Der Diderot-Effekt

Comtesse

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Bei meinen Nachforschungen über Denis Diderot bin ich auf eine kleine Begebenheit in seinem Leben gestoßen, über die ich leider im Moment keine weiteren Informationen finden kann:

Zitat wikipedia:

Die Bezeichnung geht auf Denis Diderot zurück. Jemand hatte ihm einen neuen, prächtigen Morgenmantel geschenkt, woraufhin er sich von dem Alten trennte und feststellen musste, dass die vorher harmonisch wahrgenommene Einrichtung seines Hauses nicht zu dem Mantel passte. In einem Aufsatz schrieb er darauf 1772:[1]
„Mein alter Hausrock und der ganze Plunder, mit dem ich mich eingerichtet hatte – wie gut passte eins zum anderen! [...]“.

-Zitat Ende-​

Weiß jemand wer ihm diesen Morgenmantel geschenkt hat, und wann genau das im Jahr 1772 (oder vielleicht schon davor?) geschehen ist?

Über das Buch von Denis Diderot: "Gründe, meinem alten Hausrock nachzutrauern oder: Eine Warnung an alle, die mehr Geschmack als Geld haben", konnte ich bisher nur rausfinden, dass man es kaufen kann....
 
Mir ist nicht ganz klar, was ich in diesem Zusammenhang genau unter einem "Diderot-Effekt" zu verstehen habe. Kann mir da jemand weiterhelfen?
 
Mir ist nicht ganz klar, was ich in diesem Zusammenhang genau unter einem "Diderot-Effekt" zu verstehen habe. Kann mir da jemand weiterhelfen?
Ich hatte es so verstanden, dass die Anekdote aus Diderots Leben* und der darin beschrieben Umstand der eigentliche Diderot-Effekt ist.

* Zusammenfassung:
Diderot ist durch sein Geschreibsel etc. wohlhabend geworden. Statt seinem alten schäbigen Hausmantel hat er einen neuen. Er trauert dem alten nach, der ihn allerdings auch an seine dürftigen früheren Lebensverhältnisse erinnert und der irgendwie ein Teil von ihm geworden war - auch durch die Tintenflecken, Zeichen seiner Arbeit, darauf.

Wenn ich mich recht entsinne (ich habe das Werk daheim zu stehen und vor Jahren gelesen), würde er alles von dem durch den Wohlstand erworbenen aufgeben, bis auf seinen Vernet, also ein Gemälde des Malers Vernet, das ihm scheinbar als Kunstkritiker am meisten an dem Gekauften bedeutet.
 
Weiß jemand wer ihm diesen Morgenmantel geschenkt hat, und wann genau das im Jahr 1772 (oder vielleicht schon davor?) geschehen ist?

Über das Buch von Denis Diderot: "Gründe, meinem alten Hausrock nachzutrauern oder: Eine Warnung an alle, die mehr Geschmack als Geld haben", konnte ich bisher nur rausfinden, dass man es kaufen kann....
Ich fürchte, dass man das kaum festmachen kann. Es könnte freilich sein, dass sich damit Literaturwissenschaftler beschäftigt haben und er in irgendeinem Brief erwähnt, an den neuen Hausmantel gekommen zu sein.

Interessanterweise zeigt uns van Loo schon Diderot in einem schönen Hausmantel aus Seide. Das Bild ist von 1767, also deutlich vor 1772. Datei:Louis-Michel van Loo 001.jpg ? Wikipedia
Man beachte die Gerätschaften links vorn im Bild aus Silber. Die Darstellung von Denkern und Dichtern im Morgenmantel (Hausmantel, franz. Robe de Chambre) war sehr üblich. Hier ist der Hausmantel auch von Seide: Datei:Denis Diderot (Dimitry Levitzky).jpg ? Wikipedia

Es kann sein, dass auf dem Gemälde von van Loo, die Kleidung nicht ihm gehörte, sondern er in eine Art Kostüm, aus dem Besitz des Malers, gesteckt wurde, weil das Malen von Seide und dem Schimmer derselben für einen Maler eine besondere Herausforderung darstellt.
Denkbar wäre aber auch, dass das Werk von Diderot, "Gründe, meinem alten Hausrock nachzutrauern", zum einen den Hausmantel nur als Transporteur einer philosophischen Botschaft nutzt und der neue Hausmantel nie ein Thema für ihn war. Zum anderen wäre möglich, dass das Werk in Fragmenten schon sehr viel früher existierte, vielleicht zur Zeit seines unsteten Lebens in Paris nach seinem Ausbruch aus dem Kloster.

