Der "Boluminski-Highway" (Neu-Mecklenburg)

Arne

Premiummitglied
Am Beispiel einer Straße, mit derer Geschichte ich mich seit einigen Wochen beschäftige, möchte ich den Versuch machen, eine grundsätzliche Diskussion zu eröffnen - sofern Interesse besteht...

Ein Teil des Bismarck-Archipels ist die Insel Neu-Mecklenburg (heute: New Ireland). Als am 30.06.1900 der deutsche Verwaltungsbeamte Franz Boluminski (12.11.1863 - 28.04.1913) mit seiner Frau Frida und einigen Polizeisoldaten zu der Ortschaft Käwieng versetzt wurde, standen dort nur ein paar Hütten. In den folgenden Jahren wurden diverse feste Gebäude errichtet (um die es hier aber nicht geht) und er Ort wuchs. Besonders an der Ostseite der Insel gab es mehrere Pflanzungen, meist mit Kokospalmen zur Kopra-Gewinnung (Getrocknetes Kokosnußfleisch zur Weiterverarbeitung zu Öl).
Boluminski erkannte, daß der Transport mit Segelschiffen schwierig war, weil erstens ein guter Hafen fehlte und zweitens die Küste mit Segelschiffen schlecht schiffbar war. So entschloß er sich eine Küstenstraße als Verbindung der Pflanzungen bauen zu lassen um den Handel zu erleichtern.
Diese Küstenstraße, benannt als "Kaiser-Wilhelm-Straße" verband zu seiner Regierungszeit schließlich Kawieng und das ca.100 km entfernte Fissoa. Nach dem ersten Weltkrieg wurde sie 1921 von den Neuseeländischen Verwaltern in "East-Coast-Highway" und schließlich 1975 von der unabhängigen Regierung von Papua-neu-Guinea (PNG) in "Boluminski-Highway" umbenannt. Die Straße ist heute (inzwischen verlängert) die Hauptverbindungsstraße und Lebensader der Insel.

Gebaut wurde sie von der Bevölkerung der anliegenden Dörfer. Jedes hatte seinen Bereich als Anlieger. Die Arbeitsverpflichtung kann man als Teil des Steuersystems verstehen. In verschiedenen Quellen wird erwähnt, daß Boluminski die Leute zu großer Leistung anspornte indem er "Wettbewerbe" zwischen den verschiedenen Dörfern machte. Das ist wohl so zu verstehen, daß das Dorf, welches die Straße in seinem Gebiet am schnellsten vorranbrachte Auszeichnungen oder/und Belohnungen erhielt. Oder auch Strafen für langsame Baugruppen(?).

In neueren Interviews wird eine "Anekdote" aus der Bauzeit erzählt, die in der Bevölkerung weitererzählt wurde. So hat Boluminski wohl regelmäßig die Straße abgefahren und wenn er irgendwo mit seinem Wagen steckenblieb, weil die Straße nicht gepflegt und ausgebessert wurde (bei den Wetterverhältnissen ein Dauerjob..) , mußte die Dorfbevölkerung seine ganzen Wagen inclusive Pferd und ggfl. Ladung über die Löcher in der Straße tragen. Die Erzähler in den Interviews schmunzelten dann und ergänzten, daß das nicht häufig geschah, weil von da an sehr auf den Zustand der Straße geachtet wurde.

