sah, nimmt nicht Wunder, denn da war die Gelegenheit vorhanden.

Londons Motivation richtete sich darauf eine Stärkung Deutschlands in Europa zu verhindern, aber nicht gegen den Status Quo an und für sich.
Außerhalb Europas war man (Abkommen über die Teilung der portugiesischen Kolonien, im Fall das Portugal gezwungen wäre diese abzustoßen) ja durchaus bereit Deutschland gewisse Zugeständnisse zu machen, so lange das nicht zu Lasten eigener Positionen ging und das ohne die Entente-Partner zu beteiligen.

Offene Feindschaft sieht anders aus.

Der einzige Entente-Partner, der es grundsätzlich auf Schwächung Deutschlands anlegte und auf territoriale Veränderungenn zu Lasten Deutschlands war Frankreich.
Und das war unter die 3 Entente-Mächten die politisch Schwächste, weil in der eigenen Position am Meisten auf die Partner Angewiesene.

Unter diesen Umständen die Tripple-Entente als eine primär gegen Deutschland gerichtete Veranstaltung zu sehen, halte ich für ziemlich neben den Tatsachen.
Das mag man vielleicht in Deutschland so empfunden und in Frankreich so gewünscht haben, entsprach aber nicht den realen Positionen Londons und St. Petersburgs.
 
Das ist ja alles schön und gut, führt jetzt aber deutlich zu weit weg vom Thema :)

Exkurs, der nicht zum Thema gehört. Aber hier ergänzt wird
Zumal:
Offene Feindschaft sieht anders aus.
(...)
Unter diesen Umständen die Tripple-Entente als eine primär gegen Deutschland gerichtete Veranstaltung zu sehen, halte ich für ziemlich neben den Tatsachen.

Was sagt uns die russische Wiki:
В 1900, 1901, 1906, 1907, 1908, 1910, 1911, 1912 и 1913 годах происходили совещания руководителей французского генерального штаба и российского Главного штаба (с 1905 года — Главного управления Генерального штаба). На этих совещаниях координировались планы на случай войны. В частности, на совещании 1900 года рассматривалась не только возможность войны со странами Тройственного союза, но и с Великобританией. Было решено, что если Великобритания нападёт на Францию, то Россия двинет войска в направлении Афганистана и Британской Индии. В свою очередь, если Великобритания нападёт на Россию, Франция должна была сосредоточить войска на побережье пролива Ла-Манш и создать угрозу высадки десанта в Великобритании[4][5].

Übersetzung:
In den Jahren 1900, 1901, 1906, 1907, 1908, 1910, 1911, 1912 und 1913 fanden Treffen der Führer des französischen Generalstabs und des russischen Generalstabs (seit 1905 - Hauptdirektion des Generalstabs) statt. Diese Treffen koordinierten Pläne für den Kriegsfall.

Hierin sehen wir, dass die Entente eine offensive Komponente hatte.
 
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Zunächst einmal war sie als Block einfach die Reaktion auf den Dreibund und dessen Machtpolitisches Übergewicht in Europa nachdem Russland nach 1905 zunächst einmal weitgehend handlungsunfähig war.

Ein Block der sich auf informeller Art und Weise über den reinen Interessenausgleich bis hinzu militärischen Absprachen, wenn auch nicht bindend, weiter entwickelte. Ich spiele auf Grey Cambon an. Die Verbindung von militärischen Planungen und politischen Kooperations- und Beistandswillen stellten die Vorbereitung für ein gemeinsames Agieren in einem Krieg, der Gegner konnte nach Lage der Dinge nur Deutschland sein, dar.

Das die russisch-japanische Auseinandersetzung und ihre Auswirkungen das europäische Mächtegleichgewicht nachhaltig gestört hatte, nachdem sich Frankreich ab 1905 technisch recht isoliert dem Dreibund gegenüber sah, sollte wohl einleuchten?

Das wurde elegant erledigt. England stellte gegenüber Russland klar, das man mit Japan verbündet war. Paris sorgte über eine Anleihe dafür, das Tokio sich mit Petersburg über offene Fragen einigte. Das war nämlich die Voraussetzung, damit Japan die Anleihe erhält.
Der Weg war nun frei, das Petersburg seinen Fokus wieder nach Europa ausrichten konnte, da mit Japan keine Probleme mehr vorhanden waren. Und der Fokus richtete sich auf dem Balkan.

Die einzige Europa betreffende Motivation Russlands irgendwelche Probleme mit Deutschland zu haben, war das Berlin die Balkanpolitik der K.u.K.-monarchie deckte.

Aber sicher nicht während der Balkankriege.
1912/13 und das wurde in Wien übel vermerkt. Im Ballhausplatz fühlte man sich von Deutschland im Stich gelassen und fühlte sich an die Wand gedrückt.

