Das trojanische Pferd

A

Andreas

Gast
Hallo,

nach Homers Odyssee beendeten die Griechen den trojanischen Krieg mit Hilfe der berühmtesten aller Kriegslisten, dem Einsatz des trojanischen Pferdes. Klar, Homers Odyssee ist ein Epos und nicht als Kriegsbericht zu verstehen. Was mich aber interessiert, ist, ob das Geschenk an die Trojaner der Lebenswirklichkeit eines Griechen der archaischen oder auch der klassischen Zeit entspricht. Kennt ihr Hinweise in antiken Quellen, die davon sprechen, dass eine Kriegspartei einer anderen ein Geschenk gemacht hat, um Friedenswillen oder anderes zum Ausdruck zu bringen?

Ich meine jetzt nicht Einladungen der Heerführer zu Festmälern, wie Xenophon in der Anàbasis berichtet, sondern materielle Geschenke in Form von Statuen etc.

Ich frage, weil ich denke, dass für Homers Zuhörer die Geschichte mit dem trojanischen Pferd ja irgendwie glaubhaft gewesen sein muss.

Andreas
 
Ich kenne das trojanische Pferd nicht als Geschenk an die Trojaner, sondern als Opfer an die Götter. Und das man Poseidon (Meeresgott, zu dessen geweihten Tieren das Pferd gehörte) etwas opfert um sich eine ruhige Heimreise zu sichern, dürfte sich für die damaligen Leute glaubhaft angehört haben. Die Trojaner nahmendas Pferd nur in die Stadt um den Segen Poseidons den Archaieren zu entziehen und auf das eigene Volk zu lenken.
 
Immerhin gibt es ja das Danaergeschenk:

Das war ein Danaergeschenk
Ein Geschenk, das einem verdächtig vorkommt, weil es zwar Vorteile mit sich bringt, aber auch Gefahren in sich birgt, wird oft nach Homer "Danaergeschenk" genannt. Wer genau diese Danaer nun waren, ob es ein bestimmter Volksstamm war oder ob er einfach alle griechischen Kämpfer meinte, verschweigt uns Homer allerdings.

Das klassische Danaergeschenk war der bekannte hölzerne Gaul, der eines morgens vor der Touristenhochburg Troja stand.

Der kritische Laokoon warnte damals mit dem Spruch "Was es auch sei, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen."

Zum Dank wurde er mit seinen Söhnen von Schlangen erwürgt und später in Stein gemeißelt.

Danaergeschenk

Eine österreichische Version liest sich so:
http://www.sagen.at/texte/gegenwart/oesterreich/wien/catskarten.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Themistokles schrieb:
Ich kenne das trojanische Pferd nicht als Geschenk an die Trojaner, sondern als Opfer an die Götter. Und das man Poseidon (Meeresgott, zu dessen geweihten Tieren das Pferd gehörte) etwas opfert um sich eine ruhige Heimreise zu sichern, dürfte sich für die damaligen Leute glaubhaft angehört haben. Die Trojaner nahmendas Pferd nur in die Stadt um den Segen Poseidons den Archaieren zu entziehen und auf das eigene Volk zu lenken.

Wie ist denn die Darstellung in der Odyssee, stehlen die Trojaner dort das Opfer der Griechen? Ist Poseidon deshalb so feindelig gegenüber Odysseus, weil dieser den Kult für seine Kriegslist mißbraucht hat? (Ich dachte eigentlich immer, seine Wut beruhe auf der Blendung seines Sohnes Polyphem.)
War es üblich Opfer zu stehlen, um Gegnern die Gunst der Götter wieder zu entziehen (hierin steckt wieder die Frage nach der Lebenswirklichkeit von Homers Zeitgenossen)? Bestand in dem Raub eines Opfers nicht die Gefahr, selber in die Ungnade des entsprechenden Gottes zu fallen?