Worum es mir jetzt geht: Wir haben ein Projekt von Kolonialisten, das sicher mit Zwang der einheimischen Bevölkerung errichtet wurde. Ich habe zwar keine besondere Erwähnung von Brutalitäten gefunden, aber man muß davon ausgehen, daß zumindest anfangs mit Prügelstrafe gedroht und sie auch angewendet wurden, wenn nicht auch Waffengewalt angedroht wurde. Die Peitsche war, im Gegensatz zu Afrika, in der Südsee nicht gebräuchlich.
Dieses Projekt ist noch heute sehr wichtig für die Bevölkerung und es scheint, daß sie den Bau im Nachhinein(?) auch als gut und richtig empfinden, sonst wäre wohl diese Straßenbenennung wohl kaum geschehen. Aber ist die Gewaltanwendung im nachhinein dadurch zu rechtfertigen?
Ist das vergleichbar mit den Anliegerkosten, die ein Hausbesitzer heute in Deutschland für die zuführende Straße tragen muß? Oder hinkt der Vergleich völlig?
Im Kern geht es um die Grundsatzfrage: Haben die Kolonisten der Bevölkerung durch Ausbau der Infrastruktur einen Gefallen getan - auch wenn sie Gewalt angewendet haben? Nicht nur in diesem Beispiel. Die Frage ist fast beliebig überall anwendbar.


Ergänzende Informationen:
Zeitungsbericht einer örtlichen Zeitung, Juni/2000
http://www.postcourier.com.pg/20000630/weekend01.htm

Karte:
http://www.stub.bildarchiv-dkg.uni-...stlicher_Bismarkarchipel_Plantagengebiete.jpg
 
Arne schrieb:

Worum es mir jetzt geht: Wir haben ein Projekt von Kolonialisten, das sicher mit Zwang der einheimischen Bevölkerung errichtet wurde. Ich habe zwar keine besondere Erwähnung von Brutalitäten gefunden, aber man muß davon ausgehen, daß zumindest anfangs mit Prügelstrafe gedroht und sie auch angewendet wurden, wenn nicht auch Waffengewalt angedroht wurde. Die Peitsche war, im Gegensatz zu Afrika, in der Südsee nicht gebräuchlich.
Dieses Projekt ist noch heute sehr wichtig für die Bevölkerung und es scheint, daß sie den Bau im Nachhinein(?) auch als gut und richtig empfinden, sonst wäre wohl diese Straßenbenennung wohl kaum geschehen. Aber ist die Gewaltanwendung im nachhinein dadurch zu rechtfertigen?
Ist das vergleichbar mit den Anliegerkosten, die ein Hausbesitzer heute in Deutschland für die zuführende Straße tragen muß? Oder hinkt der Vergleich völlig?
Im Kern geht es um die Grundsatzfrage: Haben die Kolonisten der Bevölkerung durch Ausbau der Infrastruktur einen Gefallen getan - auch wenn sie Gewalt angewendet haben? Nicht nur in diesem Beispiel. Die Frage ist fast beliebig überall anwendbar.

Pruegelstrafe oder sonstige Gewaltanwednungen mit Anliegerkosten fuer Eigenheimler gleichsetzen zu wollen ist schon sehr dreist, wenn der Kommentar erlaubt ist!
 
manganite schrieb:
Pruegelstrafe oder sonstige Gewaltanwednungen mit Anliegerkosten fuer Eigenheimler gleichsetzen zu wollen ist schon sehr dreist, wenn der Kommentar erlaubt ist!

Natürlich ist so ein Kommentar erlaubt! Allerdings wird das nicht gleichgesetzt sondern nur das Prinzip "Unerwünschte Zwangsleistung verbunden mit späterer Vorteilsnahme".

Diese Meinung möchte ich auch hier nicht vertreten, sondern ähnliches wird in Diskussionen in solchen Zusammenhängen gern erwähnt.

Das die Hausbesitzer heute nicht verprügelt werden ist schon angenehmer ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Das die Hausbesitzer heute nicht verprügelt werden ist schon angenehmer ;)

Was heisst "angenehmer", es ist einfach eine Schande, wenn man in ein Land einfaellt und dann die Leute verpruegelt, um irgendwelche Strassen zu bauen.