Außerhalb Europas war man (Abkommen über die Teilung der portugiesischen Kolonien, im Fall das Portugal gezwungen wäre diese abzustoßen) ja durchaus bereit Deutschland gewisse Zugeständnisse zu machen, so lange das nicht zu Lasten eigener Positionen ging und das ohne die Entente-Partner zu beteiligen.

Für Sir Edward stand die Sicherung und der Erhalt des Empire an erster Stelle. Hierfür war die Partnerschaft mit Frankreich und Russland von Bedeutung. Sir Edward wollte sich nicht aggressiv gegen Deutschland vorgehen.
Durch die Triple Entente haben sich die Dinge in Europa für London aber auch gewissermaßen vereinfacht, denn man besaß das Übergewicht.

Wenn man in Berlin Geduld gehabt hätte, dann wäre vielleicht eine Aufweichung der Blöcke möglich gewesen, dann die Spannungen zwischen England und Russland in Bezug auf Persien waren nicht zu verachten.
England wollte sicher nicht aggressiv agieren und vorgehen. Da stimme ich zu.

Der einzige Entente-Partner, der es grundsätzlich auf Schwächung Deutschlands anlegte und auf territoriale Veränderungenn zu Lasten Deutschlands war Frankreich.
Und das war unter die 3 Entente-Mächten die politisch Schwächste, weil in der eigenen Position am Meisten auf die Partner Angewiesene.

Ja, man wollte die Provinzen und den Frankfurter Frieden am liebsten rückabwickeln. Die Franzosen waren leider nicht willens, die Niederlage und die damit verbundenen Konsequenzen zu akzeptieren. Obwohl sie selbst in Vergangenheit deutsches Territorium sich angeeignet hatten. Nur gab es dort keine fixe Revancheidee.

Und dann verdient auch noch die projektierte Marinekonvention zwischen England und Russland Erwähnung. Es ist klar gegen wem diese gerichtet war.
Formell war die ursprünglichen Vereinbarungen nichts weiter als Interessenausgleich. Aber daraus entwickelte
sich eben mehr. In beiden Marokkokrisen hat England sich klar auf Seiten Frankreichs gestellt und die Mansions Rede von Lloyd George ließ ja nun nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig.

Auch erwähnen darf man, die Ausdehnung des Casus Belli auf den Balkan für Frankreich. Ganz klar war dadurch, wenn Russland gegen Österreich, warum auch immer, zur Tat schreitet, wäre Deutschland gemäß Zweibundvertrag verpflichtet Wien beizustehen, da es von Russland angegriffen wird. So, und dann springt Frankreich Russland bei und schon ist er das, der große Krieg.

Das jetzt alles so "aus dem Handgelenk", ohne die Quellen zu konsultieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Verbindung von militärischen Planungen und politischen Kooperations- und Beistandswillen stellten die Vorbereitung für ein gemeinsames Agieren in einem Krieg, der Gegner konnte nach Lage der Dinge nur Deutschland sein, dar.

Sie stellten bestenfalls Planungen für ein gemeinsames Reagieren dar.
Natürlich konnte der Hauptgegner in einem solchen Krieg nur Deutschland sein, aber die militärischen Absprachen setzten eine deutsche Agression voraus oder etwas, dass sich zumindest als solche verkaufen ließ um aktiviert werden zu können.
Großbritannien hätte einen französischen Angriffskrieg gegen Deutschland ebenso wenig mitgemacht, wie einen Russischen gegen Österreich-Ungarn.

Das wurde elegant erledigt. England stellte gegenüber Russland klar, das man mit Japan verbündet war. Paris sorgte über eine Anleihe dafür, das Tokio sich mit Petersburg über offene Fragen einigte. Das war nämlich die Voraussetzung, damit Japan die Anleihe erhält.
Der Weg war nun frei, das Petersburg seinen Fokus wieder nach Europa ausrichten konnte, da mit Japan keine Probleme mehr vorhanden waren. Und der Fokus richtete sich auf dem Balkan.

Ich spreche davon, dass anno 1905 und folgend Russland militärisch und finanziell derart geschwächt war, dass die russisch-französische Allianz auf Jahre praktisch entwertet war und Frankreich für die Möglichkeit eines deutschen oder deutsch-italienischen Agressionskrieges praktisch auf dem Präsentierteller lag.
Das man in dieser Situation von britischer Seite her die Zusammenarbeit mit Frankreich stärkte und sich darum bemühte Russland möglichst schnell wieder in handlungsfähigen Zustand zu versetzen, war in diesem Kontext duchaus auch mit der Motivation der Wahrung des europäischen Gleichgewichts sinnvoll.


