"Der Tag" im Wanganui Chronicle 12. März 1919

Stephan2

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Die Internierung der Deutschen Hochseeflotte wurde hier im GF ja bereits thematisiert.

In englischen Medien wurde dies, wohl eher spöttisch, auch als 'Der Tag' bezeichnet.

Im Wanganui Chronicle aus Neuseeland, den ich nun eher unregelmäßig lese, erläuterte Robert Blatchford diesen Germanismus in der Ausgabe vom 12. März 1919 in seinem Bericht von Bord des Schlachtschiffes Malaya. Unter der Überschrift GERMAN NAVY'S DISGRACE heißt es sinngemäß:

"Dieses ist 'Der Tag': wenngleich nicht die Art von Tag, auf die Prinz Heinrich und seine draufgängerischen Offiziere an Bord ihrer Schiffe anstießen, der Schiffe, die in der Skaggerakschlacht besiegt wurden. ..."

(Ich hoffe meine Übersetzung ist einigermaßen zutreffend.)

Ich fand dann noch eine gleichlautende Erklärung ein einem aktuelleren Beitrag, allerdings auch von der anderen Seite des Erdballs:

The title for the internment, ‘Der Tag’ [‘the day’] was deliberate – a taunt to the officers of the Imperial German Navy who had used the term as a toast before the Great War ‘to describe the glorious day when Germany would triumph over all her enemies.’
Deutschsprachige Beschreibungen zu diesem "Brauch" habe ich nicht gefunden, allerdings noch einen Buchtitel mit 'Der Tag'.

Meine Frage wäre nun:

Handelt es sich nur um eine (neuseeländische) Presse-Erfindung, oder gab es tatsächlich ein Ritual, dass auf deutscher Seite als 'Der Tag' bezeichnet wurde?

Vielleicht hat ja jemand von Euch etwas in seinen Unterlagen. Vielen Dank im Voraus.
 
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Handelt es sich nur um eine (neuseeländische) Presse-Erfindung, oder gab es tatsächlich ein Ritual, dass auf deutscher Seite als 'Der Tag' bezeichnet wurde?
Vielleicht hat ja jemand von Euch etwas in seinen Unterlagen. Vielen Dank im Voraus.

Wolz, Nicolas, Das lange Warten - Kriegserfahrungen deutscher und britischer Seeoffiziere 1914-1918, beschreibt die Floskel "Der Tag" als gängig bereits seit Kriegsausbruch in der Royal Navy.

Bezeichnet wurde damit allgemein "der Tag", an dem die Entscheidungsschlacht beim Aufeinanderprallen der Hochseeflotte und der Grand Fleet stattfinden würde und die Hochseeflotte aus britischer Sicht vernichtet werden würde.

"Das lange Warten" bezieht sich auf "den Tag". Zwar traf man am Skagerrak aufeinander, mit quasi allen greifbaren Verbänden, aber die Entscheidung blieb aus. "Das lange Warten" ging also 1916/18 weiter, bis zur Auslieferung der Hochseeflotte im Rahmen der Waffenstillstandsabkommen.

Beatty nahm die auslaufende Hochseeflotte in der Nordsse mit Teilen der der Grand Fleet entgegen, woraus nun wiederum "Der Tag" gemacht wurde.
 
Danke für die schnelle Antwort Silesia,

... beschreibt die Floskel "Der Tag" als gängig bereits seit Kriegsausbruch in der Royal Navy. ...

Ist das jetzt so zu verstehen, dass die Offiziere der Royal Navy den Begriff "Der Tag" benutzten und er bei den Kollegen von der anderen Feldpostnummer, sprich den deutschen Marineoffizieren eher unbekannt war?
 
Ist das jetzt so zu verstehen, dass die Offiziere der Royal Navy den Begriff "Der Tag" benutzten und er bei den Kollegen von der anderen Feldpostnummer, sprich den deutschen Marineoffizieren eher unbekannt war?

In der RN sprach man tatsächlich von "Der Tag" (der Entscheidungsschlacht).

Ich muss bei Wolz nachschlagen, mE war die britische Begriffsverwendung auf deutscher Seite bekannt, zB aufgrund von Vorkriegs-Manövern und Flottenbesuchen (vermutlich noch in der Weise aus der Hochphase des Rüstungswettlaufes, dass "der Tag" nicht kommen möge). Ich bin mir da aber nicht sicher.
 
Hallo Silesia,

das wäre toll,
Ich muss bei Wolz nachschlagen,
wenn Du es bei Gelegenheit tun könntest. So ganz billig ist das Buch ja nun nicht.

Zwischenzeitlich werde ich auch noch versuchen im Internet noch etwas zu eruieren.
 