Aus heutiger Sicht verbietet sich da jedes Verstaendnis, aus damaliger Sicht eigentlich auch, jedoch zeigt sich daran die Doppelmoral der damaligen Zeit, als andere Voelker als minderwertig angesehen wurden und ihnen ein Behandlung zukomen gelassen wurde, die man sich fuer seine eigenen Landsleute laengst verbot.
 
manganite schrieb:
Was heisst "angenehmer", es ist einfach eine Schande, wenn man in ein Land einfaellt und dann die Leute verpruegelt, um irgendwelche Strassen zu bauen.

Gut, das ist eindeutig. Contra Gewalt als Zwangsmaßnahme im Sinn von "Wir müssen sie zu ihrem Glück zwingen."
hoch.gif
 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Boluminski im Auftrag der dortigen Bevölkerung die Straße errichtete. Und welches Motiv hätten die Neu-Mecklenburger überhaupt? Jahrhundertelang ernährten sie sich ohne feste Straße.
Die Anekdote, dass man heute darüber schmunzelt, kann ich nicht nachvollziehen. Der Ausbau der Infrastruktur hat erst dann einen Sinn, wenn die Bewohner am Gewinn ihres Eigentums teilhaben können. So gesehen, war der Ausbau der Infrastruktur nicht ein Gewinn sondern ein Verlust über Jahrzehnte.
 
Hurvinek schrieb:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Boluminski im Auftrag der dortigen Bevölkerung die Straße errichtete. Und welches Motiv hätten die Neu-Mecklenburger überhaupt? Jahrhundertelang ernährten sie sich ohne feste Straße.
Nicht, dass es zu einem Mißverständnis kommt. Die Leute, die die Straße gebaut haben, also die Eingeborenen / indigene Bevölkerung hatten weder den Auftrag erteilt noch anfangs einen wirklichen Vorteil. Die Straße wurde im Interesse der deutschen Verwaltung gebaut. Hauptgrund war die Handelswege zu den Plantagen zu erleichtern. Und die waren in deutscher Hand. Meist von der Neu-Guinea-Compagnie (eine Kapitalgesellschaft) und wohl vereinzelt im Privatbesitz.


Hurvinek schrieb:
Die Anekdote, dass man heute darüber schmunzelt, kann ich nicht nachvollziehen. Der Ausbau der Infrastruktur hat erst dann einen Sinn, wenn die Bewohner am Gewinn ihres Eigentums teilhaben können. So gesehen, war der Ausbau der Infrastruktur nicht ein Gewinn sondern ein Verlust über Jahrzehnte.
Richtig. Sie litten über Jahre und hatten keine, oder nur geringe Vorteile. Erst mit der weiteren Entwicklung genossen sie die Vorteile besserer Wege selbst wesentlich.
Die erwähnte Anekdote ist aus zwei Fernsehdokumentationen und wird dort scheinbar viel erzählt. Uns mag verwundern, daß man dort heute darüber schmunzelt, worunter die Vorfahren gelitten haben. Aber der Mensch scheint Grausamkeiten mit der Zeit nicht mehr so schmerzvoll wahrzunehmen.

Es ist für dich also wichtig, daß man schnell (sofort) selbst profitiert. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt, würdest du solche Zwangsmaßnahmen nicht gut heißen, oder?
 
Arne schrieb:
...
Es ist für dich also wichtig, daß man schnell (sofort) selbst profitiert. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt, würdest du solche Zwangsmaßnahmen nicht gut heißen, oder?

Würdest du gegen dich gerichtete Zwangsmaßnahmen gut heißen? Egal ob sie berechtigt oder unberechtigt sind?
 
Hurvinek schrieb:
Würdest du gegen dich gerichtete Zwangsmaßnahmen gut heißen? Egal ob sie berechtigt oder unberechtigt sind?

