cursus honorum

Theophilus

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Moin, moin,
ich bastele derzeit an einem (fiktiven) Lebenslauf von Pontius Pilatus. Historisch gesichert ist, dass er 26-36nC Präfekt der Provinzen Judäa und Samaria war. Er gehörte also wahrscheinlich dem Ritterstand an.
Aus dem, was ich mir bisher so angelesen habe (mit zT widersprüchlichen Informationen) ergibt sich folgende Biographie:
Geburt in Rom als Sohn wohlhabender Eltern
Erzogen von Amme und griechischen Sklaven
7-11j Elementarunterricht durch einen Privatlehrer
11-16j Beim Grammaticus Unterricht in klassischer Literatur
16-19j Rhetorikschule
19 - 21 militärische Grundausbildung? (gab es da einen Sonderweg für equites?)
21 - 31 tres militiae - ca 10 Jahre Dienst als praefectus cohortis – tribunus militum – praefectus alae
32j verschiedene Dienste im lokalen Magistrat - in dieser Zeit Eheschließung
41j Präfekt von Judäa
Kann das so ungefähr hinkommen?
 
Eine Funktion als Prokurator wäre zwischen dem Militärdienst und seiner Prätur (?) ansiedelbar, bspw. befasst mit dem Eintreiben und Abführen der Steuern einer Provinz, oder eine Tätigkeit in der kaiserlichen Kanzlei mit Zuständigkeit für griechische Korrespondenz, beides könnte ihn für den Job als Präfekt von Judäa qualifizieren.
 
Wie ist das mit der militärischenGrundausbildung für Ritter - gab es da einen Sonderweg? Die werden doch wohl kaum zusammen mit den einfachen Legionären durch den Matsch gekrochen sein. Was ich bisher so gelesen habe, klang immer ein bisschen so, als wären sie direkt von der Schule in eine Kommandostelle gekommen, aber das kann ich mir nicht vorstellen ...
 
Auch wenn es unvorstellbar ist, so war es wohl i.d.T. genau so, zumindest noch unter den julisch-claudischen Kaisern. Delbrück bzw. seine Quelle beschreibt, wie ein gewisser Lucullus (ob es der berühmte war, müßte ich erst noch mal nachforschen) auf der Reise zu seinem Amtsantritt als Legat einer Legion sich aus schlauen Büchern weiterbildet...
Er hat seine Sache dann sehr gut gemacht, aber es gibt auch negative Beispiele.
 
Das schreibt Delbrück:

Die höheren Offiziere, die Tribunen und Legaten, die aus den aristokratischen Familien Roms wie der römischen Provinzialstädte hervorgehen, sind auch jetzt noch nicht Militärs in ausschließlichem und spezifischem Sinne, sondern, wie in den Zeiten der Republik, Beamte, Magistrate, die jede Art obrigkeitlicher Funktion richterlicher, administrativer, militärischer Natur ausüben. Die Qualifikation, die erfordert wird, ist allein die Vornehmheit, der aristokratische Sinn, der alles kann, weil er sich alles zutraut. Als seiner Zeit Lucullus zur Übernahme des Kommandos gegen Mithridates nach Asien abgegangen war, bereitete er, der bisher angeblich nichts vom Kriegswesen verstanden hatte, sich unterwegs durch Lehrstunden und Bücherstudien vor77 und erfüllte seine Aufgabe glänzend. Marius freilich sprach zum römischen Volk sehr abschätzig über diese Art Feldherren78, und auch in Cäsars Schriften finden wir seine Tribunen nicht häufig gerühmt. Augustus fand[173] auch hier einen Ausgleich zwischen der sozialen Struktur des Römertums und dem militärischen Bedürfnis, indem er das neue Amt der Lager-Präfekten schuf. Ursprünglich waren sie wohl, was der Name besagte, Platz-Kommandanten in den großen Standlagern; sehr bald aber ist wohl ebenso ihre Zahl, wie ihre Funktion erweitert worden. Die Aufsicht und Kontrolle des Dienstbetriebes, für die die mehr oder weniger dilettantischen Tribunen nicht ausreichten, wurden in ihre Hände gelegt. Denn sie sind Berufsoldaten, sie gehen aus dem Stande der Centurionen hervor und sind die gefürchteten Wächter der Disziplin. Später, im 3. Jahrhundert, sind sie ganz an die Stelle der Legaten getreten und Kommandeure der Legionen geworden.