[...]Ist das jetzt so zu verstehen, dass die Offiziere der Royal Navy den Begriff "Der Tag" benutzten und er bei den Kollegen von der anderen Feldpostnummer, sprich den deutschen Marineoffizieren eher unbekannt war?

Na überlege mal! Die großen "stolzen" Linienschiffe der kaiserlichen Hochseeflotte gehen kampflos in englische Hände bzw. in deren Höhle ...

Und trotzdem alle deutschen Kriegsschiffe, die interniert wurden, alle Munition, Verschlüsse der Geschütze und mit geminderter Mannschaft in Empfang genommen wurden, war die RN so traumatisiert, daß volle Gefechtsbereitschaft auf allen englischen Schiffen befohlen war! (Incl. Kampfanzug der Geschützbesatzungen!)

In dem Fall wurde gerade von der RN ganz großes Kino aufgefahren und "Der Tag" überstilisiert, incl. eines Spießrutenlaufs der Hochseeflotte ...

Ob das notwendig war, sei dahingestellt, denn eigentlich war die Hochseeflotte nur an neutrale Nationen und Häfen auszuliefern, aber keiner traute den Deutschen und wollte Hunderttausende von Kriegsschiffstonnage in seinem Hafen liegen haben wollen, außer der RN eben !
 
... Und trotzdem alle deutschen Kriegsschiffe, die interniert wurden, alle Munition, Verschlüsse der Geschütze und mit geminderter Mannschaft in Empfang genommen wurden, war die RN so traumatisiert, daß volle Gefechtsbereitschaft auf allen englischen Schiffen befohlen war! (Incl. Kampfanzug der Geschützbesatzungen!)...

Danke für Deinen Beitrag Köbi,

dass die RN die HSF in voller Gefechtsbereitschaft erwartete, lag m. E. doch in der Natur der Sache. Denk mal an Lissa. Beatty hätte wohl ziemlich alt ausgesehen.
 
Danke für Deinen Beitrag Köbi,

dass die RN die HSF in voller Gefechtsbereitschaft erwartete, lag m. E. doch in der Natur der Sache. Denk mal an Lissa. Beatty hätte wohl ziemlich alt ausgesehen.

Das ist Nonsens, hier ging es allein um Macht, vor allem die Macht über den Besiegten ... Interessant wäre die Vorstellung, das DR hätte den Waffenstillstand erzwungen und die RN wäre in der deutschen Bucht aufgelaufen ... Na überlege mal, da hätte aber jeder der deutschen Geschützmanschaften am Abzug gestanden ...

Dazu ein historisches Beispiel: Nach der Novemberrevolution, waren auf vielen deutschen Schiffen die Rote Flagge gesetzt, das ging soweit, daß treue Offiziere den Roten Matrosen verklickerten, daß , wenn die RN in der deutschen Bucht aufläuft der Waffenstillstand beendet sei! ... Daraufhin wurden alle Kampfstationen in der Nordsee besetzt, und hier galt dann auch wieder der Kaiserspruch von 1914 :..ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche!" ...

Doch die RN lief natürlich nicht als Kampfgeschwader in der deutschen Bucht auf ...
 
Das ist Nonsens, hier ging es allein um Macht, vor allem die Macht über den Besiegten ... Interessant wäre die Vorstellung, das DR hätte den Waffenstillstand erzwungen und die RN wäre in der deutschen Bucht aufgelaufen ... Na überlege mal, da hätte aber jeder der deutschen Geschützmanschaften am Abzug gestanden ...

Doch die RN lief natürlich nicht als Kampfgeschwader in der deutschen Bucht auf ...


zum Glück für die Hochseeflott, Köbi.

Ruge interpretiert die Situation in "Scapa Flow 1919" etwas anders: "So niederdrückend die Lage aber auch für uns war, so schien doch in dem Aufmarsch einer derartigen Übermacht eine ungewollte Anerkennung für das zu liegen, was die Hochseeflotte gewesen war."

Mir ist nicht ganz klar, wie der Empfang des Internierungsverbandes durch die RN sonst erfolgen sollte. Antreten der Mannschaften im Baströckchen an der Reeling und mit Kamelle werfen?

Entschuldige, aber überlicherweise ist die Wachmannschaft bewaffnet.
 
Der Gefechtszustand, allerdings mit Türmen in Nullstellung, ging unmittelbar auf Anordnung Beattys zurück (lt. der Biographie von Roskill). Beatty misstraute der Hochseeflotte selbst in der Kapitulation, und kalkulierte wohl eine Art "Suizidversuch" ein, mehr kann er nicht angesichts der eigenen Überlegenheit befürchtet haben.