Im Moment des "Empfangens" sicher nicht. Vielleicht aber später.
So wie ich jetzt die Notwendigkeiten einsehe, als Kind zur Schule geschickt worden zu sein oder mich zu waschen oder oder..;)
 
Arne schrieb:
Im Moment des "Empfangens" sicher nicht. Vielleicht aber später.
So wie ich jetzt die Notwendigkeiten einsehe, als Kind zur Schule geschickt worden zu sein oder mich zu waschen oder oder..;)

So dürfte wohl die Sicht der Kolonialherren gewesen sein - für die waren erwachsene Menschen einer anderen Kultur bestenfalls Kleinkinder...
 
Arne schrieb:
Im Moment des "Empfangens" sicher nicht. Vielleicht aber später.
So wie ich jetzt die Notwendigkeiten einsehe, als Kind zur Schule geschickt worden zu sein oder mich zu waschen oder oder..;)

Ich finde Deine Vergleiche etwas gewagt. Du nimmst auf der einen Seite immer schwere koerperliche Gewaltanwendung und dann auf der anderen Seite Dinge wie Abgaben zahlen oder zur Schule gehen. Ich finde das recht bedenklich...
 
hyokkose schrieb:
So dürfte wohl die Sicht der Kolonialherren gewesen sein - für die waren erwachsene Menschen einer anderen Kultur bestenfalls Kleinkinder...

Ja genau. Das Prinzip ist ganz ähnlich gewesen.
Schön, daß du mir das jetzt nicht persönlich unterstellst. Hurvineks Frage bezog sich auf mich und da hätte ich gestern abend einen Kasten Bier verwettet, daß mir die Antwort mindestens einen roten Bommel mit "Kolonialherrenmentalität" oder "Rassist" einbringt.:rolleyes:
 
manganite schrieb:
Ich finde Deine Vergleiche etwas gewagt. Du nimmst auf der einen Seite immer schwere koerperliche Gewaltanwendung und dann auf der anderen Seite Dinge wie Abgaben zahlen oder zur Schule gehen. Ich finde das recht bedenklich...

Hmm..ich versuche gern etwas in heutige Gefühlswelten zu übertragen. Du hast sicher Recht, die Vergleiche hinken natürlich. Aber heute kennen wir das Gefühl der Gewaltanwendung als Strafe kaum noch. Die Eltern tun es kaum, Lehrern ist es verboten, der Ausbildungsherr schlägt seinen Lehrling nicht mehr und beim Bund gibt es das auch nicht. Passende Vergleiche fehlen mir.

Ich will mit diesem Thread auch nicht irgendwelche geschehenen Dinge verharmlosen. Es geht mir darum ein paar Meinungen zu hören. So in der Richtung: War Kolonisation im ganzen schlecht und wenn nicht, wie hätte man es anders machen sollen.
In Diskussionen bilden sich da meist gewisse Richtungen und es wäre für mich interessant, wohin das hier geht. Die Bedingungen hier sind ja spezielle, weil ein begrenzter Gesprächskreis teilnimmt.
 
Arne schrieb:
Hmm..ich versuche gern etwas in heutige Gefühlswelten zu übertragen.

Das ist aber meiner Meinung nach nicht zulaessig, denn soclhe Vergleiche fuehren in die Irre, entweder verharmlosen sie oder sie dramatisieren. Man muss sich schon in die damalige Situation versetzen. In dem Fall... Eine Schlag hat sicher jeder schon bekommen un dsei es nur aus versehen. Meine Erfahrung sagt mir jedenfalls, dass Pruegelstrafe etwas sehr brutales ist, dass man nicht mit deinen Beispielen vergleichen kann.


Arne schrieb:
Ich will mit diesem Thread auch nicht irgendwelche geschehenen Dinge verharmlosen. Es geht mir darum ein paar Meinungen zu hören. So in der Richtung: War Kolonisation im ganzen schlecht und wenn nicht, wie hätte man es anders machen sollen.
In Diskussionen bilden sich da meist gewisse Richtungen und es wäre für mich interessant, wohin das hier geht. Die Bedingungen hier sind ja spezielle, weil ein begrenzter Gesprächskreis teilnimmt.