Andreas
 
Das Pferd war mWn nicht als Opfer gedacht, diese Geschichte erzählte lediglich ein Grieche, den die Angreifer am Strand zurückließen. Dieser Grieche (Sinon?) erzählte, daß das Pferd ein Geschenk an die Götter sei und er selber geopfert werden sollte, sich aber verstecken konnte. Die Troer holten den Gaul dann in die Stadt - mit dem bekannten Folgen.
 
Andreas schrieb:
Wie ist denn die Darstellung in der Odyssee, stehlen die Trojaner dort das Opfer der Griechen? Ist Poseidon deshalb so feindelig gegenüber Odysseus, weil dieser den Kult für seine Kriegslist mißbraucht hat? (Ich dachte eigentlich immer, seine Wut beruhe auf der Blendung seines Sohnes Polyphem.)
War es üblich Opfer zu stehlen, um Gegnern die Gunst der Götter wieder zu entziehen (hierin steckt wieder die Frage nach der Lebenswirklichkeit von Homers Zeitgenossen)? Bestand in dem Raub eines Opfers nicht die Gefahr, selber in die Ungnade des entsprechenden Gottes zu fallen?

Andreas
Ich glaube Poseidon hatte den griechen (Seefahrervolk!) den Sieg gutgeheißen. Und der Zweck heiligt die Mittel.
Andreas schrieb:
Bestand in dem Raub eines Opfers nicht die Gefahr, selber in die Ungnade des entsprechenden Gottes zu fallen?
Da fallen wahrscheinlich eher die in Ungnade, die das Opfer nicht verteidigen, sondern es dem Feind überlassen.
ddamals hat man Statuen oft wiederverwendet und auf die eigenen Götter übertragen. Im Petersdom steht glaube ich eine Statue von Paulus die ursprünglich Jupiter darstelllte.
Danke Ulrik. Sinon hatte ich vergessen. allerdings ging es ja hier um die Offizielle Bedeutung. Und das ist Geschenk oder Opfer, aber nicht Kriegslist.
 
Es gibt übrigens die interessante Theorie, dass das Pferd ein Schiff war, welches in den Hafen Trojas geschleppt wurde. Mit versteckten Kriegern drin.

Denn das Wort Pferd=Hippoi war gleichzeitig der Name für einen Schiffstyp, einen phönizischen Lastenkahn.

https://www.sueddeutsche.de/muenche...-sagenumwobener-uebersetzungsfehler-1.4092092

Wäre das Pferd eine Holzstatue mit Rädern, wie um Himmels Willen hat man das Ding konstruiert, dass es auf den antiken Strassen nicht umkippt?
Alleine die 30 - 50 Krieger darin, hätten 3 bis 5 Tonnen gewogen.

30 - 50 Krieger auf einem Lastschiff verstecken - Das geht.
 
Das passt nicht. Das Trojanische Pferd wird schon bei Homer erwähnt, der schrieb, dass es in die "Akropolis" Trojas gebracht wurde (Odyssee 8,492 ff.). Also nichts mit Hafen, und selbst wenn Homer mit "hippos" kein Pferd gemeint haben sollte, kann er damit kaum ein Schiff gemeint haben. In Odyssee 4,277 wird außerdem erwähnt, dass Helena dreimal um das Pferd herumging, was bei einem im Hafen liegenden Schiff schwer möglich ist. Der Text von Homer wird nicht stimmig, wenn man annimmt, dass es sich um ein Schiff gehandelt habe.
Mit Vergil und einem angeblichen Übersetzungsfehler hat das alles nichts zu tun. Die Griechen selbst haben das Trojanische Pferd schon lange vor Vergil (und nicht lange nach Homer) bildlich eindeutig als Pferd dargestellt: Trojanisches Pferd – Wikipedia
Bei einem Schiff hätten die Trojaner außerdem wohl allemal eher nachgesehen, was sich in seinem Inneren befindet, als bei einer Pferdeskulptur.
Im Übrigen lag Troja gar nicht unmittelbar am Meer, ein Schiff im Hafen hätte für die Eroberung der Stadt also nicht viel gebracht.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Ravenik Es kann sein, dass ich den "Hafen" aus Versehen in meiner Phantasie dazu gedichtet habe.