Seine Rede zuvor (abgedruckt in den Beatty Papers, Vol. I) an die Mannschaften der Schlachtkreuzer des I. BCS war dagegen ganz entspannt, mit einigen Witzeleien. Bei dem "Empfang" in der Nordsee, nach "Abholung" durch den Kreuzer Cardiff an einem Treffpunkt, war ein exaktes Manöver zur Bildung von drei Kolonnen geplant worden, das die HSF in (Mittel-)Linie steuerbords und backbords flankierte. In diese Kolonnenformation wurde nach Passage der HSF in voller Linie von achtern eingeschwenkt. Muss ein imposantes Manöver dargestellt haben, allein an Bord der Grand Fleet befanden sich fast 100.000 Seeleute. Die modernen Reste der HSF müssen gegen diese Übermacht mickrig ausgesehen haben.
 
Meine Anfrage an die "Deutsche Internetbibliothek" bzgl. "Der Tag" hat leider nur zu dem Hinweis geführt, dass möglicherweise etwas in den folgenden Werken stehen könnte:

Die Kaiserliche Marine im Ersten Weltkrieg / von Michael Epkenhans. Deutsches Marinemuseum. - Wilhelmshaven : Brune-Mettcker, 2003

Die Seekriegsführung der Kaiserlichen Marine im Jahre 1918 / Groß, Gerhard Paul. - Frankfurt am Main [u.a.] : Lang ; 1989

Leider beide nicht in meinem Besitz. Kann vielleicht jemand aus dem GF etwas dazu sagen?
 
Nach einigem Suchen ist nichts zu vermelden. Ich habe weder bei Epkenhans noch bei Gross dazu Hinweise gefunden.
 
Handelt es sich nur um eine (neuseeländische) Presse-Erfindung, oder gab es tatsächlich ein Ritual, dass auf deutscher Seite als 'Der Tag' bezeichnet wurde?

Es handelt sich um eine Erfindung.
Der deutsche Internierungsverband wurde unter das Kommando von KAdm. v. Reuter gestellt. Im Vorfeld, appellierte VAdm. v. Hipper an das Seeoffizierkorps, das Pflichtgefühl gegenüber dem Vaterland über Animositäten der vorherrschenden Zustände an Bord der Schiffe zu stellen. Grund hierfür war, daß Offizier Schiffe verlassen hatten, Soldatenräte das Kommando teilweise übernommen hatten. Die Engländer jedoch jedes Schiff mit Roter Flagge im Internierungsverband versenken würden. So appellierte auch die Reichsregierung mit den Mitglieder USPD an die Matrosen, sich ebenfalls an der Abrüstung des Internierungsverbandes zu beteiligen.

Als im Nov. 1918 der Überführungsverband Wilhelmshaven verlies, sagte VAdm. v. Hipper: "Mir zerreißts das Herz. Damit hat meine Tätigkeit als Flottenchef ein ruhmloses Ende gefunden."

Der Mythos - Der Tag- ist im englischen glorifiziert, als der Tag über den Sieg über die Hochseeflotte. Beatty wollte das Einlaufen und die Abrüstungsuntersuchung zu einem großen Spektakel benützen. Der Durchlauf der Hochseeflotte durch die Versammelten englischen, amerikanischen und französischen Schiffe war keine rein militärische Maßnahme, so brachte v. Reuter in einem Bericht zum Ausdruck "...ein Gefühl der Scham überwunden werden sollte, daß sie die deutsche Flotte sieglos in ihre Hände bekommen hatten."

Quelle:
Die deutschen Kriegsschiffe - Hildebrand/Röhr/Steinmetz - Band 2 / Kleiner Kreuzer Emden II S73-74
Reuter, Scapa Flow
Scapa Flow: Das Grab der deutschen Flotte - Ludwig Von Reuter - Google Books
Das Elitekorps des Kaisers H. Herwig
 
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Die Bezeichnung "Der Tag" findet sich als deutscher Begriff allerdings schon in englischen Tagebucheinträgen von 1915 (Quelle: siehe oben), in Erwartung der entscheidenden Seeschlacht.

Wenn Du unter google-Books nachschaust, findet sich "Der große Tag" in Berichten der Zeitung "Der Schützengraben" ("Es konnte der große Tag kommen, da die englischen Panzerkolosse unter den deutschen Donnerschlägen ..."), dann in Scheers Memoiren ("Es konnte der große Tag werden, ..."), zitiert auch in den Ausschussberichten zur Untersuchung der deutschen Niederlage, und bei Kutscher, Admiralsrebellion oder Matrosenrevolte, aus 1933, schließlich bei v.Kuhl, Der Weltkrieg, Dem deutschen Volke dargestellt.

1918 redete man dann im Krieg auf deutscher Seite aufgrund der zahlenmässigen Unterlegenheit nicht mehr von "dem Tag" bzw. "dem großen Tag". Der Mythos wurde erst im Nachhinein wieder aktiviert, in Zusammenhang mit dem jährlichen Skagerrak-Rummel.
 