Jedenfalls mag ich das Werk ganz gern, v.a. sehr viel lieber als seine ernsthaften (und manchmal lächerlich pedantischen) Kunstkritiken.:)
 
Mir ist nicht ganz klar, was ich in diesem Zusammenhang genau unter einem "Diderot-Effekt" zu verstehen habe. Kann mir da jemand weiterhelfen?
"Diderot-Effekt" meint einfach nur eine verhaltenspsychologische Erscheinung, die gerade in Konsumforschung und Werbepsychologie eine Rolle spielt. Nachdem ich selbst einschlägige Erfahrungen mit dem Diderot-Effekt habe, nehme ich direkt mich als Beispiel: ich kaufe mir eine neue Hose und stelle fest, dass ich kein wirklich passendes Oberteil dazu habe. Also ziehe ich nochmal los und kaufe mir ein neues Oberteil. Wieder zu Hause entdecke ich Schuhe im Netz, die verdammt gut zu dem neuen Oberteil passen würden, also zuschlagen. Nachdem mir sowas regelmäßig passiert, brauche ich auch einen entsprechend großen Schrank, wobei ein begehbarer Schrank noch viel cooler wäre. Also schaue ich, ganz unverbindlich natürlich, nach einer Wohnung in der sowas möglich wäre. Nachdem meine bessere Hälfte meinen Jagd- und Sammeltrieb in der Beziehung weniger toll findet, insbesondere dann nicht, wenn er mich zum Jagen und Sammeln begleiten soll, weil ich nen Kuli für die Tüten brauche, stelle ich eine Belohnung in Aussicht. Ich muss also fürs Abendessen noch Schnitzel kaufen... Diese Konsumspirale nennt sich Diderot-Effekt, die mit Diderot nur insofern was zu tun hat, weil er der erste war, der diese Beobachtung niedergeschrieben hat.
 
Oh Gott, @Lili. Jetzt habe ich echt dazugelernt. Woher ich das wohl kenne...

EDIT: Du belohnst also mit Schnitzel...!?
 
Zuletzt bearbeitet:
Oh Gott, @Lili. Jetzt habe ich echt dazugelernt. Woher ich das wohl kenne...
Genau das von mir beschriebene? Ich ahne es :D Grundsätzlich hat das aber jeder in irgendeiner Form. Das lässt sich auch auf Urlaubsreisen (Reiseführer, Eintrittsgelder, Essen gehen, Souvenirs...), Hobbies i.A. (Bücher, Veranstaltungen...) usw. usf. übertragen. Kurz: eine Konsumausgabe führt oft zu Beschaffungs- und Folgeausgaben.

Ebenfalls Edit: ja, sein Lieblingsessen. Womit sonst? :scheinheilig:
 
Diese Konsumspirale nennt sich Diderot-Effekt, die mit Diderot nur insofern was zu tun hat, weil er der erste war, der diese Beobachtung niedergeschrieben hat.
Wobei mir scheint, als ob das nur ein Effekt von mehreren ist, die er in dem kurzen Werk darstellt.
Ich sehe zumindest folgende Zusammenhänge:
1. Der Diderot-Effekt
2. Hinterherjammern hinter einem liebgewonnenen und aufgegebenen Objekt (alter Hausmantel).
3. Inkonsequenz -> eigentlich ist ja doch das Errungene ganz toll (über das Bild von Vernet.

Mal ne Frage an die Fachleute: Ist das Werk nun als ein psychologisches, was ja eine psychologischen Erscheinung beschreibt, oder ein philosophisches - Thema: braucht man denn den ganzen Kram(?) - einzuordnen? (Ich denke selber, es ist beides.)
 
Mal ne Frage an die Fachleute: Ist das Werk nun als ein psychologisches, was ja eine psychologischen Erscheinung beschreibt, oder ein philosophisches - Thema: braucht man denn den ganzen Kram(?) - einzuordnen? (Ich denke selber, es ist beides.)
Ich zähle mich jetzt mal als Fachleut ;) Ich würde es nicht als psychologisches Werk bezeichnen. Schließlich hat er den Diderot-Effekt nur beschrieben, nicht aber zu erklären versucht, sondern baut darauf vielmehr eine Konsumkritik auf. Eine Beobachtung zu beschreiben ist noch keine Psychologie, vielmehr besteht die Kunst dann darin, erstmal zu schauen, ob diese Beobachtung individuell oder global ist, dann die Beobachtung in dem Sinne zu erforschen, dass sie erklärbar wird, aufzuzeigen wie sie steuerbar wird bzw. zu erläutern welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen, etc. pp. Ein philosophisches Werk ja, ein gesellschaftskritisches auch.
 
Wow, super gleich so viele Antworten. Schade das der Schenker anscheinend nicht genau bekannt ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine reale Begebenheit ist, die Diderot hier zum Anlass für seine - sehr anschaulichen und lebensnahen - Gedanken genommen hat.

@Liborius: Vielen Dank für den Link. Den konnte ich nämlich im Archiv der Zeit einfach nicht finden.
 
Wow, super gleich so viele Antworten. Schade das der Schenker anscheinend nicht genau bekannt ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine reale Begebenheit ist, die Diderot hier zum Anlass für seine - sehr anschaulichen und lebensnahen - Gedanken genommen hat.
Näher kämen wir der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen bestimmt, wenn wir zeitlich die Schenkung eingrenzen könnten.

Diderot kam ja nicht aus ganz unvermögenden Verhältnissen (Geistlichkeit in seiner Heimatstadt Langres). Zur Zeit der Tätigkeit als Herausgeber der Encyclopédie wird er nicht mehr so ärmlich gelebt haben, bewegte sich auch schon in besseren Kreisen, wo man leicht Mäzene fand, welche das finanzielle Fortkommen beförderten.
 
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