Der Spiegel hat der Theorie letztes Jahr einen Artikel gewidmet.


Gucke gerade ein Video von Terra X zu der Theorie. Das Video ist ergoogelbar.

@Ravenik: Ein dt. Professor äussert da, dass man in der Antike Schiffe quasi mit Pferden gleichsetzte.
Ein italienischer Archäologe stellt in dem Video auch diese Theorie auf.

Ist schon interessant. Ich gucke es mal zu Ende.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein dt. Professor äussert da, dass man in der Antike Schiffe quasi mit Pferden gleichsetzte.
Das ist richtig, und nicht nur in der Antike, auch in der nordischen und angelsächsischen Literatur. Das ändert nur alles nichts daran, dass eine Deutung als Schiff nicht zur Odyssee und den Vorstellungen der Griechen passt. Also wenn schon, dann hätte die Verwechslung bereits vor Homer erfolgen müssen.

Übrigens ist das Verlinken von YouTube-Videos in diesem Forum verboten.
 
Das ist richtig, und nicht nur in der Antike, auch in der nordischen und angelsächsischen Literatur. Das ändert nur alles nichts daran, dass eine Deutung als Schiff nicht zur Odyssee und den Vorstellungen der Griechen passt. Also wenn schon, dann hätte die Verwechslung bereits vor Homer erfolgen müssen.

Übrigens ist das Verlinken von YouTube-Videos in diesem Forum verboten.
Im Video wird gesagt, dass Homer selbst schon das Schiff mit einem Pferd gleichgesetzt haben könnte.

Wenn mir ein Professor der Archäologie sowie ein weiterer promovierter Archäologe eine Theorie nennen, dann nehme ich persönlich diese als gegeben hin.
Denn ich bin nur interessierter Laie und maße mir kein besseres Wissen an.


Edit: YT Video Link entfernt.
 
Wenn mir ein Professor der Archäologie sowie ein weiterer promovierter Archäologe eine Theorie nennen, dann nehme ich persönlich diese als gegeben hin.
Diese Leute werden mit ihren Dissertationen und Habilitationen durchaus etwas geleistet haben. Allerdings ist dies ein Argumentum ad verecundiam. Es kommt in der Argumentation weniger auf die akademischen Titel an, sondern auf die Validität der Argumente.

Edit: YT Video Link entfernt.
Danke.
 
Ich denke, dass der Ansatz von Tiboni schon falsch ist. Terra X sagt, er habe sich zu Aufgabe gemacht, den Wahrheitsgehalt der Überlieferung vom trojanischen Pferd zu überprüfen. In meinen Augen ist das in etwa so sinnvoll, wie das Grab des Bischofs Turpin auf DNA zu untersuchen. Zur Erklärung: Bischof Turpin gehört zum Sagenkreis um Roland und ist völlig fiktiv, wohingegen der Rolandsepos zwar auf historischen Ereignissen basiert, diese aber bis zur Unkenntlichkeit verdreht. Also vergleichbar zur Ilias. Auch die Ausgangsfrage von 2005 geht ja nicht von der Historizität des trojanischen Pferdes aus, sondern fragt, ob es üblich war, als Friedensangebot Statuen zu schenken, also wie glaubwürdig die Geschichte vom trojanischen Pferd den Zuhörern des „Homer“ vorgekommen sein mag.
 
Es kommt in der Argumentation weniger auf die akademischen Titel an, sondern auf die Validität der Argumente.
Naja. Ravenik hat doch die Argumente der Befürworter der Theorie nicht gelesen. Er argunentiert z.B. das Hekena um das Pferd rumgegangen ist und dass das bei einem Schiff nicht sein könne.
Dazu steht allerdings im o.g. Artikel der Süddeutschen etwas.

Zwar geben akademische Titel nicht automatisch Recht. Wenn ich aber die Wahl habe, ob ich Wissenschaftlern oder einem Fremden im Inet glauben soll, ist meine Wahl sehr eindeutig.
 
