Pope schrieb:
... wird die Herrschaft Karls V. nicht auch als hegemonial bezeichnet, obwohl der "Hegemon" ja auch ein neuerer Begriff ist? Verzichten Historiker in Frühgeschichtswerken auf alle Wörter, die nach 3.000 v.Chr. entstanden sind?
Der Begriff
Hegemon ist mW antik (griechisch), aber das ist ein anderes Thema...
Pope schrieb:
Den Begriff "Totalitäre Herrschaft/Gesellschaft" auf's Mittelalter anzuwenden, ist sicherlich angesichts der strengen modernen Definition und Assoziation schwierig, dennoch wird der Begriff "Demokratie" auch für das antike Griechenland verwendet (von wo er ja eigentlich herkommt): eine wohlhabende, maskuline Minderheit bestimmt die Geschicke des Staates.
Wie Du schon schreibst, ist der Begriff
Demokratie aus der Antike und kann dementsprechend auch deshalb auf das antike Griechenland angewendet werden; immer noch anderes Thema...
Pope schrieb:
Wir können gerne den Begriff "Totalitäre Herrschaft" weglassen. Das Wesen der Herrschaft kann man auch ohne ihn beschreiben.
Danke; ich erinnere aber daran, daß dieser Begriff zu Beginn von Dir selbst in die Diskussion gebracht wurde...
Pope schrieb:
Nun aber zum eigentlichen Thema:
Adhemar de Monteil, Bischof von Le Puy
http://de.wikipedia.org/wiki/Adhemar_de_Monteil
1. War sein Kniefall vor dem Papst nach dem "Kreuzzugsaufruf" inszeniert? Musste man der christlichen Sache theatralisch nachhelfen?
Der Aufruf selbst war bereits inszeniert, um die Bereitschaft für das Unternehmen zu demonstrieren.
So war bspw. ein Raymond IV de St Gilles (der Graf von Toulouse, der dann die Grafschaft Tripolis begründete) schon vorher von Urban gewonnen worden, zumal das Hilfegesuch von Byzanz schon in Piacenza - und sogar schon vorher - vorgebracht worden war.
Urban II. - wie wahrscheinlich auch sein Vorgänger Gregor VII. - hegte bereits länger den Plan, dem Byzantinischen Reich zu Hilfe zu kommen.
Nach der Moral seiner Zeit war dies auch gerechtfertigt, wie ich schon in früheren Beiträgen geschrieben habe - und weswegen ich es jetzt nicht noch einmal haarklein herleite.
Wie jede Inszenierung einen Inhalt hat, so eben auch diese...
Wichtige Anmerkung dazu: damals hatten gerade Gesten eine starke Bedeutung!
Ein Kniefall vor dem Papst ist nun wiederum überhaupt nichts Ungewöhnliches, zumal bis weit über das Mittelalter hinaus auch die Kniebeuge vor episcopalen Autoritäten katholischer Usus ist.
Pope schrieb:
2. Wenn er wusste, dass die Heilige Lanze in Konstantinopel lag, wie konnte er die Kreuzfahrerer mit dem Plagiat zum Sieg verhelfen? Sind Täuschungsmanöver Ausdruck christlichen Gottvertrauens?
Noch besser: höchstwahrscheinlich wußte Adhemar nicht nur von der Heiligen Lanze in Konstantinopel, sondern auch von der Heiligen Lanze, welche sich im Besitz des römisch-deutschen Kaisers befand.
Deshalb konnte er mehr als berechtigte Zweifel an der Echtheit der Heiligen Lanze von Antiochia hegen.
Andererseits aber sah er die schwindende Moral des Kreuzfahrerheeres im Angesicht von Kerboghas Heer und dachte sich wohl, es könnte für den Kampfgeist, den die Verteidigung Antiochias erforderte, nützlich sein, wenn sie etwas hatten, an dessen überirdische Kräfte sie glaubten.
Die Gedanken, welche den Legaten bewegten, lassen sich zwar weder belegen und noch widerlegen, aber der Glaube an Artefakte, Reliquien u. dgl. war im Mittelalter nachweislich sehr tief - unabhängig davon, ob sie sich in der neuesten Forschung als echt oder unecht erwiesen...
Pope schrieb:
Zum Kern der Sache: War Bischof Adhemar überzeugt, dass diese Gotteskrieger in Gottes Sinne handelten und Gott ihnen den Sieg schenken würde, oder musste man alle Register ziehen, damit der pilgernde Haufen es noch irgendwie bis Jerusalem schaffen konnte?
Auch hier wiederhole ich eine Aussage, welche ich bereits mehrfach gemacht habe: Du kannst das Eine nicht vom Anderen trennen...
Oder anders ausgedrückt: das Eine schließt das Andere nicht aus, denn "auf halbem Wege verzagen" war nach damaliger Sicht nicht in Gottes Sinn - und dazu bedurfte es eben Ermahnung, immer wieder auf Gott zu vertrauen.
Pope schrieb:
Ich nehme an, Du meinst damit den Weg nach Jerusalem...
Ganz gewiß war der Weg nach Jerusalem das Ziel, denn schließlich war diese Stadt der Endpunkt des Pilgerweges - ob sie nun als unbewaffnete oder als bewaffnete Pilger kamen.