Der Ba'al-Melkqart bzw. Herkules-Tempel bei Gadir/Gades

Interessant. Mein bisheriger Stand war, dass der Tempel auf dem Islote de Sancti Petri gelegen habe, überbaut von der dortigen Seefestung.
Was ich mich frage; ob man den Templ wirklich auf so sandigem Untergrund gebaut hätte, wie die jetzt gefundene Struktur. Immerhin hat der Tempel fast 2000 Jahre überlebt, von ungefähr 750 v. Chr bis ungefähr 1145/6. Schwer vorstellbar, dass so ein wichtiger Tempel auf Sand gebaut wurde und fast 2000 Jahre hielt, wohingegen felsiger Untergrund in direkter Nachbarschaft gelegen hätte. Ich würde die gefundene Struktur eher mit der Salinentätigkeit verbinden oder der Entnahme von Sand. Schwer vorstellbar, dass so ein wichtiger Tempel auf Sand gebaut wurde und fast 2000 Jahre hielt, wohingegen felsiger Untergrund in direkter Nachbarschaft gelegen hätte.

Hier eine Ansicht der Stelle, wo die Struktur sein soll, eine Übersicht mit der Islote de Sanci Petri und der Islote alleine:
Melkqart-Herkules.jpg


Zwischen der Stelle und der Islote liegen 7.1 km.

Ich halte die entdeckte Struktur mit einiger Wahrscheinlichkeit für eine alte Saline. Vgl.:

Melkqart-Herkules2.jpg
 
Ich muß zugeben, dass ich zum ersten Mal von diesem Tempel höre. Herkules soll ja an allen möglichen und unmöglichen Orten aufgetaucht sein - sogar in Duisburg, also da, wo später dann Duisburg entstehen wird.

Hier ein Wiki-Artikel dazu:

Templo de Hércules Gaditano - Wikipedia, la enciclopedia libre (span.)

(Einen deutschen Artikel gibt es nicht, die französischen und englischen Artikel sind sehr viel kürzer als der spanische)
 
Aufgetaucht oft ja nur im Sinne einer Gleichsetzung mit anderen Göttern, im Fall des Herakles/Hercules mit dem Melkart der Phönizier. Entsprechend gab es auch im eigentlichen Phönizien diverse Tempel "griechischer" Götter.
 
Ich muß zugeben, dass ich zum ersten Mal von diesem Tempel höre. Herkules soll ja an allen möglichen und unmöglichen Orten aufgetaucht sein - sogar in Duisburg, also da, wo später dann Duisburg entstehen wird.
Nach Muth* war der römische Hercules der Schutzpatron der patrizischen Kaufleute, die in großen Stil Beschaffungen und Transporte zu Land und zu See organisierten, im Gegensatz zu Merkur, der der Gott der (Einzel-)Händler war. Dann ist es schon logisch, dass dort, wo es Collegien der Händler gab, auch Hercules-Verehrung stattfand.

*Muth, Robert, Einführung in die griechische und römische Religion, 2. Auflage, Darmstadt 1998
 
Dann müsste es einen Mangel an Verehrern gegeben haben. Die meisten Patrizier waren doch im Senat vertreten. Seit 218 v. Chr. waren Senatoren und ihren Söhnen Handelsgeschäfte aber weitgehend untersagt.
 
Aufgetaucht oft ja nur im Sinne einer Gleichsetzung mit anderen Göttern, im Fall des Herakles/Hercules mit dem Melkart der Phönizier. Entsprechend gab es auch im eigentlichen Phönizien diverse Tempel "griechischer" Götter.

Genau, dieser Tempel bei Cádiz wurde von den Phöniziern für ihren Gott Melkart gebaut, und in späterer Zeit unter römischer Herrschaft wurde dieser Melkart-Tempel im Rahmen der interpretatio romana zum Hercules-Tempel umgewidmet.

Herkules soll ja an allen möglichen und unmöglichen Orten aufgetaucht sein - sogar in Duisburg, also da, wo später dann Duisburg entstehen wird.

hier ist mir ein Fehler passiert. Nicht Herkules, sondern Odysseus soll in Asciburgium gewesen sein (Asciburgium – Wikipedia - s. die entsprechende Stelle in der Germania von Tacitus.) Interessant, wohin so eine Odyssee führen kann:cool: - noch heute gibt es in Moers ein griechisches Restaurant Odysseus.:D
 
Die Griechen übersetzten Melkqart auch mit Μελικέρτης (Melikertes/Melikertis). Dass Melkqart mit Herkules identifiziert wurde, lag natürlich auch an der Legende von den Säulen des Herkules und an der Ikonographie.
Hier eine punische Münze aus Cádiz mit einem löwenfellbehelmten anthropomorphen Wesen auf dem Avers und einem Thunfisch (heute noch rund um die Straße von Gibraltar eines der wichtigsten Fischereierzeugnisse) sowie einer Münzlegende auf dem Revers:

dracma%2Bde%2Bgadir%2B-%2Batu%25CC%2581n.jpg





Ich würde ja gerne etwas daraus lesen, das Ṣade
sade.png
weiß ich nicht zu deuten, aber mit etwas gutem Willen kann ich aus Gimel-Daleth-Resch (
gadir.png
) g-d-r Gadir lesen.
Das obere würde ich ggf. als Mem-Beth-Nun-Mem (
m-b-n-m.png
) oder als Mem-Beth-Aleph-Mem lesen (
m-b-a-m.png
). Aber anfangen kann ich mit beidem nichts. Ich übernehme auch für keine Lesung die Garantie, ja, man könnte mir sogar vorwerfen, dass die Lesung ṣ-g-d-r (
sgadir.png
) dem Wunsch geschuldet ist, hier Gadir zu lesen. Und tatsächlich sieht das, was ich als Daleth (
daleth.png
) lese auf manchen Münzen eher aus, wie ein ʿAjin (
Ajin.png
).

