Ich denke, dieses Thema kann man kurz und knackig abhandeln. Andere Themen von mir erfreuen sich ja keiner so großen Beliebtheit oder meine Beiträge sind zu lang.
Zunächst mal, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf:
Es liegt sicher nicht daran, dass Beiträge zu lang sind, da habe ich das Forum schon mit anderem gefolter. ^^
Es liegt viel mehr daran, dass in deinen Ausgangsposts mit einer gewissen Regelmäßigkeit sehr spezielle Meinungen vertreten werden oder diese von einer Grundlage ausgehen, die wenigstens streitbar wäre.
Also: Bei dem Stichwort Vertrag von Rapallo gehen ja heute noch bei manchen Historikern und Politkern, die Alarmglocken an. Ich frage mich nur wieso?
Der Vertrag, hatte keinen großen Umfang und behandelte nur normale Handelsfragen.
Der Vertag von Rapallo regelte selbst hauptsächlich wirtschaftsfragen, das ist richtig. Allerdings, wie immer in der Geschichte, geht nichts ohne die Würdigung des historischen Kontextes.
Zu diesem historischen Kontext gehört, dass dieser Vertarag von diversen geheimen Abkommen flankiert war, die die Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrags systematisch umgingen und da wird es dann einmal pikant.
Diese Dinge standen nicht im Rapallo-Vertrag drinn, wären ohne diesen aber teilweise nicht möglich gewesen, denn immerhin die Sowjets wollten dafür, dass sie verdeckt Reichswehrkader an schweren Waffen ausbildeten etc. ja nun auch so etwas wie eine Gegenleistung sehen.
Und in diesem Kontext war der Vertrag von Rapallo einer der Eckpfeiler, der den Weg zu einer ensprechenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit frei machte, die das ermöglichte.
In diesem Sinne hat der Vertrag dazu beigetragen die "Schwarze Reichswehr" sozusagen gegen zu finanzieren und ohne dem und die illegal betriebene Ausbildung von Kadern auch an schwerem Gerät, wäre möglicherweise die Aufrüstung unter den Nazis ab 1935 nicht in dieser Geschwindigkeit umsetzbar gewesen, schon weil es an Schulungspersonal an einigermaßen modernen panzern, panzerwagen, Flugzeugen gefehlt hätte.
Denn die erfarungswerte des ersten Weltkriegs waren ja nun für den umgang mit Waffen auf dem Stand des Jahres 1940 rum vollkommen überholt.
Sowohl die Weimarer Republik als auch die Sowjetunion waren die Außenseiter. Da liegt es doch nahe, dass man sich zusammengetan hat. Beide Staaten, wurden von den Siegern des 1. Weltkrieges weitestgehend ignoriert bzw. geächtet. Auf dieser Basis kann man eine Weltwirtschaft nur schwer wieder in Gang bringen. Und das war doch wohl das erklärte Ziel der Konferenz von Genua.
Natürlich war diese Annäherung erstmal folgerichtig. Die Frage ist, bis wann sie sinnvoll war. Die Konsequenzen daraus und auch die militärische Zusammearbeit mit der Sowjetunion wurden ja durchaus bis zu Hitler durchgezogen und zwar in einer Weise, dass das den Entente-Mächte nicht unbedingt vollständig verloren bliebt
Spätestens seit dem Weltbühne-Prozess (
Weltbühne-Prozess – Wikipedia ) musste aller Welt klar sein, dass Deutschland die Versailler Rüstungsbeschränkungen systematisch umging.
Faktisch war das in London und Paris bereits in den 1920er Jahren zweifelsfrei klar, dass sich Deutschland an gewisse Vereinbarungen nicht so unbedingt hielt.
An der Stelle kann man natürlich argumentieren, dass so lange man offene Grenzfragen im Osten hatte und keinen endgültigen Ausgleich mit Frankreich, diese Art mit der Sowjetunion zu paktieren folgerichtig war.
