das Erbe der Vorgängerkulturen im osm. Reich

lynxxx

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Hi,

auf Wunsch hier mal eine Auflistung, was die Osmanen so alles von den Vorgängerkulturen ihres Weltreiches übernommen haben, also von den Persern, den Arabern, den Byzantinern, aus dem Balkan, usw.

als Einstieg hier mal ein Text, der Anregungen geben kann:

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Das Fortwirken byzantinischer Kirchen-, Staats- und Gesellschaftstraditionen im Osmanischen Reich. Die vollkommene Auflösung des byzantinischen Reiches mit dem Fall Konstantinopels bedeutet - wie schon bei den zuvor unter fremde Herrschaft gelangten Teilgebieten des vormaligen Römischen bzw. Byzantinischen Reiches - nicht, daß die in dem unter fremde Herrschaft geratenen Gebiet jahrhundertelang wirksamen religiösen, politischen und gesellschaftlichen Traditionen beendet würden. Gewiß wird nun das Staatsleben durch eine türkischsprachige und islamische Herrschaftsmacht und Oberschicht bestimmt und dauerhaft umgeprägt. Das griechische und das christliche Element gerät im nunmehrigen osmanisch-türkischen Reiche in eine politisch, religiös und auch kulturell nachgeordnete Stellung gegenüber jenen nun bestimmenden Traditionen, in denen sich neben einem türkisch-ethnischen auch ein persisches und ein arabisches Erbe verbunden haben.
Allerdings spielt in dieser Verbindung kultureller Traditionen seit der Zeit der Expansion des Islam im 7. und 8. Jht. auch das griechisch-römische Erbe eine zentrale Rolle. Mit der Einnahme Konstantinopels verstärkt sich dessen Einfluß auf die Gesamtkultur unter türkisch-islamischer Herrschaft notwendigerweise. Auch die türkische Herrschaft selbst greift auf vortürkische Herrschaftstraditionen des byzantinischen Reiches zurück.
Es können in dieser Hinsicht nur einige Aspekte kurz angesprochen werden.
Die Stellung der christlich-byzantinischen Kirche bleibt im Rahmen des türkisch-osmanischen 'Millet'-Systems, das eine weitgehende Selbstverwaltung der Religionsgemeinschaften vorsieht, nicht nur erhalten, sondern wird gegenüber früheren Zuständen sogar verstärkt. Der Patriarch von Konstantinopel wird für alle Christen im türkisch-osmanischen Reich - also auch für die bulgarischen, serbischen, palästinenischen oder ägyptischen mit ihren traditionsreichen kirchlichen Eigenständigkeitsansprüchen - religiös-administrativ maßgebliche Instanz. Im Rahmen der von der türkischen Herrschaft an den Patriarchen politisch übertragenen Aufgaben der Steuererhebung und Rechtsprechung für die von ihm im 'Millet-System' repräsentierten Christen wachsen ihm in gewissem, erherblichem Umfang sogar staatsähnliche Befugnisse zu.
Christen können im türkisch-osmanischen Reich (bis zur Mitte des 19. Jhts.) grundsätzlich keine höheren Militär-, Zivil- oder Hofverwaltungsämter ausüben. Dennoch stützt sich die Rekrutierung der Armee - sogar der Janitscharen-Truppe, hier allerdings in einem gegen die Traditionen rücksichtslosen Verfahren der 'Knabenlese' - weitgehend auch auf die christlichen Untertanen des Sultans. Auch auf das finanzielle, händlerische und handwerkliche Geschick der christlichen Bevölkerung weiß sich das Osmanische Reich angewiesen.
Im Aufbau des Regierungs- und Verwaltungssystems lassen sich manche chrakteristische Formen finden, die eine Ableitung aus byzantinischer - oder älterer römisch-imperialer - Tradition zumindest nahelegen. Dazu gehört die Zweiteilung des 'Hofes' in einen 'persönlichen Bereich' des Herrschers (Harem) und in eine 'Reichszentralverwaltung' (Divane) mit einer zugehörigen differenzierten hierarchiuschen Struktur der Hofämter. Im 'persönlichen Bereich' des Sultans gibt es - wie im spätantiken und byzantinischen 'Cubiculum' des Kaisers - als wichtige Elemente eine persönliche Finanzkasse des Herrschers, eine Leibgarde und ein Bedienstetensystem, in dem die Eunuchen eine hervorragende Rolle spielen. In der osmanisch-türkischen Reichsverwaltung - einschließlich der ' Zentralverwaltung' am Hofe - erinnern Aufbau und Aufgaben der Finanzverwaltungen (Domänenverwaltung, Staatslandverpachtung, Katatstrierung des steuerpflichtigen Landes, Gehälter- und Pfründensystem für Militärs und Zivilbeamte) ebenso wie der Provinzialverwaltung (Prinzip der Militärverwaltung auf den oberen Entscheidungsebenen) an bestimmte spätantike bzw. byzantinische Muster. Was die Rechtsordnung betrifft, so ist zwar das religiöse Recht des Islam notwendigerweise als Hauptquelle des Rechts anerkannt. Jedoch gibt es auch eine staatliche Gesetzgebung, die 'Kanun'-Gesetzgebung ('kanun' abgeleitet vom griech. Wort 'kanon'), für die vom religiösen Recht nicht geregelten, vor allem administrativen Rechtsmaterien.
Wie in den christlich-slawischen Großreichsbildungen des Mittelalters auf vormals byzantinischem Gebiet (Bulgarenreich, Serbenreich) ist damit auch im osmanisch-türkisch-islamischen Nachfolgereich auf vormals byzantinischem Teriitorium die antike, griechisch-römische Tradition nicht nur in den genannten Punkten, sonder auch darüberhinaus vielfältig weiterhin wirksam.
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hieraus mit weiteren Artikeln:
http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Auditorium/FAByzIsl/Kap9.htm