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 167-207.
Permalink:
Delbrück, Hans, Geschichte der Kriegskunst, 2. Teil. Die Germanen, 1. Buch. Der Kampf der Römer und Germanen, 8. Kapitel. Inneres Leben der kaiserlich römischen Armee
Lizenz:
Gemeinfrei

Andererseits finde ich bei Wikipedia, daß Lucius Licinius Lucullus (der Feinschmecker und identisch mit dem oben erwähnten Lucullus) unter Sulla doch bereits Militärtribun war.

Aber eine militärische Grundausbildung im heutigen Sinne hat er mit Sicherheit nicht durchgemacht.
 
Stellt sich die Frage, was konnte ein angehender römischer Ritter bereits an Vorwissen einbringen wenn er (s)eine militärische Dienstzeit aufnahm?
Es dürfte davon auszugehen sein, dass während der frühen Prinzipatszeit (noch) ein recht hohes Maß an militärischem Denken in vielen Ritterfamilien alltäglich präsent war. Neben einem eher hoch zu veranschlagenden allgemeinen Bewusstsein der römischen Bürgergesellschaft für militärische Aspekte, lagen gerade die Bürgerkriege der sterbenden Republik noch nicht lange zurück. Ob gewollt oder nicht, sich da einer Involvierung entzogen zu haben dürfte nicht ganz einfach gewesen sein. So dürfte es mehrheitlich ein gewisses Maß an innerfamilärer militärischer Tradierung, eine theoretische Erfahrungsweitergabe von Vätern/Onkeln/etc. zu Söhnen gegeben haben.

Darüberhinaus existieren etliche Zeugnisse für sportliche Ertüchtigung der Jugend mit durchaus militärischer Ausrichtung. Was diesbezüglich im heimischen Atrium geschah? Im öffentlichen Raum, bspw. auf dem Marsfeld, konnte wettkämpfend ausgiebig gerungen, geboxt, gerannt, gehüpft, bogengeschossen, speergeschleudert, gefochten, usw. werden. Eine vormilitärische “Ausbildung“ junger Männer hat(te) Tradition in der römischen Gesellschaft.
Erinnernd, da vor Jahren gelesen, ein anschaulicher Überblick:
Der Sport im augusteischen Rom

Kadettenschmieden im neuzeitlichen Sinne kannten die Römer nicht. Im Einzelfall ist demnach von einer individualisierten Vorbereitung auf die militärische Dienstzeit auszugehen. Karrieregeile inkompetente Schnösel wird es gegeben haben, auch wird Vitamin B manch Luftikus in die Reihen der ritterlichen Militärtribunen gespült haben. Talentierte Geniusse wie womöglich den von @Schleppschreck angeführten Lucullus (aus patrizischem Hause) ebenso. Doch summa summarum würde ich davon ausgehen, dass leidlich vorgebildete und trainierte junge Männer als angehende tribuni angusticlavii bei den Truppen landeten. Vor Ort dürften die Realitäten des militärischen Alltags ambitionierte Rittersprosse schnell erkannt haben lassen, dass man leisten musste, um nicht als Lachnummer in den contubernia herhalten zu müssen.
Das militärstrategisch kompetente Rückgrat der Legionen werden aber auch schon in der frühen Prinzipatszeit in hohem Maß die Berufssoldaten gebildet haben, die aus deren Pool hervorgehenden Centurionen und Primipilii.

@Theophilus
Als gedienter Ex-Zivi drückebergere ich mich an diesem Morgen nun vor weiterem recherchierendem Marschieren durch den militärbergrifflichen Matsch und Schmodder von einst, mit einer Anregung:
Vielleicht lohnt es sich für Deine obige Fragestellung auch den Bergriff tirocinium militae ritterlich einzukesseln...
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch ich habe ein staatlich geprüftes Gewissen und stehe daher dem heutigen und historischen Militärbetrieb ziemlich ahnungslos gegenüber ...
Umso mehr weiß ich die Hilfe des Forums zu schätzen.
 