Naja. Ravenik hat doch die Argumente der Befürworter der Theorie nicht gelesen. Er argunentiert z.B. das Hekena um das Pferd rumgegangen ist und dass das bei einem Schiff nicht sein könne.
Dazu steht allerdings im o.g. Artikel der Süddeutschen etwas.

@Ravenik hat offensichtlich den Artikel der Süddeutschen gelesen, und das was da steht, ist ja offensichtlich Quatsch.

Da heißt es z. B.: "Tiboni nimmt an, dass der römische Schriftsteller Vergil, der im ersten Jahrhundert vor Christus die Aeneis verfasste, den entscheidenden Fehler machte."

Oder: "Der Text von Homer werde stimmig, wenn man annimmt, dass es sich um ein Schiff gehandelt habe, sagt Gregor."

Und das kann ja beim besten Willen nicht stimmen. Bei Homer ziehen die Trojaner das Pferd hoch in die Burg (Akropolis) und überlegen, ob sie es vom Felsen herunterstürzen sollen. Wenn man statt das Wort Pferd durch Schiff ersetzt, wird der Text von Homer nicht "stimmig", sondern erst richtig blödsinnig. Dafür kann aber Vergil nun wirklich nichts.

Ich kann gut damit leben, dass Homer ein fantasiebegabter Erzähler war, der sich eine der berühmtesten Stories der Weltliteratur einfach so aus den Fingern gesogen hat.

Wenn Homer aber nur ein Dödel war, der ein Schiff nicht von einem Pferd unterscheiden konnte, während die wahren Genies der Weltliteratur Tiboni und Gregor heißen, soll es mir auch recht sein.
 
Tiboni sagt, „in der Odyssee beschreibt Homer das Pferd nicht. Wir wissen nicht, wie es aussah. Wie groß es war, ob es einen Kopf hatte, Beine, nichts.“
Allein diese Argumentation kommt mir doch seltsam vor. Also abgesehen davon, dass sich Tiboni von der Historizität des trojanischen Pferdes überzeugt gibt. Homer beschreibt doch im Grunde etwas, dass von Griechen wie Trojanern als Pferd interpretiert wurde und groß genug war, dass sich darin dreißig Krieger verstecken konnten, ohne bemerkt zu werden. Was erwartet Tiboni? Genaue Maße? Oder das Homer seinen Hörern erklärt, wie ein Pferd aussieht?
Wir erfahren, dass das Pferd aus Planken gemacht sei (Gottwein übersetzt ‚hölzern‘, LSJ ‚of planks‘, allerdings mit der Ableitung von δόρυ ‚Holz‘ (δουράτεος 1 adj2 adj3 adj4 δόρυ of planks or beams of wood))

ἵππου κόσμον ἄεισον
δουρατέου,
[…]
δουράτεον μέγαν ἵππον​

Gehen wir von der Historizität der Szenerie aus, dürften da hinreichend Schiffe gelegen haben. Nach zähen Kämpfen um die Stadt - in der Fiktion sollen sie zehn Jahr gedauert haben - sollten hinreichend Krieger ins Gras gebissen haben, so dass weitaus weniger Schiffe für die Rückfahrt als für die Hinfahrt benötigt wurden (insbesondere dann, wenn man scheinbar unverrichteter Dinge - also ohne die Stadt erobert zu haben - wieder abzog). Da sollten also genug Planken zur Verfügung gestanden haben, um ein solches Pferd zu bauen.

Tiboni argumentiert δουράτεος bedeute nicht ‚hölzern‘, sondern speziell bei Homer ‚aus Planken‘. Allerdings kommt δουράτεος bei Homer an nur genau zwei Stellen vor, nämlich den beiden oben zitierten, im 8. Sang der Odyssee in den Versen 490 und 510. Demnach kann Tiboni so nicht argumentieren, dass Homer immer Planken meine, wenn er das Wort verwendet, weil er es ausschließlich um Zusammenhang mit dem Pferd verwendet. (Dabei habe ich gar nichts gegen das Bild der Planken, nur die Argumentation stört mich, da die lediglich zweimalige Nutzung des Wortes schon nicht statistisch relevant ist ein ne umso weniger aussagekräftig, als dass sie sich beide Male auf das Pferd bezieht.)