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1918 redete man dann im Krieg auf deutscher Seite aufgrund der zahlenmässigen Unterlegenheit nicht mehr von "dem Tag" bzw. "dem großen Tag". Der Mythos wurde erst im Nachhinein wieder aktiviert, in Zusammenhang mit dem jährlichen Skagerrak-Rummel.
Naja, der Begriff oder die Bezeichnung -Der Tag- für etwas Großes kann viele Verwendung finden. Das bezieht sich aber kaum nur auf das Ereignis der Internierung der Hochseeflotte.
Ich habe noch nicht gelesen, daß der Tag des Einlaufens der Hochseeflotte in die Internierung als etwas rühmliches oder siegreiches hervorgehoben wurde. Da gibt es sicherlich besser Zeitpunkt, dies als -Der Tag- zu bezeichnen, so auch z.B. die Skagerrakschlacht ...
 
Ich habe noch nicht gelesen, daß der Tag des Einlaufens der Hochseeflotte in die Internierung als etwas rühmliches oder siegreiches hervorgehoben wurde. Da gibt es sicherlich besser Zeitpunkt, dies als -Der Tag- zu bezeichnen, so auch z.B. die Skagerrakschlacht ...

Da haben wir offenbar aneinander vorbeigeredet.

Das "Rühmliche" ergab sich 1919 nur noch aus britischer Sicht, jedenfalls wurde es so stilisiert, die Internierung war quasi der Ersatz für die Vernichtung der Hochseeflotte in offener Schlacht.

Aus deutscher Sicht war "der Tag" letztlich nur auf das Skagerrak-Ereignis bezogen, 1918 war das erledigt.
 
Da haben wir offenbar aneinander vorbeigeredet.

Das "Rühmliche" ergab sich 1919 nur noch aus britischer Sicht, jedenfalls wurde es so stilisiert, die Internierung war quasi der Ersatz für die Vernichtung der Hochseeflotte in offener Schlacht.

Aus deutscher Sicht war "der Tag" letztlich nur auf das Skagerrak-Ereignis bezogen, 1918 war das erledigt.

Nee, haben wir nicht, nur ich habe wohl nicht die richtigen Worte gefunden, denn so wie Du es sagst, habe ich es verstanden und auch gemeint ...:winke:
 
:ironie: Überraschende Wendung:

Mit "Dem Tag" ist der 13.09.2012 gemeint:
Jetzt ist er da, der Tag“, eröffnete Admiral Mollenhauer seine Rede. „Der Tag an dem wir – die derzeitigen wie auch viele Ehemalige Angehörige des Flottenkommandos - offiziell, aber hausintern, die Außerdienststellung der Höheren Kommandobehörde Flottenkommando begehen“.
siehe hier. Da kann man natürlich lange nach historischen Quellen suchen. <<Ironie aus>>.

Ich habe noch Hinweise auf "Der Tag" gefunden, die die Vermutung, dass es sich um eine Propaganda-Erfindung handelt, stützen:

In der New York Times vom 6. Dez. 1914 soll ein Artikel von Maximilian Harden erschienen sein, der "Der Tag" noch einmal als Trinkritual der Kaiserlichen Marine verortet.
Im New York Tribune am 11. August 1915 erschien wohl ein Leserbrief von Dr. Hornaday, der die Entstehung in das Jahr 1898 kurz nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg verlegt und sich auf ein Gespräch des damaligen dt. Militärattachés mit einem amerikanischen Offizier bezieht.

Die Amerikaner hatten wohl auch ihre Version von "Der Tag", als dem Tag des Kampfes oder Sieges gegen Amerika. Davon ist zumindest 1918 noch die Rede:
"They will toast to Der Tag against the United States."
Was mich betrifft, ist die Suche nach "Der Tag" damit abgeschlossen, möge man sich erst einmal einigen, auf bzw. gegen wen oder was die Offiziere der Kaiserlichen Marine alles angestoßen haben sollen.
 
Die Bezeichnung "Der Tag" findet sich als deutscher Begriff allerdings schon in englischen Tagebucheinträgen von 1915 (Quelle: siehe oben), in Erwartung der entscheidenden Seeschlacht.

Im Nachgang zufällig noch einen weiteren Hinweis gefunden:

"However, Callaghan felt that ‘I have a clear conscience in having left the Home Fleet ready’ for Der Tag."

Callaghan to Egerton, 27 August, 1914
Buckey, Forging the Shaft of the Spear of Victory: The Creation and Evolution of the Home Fleet in the Prewar Era, 1900-1914, Diss. 2013.

Der Begriff müsste sich danach vermutlich schon während des maritimen Rüstungswettlaufes entwickelt haben.
 
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