@Theophilus
Da Du rund um ein Romanprojekt am Recherchieren bist, unwissend Deines Anspruches hinsichtlich historischer Realität, ein allgemeiner Gedanke, den ich einfach mal in diesem Thread platziere:
Meines Eindruckes nach, neigt mensch über Zeiten und Epochen hinweg tendenziell gerne dazu, Gutes leichthin als selbstverständlich anzunehmen und nur außerordentlich Gutes für erwähnenswert zu erachten, wohingegen schon das geringste Schlecht mensch Veranlassung zum Lästern, Maulen und Nörgeln bietet. Diese “Eigenschaft“ findet meiner Ansicht nach auch in uns überlieferten Zeugnissen ihren Niederschlag.

Auf die “Qualität“ römischer Militärtribune bezogen sehe ich das einem Bauchgefühl folgend so:
Bei verallgemeinernder Bewertung junger Männer ritterlichen oder senatorischen Standes die im Rahmen des cursus honorum eine befristete Militärzeit absolvierten, könn(t)en Quellen leicht ein “Zerrbild“ entstehen lassen. Mit den Vollprofis (Centurionen) zu bestehen, in dieser Relation hatten es die Teilzeitoffiziere sicherlich schwer. Doch römische Truppen waren lange Zeit eher enorm erfolgreich denn versagend, mit reihenweise Taugenichtsen in den Offiziersstäben der Legionen oder in Kommandofunktion bei den Auxiliarverbänden mag ich mir das nicht vorstellen können.
Kurzum, auch wenn da und dort mal über die Tribunen gemosert wird, und im Zuge diverser Reformen der römischen Armee eine klare Verschiebung vom republikanischen Bürgerheer hin zum professionellen Soldatentum fassbar ist, in der Mehrheit dürften die aristokratischen Teilzeitkrieger gemessen an den Anforderungen im strukturellen Rahmen der militärischen Organisation weitgehend recht fähige Leute für ihre Posten gewesen sein - zumindest bis in tiberische Zeit.

Vielleicht lässt Du uns ja wissen, was Du aus Pontius Pilatus machst...
 
Wie ist das mit der militärischen Grundausbildung für Ritter - gab es da einen Sonderweg? Die werden doch wohl kaum zusammen mit den einfachen Legionären durch den Matsch gekrochen sein.

Hier ist Info über die Ausbildung und die militärischen Aufgaben der römischen Ritter.

Quelle: "The Roman Cavalry" (1992) von Karen R. Dixon and Pat Southern

Ich habe die Passagen mit OCR in eine editierbaren Text übertragen, von DeepL übersetzen lassen und auf die Schnelle korrekturgelesen und leicht bearbeitet. Es geht daraus hervor, dass die Equiden (vermutlich) zunächst zusammen mit den Fußsoldaten trainiert wurden und dann eine spezifische Ausbildung erhielten.

(ab S. 28)

Warum die Equiden in den Büchern der Jahrhunderte (engl. Ausdruck "books of centuries" = historische Timeline-Aufzeichnungen) geführt wurden, ist nicht ganz klar, zumal es den Anschein hat, dass sie die meiste Zeit über als Einheit zusammengearbeitet haben, völlig unabhängig von der legionären Infanterie (siehe S. 29-30). Es wird vermutet, dass bei der Rekrutierung in die Legionen alle Soldaten eine Grundausbildung als Infanteristen absolvieren mussten, bevor sie zu Equiden werden konnten (Breeze 1969, 54, n.19). So blieben sie bei der Erlangung von Positionen in der Kavallerie einfach in den Büchern des Jahrhunderts, in das sie sich ursprünglich eingeschrieben hatten (Pitts und St. Joseph 1985, 170). Wenn es eine solche Situation gäbe, dann müsste man nicht versuchen, jedem Jahrhundert eine bestimmte Anzahl von Kavalleristen zuzuordnen, wobei die Zahl möglicherweise nur durch die persönliche Wahl der Männer selbst und die Verfügbarkeit von Plätzen in der Kavallerie der Legion, in der sie dienten, bestimmt wird.