Dass die Griechen sich in einem Schiff vom Typ Hippos versteckt haben sollen - also dass das die Vorstellung Homers und seiner Zuhörer war, ist ganz und gar undenkbar, da diese Schiffstypen offen waren. Es gab dort schlicht keine Möglichkeit, sich zu verstecken.

Zwar geben akademische Titel nicht automatisch Recht. Wenn ich aber die Wahl habe, ob ich Wissenschaftlern oder einem Fremden im Inet glauben soll, ist meine Wahl sehr eindeutig.
Es zählt nicht der Titel, es zählt das vorgebrachte Argument. Das Kerngeschäft der Wissenschaft ist nicht Titelhuberei, sondern sich durch Argumentation zu verbessern, oder um es mit Max Weber zu sagen: es ist die Pflicht eines Wissenschaftlers von seinen Schülern widerlegt und überholt zu werden.

Argumentieren wir mit akademischen Titeln, machen wir Wissenschaft zur Religion.

Und um genau zu sein: es ist nur Tiboni, der das Pferd für ein Schiff hält, Held weist daraufhin, dass bereits in den ältesten Darstellungen das Pferd ein Pferd ist und dass auch Homer selbst sich wohl ein Pferd vorgestellt habe.
Tiboni versucht seine These noch zu retten, indem er auf dies Unterschiedlichkeit der Pferdedarstellung hinweist (mal mehr technisch, mal natürlicher), aber damit bekommt er nicht das Pferd zu einem Schiff umgedeutet. Es bleibt dabei. Dreh- und Angelpunkt des Falls Trojas ist, dass dreißig Krieger in dem Pferd versteckt saßen und das ist beim Schiff des Typs Hippo nicht möglich. Aristoteles lebte zwar ein paar Jahrhunderte später, aber ich denk, man kann zugrundelegen, was der von Dramen folgerte: Sie mussten in der Logik der Welt, die sie erschufen glaubwürdig sein.

Dann stellt der Sprecher aus dem Off die Frage: Warum hätten die Trojaner nach zehn Jahren Krieg ein Holzpferd in die Stadt ziehen sollen?
Gegenfrage: Warum hätten sie dies mit einem Boot tun sollen?

Tiboni verweist am Ende noch auf die Beschläge des Tempeltores von Imgur-Enlil („Bronzefries von Balawat“). Darauf sei dargestellt, wie u.a, Phönizier dem assyrischem König Geschenke in Booten brächten. Dies, so die Argumentation der Sendung, sei in der Bronzezeit wohl Usus gewesen. Ja. Allerdings sieht man die Boote auf dem Bronzefries gerudert auf Wasser, nicht an Land.

Ein wenig lächerlich ist dann auch am Ende die filmische Darstellung, dass die Griechen sich aus kaum zwei Metern Höhe abseilen. Aber gut, dass hat Terra X zu verantworten, nicht Tiboni.
 
Warum die alte Sache mit Pferd und Schiff ausgegraben wurde, ist interessanter. Es geht nicht darum, dass Homer ein Schiff meinte. Eric Cline spricht in irgendeinem Interview davon, dass irgendwann mal in der Bronzezeit ein beladenes Schiff dem Sieger übergeben werden musste. Ich meine, dass die Interpretation nicht ganz sicher ist, kann mich aber nicht genau erinnern und suche derzeit auch nicht danach. Das wird dann natürlich schnell zum 'wahren' Kern, den schon Homer nicht mehr versteht. Wie das zu einem Schiffstyp der Eisenzeit passt, ist mir nicht klar, aber als Bild ginge es vielleicht.

Immer wieder interessant, wie heute aus anders gemeinten Aussagen Quatsch wird, weil sogar Wissenschaftler es nicht mehr für nötig halten, innezuhalten, um eine Aussage richtig zu verstehen. Presse, ja, da ist Wissenschaft meist Information zweiter Ordnung, aber Fachleute entsetzen mich da immer wieder.

