Das Blutbad in Verden an der Aller

Alkuin

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In Verden an der Aller kam es zu einem Blutbad unter den Sachsen.
Karl der Große wird dafür verantwortlich gemacht. Wie ist der heutige Forschungsstand dazu?
 
Kam es in Verden an der Aller zu einem Blutbad?
Das ist der Forschungsstand.

Nichts eindeutiges dafür oder dagegen und viel Auslegung.
 
Beiträge zum "Blutbad an der Aller" hier im Forum: Einfach mal Verden oder Blutgericht in die Forensuche eingeben.
 
In Verden an der Aller kam es zu einem Blutbad unter den Sachsen. Karl der Große wird dafür verantwortlich gemacht. Wie ist der heutige Forschungsstand dazu?

Die Reichsannalen inklusive der so genannten Einhardsannalen berichten übereinstimmend, dass Karl der Große im Jahre 782 4500 aufrührerische Sachsen in Verden an der Aller über die Klinge springen ließ. Bis heute ist dieser Bericht unter den Historikern umstritten. Vor allem wird die Zahl der getöteten Sachsen angezweifelt, wobei die Umgehung der klaren Aussage der Reichsannalen problematisch ist.

Die historische Bewertung des so genannten "Blutgerichts von Verden" unterlag bezeichnenderweise ideologisch bestimmten Schwankungen, d.h. es gab eine große Bandbreite vom nationalsozialistischen "Sachsenschlächter" Karl bis hin zu einer eher euphemistischen Wertung einiger deutscher Historiker der Nachkriegszeit. Die Wahrheit wird vermutlich irgendwo in der Mitte liegen, wie das bei der Bewertung historischer Ereignisse häufig der Fall ist.
 
Hier die entsprechenden Stellen:
Annales Regni Francorum DCCLXXXII schrieb:
...
Tunc omnes Saxones iterum convenientes subdiderunt se sub potestate supradicti domni regis et reddiderunt omnes malefactores illos, qui ipsud rebellium maxime terminaverunt, ad occidendum IIIID; quod ita et factum est, excepto Widochindo, qui fuga lapsus est partibus Nordmanniae.
...
Einhardi Annales DCCLXXXII schrieb:
...
Et cum omnes Widokindum auctorem proclamarent, eum tarnen tradere nequirent, eo quod ad Nordmannos se contulerat, caeterorum qui persuasioni ejus morem gerentes tantum facinus peregerunt, usque ad quatuor milia D traditi, et super Alaram fluvium in loco Ferdi iussu regis omnes una die decollati sunt.
...

Und hier die digitalisierten Versionen der entsprechenden Abschriften:
Reichsannalen
Annales Regni Francorum
Annales Laurissenses
Einhardsannalen
Annales Q D Einhardi
Einhardi Annales

Man beachte dabei übrigens die Schreibung einmal als IIIID, einmal als quatuor milia D und einmal als quatuor milia quingentos bzw. quatuor milia quingenti.
Das Grundproblem liegt dabei auch darin, daß die Annalen sämtlich nicht mehr original, sondern in späteren Abschriften vorliegen - weswegen bspw. von Karl Bauer 1936 zuerst (von Gustav Faber 1984 neu aufgestellt und von Karl Hengst 2002 wieder aufgegriffen) die These formuliert wurde, daß Abschreibefehler (bei den Kopisten späterer Jahrhunderte) vorliegen können: hierzu siehe Wortpaare wie decollati (enthaupten) und delocati (umsiedeln). Hier übrigens die Arbeit von Karl Hengst in einem Sammelband dazu: Am Vorabend der Kaiserkrnung - Google Bcher (S. 66 ff.)

Zusätzlich erschwert wird die Quelleninterpretation an der Stelle dadurch, daß die Reichsannalen und die Einhardsannalen voneinander abhängig sind - d.h., man kann eben die eine Quelle nicht durch die andere Quelle stützen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist zudem das Fehlen archäologischer Spuren, die es gewöhnlich nach Hinrichtungen in größerem bzw. großem Stil geben müßte, weswegen auch Zweifel laut wurden und der Bericht - wie bereits erwähnt - bis heute umstritten geblieben ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Matthias Springer beleuchtet in seinem Buch “Die Sachsen“ von 2004 übrigens das Schicksal von „umgesiedelten“ Sachsen. Eine Deportation ist somit nachzuweisen, was allerdings ein Blutgericht nicht ausschließt.
 
Matthias Springer beleuchtet in seinem Buch “Die Sachsen“ von 2004 übrigens das Schicksal von „umgesiedelten“ Sachsen. Eine Deportation ist somit nachzuweisen, was allerdings ein Blutgericht nicht ausschließt.


Ja, diese Deportationen von Sachsen, die Karl der Große veranlasst haben soll, erscheinen glaubhaft. Freunde in Frankfurt am Main versäumen nie mich darauf hinzuweisen, dass der Stadtteil Sachsenhausen "dribb de Bach" seinen Namen von solch deportierten Sachsen hätte. Das lässt sich zwar durch Quellen nicht erweisen und es gibt auch andere Namensdeutungen, doch liegt die Sachsendeportation immerhin im Bereich des Möglichen.

Im übrigen gibt es eine ganze Reihe weiterer Orte außerhalb Niedersachsens, bei denen Namensverbindungen mit dem Begriff ... sachsen ... auftauchen. Da ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob ein Zusammenhang mit dem alten Karl und seinen widerborstigen Sachsen möglich ist.
 
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