Der böse Kolumbus

fingalo

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Heute (6. 12.2006) steht ein interessanter Artikel über Kolumbus in der FAZ.
Die Archivarin Isabel Aguirre stieß Anfang des Jahres im Archiv Simancas auf eine zeitgenössische Abschrift des Protokolls der Untersuchung Francisco Bobadillas um 1500 gegen Kolumbus, die er im Auftrag der Katholischen Könige Isabella und Ferdinand durchgeführt hatte. Dass ein solches Manuskript existierte, war aus (von Kolumbus beeinflussten) Quellen bekannt, das Original war aber verschollen. Sie stellte es im Mai in einem Referat in Genua vor. Eine ausführliche Publikation auf Spanisch ist jetzt erschienen.
Aus dem Manuskript geht hervor, dass Kolumbus in der Neuen Welt ein Schreckensregiment führte und seiner Geldgier viele Menschen zum Opfer fielen. Er war aufgebrochen, um angeblich die Neue Welt zum katholischen Glauben zu bekehren. In Wahrheit hinderte er die Missionare daran, die Eingeborenen zu taufen. Denn dann waren sie für den Sklavenmarkt tabu. So verschiffte er nach systematischen Razzien viele Eingeborene auf die spanischen Sklavenmärkte und erzählte dort, es seien heidnische Widerstandskämpfer, die er gefangen genommen habe. Doch die Menge der feilgebotenen Sklaven machten die Königin misstrauisch. Seinen Schwager ließ er zu Tode foltern, weil er einem französischen Missionar geholfen hatte, eine diesbezügliche Anklage nach Spanien zu schaffen.
Dieses Protokoll dürfte zu der Absetzung von Kolumbus als Vizekönig und der Entzug des Monopols für Entdeckungsfahrten geführt haben.
 
Ohne hier den Advocatus diaboli spielen zu wollen: Las Indias, wie die Spanier die karibischen Inseln und das angrenzende Festland nannten, waren weit weg vom Mutterland. Was hier geschah, gelangte entweder gar nicht, oder spät an die Ohren der Reyes Católicos (RRCC). Später, als die Philippinen in das spanische Imperium inkorporiert wurde, brauchte eine Nachricht von Manila über Mexiko bis zum Escorial, dem Herrschaftssitz Philipps II., des Urenkels der RRCC etwa ein Jahr (andere Daten habe ich leider nicht, aus der Karibik dauerte die Nachrichtenübertragung naturgemäß nicht so lang). Gegen Bartolomé de las Casas gab es nur wenige Jahre später, während der Regierung Karls V. (Enkel der RRCC, Vater von Philipp II.) ganz ähnliche Vorwürfe. Häufig ging es bei solchen Anzeigen und den folgenden Gerichtsprozessen weniger um Wahrheitsfindung, als vielmehr um die Ausschaltung von Konkurrenten.
 
Häufig ging es bei solchen Anzeigen und den folgenden Gerichtsprozessen weniger um Wahrheitsfindung, als vielmehr um die Ausschaltung von Konkurrenten.
Na ja, da Kolumbus das Monopol hatte, dürfte es ja wohl kaum Konkurrenten gegeben haben, die ihn hätten ausschalten wollen. Er durfte ja weiter fahren (und ist es auch). Er war also gar nicht ausgeschaltet.
Das Protokoll war ja von einer Untersuchungskommission des Königs erstellt worden.
Außerdem war er so berühmt, sozusagen ein Volksheld, dass er nicht vor Gericht gestellt wurde, sondern nur dem König selbst Rede und Antwort stehen musste. "Konkurrenten" hätten sich da nur die Finger verbrannt, wenn sie ihn verleumdet hätten.
 
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