Kolonisation und was damit verbunden war (Unterdrueckung und teilweise Verschleppung/Versklavung der Bevoelkerung) war sicher ein Unrecht, zu jeder Zeit, aber die im 19. Jahrhundert sicher im besonderen Masse. Jahrhunderte nach der Aufklaerung und Jahrzehnte nachdem dam fuer menschliche Werte wie der Gleichheit der MEnschen Revolutionen gemacht hatte, behandelte man immer noch ganze Voelker kaum besser wie Tiere und das aus rein egoistischen machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen heraus und versehen mit dem moralischen Dekmaentelchen der Verbreitung von "Kultur" und "Zivilisation".

Heute muss man natuerlich damit leben, vor allem die Menschen in den ehemaligen Kolonien. Wie es da heute aussieht, wenn man mal Afrika nimmt, weiss das jeder: Kuenstliche Staaten, ohne eigene Identitaet, manche nicht lebensfaehig, von Kriegen und Buergerkriegen zerissen. Da heute positives zu sehen, heisst da nur vergangenes Unrecht zu beschoenigen.

Was man haette anders machen koennen? Nicht viel, denn an welcher stelle haette man halt sagen sollen? Die Kolonialisierung war ja ein Prozess, der sich ueber Jahrhunderte hinzog. Was mit Endeckunmgsreisen und etwas Handel began, endete halt in totaler Unterdrueckung. Ein Prozess mit soviel Eigendynamik, dass man ihn kaum haette aufhalten koennen. Und wer haette das auch tun sollen? Es gab ja keine Oposition dazu, selbst die fortschritlichsten Kraefte sahen darin ja fast bis zum Schluss kein Unrecht drin (Gods own country, die erste westliche Demokratie, war ja fast der letzte Skalvenhaltestaat). In sofern kann man nicht einzelnen Personen oder Laendern eine Schuld zuweisen, aber trotzdem ihren NAchfahren eine Verantwortung fuer das, was sie angerichtet haben, bzw. eine Verpflichtung zu einer gewissen Wiedergutmachung, denn die Kolonisation war eindeutig Unrecht.

Eine teilweise verklaernde, verharmlosende Herangehensweise, wie sie mir in deinem Beitrag hier und auch an anderen Stellen oft auffaellt, halte ich jedenfalls nicht fuer richtig.
 
manganite schrieb:
Eine teilweise verklaernde, verharmlosende Herangehensweise, wie sie mir in deinem Beitrag hier und auch an anderen Stellen oft auffaellt, halte ich jedenfalls nicht fuer richtig.

Erst einmal schönen Dank für deine Einschätzung, der ich in allen wesentlichen Punkten zustimmen kann.
Weiterhin habe ich das Befürfnis mich an dieser Stelle zu erklären oder zu rechtfertigen, auch wenn ich das wohl nicht bräuchte. Vielleicht hilft es dir/euch mich besser zu verstehen, damit daß wir uns besser verstehen.
Es ist egal welche Epoche der Geschichte du nimmst, immer gab es Unterdrückung, Brutalität und Ungerechtigkeit. Von den alten Römern über das Mittelalter bis zur Neuzeit. Mein Vater sagte mir schon als Kind, daß es der einfachen Bevölkerung nie so gut ging, wie heute. Da ist was dran. Nach unseren heutigen Maßstäben finden wir nur mit der Pinzette etwas, was mit den jetzigen Moralvorstellen harmoniert.
Wer sich mit Geschichte beschäftigt und sich eine "dunkle" Epoche aussucht (Inquisition, Kreuzzüge oder was weiß ich) wird dort aber auch immer positive Punkte für sich finden.
Personen, Vorgänge und Spuren, die einen Menschen erfreuen und begeistern können.