zu beachten ist, dass die dortigen Gelehrten keine Orientalisten sind, deshalb einiges mit Vorsicht zu genießen ist, da einige neuere Erkenntnisse nicht einflossen.

Also dann, was ausser Fischgerichte haben die Osmanen übernommen... ;)

Aloha, LG, lynxxx
 
und hier gleich noch ein Nachschlag von obigem Link:

"b) Wo trägt der türkische Sultan byzantinischen Traditionen Rechnung und wo nicht? Wie verändert sich seine Herrschaftsstellung durch die Eroberung Konstantinopels?

c) Welche römisch-byzantinischen Traditionen könnten Ihres Erachtens in der türkisch-osmanischen Reichsverwaltung des 16. Jhts., wie das Organisationsschema sie aufzeigt, eine gewisse Fortsetzung gefunden haben ? Welche dürften andrerseits eher einer persischen oder einer arabisch-islamischen Tradition zuzurechnen sein?

Zu b)
Mehmet II.( 1451 - 1481), im Jahre 1453 noch ein sehr junger Mann, entschließt sich ohne größeren Widerstand vonseiten der erfahrenen Militärs und Politiker an seinem Hofe unmittelbar nach dem Herrschaftsantritt zur Beseitigung des byzantinischen Restbereichs in seinem Herrschaftsgebiet. Dasosmanische Reich umfaßt unmittelbat vor dem Fall Konstantinopels bereits - sowohl in Kleinasien als auch auf dem Balkan - überwiegend griechisch sprechende Untertanen und vormals byzantinisch regierte Territorien. Die Einnahme Konstantinopels ist insoweit - d. h. als militräisches Unterwerfungs- und politisches Integrationsproblem - an sich nichts Neues und allzu Problematisches für einen osmanischen Türkenherrscher. Mehmet sieht sich - wie seine Sultansvorgänger - ja bereits zuvor als Nachfolger der byzantinischen Kaiser und Neugestalter der bisherigen Religions- und Herrschaftsordnung im vormals byzantinischen Bereich. Entsprechend 'rational-herrschaftstechnisch' erscheint sein Vorgehen, das einmal in der rücksichtslosen Zerstörung bisheriger Herrschafts-, sozialen Überordungs- und christlich-religiösen Dominanzverhältnisse, zum anderen aber auch in der Erhaltung, Restrukturierung und großräumigen Neuplanung der neugewonnenen Gebiet besteht. Ersteres kommt in der Plünderung Konstantinopels, in der Enteignung der Prominentenschicht, in der demonstrativen Hinrichtung einiger bisher führender Persönlichkeiten und in der der - allerdings faktisch nur vorübergehenden, den Beistzstandswechsel forcierenden -Versklavung der Bevölkerung zum Ausdruck. Letzteres wird ebenfalls an einer Anzahl von Maßnahmen deutlich, die der Sultan fast unmittelbar nach der Eroberung Konstantinopels einleitet (Wiederaufbau und Neubediedlung der Stadt und ihres Umlandes, Erhebung zur Regierunsmetropole des osmanischen Reiches durch Anlage eines zentralen Palstes, Arrangements mit den anpassungswilligen Honoratioren aus der byzantinischen Gesellschaft (zu denen vor allem auch die im Textausschnitt nur angedeutete Respektierung des griechisch-orthodoxen Patriarchats gehört).