Das Problem, ob es einen Oberbefehlshaber für die Equiden-Legionäre gab oder nicht, ist noch nicht gelöst (Breeze 1969, 55; Speidel 1970, 144; Pitts and St Joseph 1985, 170). Wenn es ein solches Amt gäbe, wurde angenommen, dass der betreffende Offizier den Rang eines Zenturios gehabt hätte (Pius und St. Joseph 1985, 170; Speidel 1970, 144). Domaszewski argumentierte jedoch, dass der Optio, die für die Legionskavallerie (CIL vut 2568) bezeugt ist, der höchstrangige Offizier gewesen wäre (1967, 47). Im Gegensatz zu dieser Theorie ist nach Speidel (1970, 145) eine Inschrift, die die Karriere einer Prätorianergarde (CIL vi 32709a = II S 9190) festhält, die unter anderem die Ämter optio equitum und vexillarius equitum innehatte; dies hat ihn zu dem Schluss veranlasst, dass aufgrund der Reihenfolge, in der die Ämter erfasst wurden, das vexillarius equitum höher oder zumindest gleich einem optio equitum sein muss. Ob es jedoch richtig ist, davon auszugehen, dass die Reihenfolge, in der die Titel auf den Inschriften aufgeführt sind, die Reihenfolge ist, in der sie gehalten wurden, ist fraglich. Daher ist bei den auf diesen Erkenntnissen basierenden Theorien Vorsicht geboten. Wie unabhängig die equites legionis innerhalb der Legion waren, ist ungewiss.

Ein Grabstein, der die Karriere von T. Claudius Maximus festhält, soll den ersten bekannten Hinweis auf einen Quästor in den Legion-Equiden enthalten (Speidel 1970, 144). Ein eigener Schatzmeister für die Kavallerie würde natürlich ein höheres Maß an organisatorischer Unabhängigkeit von der Infanterie bedeuten, als bisher angenommen wurde. Aus literarischen und epigraphischen Quellen ist jedoch bekannt, dass die Equiden als Einheit ausgebildet, marschiert und gekämpft wurden (Speidel 1970, 144). Zwei Inschriften, eine von einem Magister kampi (CIL vux.2562, 6) und eine andere von einem Magister equitum (CIL v.8278), können eine spezifische Ausbildung der Kavallerie in den betreffenden Legionen beinhalten. Weitere Unterstützung für die Equiden, die eine individuelle Ausbildung erhalten, kommt von Hadrians Adlocutio (CIL viu.2532; 18042 = /LS 2487; 9133-35), der aufzeichnet, wie er der Legionskavallerie zu ihrem Auftritt gratulierte: "Militärische Übungen haben, wie ich sagen kann, ihre eigenen Regeln, und wenn etwas zu diesen Regeln hinzugefügt oder ihnen genommen wird, wird die Übung entweder von geringem Wert oder zu schwierig. Je aufwendiger es wird, desto ärmer wird die Darbietung. Aber du hast die schwierigste aller Übungen durchgeführt, nämlich Speerwerfen, in Harnisch gekleidet ..... Darüber hinaus gratuliere ich dir zu deinem Geist/Mut/Tatkraft usw. ("spirit") ...."

Es ist vernünftig, daraus abzuleiten, dass nur durch den Unterricht von Kavallerielehrern und der Equidenausbildung als Einheit ("body") der Grad der Fähigkeit, eine solche Leistung zu erbringen, ermöglicht werden könnte. Beweise für den Zusammenmarsch der Equites legionis kommen von Arrian's Acies Contra Alanos und dem Schriftsteller Josephus aus dem ersten Jahrhundert (Jüdischer Krieg 5.2.1.47-50): Als Titus in feindliches Gebiet vordrang, bestand seine Vorhut aus den Kontingenten der Könige mit dem ganzen Korpus von Hilfskräften. Daneben befanden sich die Pioniere und Lagermeister, dann der Gepäckzug der Offiziere; hinter den Truppen, die diese schützten, stand der Oberbefehlshaber, der von den Lanzenläufern und anderen ausgesuchten Truppen begleitet wurde, gefolgt von der legionären Kavallerie. Nach ihnen und um den Adler herum kamen die Fähnriche mit ihren Trompetern und hinter ihnen die feste Säule, sechs nebeneinander. Die Diener, die jeder Legion angehören, folgten in einem Körper, dem der Gepäckzug vorausging. Zu guter Letzt kamen die Söldner mit einer Nachhut, um sie im Auge zu behalten.

