Das Gesicht des Jahrhunderts

Leopold Bloom

Aktives Mitglied
Der wohl geheimnisvollste aller Geschichtsfaktoren, die Persönlichkeit des Menschen, steht im Zentrum des von Hans-Peter Schwarz verfaßten Werkes Das Gesicht des Jahrhunderts. Monster, Retter und Mediokritäten.
Schon die Zielsetzung ist überaus ambitioniert: Ein ganzes Jahrhundert anhand einer Reihe biographischer Essays darzustellen und sich nicht in einer Aneinanderreihung anekdotenhafter Kurzbiographien zu verlieren bedarf des virtuosen Umgangs mit Fakten und Interpretationen. Schwarz versteht es sehr gekonnt, die Zoomblende zwischen der Betrachtung des biographischen Details und dem systematisierenden Panoramablick auf- und zuzudrehen. Thematisch strukturierte Abschnitte ("Generale", "Monster", "Retter", "Reformer") durchbrechen eine streng chronologische Reihung. Dadurch werden die Wechselwirkungen zwischen den Extrapersonen des Jahrhunderts und den großen Strömungen historischer Entwicklung lebendig gemacht. Monster wie Hitler und Stalin, Retter wie Churchill und Roosevelt werden in einen geschichtlichen Kontext gestellt.

Schwarz gelingt es, den Leser permanent zu provozieren und zu eigener moralischer Wertung zu zwingen. Darin liegt der große pädagogische Wert des Buches. Ein durchgehend nicht zu professoraler, manchmal sogar salopper Schreibstil kommt diesem Zweck sehr entgegen.

Schade nur, daß sich der Autor bei der Auswahl der Biographien über weite Strecken auf deutsche, britische und US-amerikanische Politiker konzentriert hat. Sicherlich wäre es beispielsweise vertretbar gewesen, eine Persönlichkeit wie Nelson Mandela in die Porträtgalerie mit aufzunehmen und damit die Auswahl ausgewogener zu gestalten.

Dennoch ist dem Bonner Ordinarius für Politikwissenschaft und Zeitgeschichte ein sehr lesenswertes, zum Nachdenken anregendes Buch gelungen.
 
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