Das Rätsel der Urwaldstädte der Mayas

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Gast
Frage von Heinz :

Sie setzten den spanischen Eroberern sehr viel zäheren Widerstand entgegen als die Azteken & Co. im mexikanischen Hochland. Es stellt sich die Frage warum die mächtigen Stadtstaaten der Maya der "klassischen" Epoche im 9. Jahrhundert so plötzlich zusammenbrachen.
Was könnt Ihr darüber schreiben?

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Frage von Abderites :

Die Urwaldstädte der Mayas "setzten den spanischen Eroberern sehr viel zäheren Widerstand entgegen als die Azteken & Co. im mexikanischen Hochland"?
Ich dachte, die waren damals längst verlassen. Welche Urwaldstädte waren das, die sich den Conquistadoren entgegenstellten?

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Antwort von Heinz :

Lieber Abderites,
die Maya als solche waren vorhanden, sie zogen nach Norden nach Yukatan und leisteten dort den Spaniern heftigen Widerstand.
Warum sie Ihr Städte im Urwald verlassen haben, dass ist hier die Frage?

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Antwort von hyokkose :

Es sind hier zwei Fragen zu klären:

1. Was ist die Ursache des Niedergangs der "klassischen" Maya?
Die mir am einleuchtendsten erscheinende Theorie lautet etwa folgendermaßen: Im späten 8. Jahrhundert beginnen kriegerische Stämme aus Mexiko, ins Zentrum der Maya-Kultur einzudringen. Die Einwanderergruppen sind zwar zahlenmäßig nicht besonders stark und auch nicht in der Lage, auf ihre Eroberungen ein Imperium zu gründen. Aber es reicht, um die politische und vor allem wirtschaftliche Infrastruktur zu zu zerstören. Die Handelsnetze brechen zusammen, die regierenden Eliten können sich nicht mehr halten. Also ähnliche Entwicklungen, wie sie hier in Europa - in größerem Maßstab - zum Zusammenbruch der römischen Zivilisation geführt haben. Die Entvölkerung der einst blühenden Maya-Städte wäre somit auch analog zur Entvölkerung Roms zu erklären. (Natürlich können auch weitere Faktoren wie Epidemien eine Rolle gespielt haben, an mysteriöse Umweltkatastrophen glaube ich aber weniger.)

2. Wieso wurden die letzten Maya-Städte erst so spät von den Spaniern erobert?
Ich vermute, daß die Spanier um den Urwald einen großen Bogen gemacht haben und keine Eroberungszüge unternahmen, solange sich die Indios nicht aus dem Wald trauten. (Auch der Großteil der Amazonas-Indianer wurde ja bis ins 20. Jahrhundert von den Conquistadoren in Ruhe gelassen.) Aber das ist, wie gesagt, nur meine Vermutung.

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Anmerkung von Heinz :

Lieber Hyokkose,
ich habe noch eine andere Vermutung, die Böden waren durch die Bevölkerungsvermehrung so erschöpft, dass nicht für alle genügend Mais vorhanden war. Dazu kamen noch Bauernaufstände gegen die faule Priester- und Herrscherschicht, welche dann die Ernährung der Bevölkerung nicht sichern konnten. Deshalb ist man dann nach Yukatan weitergezogen um neues Land urbar zu machen.

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Antwort von hyokkose :

An eine Auslaugung oder Versteppung der Böden will ich nicht recht glauben; das scheint mir nicht mehr als eine unbewiesene Hypothese zu sein.

Daß Überbevölkerung und Bauernaufstände eine Rolle gespielt haben, ist hingegen gut möglich. Wenn eine Zivilisation innerlich labil ist, kann sie von zahlenmäßig weit unterlegenen "Barbaren" ausgelöscht werden.
Das Problem ist, daß die Ereignisse schlecht dokumentiert sind. Die Maya-Inschriften berichten praktisch nur von gewonnenen Kriegen - wer von der Macht verjagt wurde, hat sich keine Denkmäler gesetzt. Darum sind die Historiker darauf angewiesen, aus dem Aufhören der Inschriften und aus dem Eindringen fremder kultureller Elemente ihre Schlüsse zu ziehen.

Daß die Maya ins nördliche Yucatan ausgewandert sind, halte ich nicht für stichhaltig. Die späte Blüte von Chichén Itzá geht auf die Tolteken und nicht auf die Maya zurück, also haben wir es auch hier im Norden wohl mit Einwanderern aus Mexiko zu tun.

