Despotischer Absolutismus oder reiner Absolutismus mit despoten Zügen?

geschichtsfan07

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Seit kurzem Stellt sich mir diese Frage, die ich mir nicht beantworten kann.

In diesem Thread möchte ich dabei vordergründig auf die Herrschaft Peter I. eingehen.
War er ein Herrscher, der nach dem reinen Absolutismus (mit willkührlichen Zügen) regierte oder gibt es die Form des despoten Absolutismus, neben dem reinen und dem aufgeklärten Absolutismus?

Gab es noch mehr Vertreter, die nach diesem "Muster" ihre Regendschaft geführt haben?
 
Das Diskussionsthema finde ich ausgesprochen interessant, ich verstehe allerdings nicht so recht, was du unter "despotischem Absolutismus" bzw. unter "absolutistischem Despotismus" verstehst.

Peter I. unterschied sich in seinem Regierungsstil radikal von allen anderen Zaren vor ihm. Konservative Russen erwarteten von einem Zaren, dass er Gott näher sein sollte, als seinen Untertanen. Peter dagegen gab sich volksnah, und er wünschte sich durchaus Untertanen, die selbstständig dachten. Er war beeindruckt vom englischen Parlament, auch davon wie der König kritisiert wurde.

Wegen seines jähzornigen und launischen Charakters waren es allerdings nur wenige Leute wie Lefort oder Menschikow, die es wagten, den Zaren zu kritisieren.
 
Die Frage habe ich mir auch ersteinmal gestellt, als mir das meine Lehrerin an den Kopf warf.

Ich verstehe darunter (kann auch in die falsche Richtung gehen), dass der Herrscher die Interessen der absolutistschen Herrschaftsform ohne wenn und aber "auslebte" und sich von niemanden etwas sagen lies und keine Widersprüche dultete. Härteste Strafen verhängte sobald er sich nur in geringster Weise bedroht sah.

Wiederspricht Peter I. sich nicht selbst, wenn er dem englischen Parlament Respekt zollte, aber selbst nicht, von nicht einmal einer handvoll Menschen, etwas sagen lies?
 
Peter wünschte sich Untertanen, die mitdachten und seine Politik der Europäisierung mittrugen. Eine Beschränkung seiner Souveränitat als Autokrat war dagegen für ihn undenkbar, und er war davon überzeugt, dass er allein die Europäisierung und Modernisierung Rußlands forcieren könne. Eine Horrorvorstellung war ihm, das seine Nachfolger seinen Reformkurs rückgängig machen könnten. Opposition schlug er dagegen radikal und brutal nieder. Er hatte seinem Sohn Pardon versprochen und ihn wieder nach Russland gelockt. Alexei war allerdings zum Hoffnungsträger der konservativen Eliten und der altgläubigen geworden. Er ließ daher Alexei foltern und empfand keine Trauer, als der Zarewitsch an den Folgen der Mißhandlung starb. Brutal ließ er den Aufstand der Strelitzen niederschlagen und der österreichische Gesandte Johann Georg Korb berichtete, dass er selbst Hand anlegte bei Exekutionen.


Für Peter waren das Notwehrhandlungen, die die Staatsräson forderte. Peter schuf das neue Rußland, revolutionierte die russische Gesellschaft wie kein anderer russischer Staatschef seit Lenin, doch seine Herrschaft war für viele Russen nur schwer zu ertragen. Viele Altgläubige hielten ihn für den Antichristen. Sein Projekt Petersburg kostete Tausende von Menschenleben, und auch die alten und neuen Eliten, die aus der freundlichen Gegend Moskaus in die wilde und noch sehr rustikale neue Metropole Petersburg umsiedeln mußten, waren alles andere, als begeistert. Nur wenige Leute wie Menschikow glaubten, dass einmal Fremde herkommen würden, um das "Venedig des Nordens" zu bewundern.

Peter hat sich übrigens wenig Illusionen gemacht, wie man von ihm dachte. Er fragte einmal einen Gesandten, wie man von ihm in Europa denke.