Zu c)
In dem abgebildeten Schema des des osmanisch-türkischen Regierungs- und Verwaltungssystems im 16. Jht. lassen sich einige chrakteristische Formen finden, die eine Ableitung aus byzantinischer - oder älterer römisch-imperialer - Tradition zumindest nahelegen. Dazu gehört die Zweiteilung des 'Hofes' in einen 'persönlichen Bereich' des Herrschers (Harem) und in eine 'Reichszentralverwaltung' (Divane) mit einer zugehörigen differenzierten hierarchiuschen Struktur der Hofämter. Im 'persönlichen Bereich' des Sultans gibt es - wie im spätantiken und byzantinischen 'Cubiculum' des Kaisers - als wichtige Elemente eine persönliche Finanzkasse des Herrschers, eine Leibgarde und ein Bedienstetensystem, in dem die Eunuchen eine hervorragende Rolle spielen. In der 'zentralen Staatsverwaltung' am Hofe erinnern Aufbau und Aufgaben der Finanzverwaltungen (Domänenverwaltung, Staatslandverpachtung, Katatstrierung des steuerpflichtigen Landes, zentrale Administration eines Gehälter- und Pfründensystem für Militärs und Zivilbeamte) ebenso wie für die Provinzialverwaltung (mit dem Prinzip einer Militärverwaltung auf den oberen Entscheidungsebenen) an das spätantike bzw. byzantinische Muster der Hoforganisation. - Aus dem byzantinischen Bereich stammen auch etymologisch einige Bezeichnungen (partiell), wie 'kapudan pascha' (> von lat. 'capitanus'; 'Oberbefehlshaber der Flotte'; 'pascha' kommt aus dem pers. 'padischah' = 'Herrscher') oder 'kanun name' (>von griech. 'kanon'= 'Gesetz', 'Norm'; 'name' 'Buch') stammt aus dem Persischen).
Persischen Ursprungs sind etwa die Bezeichnung und Funktion der Verwaltungsabteilungen als 'Divane, eines 'Wezirs'oder der 'Defterdare' (Großschatzmeister, Verwaltungsvorsteher für die Staatseinkünfte).
Arabisch-islamischer Herkunft, weil eng mit der Bedeutung der 'scharia' in der islamischen Rechtsordnung verbunden, sind Funktion und Behörde eines 'Scheich ül-Islam', in der denen die traditionellen Aufgaben eines obersten Richters (qadi) und obersten Rechtsgutachters (mufti) in religionsrechtlichen Angelegenheiten zusammengefaßt sind.
Türkisch-stämmig sind ist etwa die Bezeichnung und (teilweise der Sache nach) die Einrichtung der 'Janitscharen' ('yenitscheri' = 'neue Truppe'), eines 'nisanci' ('Oberster Beamter für Beglaubigung', d. h. für die Ausfertigung von Anordnungen und Gesetzen des Sultans' oder eines 'beg' ('Fürsten') bzw. 'begelerbeg' ('Großfürsten') mit militärischen und zivilen Entscheidungsbefugnissen für einen Militärgroßbezirk ('sandschak') bzw. eine Großprovinz ('wilajet') des Reiches. Allerdings kann man hier auch einen gewissen byzantinischen Einfluß finden.

Literatur:
Mehmet II. erobert Konstantinopel. Die ersten Regierungsjahre des Sultans Mehmet Fatih, des Erobereres von Konstantinopel 1453. Das Geschichtswerk des Kritobulos von Imbros, Reihe 'Byzantinische Geschichtsschreiber', Bd. XVII, hg. von J. Koder, übersetzt, eingeleitet und erklärt von Dieter Roderich Reinsch, Graz, Wien, Köln 1986, S. 9 - 30 (Einführung in das Werk des Kritoboulos von Imbos und Lietarturangaben; S. 310 f. und 321 f. (Anmerkungen zu den ausgewählten Textstellen).
Josef Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1994 3, S. 49 ff. (Die Entwicklung zur osmanische Großmacht), S. 84 ff. (Ordnung des osmanischen Staates und seiner Gesellschaft im 15. und 16. Jht.)."
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Was noch? :)





 
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