Das Aussterben katholischer Adelshäuser im 18.Jh.

Brissotin

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Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass doch einige Herrscherhäuser, welche eine Weile in vielen oder zumindest mehreren unterschiedlichen Linien existierten, dann im 18.Jh. vom Aussterben bedroht wurden oder gänzlich ausstarben.

1. Habsburger
Bis ins 17.Jh. Herrscher in Österreich und Spanien. Im Laufe des Span. Erbfolgekrieges sterben nacheinander Vater (Leopold I.) und einer von dessen Söhnen (Joseph I.).
Dass die beiden Kaiser, Ferdinand III. und Leopold I. zwar viele Kinder hatten, von diesen aber nur wenige männliche Nachkommen das Erwachsenenalter erreichten, trug sicherlich zu der Problematik bei.

2. Wittelsbacher
Noch im 17. Jh. aufgeteilt in viele Linien (Pfalz-Sulzbach, Pfalz-Zweibrücken, Pfalz-Simmern, bayrische Linie, Pfalz-Neuburg).

Auch als sich das Aussterben der bayrischen Linie abzeichnete und die Neuburger Linie mit Kurfürst Karl III. von der Pfalz bereits ausgestorben war, fungierten noch zwei Vertreter Vertreter der kurbayrischen Linie in hohen geistlichen Würden (Johann Theodor von Bayern als Bischof von Regensburg und Fürstbischof von Lüttich, Clemens August von Bayern als Kurfürst von Köln).
Die Nachfolge in der pfälzischen oder bayrischen Kur durch das Haus Pfalz-Zweibrücken hofften sowohl Kurf. Carl Theodor von der Pfalz als auch Kurf. Max III. von Bayern durch geheime Absprachen zu vereiteln. http://www.geschichtsforum.de/352068-post4.html Genutzt hat es bekanntlich nichts, da weder Carl Theodor noch Max III. erberechtigte Nachkommen zeugten. Beide ließen sich allerdings auch trotz Kinderlosigkeit bzw. späterer Unterlassung der ehel. Pflichten (bei der pfälz. Kurfürstin auf ärztlichen Rat) in den Ehen nicht scheiden (!).

3. Baden-Baden
Hier war es fast noch auffälliger. Obwohl Ludwig Wilhelm von Baden-Baden nur zwei männliche Kinder hatte, die das Erwachsenenalter erreichten, wurde einer davon, Ludwig Georg Simpert, von seiner Mutter zur geistlichen Karriere ausersehen. Zwar vermählte er sich 1735 nach der Entbindung von dem Gelübte durch den Papst, aber die Ehe brachte wie die von seinem Bruder, dem Jägerlouis, keine Erben hervor. Die Berhardinische und somit katholische Linie des Hauses Baden starb mit Ludwig Georg von Baden-Baden aus.

Gerade da die Linie als kath. Linie doch fürchten musste, dass sich an der konfessionellen Ausrichtung des Gebietes mit dem Fall an die lutheranische Linie viel ändern musste, erstaunt die Entscheidung der Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden. Tatsächlich fand unter den baden-durlacher Markgrafen später eine rigorose Säkularisierung kath. geistlicher Institutionen statt.

4. Albertinische Wettiner
Die im 17.Jh. entstandenen kleinen Herzogtümer, welche an die nachgeborenen Söhne entgegen der üblichen albertinischen Praxis gingen, kamen allesamt recht rasch wieder an das Kurfürstentum. Sachsen-Weißenfels hielt noch am längsten von den drei entstandenen Nebenlinien (Sachsen-Weißenfels, Sachsen-Merseburg, Sachsen-Zeitz durch, nämlich bis 1746.
Im Falle von Sachsen-Zeitz hing das Aussterben konkret mit dem Übertritt des Erben Christian August zum Katholizismus und dem Einschlagen einer bedeutenden klerikalen Karriere als Bischof zusammen.
Gerade für das Haus der albertinischen Wettiner stellte sich das recht rasche Aussterben sämtlicher Nebenlinien in weniger als einem Jahrhundert als ein wahrer Segen für die Hauptlinie dar, hatte doch z.B. August der Starke viel für den Erwerb der Königskrone verscherbeln müssen. Auf der anderen Seite, war das Aussterben der herzöglichen Nebenlinien auch temporär mit der Gefahr des Aussterbens der albertinischen Linie überhaupt verbunden, hatte doch August der Starke nur einen Erben.