Die equites legionis scheinen also getrennt von der legionären Infanterie marschiert zu sein, eine ähnliche Marschordnung, die zu Arrians Zeiten noch vorkam (Dent 1974, 571). Trotz einer gewissen Einheitsidentität wurde die legionäre Kavallerie nicht immer als Gruppe eingesetzt, sondern diente hauptsächlich als berittene Boten und Späher (Pitts und St. Joseph 1985, 170; Breeze 1969, 55; Webster 1985, 111; Dobson 1981, 217; Bishop 1988, 112). In einer solchen Situation war es nicht notwendig, sie gemeinsam unterzubringen, jedes bedeutet, weiterhin in den Baracken des Jahrhunderts zu leben, in das er sich ursprünglich eingeschrieben hatte. Es ist möglich, dass sie als Einheit untergebracht wurden (Breeze 1969, 55), aber aufgrund der Tatsache, dass nur zwei Legionsfestungen vollständig ausgegraben wurden (Neuss in Deutschland und Inchtuthil in Schottland), sind die Beweise äußerst begrenzt. Darüber hinaus scheinen sowohl Bagger als auch Wissenschaftler noch auf der Suche nach genügend Barackenraum für 120 Männer zu sein, obwohl die Blöcke A und B in der Inchtuthiler Kaserne 20 Contubernia hatten, als man dachte, dass nur 16 notwendig seien: In diesem Fall wurde vorgeschlagen, dass die vier zusätzlichen vier dem Kommandanten gehören könnten, sofern einer vorhanden war (Pitts und St. Joseph 1985, 170). Wieder einmal scheint es, dass zu sehr auf Josephus' Aussage vertraut wird, so dass die Möglichkeit, dass mehr als 120 Kavalleristen in der Festung anwesend waren, nicht berücksichtigt wird.

Wie bereits erwähnt, gibt Vegetius an, dass die legionäre Kavallerie 726 pro Legion umfasste (Epitoma Rei Militaris, 2.6). Es wird angenommen, dass dieser erhebliche Anstieg während der Herrschaft von Gallienus (253-68 n. Chr.) stattfand (Parker 1932, 145; Holder 1982, 97). Es ist umstritten, ob die Legionskavallerie unter diesem Kaiser zu eigenständigen Einheiten wurde oder nicht. Es mag sein, dass unter Gallienus ein allmählicher Prozess der Unabhängigkeit eingeleitet wurde, dass aber die endgültige Trennung aller Verbindungen zur Legionsinfanterie erst zur Zeit Konstantins I. (324-37 n. Chr.) erfolgte (Parker 1932, 145).

Der Kaiser und die Provinzgouverneure verfügten über ein Kontingent an Kavallerie und Infanterie für ihren persönlichen Dienst und Schutz. Die Kavallerie, die dem Kaiser diente, wurde von den Alae abgeordnet und hieß equites singulares singulares Augusti. Das Infanterieäquivalent war die Prätorianische Garde. Im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. kamen die Männer, die innerhalb der Garde dienten, meist aus Italien und wurden direkt rekrutiert. Von der Zeit des Severus (193-211 n. Chr.) an wurden jedoch einige Prätorianer aus den Legionen geholt, und von denen, die noch immer direkt rekrutiert wurden, kamen die meisten nun aus den Legionen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Chan
Bin kein Experte und schüttel jetzt ohne nachzuschauen aus der hohlen Hand. Ich denke hier geht's jetzt etwas durcheinander. Die römischen Ritter der früheren Republik als Namensgeber des aristokratischen Ritterstandes zu späteren Zeiten sind nicht mehr vergleichbar mit den berittenen Einheiten der Legionen zur frühen Kaiserzeit. Diese wurde wie Legionäre rekrutiert, während ein Römer zur Zeitenwende so um die 400.000 Sesterzen nachweisen musste um Aufnahme in den Stand der Ritter zu finden.
 