Auf einer anderen Münze (die ich nicht hochladen kann) kann ich etwas lesen - bzw. glaube etwas lesen zu können -, was wie b-g-d-r
begadir.png
aussieht, bə-Gadir (in Gadir), das wäre sinnvoll.

Löwenfellbehelmt anthropomorph (menschenförmig) ist natürlich Herakles/Herkules.

Edit: Jetzt hatte ich so schön die punischen Lettern hier eingefügt und da zerhaut mir die Software das. Ich werde diesen Beitrag noch mal editieren...
Edit 2: Die punischen "Lesungen" - "Erratungen" wäre die treffendere Vokabel - als Bilddateien eingefügt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Griechen übersetzten Melkqart auch mit Μελικέρτης (Melikertes/Melikertis). Dass Melkqart mit Herkules identifiziert wurde
Als Melikertes (falls das wirklich von Melkart abgeleitet ist) wurde er allerdings nicht mehr mit Herakles identifiziert, sondern zu einem eigenständigen Meeresgott Palaimon. (Melikertes war dessen Name als Mensch vor seiner Vergöttlichung.)
 
Für die Ableitung sprechen die Namensähnlichkeit (wobei man auf Namensähnlichkeit allein nicht allzu viel geben sollte, siehe etwa die beliebte Gleichsetzung von Geten und Goten) und dass auch Melkart einen gewissen Bezug zum Meer hat, wenngleich er kein spezieller im Meer lebender Meergott wie Palaimon war.

Meine Zweifel stützen sich auf:
- Wenn Melikertes Melkart ist, hätten die Griechen Melkart zweimal übernommen bzw. identifiziert, einmal als Melikertes=Palaimon und einmal als Herakles. (Möglich wäre es natürlich.)
- Melikertes war ein Sterblicher, als Gott hieß er dann Palaimon. Wenn es sich um den Gott Melkart handelte, warum bekam er dann als Gott einen neuen Namen und blieb der ursprüngliche Name (nur) für seine Kindheit als Mensch? (Melikertes war bei seinem "Tod" noch ein Kind! Melkart hingegen ist erwachsen.)

Man könnte wohl mutmaßen, dass es ursprünglich einen Meergott Palaimon gab, der später mit Melkart identifiziert wurde und dass es dadurch zum Doppelnamen kam. Allerdings fehlt es nicht nur für Melikertes, sondern auch für Palaimon an frühen Belegen: Palaimons Mutter, die Meeresgöttin Leukothea, wird bereits von Homer erwähnt, ihr Sohn nicht. Der erste eindeutige namentliche Beleg für Palaimon ist anscheinend "Iphigenie in Tauris" (Euripides). Der Stoff von Melikertes' "Tod" wurde anscheinend bereits von Aischylos in seiner verlorenen Tragödie "Athamas" (der Vater von Melikertes) behandelt.

Im Ergebnis scheint mir die Annahme, dass die Griechen Melkart namentlich übernommen haben sollen, nur um dann aus ihm einen sterblichen Buben zu machen, der nach seinem Tod in einen Gott Palaimon verwandelt wird, etwas gewagt.
 
F
- Wenn Melikertes Melkart ist, hätten die Griechen Melkart zweimal übernommen bzw. identifiziert, einmal als Melikertes=Palaimon und einmal als Herakles. (Möglich wäre es natürlich.)
Andere Baustelle, aber genau das macht die Crónica General mit der Geschichte des Cid. Sie übernimmt einmal die Erzählung der Historia Roderici und später die Erzählung aus dem Cantar de Mio Cid.
 
Der Archäologe Monterroso Checa verwirft die angeblichen Funde von Ricardo Belizón Aragón/Antonio Sáez Romero:

Un profesor de la Universidad de Córdoba descarta que se haya localizado el templo de Hércules

Auch Monterroso sieht den Melkqart-Tempel nicht auf dem Islote de Sancti Petri, sondern vielmehr auf den Erhebungen südlich des Ortes den Belizón als Ort des Tempels markiert hat, auf dem Cerro de los Martires:
La ubicación del santuario de Melqart en Gadir: aportación de los datos PNOA-LiDAR | SPAL - Revista de Prehistoria y Arqueología

Schwer vorstellbar, dass so ein wichtiger Tempel auf Sand gebaut wurde und fast 2000 Jahre hielt, wohingegen felsiger Untergrund in direkter Nachbarschaft gelegen hätte.
 
Sehr hübsch, danke für das Update, und vermutlich sehr peinlich für die Beteiligten :oops:

Vor allem peinlich für die Verfasser des letztgenannten Artikels in meinem letzten Beitrag (express aus Österreich). Die ersten Artikel waren da wesentlich vorsichtiger, wie die Mitteilung der Forscher aussah, habe ich nicht in Erinnerung.

Immerhin ist Wissenschaft Versuch und Irrtum, und vielleicht hat jetzt jemand anderes die Chance, diesen Tempel zu entdecken. Und auch gut, dass wir darüber gesprochen haben, denn ich vermute, die meisten - mich eingeschlossen - haben von diesem Tempel noch nie etwas gehört.
 
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