Frage:
Wenn man sich, wie auch bei den Habsburgern, soviele Gedanken darüber machte, dass unbedingt die eigene Linie (oder was man dafür hielt -> vgl. mit dem seltsamen Konstrukt der Pragmatischen Sanktion) erhalten blieb, warum riskierte man dann das Aussterben der Linie sosehr indem man, bei immer geringerer Zahl an männl. Nachkommen, auch noch welche in die geistliche Laufbahn schickte?
Man könnte den frommen Aspekt anführen. Aber dagegen wäre zumindest einzuwenden, dass Erstens weder Clemens August von Bayern noch Georg Ludwig Simpert von Baden-Baden Neigungen zu der geistlichen Laufbahn zeigten. Wenn dann ging es also bei der Forcierung um machtpolitisches Kalkül und Familienpolitik. Verwandte in hohen geistlichen Ebenen konnten tatsächlich kath. Herrschern sehr nützlich sein - ganz abgesehen beim Thema der Kaiserwahl und -krönung.
Dennoch scheint mir da eine gewisse Widersprüchlichkeit im Verhalten erkennbar:
Familienpolitik (Freunde in der Kirche) <-> Familienpolitik (Aussterben des eigenen Hauses)
Freilich sind das Aspekte, welche bei den Habsburgern nicht zutreffen.
 
Mir fiel die Parallele zu den Buddenbrocks auf. Auch diese Sippe stirbt aus wg. unzureichender Fortpflanzung aus.

Thomas muss eine Liebschaft mit einer netten und später sehr gebärfreudigen Blumenverkäuferin aufgeben und heiratet dafür eine standesgemäße Neurotikerin, deren einziger Sohn früh dahinwelkt.

Geriet der Adel vielleicht in eine "Falle" aus gesellschaftlichen Pflichten, lebensfeindlicher Erziehung und patriarchischen Nachfolgeregelungen, die in Zeiten sinkender Geburtenraten nicht mehr funktionieren ? Also : Dekadenz.

Bei den gesellschaftlich hochgestellten Römerinnen war Kinderkriegen auch sehr unpopulär, dort wurde dafür viel adoptiert.
 
Frage:
Wenn man sich, wie auch bei den Habsburgern, soviele Gedanken darüber machte, dass unbedingt die eigene Linie (oder was man dafür hielt -> vgl. mit dem seltsamen Konstrukt der Pragmatischen Sanktion) erhalten blieb, warum riskierte man dann das Aussterben der Linie sosehr indem man, bei immer geringerer Zahl an männl. Nachkommen, auch noch welche in die geistliche Laufbahn schickte?
Man könnte den frommen Aspekt anführen. Aber dagegen wäre zumindest einzuwenden, dass Erstens weder Clemens August von Bayern noch Georg Ludwig Simpert von Baden-Baden Neigungen zu der geistlichen Laufbahn zeigten. Wenn dann ging es also bei der Forcierung um machtpolitisches Kalkül und Familienpolitik. Verwandte in hohen geistlichen Ebenen konnten tatsächlich kath. Herrschern sehr nützlich sein - ganz abgesehen beim Thema der Kaiserwahl und -krönung.
Dennoch scheint mir da eine gewisse Widersprüchlichkeit im Verhalten erkennbar:
Familienpolitik (Freunde in der Kirche) <-> Familienpolitik (Aussterben des eigenen Hauses)
Freilich sind das Aspekte, welche bei den Habsburgern nicht zutreffen.

Du gehst bei deiner Frage vom Mannesstamm aus oder?

Wenn der Mannesstamm ausstarb, ging man auf den königlichen Frauenstamm/Tochterstamm über.

Lies mal hier:

Österreichische und deutsche ... - Google Bücher


Königliche Tochterstämme ... - Google Bücher
 
Wenn der Mannesstamm ausstarb, ging man auf den königlichen Frauenstamm/Tochterstamm über.

Das war aber oft mit Problemen der Akzeptanz durch andere Häuser verbunden. Für Friedrich den II. war Maria Theresia stets nur "Königin von Ungarn" und ihre Thronbesteigung ein willkommener Anlass, sich Schlesien unter den Nagel zu reißen.
 
Das war aber oft mit Problemen der Akzeptanz durch andere Häuser verbunden. Für Friedrich den II. war Maria Theresia stets nur "Königin von Ungarn" und ihre Thronbesteigung ein willkommener Anlass, sich Schlesien unter den Nagel zu reißen.

Das ist bekannt.

Hast du die Links gelesen?
 
Das war aber oft mit Problemen der Akzeptanz durch andere Häuser verbunden. Für Friedrich den II. war Maria Theresia stets nur "Königin von Ungarn" und ihre Thronbesteigung ein willkommener Anlass, sich Schlesien unter den Nagel zu reißen.
Richtig darum geht es mir.

Offenbar war man versessen darauf, dass die eigene Linie bzw. das eigene Haus nicht im Mannesstamm ausstarb.
Ob das nun fair war oder nicht, lasse ich mal dahingestellt sein.
 
Du gehst bei deiner Frage vom Mannesstamm aus oder?

Wenn der Mannesstamm ausstarb, ging man auf den königlichen Frauenstamm/Tochterstamm über.
Mag alles sein. Ausgestorben war das Haus id.R. dennoch, denn das Haus der Gatten, im positivsten Fall, übernahm dann die Herrschaft, wenn die Gebiete nicht an eine Hauptlinie zurückfallen konnten.
Schlimmer war es, für Land und Leute, wenn man meinte, wie im Falle Österreichs, dass wenn das Erbe, sogar von kaiserlicher Hand deklariert, auch über die Töchter laufen kann, dass dann quasi sämtliche Schwiegersöhne des verblichenen letzten Herrschers erbberechtigt sein bzw. das Erbe der Gattinnen in Beschlag nehmen durften. Das salische Recht (bzw. die Passage zum Erbrecht) außer Kraft zu setzen, war jedenfalls immer wieder ein zweischneidiges Schwert.

