Der gemeine Mann und das Reich

Simplicius

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Ich habe gerade das sehr interessante "Lesebuch Altes Reich" durchgeblättert und fand darin eine Passage, die folgende Überschrift hat: "Kaiser und Reich im Spiegel von Untertanenbefragungen des 16. und 17. Jahrhunderts".

Dort werden Fälle und Zitate genannt, wenn normale Menschen, Bauern, Fischer usw., sich vor Gericht zu politischen Sachverhalten äußern mussten. So heißt es:

Für Aufsehen konnte zudem, wie das gleiche Verhör zeigt, das Auftauchen des Kaisers und seines Gefolges im Umland sorgen. Der Zeuge Hans Osterdorffer aus Ronhof erinnerte sich an dessen Aufenthalt zu Nürnberg, wo er auf dem Weg nach Wittenberg Station gemacht hatte. Von Amtsleuten des Dompropstes zu Bamberg war Osterdorffer mit seinen Nachbarn damals unter Androhung einer empfindlichen Strafe dazu bewogen worden, einen Wagen für den Transport von Proviant zu stellen. Noch ein weiterer Zeuge berichtet davon, Fuhrdienst geleistet zu haben. Später sei ihm seitens des Markgrafen erklärt worden, dass jener Befehl keinesfalls rechtens gewesen sei. Daraufhin habe er entgegnet, er und seine Nachbarn hätten geglaubt, wenn es sich zu Nürnberg wirklich um den Kaiser handele, könne die Forderung zur Leistung von Diensten nicht unrecht sein. Dies lässt die landläufige Einschätzung des Reichsoberhaupts als einer mächtigen, noch über den Landesherren anzusiedelnden Person durchscheinen, die außerdem als eine bedeutende weltliche Quelle des Rechts galt.

Außerdem:

Die Reichsjustiz sahen sie dabei in der Regel als eine kaiserliche Justiz. Im Falle ungünstiger Urteile revidierten sie allerdings zumeist diese Gleichsetzung von Kaiser und Reichsinstitutionen. Dann machten die Untertanen nämlich das Personal der Reichsgerichte für die "falschen Urteile" verantwortlich – nicht den Kaiser.

Quelle aller Zitate: Stephan Wendehorst, Siegrid Westphal (Hrsg.). Lesebuch Altes Reich 2006. VIII, 283 S., 19 schwarz-weiße Abbildungen, mit einem ausführlichen Glossar, br.; € 29,80; ISBN 978-3-486-57909-3


Ich finde, das alles ist äußerst interessant, denn ansonsten liest man nur immer von Schriftstellern, Staatsrechtlern und anderen Gebildeten höherer Stände. Aber so erfährt man auch etwas darüber, was der gemeine Mann eigentlich von Kaiser und Reich wusste.

Meine Frage: Hat von Euch jemand noch mehr solcher Aussagen gewöhnlicher Menschen aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit über Kaiser und Reich? Wenn ja: bitte hier posten.
 
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