(Das Erdbeben, dass den beiden historischen und Angriffen auf Troja voranging, als Werk Poseidons erscheint mir immer noch wesentlich naheliegender dafür, wie Poseidons Tier in die Sage kommt. Die drei Ereignisse haben den Vorteil archäologisch nachgewiesen zu sein. Eine Verschmelzung in der Sage passt gut.)
 
Tiboni sagt, „in der Odyssee beschreibt Homer das Pferd nicht. Wir wissen nicht, wie es aussah. Wie groß es war, ob es einen Kopf hatte, Beine, nichts.“
Diese Argumentation ist auch deshalb sinnlos, weil Homer
1. auch kein Schiff beschreibt,
2. die Eroberung Trojas durch das Trojanische Pferd gar nicht schildert, sondern im Rahmen der Odyssee nur kurze Rückblicke gibt. Eine ausführliche Beschreibung des Pferdes wäre schon rein erzählerisch deplatziert gewesen. Offenkundig setzte Homer bei seinem Publikum die Kenntnis des Mythos voraus (ebenso wie bei seinen zahlreichen anderen Anspielungen auf diverse Mythen).

(Das Erdbeben, dass den beiden historischen und Angriffen auf Troja voranging, als Werk Poseidons erscheint mir immer noch wesentlich naheliegender dafür, wie Poseidons Tier in die Sage kommt. Die drei Ereignisse haben den Vorteil archäologisch nachgewiesen zu sein. Eine Verschmelzung in der Sage passt gut.)
Diese Theorie ist zwar faszinierend, erscheint mir aber doch zu konstruiert. Sicher, der Meeresgott Poseidon war im Nebenjob auch für Erdbeben und Pferde zuständig. Aber trotzdem, dass in der Überlieferung ein Erdbeben zu einem Pferd geworden sein soll, bloß weil für beides derselbe Gott zuständig war, erscheint mir dennoch zu haarig. Wie soll man sich das denn vorstellen? Generationen lang wird erzählt: "Troja wurde durch ein Erdbeben zerstört." Dann: "Poseidon zerstörte Troja durch ein Erdbeben." So weit nachvollziehbar. Aber dann? "Poseidon zerstörte Troja durch ein Pferd." ???? - "Die Griechen eroberten Troja mit einem hölzernen Pferd." Der Sprung vom Erdbeben zum Pferd erscheint mir doch zu groß.
 
Ja, aber dennoch bevorzuge ich diese Möglichkeit gegenüber anderen: Das Gestampfe normaler Pferdehufe kann durchaus ganz kleine Erdbeben auslösen. Was vermögen da erst die Pferde der Götter? Und vom zerstörerischen Hufgetrappel ist man schnell beim Pferd. Das Problem ist für mich eher, wie aus dem poseidonischen* Pferd ein Opfer an Poseidon wird. Naheliegender heißt natürlich nicht fast sicher. Nur eben einleuchtender, vor allem, dass gebe ich zu, wenn es erst als reines Symbol, als gängige Metapher genutzt wurde und dann von Sängern ausgeschrieben wurde, was ja zur Tätigkeit gehörte. Homer kam, ob Gruppe oder Individuum ja nicht aus dem Nichts. Und hier liegt das Problem: Warum wird aus einer bekannten Metapher ein hölzernes Pferd gemacht, obwohl der Zusammenhang im Mythos noch gegeben ist.

Es gibt Erklärungen, wie eine Änderung des Stils oder ein Zusammenführen von Sagen, nur vermeide ich,lieber unsichere Pyramiden zu bauen. Der Stoff ist jedenfalls so alt, dass Änderungen mehr als wahrscheinlich sind. Andere Theorien erscheinen mir noch unsicherer. So oder so lässt sich an diesem Punkt wahrscheinlich keine historische Erkenntnis gewinnen, sondern allenfalls umgekehrt aus anderen Erkenntnissen Bezüge zur Sage. Es gibt Fälle, in denen das möglich ist, aber dazu wäre mehr notwendig, als zu diesem Punkt vorhanden.

*Ich konnte es nicht lassen.
 
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