Aber sicher nicht während der Balkankriege.
1912/13 und das wurde in Wien übel vermerkt. Im Ballhausplatz fühlte man sich von Deutschland im Stich gelassen und fühlte sich an die Wand gedrückt.
Was aber ändert das daran, dass es zwischen Deutschland und Russland keine Stritigkeiten territorialer Art, noch besondere Streitigkeiten um Einflusszonen gab?
Russlands Interessen gingen klar gegen die Donaumonarchie und deren Interessen, aber nicht gegen Deutschland.

Hätte sich Deutschland vom Zweibund mit Österreich verabschiedet, hätte wäre das logische Ergebnis der Zerfall der Tripple-Entente gewesen, weil Russland dann von dem französischen Bündniss keinen Gewinn mehr zu erwarten gehabt hätte, sondern nur Verpflichtungen, die seinen Interessen nicht dienten.

Für Sir Edward stand die Sicherung und der Erhalt des Empire an erster Stelle.

Eben, die Sicherung des Empire und nicht das Bekriegen Deutschlands.

Und durch die Triple Entente haben sich die Dinge in Europa für London auch vereinfacht, denn man besaß das Übergewicht.
Besaß man das Übergewicht?
Ich glaube, wenn man sich den Ersten Weltkrieg so ansieht, lief das darauf hinaus, dass am Ende Frankreich und Großbritannien für primär russische Interessen in den Krieg gezogen sind, wobei Frankreich immernoch in Europa etwas zu gewinnen hoffte.

Insofern würde ich meinen, innderhalb der Entente besaßen Russland und Großbritannien, stand 1914 ein ähnlich starkes Gewicht.
Und genau das hätte über kurz oder lang wahrscheinlich auch zu ihrem Verfall geführt.

Und dann verdient auch noch die projektierte Marinekonvention zwischen England und Russland Erwähnung. Es ist klar gegen wem diese gerichtet war.
Natürlich verdient die auch Erwähnung.

Nur zum einen war deren praktischer Wert ja ohnehin von Beginn an fragwürdig, zum anderen zielte sie letztendlich auf den Eventualfall eines Krieges mit den Zentralmächten ab, aber nicht darauf einen solchen vom Zaun zu brechen.
 
^^
Entschuldigung, das hat aber alles nichts mit der Ausgangsfrage zu tun.
Mich würde mehr interessieren, ob es von Oberst House oder von den anderen Partnern zu dieser Bündnisüberlegung Aufzeichnungen oder Einschätzungen gibt.
 
Außerhalb Europas war man (Abkommen über die Teilung der portugiesischen Kolonien, im Fall das Portugal gezwungen wäre diese abzustoßen) ja durchaus bereit Deutschland gewisse Zugeständnisse zu machen, so lange das nicht zu Lasten eigener Positionen ging und das ohne die Entente-Partner zu beteiligen.

Ja, die Abmachung wurde im Oktober 1913 unterschrieben. Schon 1898 hatten Deutschland und England eine entsprechende Vereinbarung getroffen gehabt. Im sogenannten Windsor Vertrag von 1899 hatte London dieses Abmachung mit Berlin unterlaufen. Gegenüber Lissabon hatte man sich verpflichtet, die Integrität der portugiesischen Kolonien zu verteidigen, und dafür das Recht erhalten dort seine Truppen frei bewegen zu können. Grey setzte diese Doppelspiel fort. Einerseits stellte er Berlin Angola in Aussicht, auf der anderen Seite wurde dem portugiesischen Außenminister die britische Unterstützung bei der Wahrung des dortigen Besitzrechts zugesichert.

Sie stellten bestenfalls Planungen für ein gemeinsames Reagieren dar.

Du nennts das "bestenfalls Planungen"? Ich bin überrascht.

Was aber ändert das daran, dass es zwischen Deutschland und Russland keine Stritigkeiten territorialer Art, noch besondere Streitigkeiten um Einflusszonen gab?
Russlands Interessen gingen klar gegen die Donaumonarchie und deren Interessen, aber nicht gegen Deutschland.

Eben, die Sicherung des Empire und nicht das Bekriegen Deutschlands.

Ich habe nicht behauptet, das London ein aggressives, kriegerisches Vorgehen gegen Deutschland im Sinne hatte.

Nur zum einen war deren praktischer Wert ja ohnehin von Beginn an fragwürdig,

Woran machst du denn das bitte fest? Sasonow hatte einen erheblichen Druck ausgeübt, damit Verhandlungen für eine Marinekonvention im Gang gesetzt werden? Das hatte er wohl kaum zum Spaß gemacht.
Im Zuge der Liman Krise wurde in Petersburg über einen Krieg nachgedacht, nach der Krise wurde die Besitzergreifung von Bosporus und Dardanellen konkret ins Auge gefasst. Ausführlich nachzulesen bei Drei Konferenzen von Pokrowski und auch Kaiserdämmerung von Schmidt, der sich auch auf Pokrowski bezieht.