Wobei der Stand der Equites von der Reiterei her kam. Da Rom bis kurz vor den Bürgerkriegen eine Milizarmee hatte, wurden die Bürger nach ihrem Vermögen eingeteilt. Und damit auch der Truppe, welcher sie angehörten. Das war auch sinnvoll, da die Soldaten ihre Ausrüstung selbst bezahlen mussten. Ein Soldat, der nicht die passende Ausrüstung hat gefährdet sich ja nicht nur sich selbst, sondern auch seine Kameraden.
 
Der Eingangsfrage des Threads (Lebenslauf Pontius Pilatus) folgend geht es um das frühe 1. Jahrhundert. Meines Wissens spielte das im Zuge des Zensus ermittelte Vermögen als Kriterium bei der Rekrutierung von Legionssoldaten bereits seit den sogenannten Reformen des Marius (so gut wie) keine Rolle mehr, die Inhabe des römischen Bürgerrechts und körperliche Voraussetzungen waren ausschlaggebend. Den Berufssoldaten der frühen Kaiserzeit wurde die Ausrüstung zunächst gestellt und dann ganz oder teilweise mit künftigem Sold verrechnet.
Die Legionsreiterei tiberischer Zeit rekrutierte sich aus Legionären die reiten konnten, Männer aus dem Stand der Equites starteten nicht als einfache Rekruten bei den Legionen, sie kamen in Offiziersränge.
Zwei Threads zur bürgerrömischen Kavallerie:
Verschwinden der Bürgerkavallerie
Reiterei in der späten Republik

Inwieweit angehende Militärtribunen eine militärische Grundausbildung bei den Legionen zu absolvieren hatten ist/bleibt die offene Frage des Treaderstellers @Theophilus (s.o. #5)
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus dem, was ich mir bisher so angelesen habe (mit zT widersprüchlichen Informationen) ergibt sich folgende Biographie:
Geburt in Rom als Sohn wohlhabender Eltern
Erzogen von Amme und griechischen Sklaven
7-11j Elementarunterricht durch einen Privatlehrer
11-16j Beim Grammaticus Unterricht in klassischer Literatur
16-19j Rhetorikschule
19 - 21 militärische Grundausbildung? (gab es da einen Sonderweg für equites?)
21 - 31 tres militiae - ca 10 Jahre Dienst als praefectus cohortis – tribunus militum – praefectus alae
32j verschiedene Dienste im lokalen Magistrat - in dieser Zeit Eheschließung
41j Präfekt von Judäa

Also, ich kann mir schon vorstellen das die Militärtheorie im Gramatikunterricht sowie Rhetorik beigebracht wurde.
Und nicht zu vergessen, an den Badehäusern war oft auch ein Gymnasium angeschlossen. So das hier auch die normalen Leibesübungen durchgeführt werden konnten.
Zum anderen hatten die meisten Equites ja auch Landgüter. Hier konnten die Sprösslinge ja ohne weiteres Reiten lernen oder auch den Schwertkampf.
Wobei die 10 Jahre Truppendienst erscheint mir etwas lang. Da die ehemaligen Tribune ja nebenbei auch in Rom ihre Karriere nach der Ämterlaufbahn voran bringen mußten, wenn sie es bis zum Konsul bringen wollten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was die Länge von Dienstzeiten betrifft scheint mehrjähriges Verbleiben auf Offiziersposten belegbar zu sein. In der nachfolgend verlinkten Publikation, die allerdings aus den Provinzen stammende Viten fokussiert, sieht Nadja Schäfer neben bspw. familiären Traditionen auch in Gehältern (50.000 Sesterzen per annum für einen Militärtribun) einen möglichen Anreiz etliche Jahre als Offizier zu dienen (S.48ff).
Ob Pontius Pilatus, wohl der römischen (samnitischen) gens der Pontier zuzurechnen, ein solches Jahreseinkommen als materiellen Anreiz empfunden haben konnte, dürfte sich ebensoweing aufdröseln lassen, wie eine militärische Familientradition oder noch ganz anderes, da über sein Leben vor Beginn seiner Amtszeit in Judäa nichts bekannt ist. Wikipedia zufolge lässt sich (mit Verweis auf eine Publikation von A. Demandt) entlang des Cognomens Pilatus sowohl ein militärischer Hintergrund spekulieren wie auch der Status (eines Abkömmlings) eines Freigelassen.

