Hallo liebe Gemeinde,
jetzt ist es mehr als vier Jahre her, seit dem ich diesen Thread eröffnet habe. In der Zwischenzeit hatte ich recht wenig Zeit und ich ließ das Thema ruhen. Aber losgelassen hat es mich nicht. So habe ich mir den Band zum Meeting von 2001 in Padova "Coontinuity of Empire (?) Assyria, Media, Persia" besorgt. Um diese überaus spannende, aber versandete Diskussion wieder aufleben zu lassen, möchte ich alle Artikel dieses Bandes hier zusammenfassend wiedergeben (Das darf man schon, oder?). Leider wird es mir nicht möglich sein, kontinuierlich Zeit für solche Zusammenfassungen zu haben, wenn sich denn überhaupt Intersse daran ergeben wird. Ich beginne mit dem Artikel von Mario Liverani: The rise and fall of Media:
Die Geschichte des Alten Orients, wie sie im 19. Jahrhundert, als noch keine assyrischen und babylonischen Archive ausgegraben worden waren und sich die nur auf die klassische und biblische Überlieferung stützen musste, geschriebe wurde, ähnelt kaum der heutigen. Ähnliche Verzerrungen in der antiken Historiographie dürfen wir auch für die medische Geschichte erwarten. Das Bild der griechischen Historiker dürfte wesentlich von der Idee der „Sukzession der Reiche“ geprägt worden sein, sodass sie die Strukturen des persischen Reiches einfach auf die Meder übertragen haben dürften. Der aufschlussreichere Weg als von folgenden Strukturen (Achaimeniden) auf frühere zu schließen, dürfte der umgekehrte sein: von den vorangehen Strukturen (Stammesfürstentümer des Zagros) auf den medischen Staat. Daher ist ein Blick auf die Archäologie notwendig.
Freilich wäre die Schlüsselstätte Ekbatana/Hamadan. Leider gehören die bis jetzt dort ausgegrabenen Funde der sassanidischen Zeit an. Eine medische Schicht ist noch nicht ausgegraben worden.
In Nush-i Jan, Baba Jan und Godin Tepe erkannten die Ausgräber (Stronach/Roaf bzw. Youbg/Levine) ein Aufkeimen der Kultur („Feuertempel“ , Säulenhallen) zwischen 750 und 600. Diese Plätze wurden aber in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts friedlich aufgegeben. Ein ähnliches Bild zeigte sich im mannäischen Hasanlu. Gerade in der Zeit, in die ein medisches Reich zu datieren wäre, scheinen wichtige Stätten aufgeben worden zu sein. Das passt schlecht zu den klassischen, dafür aber recht gut zu den zeitgenössischen babylonischen und assyrischen Quellen.
In den assyrischen Quellen zwischen 850 und 670 erscheinen die Meder als lose Gruppe von nomadischen Stämmen, die von lokalen Anführen geführt wurden, ohne dass eine Koordinierung oder gar eine politische Einheit zwischen ihnen erkennbar wäre. Ab 670 vermelden die assyrischen Quellen nichts mehr zu den Medern. Die babylonischen Quellen hingegen erzählen in Übereinstimmung zu Herodot die Geschichte der Zerstörung der assyrischen Zentren unter Kyaxares (Umakischtar) und des Sieges Kyros' über Astyages (Ischtumegu). Allerdings erscheinen die Meder in babylonischen Quellen zwischen 610 und 550 immer nur als plündernde Horde, nirgends aber ist die Rede von einem mächtigen benachbarten Reich der Meder.
Daraus ergibt sich folgendes Bild: Zwischen 750 und 670 waren die Meder eine Gruppe von ethnisch ähnlich zusammengesetzten Stämmen mit ähnlicher pastoraler Wirtschaftsweise. Sie verfügten über befestigte „Städte“ mit kultischen Bauwerken und Lagerräumen. Die einfache Bevölkerung lebte aber nicht dort oder in der Nähe dieser „Städte“, sondern nomadisch oder in kleinen Dörfern. Ein weitere Einkommensquelle war die Pferdezucht. Die Mesopotamien und Zentralasien verbindende geographische Lage förderte den Handel (z.B. baktrische Kamele). Aus diesem Grund interessierte sich Sargon II für diese Gegend, unternahm mehrere Feldzüge dorthin und richtete Stützpunkte ein, die von assyrischen Beamten verwaltet wurden. Die lokalen Eliten bestanden unabhängig von ihnen weiter.
Nach Sargon mussten die Assyrer die Kontrolle über diese Stützpunkte aufgeben, ohne aber den Anspruch darauf aufzugeben. Detaillierte Verträge zwischen Assyrern und medischen Führern regelten die Verhältnisse, wodurch auch Meder als Leibwächter in assyrische Dienste eintraten. Dass diese Beziehungen zu Assyrien eine sekundäre Staatenbildung einleiteten, erscheint in Anbetracht der babylonischen Quellen zweifelhaft. Sie berichten, dass sich die Meder nach der Zerstörung der assyrischen Zentren unter der Führeng Kyaxares wieder in den Zagros zurückgezogen hätten. Kyaxares erscheint als Führer eines auf beschränkte Zeit gebildeten Zusammenschlusses medischer Stämme, der nicht genügend Autorität besessen habe, um die verschiedenen Stämme zu einer organisierten Besetzung des besiegten Landes zu bewegen. Die biblischen Quellen (Jer. 51) beschreiben einen eine lose Koalition zwischen Urartäern, Mannäern und Skythen unter der Führung medischer Könige (! Plural) als Bedrohung für Babylon. Demnach wäre auch eine ähnliche Koalition im Konflikt gegen die Lyder denkbar, ohne an ein medisches Reich denken zu müsssen. In anderen Stellen bei Jeremia ist auch immer von medischen Königen im Plural zu lesen. Auch Astyages habe nicht über genügend Authotität verfügt, um ein Überlaufen seiner Truppen zu Kyros zu vermeiden.
Schließlich ist es auffällig, dass die persische Inschrift in Bisutun nicht ins Medische übersetzt wurde, sondern ins Elamitische, das auch Verwaltungssprache blieb. Das lässt vermuten, dass das Medische gar nicht Schriftsprache gewesen sei. Eine weitere Auffälligkeit ist der griechische Topos der luxusliebenden Meder, die kaum mit einer pastoralen Gesellschaft in Verbindung zu bringen ist, sondern viel mehr mit den Elamitern, wie es auch in einer Inschrift von Sanherib überilefert ist. Das Alles lässt darauf schließen, dass die Perser ihre staatlichen Strukturen von dem um 550 unterworfenen Elam übernommen haben, die ja eine lange Tradition in zentraler Verwaltung und Schriftlichkeit besessen hatten. Die Griechen haben vielleicht in Unkenntnis der elamischen Kultur deren überlieferten Eigenschaften auf die ihnen bekannten Meder übertragen.