Wie ich schon einmal sagte, ich neige zur Bildsprache: Wir bewegen uns bisweilen in einem Sumpf und finden dort Blumen. Es gibt wohl nichts (weltliches ;) ), das absolut böse ist. So ist es auch mit der Kolonialgeschichte. Es gab Ansätze, zum Beispiel im missionarischen Bereich) und Personen (Händler, Soldaten, Siedler und Beamte), die versucht haben ihre Aufgaben menschlich und ordentlich zu erledigen. Leute,die die indigene Bevölkerung geachtet und von ihnen gelernt haben. Leute die sich an Naturschönheiten erfreut haben und so weiter. Es gab (leider nicht viele) Beamte, die ebenfalls versucht haben ohne Gewalt Frieden nach jahrelangen Kriegen zwischen den Einheimischen zu stiften oder herrschende Sklaverei zu unterbinden.
 
Arne schrieb:
Es ist egal welche Epoche der Geschichte du nimmst, immer gab es Unterdrückung, Brutalität und Ungerechtigkeit. Von den alten Römern über das Mittelalter bis zur Neuzeit. Mein Vater sagte mir schon als Kind, daß es der einfachen Bevölkerung nie so gut ging, wie heute. Da ist was dran. Nach unseren heutigen Maßstäben finden wir nur mit der Pinzette etwas, was mit den jetzigen Moralvorstellen harmoniert.
Wer sich mit Geschichte beschäftigt und sich eine "dunkle" Epoche aussucht (Inquisition, Kreuzzüge oder was weiß ich) wird dort aber auch immer positive Punkte für sich finden.
Personen, Vorgänge und Spuren, die einen Menschen erfreuen und begeistern können.

Das ist sicher richtig und wer weiss schon, wie spaetere Generationen ueber uns urteilen werden. Nur, und das war mein wesentlicher Punkt, war man im 19. Jahrhundert, ueber 50, fast 100 Jahre nach der franzoesischen Revolution, was die Vorstellungen von Recht und Unrecht, Menschlichkeit und Unmenschlichkeit bei sich selbst schon sehr sehr weit, im Prinzip gar nicht soweit weg von uns. Aber trotzdem hat man gegenueber anderen diese Vorstellungen mit Fuessen getreten. Wenn Rom besiegte Voelker versklavte, dann war das normal, denn Sklaven war selbstverstaendlicher BEstandteil ROms, wenn aber Europaer des 19. Jahhunderts Sklaven verkauften, dann haette das auch nach damaligen Wertevorstellungen schon ein Unrecht sein muessen, denn SKlaven gab es in Europa schon lange nicht mehr, selbst Leibeigene gab es nicht mehr.

Das ist eben mein Punkt, der Rueckfall hinter eine Entwicklungsstufe, die man schon erreicht hatte. Der absolute Hoehpunkt dann das 3. Reich, der Rueckfall in die Barbarei, der daran das schlimmste war, denn als man erstmal seine eigenen Werte ueber Bord geworfen hatte, war dann alles was spaeter kam nur noch die toedliche Konsequenz.

Arne schrieb:
Wie ich schon einmal sagte, ich neige zur Bildsprache: Wir bewegen uns bisweilen in einem Sumpf und finden dort Blumen. Es gibt wohl nichts (weltliches ;) ), das absolut böse ist. So ist es auch mit der Kolonialgeschichte. Es gab Ansätze, zum Beispiel im missionarischen Bereich) und Personen (Händler, Soldaten, Siedler und Beamte), die versucht haben ihre Aufgaben menschlich und ordentlich zu erledigen. Leute,die die indigene Bevölkerung geachtet und von ihnen gelernt haben. Leute die sich an Naturschönheiten erfreut haben und so weiter. Es gab (leider nicht viele) Beamte, die ebenfalls versucht haben ohne Gewalt Frieden nach jahrelangen Kriegen zwischen den Einheimischen zu stiften oder herrschende Sklaverei zu unterbinden.