Die Frage war generell, ob ein Herrscher "Kraft seiner Wassersuppe" ( ;) ) Hausgesetze brechen durfte oder sowas wie die Ignorierung des Salischen Rechtes ungestraft vornehmen konnte ohne damit die künftige Sicherheit seines Landes zu gefährden.
 
Mir geht es weniger um das Umgehen der männlichen Erbfolge (Stichwort: "Pragmatische Sanktion") oder Ausnahmen, d.h. Länder wo der Tochterstamm generell erbberechtigt war (wie z.B. scheinbar im Zusammenhang mit der Pfalz von Louis XIV so deklariert, der das Enterben seiner Schwägerin vom Parlament kassieren ließ), sondern eher um die Diskrepanz zwischen dem vorwiegenden Wunsch nach männlichen, nicht anfechtbaren Erben und dem Wunsch, mögl. Einfluss über die geistliche Laufbahn zu bekommen.

Vielleicht sagt ja Moser was dazu.:grübel:
 
Mir geht es weniger um das Umgehen der männlichen Erbfolge, sondern eher um die Diskrepanz zwischen dem vorwiegenden Wunsch nach männlichen, nicht anfechtbaren Erben und dem Wunsch, mögl. Einfluss über die geistliche Laufbahn zu bekommen.

Du meinst, der geistliche Weg und der kirchliche Einfluss war den Familien wichtiger, als der Fortbestand der Familie im erbberechtigten Mannesstamm? Deine Beispiele im ersten Beitrag würden das doch vermuten lassen... ist aber nicht logisch.
 
Du meinst, der geistliche Weg und der kirchliche Einfluss war den Familien wichtiger, als der Fortbestand der Familie im erbberechtigten Mannesstamm? Deine Beispiele im ersten Beitrag würden das doch vermuten lassen... ist aber nicht logisch.
Ja, bisweilen scheint das so gewesen zu sein.

Andererseits handeln die Menschen aber auch nicht immer logisch, nicht wahr?;)

Ich frage mich auch eher, ob es nicht schon damals Mahner und Warner gab, denen die Problematik wie mir selbst auffiel.
Bei Kleinadeligen lässt sich wohl regional auch ein gehäuftes Aussterben festmachten, was daran lag, dass man gezielt nicht zuviele Kinder "produzierte", da durch diese, selbst wenn sie nicht vordergründig erbberechtigt waren, der Gesamtbesitz geschmälert wurde. Zwar fiel in der Regel einem Haupterben der Löwenanteil zu, aber entweder der Erbe selbst oder aber die Eltern sahen sich moralisch verpflichtet dennoch die Nachgeborenen zu versorgen, z.B. auch die Töchter mit einer ansprechenden Mitgift auszustatten. Die finanziellen Sorgen bewogen in diesen Kreisen zu weniger Kindern, was z.T. auf das Aussterben der adligen Familien hinauslief (Bsp.: Nur ein anvisierter Erbe wurde gezeugt, dieser starb aber kurz nach seinen Eltern schon jung und noch kinderlos.)
Eben diese ökonomischen Aspekte dürften aber in der Regel bei den Früstenhäusern keine oder nur eine geringe Rolle gespielt haben. Bestätigt wird meine Annahme von der recht üppigen materiellen Versorgung, welche nicht selten uneheliche Kinder genossen. Man denke an den Fürsten von Bretzenheim und die anderen Kinder von Carl Theodor von der Pfalz aus seiner Verbindung mit Maria Josefa Seyfert.
 
... sondern eher um die Diskrepanz zwischen dem vorwiegenden Wunsch nach männlichen, nicht anfechtbaren Erben und dem Wunsch, mögl. Einfluss über die geistliche Laufbahn zu bekommen

Es sind zahlreiche Beispiele bekannt, wo Adlige in geistlichen Diensten ihre Laufbahn aufgaben, um die Linie ihrer regierenden Familie weiterzuführen, wenn der letzte Spross ohne Erben den Tod fand und die Linie auszusterben drohte.

Eines der vielen Beispiele ist der letzte Graf von Falkenstein.
Graf Werner III. von Falkenstein († 1418) war von 1388 bis 1418 Erzbischof von Trier. Er gab seine geistliche Karriere auf, um dem letzten regierenden Falkensteiner Grafen, der ohne Erben war, zu folgen.
Allerdings starb das Geschlecht der Falkensteiner mit dem Tod von Werner III. 1418 dennoch im Mannesstamme aus. Der Besitz wurde an die Herren von Eppstein und die Grafen von Solms übertragen.
 
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