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Antwort von Heinz :

In den Berichten Guatemalas wird die Wanderung der Flüchlinge aus Tula geschildert, die sich in Tabasco am Rande des Maya-Gebietes in dem yukatekischen Teil niederließen.
Du hast insoweit recht, dass die Myas in Nord-Yukatan in politischer und kultureller Abhängigkeit von den Tolteken standen. Die Tolteken wurden aber 1436 durch einen allgemeinen Mayaaufstand vertrieben.(s.675,Ploetz).

In Brasilien ist versucht worden, auf gerodeten Urwaldboden Landwirtschaft zu treiben. Nach drei bis vier Jahren, war der Boden erschöpft und so wird es auch den Mayas mit ihrem Maisanbau gegangen sein.

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Antwort von hyokkose :

Der Vergleich mit Brasilien wirft aber mehr Fragen auf, als er erklärt. Wie konnten die Zentren der Maya-Kultur überhaupt entstehen und sich jahrhundertelang halten, wenn alle drei bis vier Jahre der kultivierte Ackerboden aufgegeben werden mußte und man wo anders von vorn anfangen mußte?
Daß es im Zusammenhang mit dem Niedergang der klassischen Maya-Zivilisation auch Flüchtlingsgruppen gegeben haben muß, liegt in der Natur der Sache und widerspricht keineswegs der oben geäußerten Theorie.
Die Maya des 15. Jahrhunderts würde ich nicht ohne weiteres mit den Maya des 8. Jahrhunderts identifizieren. So scheint es sich bei den Putún um fremdstämmige, dann aber mayanisierte Eindringlinge gehandelt zu haben. (Die romanisierten Langobarden wird auch niemand mit den "klassischen" Römern gleichsetzen, obwohl sie zweifellos Romanen waren.)

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Anmerkung von Heinz :

Ob es mayaisierte Indianer waren, kann ich nicht beurteilen. Es traten den Spaniern Indianer entgegen, mit Mayasprache und Schrift. Wie ich schon schrieb wurden die Tolteken durch einen Mayaaufstand vertrieben.
Wenn die Bevölkerung immer anwuchs reichte es nicht aus nur neue Felder zu bestellen, sondern man mußte auswandern nach Yukatan. Dass der Mayakalender genauer ist, als der unsige, ist sicher bekannt. Die Priesterschaft hatte als Kultgegenstände Wägelchen mit zwei Rädern, trotzdem die Indianer ja die Erfindung des Rades nicht kannten. Ich nehme an, das die Distanz zwischendem einfachen Volk und der Priester- und Herrscherschicht sehr groß war und diese ihr Wissen an die Bauern nicht weitergaben. Wenn also die Führungsschicht beseitigt war, entweder durch Volksaufstände, Eroberern oder den Spaniern keiner mehr da, war um fachgerecht Paläste zu bauen.

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Anmerkung von hyokkose :

Natürlich kann auch ich nicht beurteilen, was für eine Sprache die Vorfahren der Putún oder Itzá 700 Jahre vor der Ankunft der Spanier gesprochen haben, aber das ist ja auch zweitrangig.

Ich wollte nur darauf hinweisen, daß man sehr vorsichtig sein muß, aus der Situation, die die Spanier angetroffen haben, direkte Rückschlüsse darauf zu ziehen, was sich viele Jahrhunderte davor abgespielt hat. (Um einen drastischen Vergleich zu ziehen: Die Tatsache, daß die Bevölkerung Haitis heute eine romanische Sprache und lateinische Buchstaben gebraucht, läßt nicht darauf schließen, daß Haiti einst eine römische Kolonie gewesen sein muß.) Im übrigen bezeichnet "Maya" keine einheitliche Sprache - das war es auch zur klassischen Zeit nicht -, sondern eine ganze Sprachfamilie.
Die Vorfahren der Maya im nördlichen Yucatan sind möglicherweise teils als Flüchtlinge, teils als Kolonisten und teils als Eroberer gekommen.

Ich halte es schon für plausibel, daß in der spätklassischen Maya-Zeit ein Bevölkerungsdruck herrschte, und Teile der Maya-Bevölkerung in dünner besiedelte Landstriche ausgewichen sind. Doch das allein erklärt noch lange nicht den Niedergang der klassischen Maya-Kultur und die Entvölkerung der Städte im 9. Jahrhundert. Es müssen andere Faktoren auch noch eine Rolle gespielt haben.
 
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