Man könnte sich aber fragen, ob es so besonders klurg war diese Zusammenarbeit über die Locarno-Verträge hinaus in dieser Form fortzusetzen.
Denn es musste auch klat sein, dass diese Art der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjetunion im Lager der Entente nicht so gerne gesehen wurde und natürlich erschewerte das Deutschland die Verhandlungen wegen der allgemeinen Abrüstung, der Räumung der besetzten Gebiete an Rhein und Ruhr und verschlechterte Deutschlands Position in Reparationsfragen.
Von dem her gibt es durchaus den Ansatz, zu hinterfragen, ob diese Politik statt der Fortsetzung von Bemühungen einen Ausgleich in Richtung Westen zu finden, so klug war.
Wenn ich mich richtig erinnere, schlägt etwa Winkler in seinem Standartwerk über die Weimarer Republik in diese Kerbe.
Der Vertrag von Rapallo ermöglichte dies in Ansätzen. Daran hatten doch auch die damaligen Alliierten ein Interesse, schließlich wollten sie Reparationsleistungen von Deutschland. Somit war es doch in deren ureigenstem Interesse, dass die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung kam
Von "die Alliierten" kann man da nicht sprechen.
Man muss einmal berücksichtigen, dass Amerikaner und Briten vollkommen andere Prioritäten hatten, als Franzosen, Belgier und Polen, was Deutschland angeht.
Briten und Amerikaner hatten von Deutschland (jedenfalls in Europa) keine Territorien genommen, entsprechend keine Rache zu befürchten und selbst wenn wären sie nach der Liquidierung der Hochseeflotte davor de facto sicher gewesen.
Diese beide Akteure interessierten sich vor allem für finanzielle Kompensationen und dafür, dass diese möglichst schnell zu leisten waren.
Im Besonderen die Briten wirketen auch als der Versailler Vertrag zusammengestrickt wurde, ganz massiv darauf hin, übrigens sehr zum Vorteil Deutschlands, ohne dem, wäre Deutschland nämlich wahrscheinlich ganz Oberschlesien, Masuren, das Saarland und möglicherweise das Rheinland (als an Frankreich angelehnter Pufferstaat), auch noch los geworden.
Frankreich, Belgien und Polen interessierten sich vor allem für sicherheitspolitische Aspekte und waren daran interessiert Deutschland kräftemäßig so weit als möglich unten zu halten, das Finanzielle kam erst danach und lief ihnen nicht weg.
Dabei muss man auch sehen, je länger Deutschland brauchte um die Reparationen zu berappen, und endgültig auszuverhandeln und abzuwickeln, desto länger hattem die Franzosen und Belgier natürlich einen Vorwand im Rheinland zu bleiben, und die Grenze auf diesem Weg direkt abzusichern und in Deutschland Einfluss auszuüben.
Dieser Vertrag, hat nicht mal ansatzweise etwas mit dem Hitler-Stalin-Pakt gemeinsam, welchen die Diktatoren später schlossen und trotzdem spricht man vom Rapallo Komplex. Soviel von mir! Jetzt sind eure Meinungen gefragt.
Wie gesagt, da gehört auch der historische Kontext dazu. Und zu dem gehört, dass 2 Jahre vor Abschluss dieses Vertrags die rote Armee vor Warschau stand.
Phantasien mit den Bolschewiki deziidiert gegen Polen zu taktieren, und sich irgendwo auf die Wiederherstellung der Grenzen von 1914 zu einigen, hatte nicht als erstes Hitler.
In diesen Bahnen dachten auch schon einige Politiker und Militärs anno 1920.
Insofern ist ein Vergleich mit dem Hitler-Stalin-Pakt nicht so ganz weit hergeholt.
Der Vertrag von Rapallo enthielt zwar keine direkten militärischen Klauseln und keine Abrenzung von Einflussphären, beides war durch flankierende Abkommen und die Ereignisse seit dem russischen Bürgerkrieg aber durchaus in gewissem Maße impliziert.