Die Einbeziehung der Provinzialen in den Reichsdienst in augusteischer Zeit
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei, wenn man Legat werden wollte, musste man ja in der Ämterlaufbahn eigentlich höher steigen. Da ja als Statthalter und auch Legat deutlich mehr Geld in die eigene Tasche fliessen konnte. Auch wenn der Weg des Politikers in Rom eh eine gefährliche Angelegenheit war. Sowohl finanziell als auch persönlich.
 
Inwieweit angehende Militärtribunen eine militärische Grundausbildung bei den Legionen zu absolvieren hatten ist/bleibt die offene Frage des Treaderstellers @Theophilus (s.o. #5)
Laut Polybios (6,19) mussten Militärtribunen für ihre Bestellung teils 5, teils 10 Jahre Kriegsdienst vorweisen können. Allerdings wurde dieses Erfordernis nachweislich zu seiner Zeit schon nicht immer eingehalten. Später scheint das vollkommen abgekommen zu sein.
 
Meines Wissens war Pontius Pilatus ja Präfekt und damit dem Statthalter von Syrien unterstellt und nicht wie später üblich ritterlicher Procurator einer unabhängigen Provinz. Zum Präfekten mit regionaler Kompetenz (kein einfacher praefectus cohortis) konnten meines Wissens auch Tribune aus der aristokratischen Karriere oder sogar höhere Centurionen ernannt werden. Das ist etwas vollkommen Anderes als ein Prokurator. Ein solcher Präfekt einer Region berichtet an einen Statthalter, nicht an den Kaiser. Auch die Karriere ist vollkommen anders! Die ritterliche Karriere scheint mir aber naheliegender.
Wobei wir hier über die frühe Kaiserzeit reden. Da gab es sogar in Raetien noch einen Präfekten, der direkt an den Kaiser berichtete, anstatt wie später einen Prokurator. Erst mit Claudius, wahrscheinlich sogar erst mit den Flaviern wurden die Karrieren hinreichend normiert.

Eine ritterliche Karriere begann üblicherweise nach einer städtischen Karriere in einer der 2000 Städte. Zum Einen damit man das Militär nicht nutzte, um seinen städtischen Pflichten zu entgehen, zum Anderen um Führungserfahrung zu sammeln. Pilatus begann also nach seiner städtischen Karriere bis mindestens zum Quaestor oder Aedil, vorzugsweise auch Duumvir die Tres militiae. Das sollte frühestens mit 27 vielleicht auch erst mit 32 Jahren gewesen sein. Während seiner Militärzeit Zeit wurde er dann vom Statthalter Syriens als Präfekt für Iudäa eingesetzt. Nicht wie bei einem Prokurator, dessen administrative Karriere erst nach den Tres Militiae beginnt. Möglich ist aber in dieser recht chaotischen frühen Kaiserzeit Alles.

Führungserfahrung war den Römern wichtig für ihre Offiziere. Eine militärische Ausbildung gab es dagegen es nicht. Man ging davon aus, daß junge, angehende Offiziere durch ihre Väter, Lehrer und die einschlägige Literatur entsprechend unterwiesen waren. Der Rest geschah on the job.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zumindest droht der Sanhedrin Pilatus - laut biblischer Überlieferung - sich an den Kaiser zu wenden, wenn Pilatus Jesus nicht verurteilen wolle, Pilatus sei kein Freund des Kaisers, wenn er neben dem Kaiser jemanden dulde, der sich König nennen lasse. Die narrative Funktion dieser Einlassung, die Römer von der Schuld an Jesu Hinrichtung zu entlasten mal beseite geschoben, wäre demnach Pilatus schon direkt dem Kaiser untergeordnet gewesen. Auf der anderen Seite muss dem Evangelisten gar nicht klar gewesen sein, wie ca. 35 Jahre vor seiner Niederschrift die römische Verwaltung genau aufgebaut war, so wie ja auch den meisten von uns nicht so recht klar ist, wie die Verwaltung eigentlich funktioniert - sofern sie nicht eine entsprechende Berufsausbildung gemacht haben. Und auch Tacitus scheint sich ja in der Amtsbezeichnung zu irren, wenn nicht die Ämterbezeichnungen sowieso durcheinander gingen.
 
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