Der deutschen Seite blieb das nicht verborgen. In den Preußischen Jahrbüchern führte der Historiker Hans Dellbrück aus, die Russen [...] kündigen uns den Krieg an, wenn wir Ihnen nicht gestatten, den Türken die Pforte des Schwarzen Meeres zu entreißen und die südslawischen Volksstämme aus dem Gefüge der Monarchie herauszulösen.

In der Kölnischen Zeitung wurde am 02.März 1914 berichtet, das Frankreich immer stärker mit dem russischen Säbel rassle und dabei Russland zum Kriege gegen Deutschland regelrecht aufreize. Es gab eine Panik an der Berliner Börse. Habe ich aus Kaiserdämmerung von Rainer F. Schmidt.

Was aber ändert das daran, dass es zwischen Deutschland und Russland keine Stritigkeiten territorialer Art, noch besondere Streitigkeiten um Einflusszonen gab?
Russlands Interessen gingen klar gegen die Donaumonarchie und deren Interessen, aber nicht gegen Deutschland.

Da stimme ich dir zu. Deshalb hat Russland ja auch den größeren Teil seiner Landstreitkräfte gegen Österreich-Ungarn aufmarschieren lassen und nicht wie von Frankreich nachdrück gefordert gegen Deutschland.

Hätte sich Deutschland vom Zweibund mit Österreich verabschiedet, hätte wäre das logische Ergebnis der Zerfall der Tripple-Entente gewesen, weil Russland dann von dem französischen Bündniss keinen Gewinn mehr zu erwarten gehabt hätte, sondern nur Verpflichtungen, die seinen Interessen nicht dienten.

Ein unrealistisches Szenario, da dies nicht in dem Bereich der gewollten deutschen Handlungsoptionen lag. Man hat in Berlin zwar durchaus bei Gelegenheit über seinen Bündnispartner geschimpft, aber eine Aufgabe stand nicht ernsthaft zur Disposition. Man wäre dann ja vollkommen isoliert gewesen und das Russland das Bündnis mit Frankreich aufgegeben hätte, ist rein spekulativ. Unter dem Strich jedenfalls wären beide Mächte, Deutschland und Österreich-Ungarn erst einmal enorm geschwächt und sehr angreifbar gewesen.
 
^^
Entschuldigung, das hat aber alles nichts mit der Ausgangsfrage zu tun.
Mich würde mehr interessieren, ob es von Oberst House oder von den anderen Partnern zu dieser Bündnisüberlegung Aufzeichnungen oder Einschätzungen gibt.

Das stimmt. Vielleicht kann die Moderation verschieben oder eben löschen.
 
1. Ich finde diese Information schon interessant, es zeigt, Deutschland war nicht so isoliert wie angenommen, es hätte auch anders kommen können.
Wer hat das angenommen?

Das Dt. Kaiserreich hatte lediglich mit seinen unmittelbar territorialen Großmacht-Nachbarn und Territorial-Konkurrenten Frankreich und Russland auf politischer Ebene (so) erhebliche Differenzen, während sich die britischen Regierungen damals in kein Bündnis, in keine Absprache mit Berlin einlassen wollten, wie es Berlin zeitweise gerne gehabt hätte.

London wiederum ging die Absprachen/Verträge mit Paris und Moskau hauptsächlich zur Reduzierung weiterer großer Konflikte mit der Pariser und Moskauer Administration ein.
Solche Konfliktpotentiale und Konflikte bestanden im Verhältnis der Londoner Regierungen zu Berlin nicht bzw. so nicht.
 
Nur zum einen war deren praktischer Wert ja ohnehin von Beginn an fragwürdig, zum anderen zielte sie letztendlich auf den Eventualfall eines Krieges mit den Zentralmächten ab, aber nicht darauf einen solchen vom Zaun zu brechen.

Im Tagebuch von Kurt Riezler findet man unter dem 07.Juli 1914 u.a. die folgende Eintragung.

"Er (gemeint ist Bethmann; Anmerkung von mir) sieht die englischen-russischen Verhandlungen über eine Marineconvention, Landung in Pommern sehr ernst an, letztes Glied in der Kette."

Das war also in der Außenwirkung, Sir Edward hatte die Gespräche ja auch abgeleugnet, mitten in der Julikrise reichlich ungünstig. Was sollten Bethmann und Jagow davon halten?
 
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