Das es solche und solche gab, ist keine Frage. Aber diese EInzelfaelle sind eben nicht das Mass der Dinge und sei in den Blickpunkt zu ruecken, verfaelscht das Bild dieser Zeit. Man nehme wieder die Nazis: Es hat auch gute Nazis gegeben, Idealisten, dei wohl keiner Fliege was zu leide tun konnten, aber kann man auf diesen ein Bild von dieser Zeit aufbauen. Das gaebe doch wohl ein Zerrbild aller erster Guete. Und so ist es grundsaetzlich auch mit der Kolonialzeit, da kann man ein zuckersuesses Bild von niedlichen Negerbabys mit deutschen Missionaren basteln, vom Grosswildjaeger auf der Pirsch usw. Aber den Preis, den dei Voelker dafuer zahlen mussten (und noch immer zahlen muessen), den sieht man hinter solchen Bildern nicht!
 
manganite schrieb:
Das es solche und solche gab, ist keine Frage.
Für viele Leute leider doch.

Aber diese EInzelfaelle sind eben nicht das Mass der Dinge und sei in den Blickpunkt zu ruecken, verfaelscht das Bild dieser Zeit. Man nehme wieder die Nazis: Es hat auch gute Nazis gegeben, Idealisten, dei wohl keiner Fliege was zu leide tun konnten, aber kann man auf diesen ein Bild von dieser Zeit aufbauen. Das gaebe doch wohl ein Zerrbild aller erster Guete. Und so ist es grundsaetzlich auch mit der Kolonialzeit, da kann man ein zuckersuesses Bild von niedlichen Negerbabys mit deutschen Missionaren basteln, vom Grosswildjaeger auf der Pirsch usw. Aber den Preis, den dei Voelker dafuer zahlen mussten (und noch immer zahlen muessen), den sieht man hinter solchen Bildern nicht!
Völlig richtig. Ein rundes Bild gibt es nur, wenn man alle Facetten betrachtet.
Um wieder bildlich zu werden: Es gibt Legionen von Leuten, die Eimer voll Schlamm aus dem Sumpf in die Hörsääle tragen. Ich gehöre zu den wenigen, die eine Sumpfblume pflückt und in einen der Eimer steckt. Ich bin da halt der "Kolonialfolklorist". :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Um wieder bildlich zu werden: Es gibt Legionen von Leuten, die Eimer voll Schlamm aus dem Sumpf in die Hörsääle tragen. Ich gehöre zu den wenigen, die eine Sumpfblume pflückt und in einen der Eimer steckt. Ich bin da halt der "Kolonialfolklorist". :)

Du solltest nur die Blume nicht so hoch abschneiden... Nimm lieber noch die Wurzel mit und wasch den Schlamm nicht ab, dann kann eher ein stimmiges Bild entstehen...
 
Man sollte aber schon einen Unterschied machen, zwischen klischeehafter oder verklärter Kolonialgeschichten und der Realität.
 
ursi schrieb:
Man sollte aber schon einen Unterschied machen, zwischen klischeehafter oder verklärter Kolonialgeschichten und der Realität.

Unbedingt. Aber auch das Klischee kann sehr interessant sein. So hat Dr.Hiery in seinem neuesten Buch über Südseebilder zum Beispiel sehr gute Beispiele von der Diskrepanz der gängigen Postkarten mit "Südseeschönheiten" und dem Alltag auf Samoa und Neu-Guinea gebracht.

Oder ich hatte Kontakt mit Dr. Zeller, der an einem neuen Buch über die Darstellung des Schwarzen im Alltag des deutschen Kaiserreiches arbeitet (Spielzeug, Sammelbilder, Magazinberichte etc.)

Oder ich helfe gerade (mit meinen bescheidenen Fähigkeiten) einem kanadischen Studenten bei seiner Doktorarbeit zur Frage wie die deutschen Kolonien Kindern im Kaiserreich beim Spiel nahe gebracht wurden.

Es gibt sehr viel spannendes zu entdecken, wenn man offen für neues ist.
 
Zurück
Oben