Man sagt viel Rühmliches über Eure Majestät. Man bewundert Euren Verstand und Eure Klugheit und hegt überall die größte Hochachtung."

"Gut, das sagt man in Anwesenheit des regenten, ich verlange zu hören, was man in meiner Abwesenheit sagt!"

Man sagt, Euer Majestät müßten ein gewaltiger und strenger Herr sein, der schonungslos mit seinen Untertanen umgeht, harte Strafen verhängt und keine Vergebung kennt."

"nein, nein, mein freund, du willst nicht geradeaus sagen, was du von mir gehört hast, nämlich, dass ich ein Tyrann und grausamer Herrscher sei. Wer aber sind diese Leute, wohl doch solche, die nicht wissen, welche Zustände zuvor in meinem Reich herrschten. Diese leute ahnen nicht, wie viele meiner Untertanen mir Hindernisse in den Weg legten, die meine besten Absichten mißachteten. Mit aller Strenge, aber niemals grausam oder tyrannisch bin ich gegen sie vorgegangen. daneben fehlte es mir aber auch nicht an Untertanen, die meine guten Absichten erkannten, sie standhaft und tapfer zu fördern geholfen und dafür alle Erkenntlichkeit und wohltaten von mir empfangen haben."
 
Scorpio

(...) Eine Horrorvorstellung war ihm, das seine Nachfolger seinen Reformkurs rückgängig machen könnten. (...)
So sah das ja auch Friedrich Wilhelm I. von Preußen. Er meinte in seinem Sohn Friedrich II. (dem "Schöngeist") einen unwürdigen Nachfolger zu sehen, der seine Bemühungen eine ordentliche Militärmonarchie aufzubauen in Schutt und Asche setzten würde, sobald dieser die Regierung seines Vaters übernehmen würde.
Kann man deswegen und von der Strenge des Soldatenkönigs sagen, dass dieser ebenfalls zum "despoten Absolutismus" neigte. Wobei ich immer noch nicht weis ob es diese Regierungsform gab. Ich tendiere eher dazu, dass es ein reiner Absolutismus war, der jedoch mehr als konsequent ausgelebt wurde.
 
Peter wie auch Friedrich Wilhelm interpretierten die Flucht ihrer Söhne als Desertation und fühlten sich dabei im Recht. Sie betrachteten sich nicht als Despoten, sondern als Autokraten.
 
Peter wie auch Friedrich Wilhelm interpretierten die Flucht ihrer Söhne als Desertation und fühlten sich dabei im Recht. Sie betrachteten sich nicht als Despoten, sondern als Autokraten.
Was Friedrich Wilhelm I. betrifft, da hier der Name fiel, denke ich, dass die berühmten Memoiren der Wilhelmine von Bayreuth zu einem guten Teil das Bild des Familiendespoten schufen, welches heute über den Soldatenkönig existiert. Für die damalige Zeit war seine Art des Umgangs mit den Höflingen usw. unbekannt, sein persönlicher Geiz verwunderte, so dass er als wohl einer der exentrischsten Herrscher damals schon galt.

Grundsätzlich denke ich, dass jeder Herrscher, welcher sich vom Hof absonderte und wie Friedrich Wilhelm I. aus dem Kämmerlein und im Geheimen seine Entscheidungen fällte, den Beinamen eines Despoten schon von manchen Zeitgenossen aufgebrummt bekam.
Auf das Thema seiner Abgeschiedenheit, aus welcher er die Entscheidungen fällte, bin ich schon eingegangen. http://www.geschichtsforum.de/296070-post121.html Vielleicht wäre noch interessant, ob es denn nochmehr absolutistische Herrscher gab, welche den calvinistisch geprägten Auffassungen wie der Soldatenkönig folgten.

Zu Peter I. weiß ich nicht viel. Ich und Scorpio erwähnten mal irgendwo hier im Forum, wie schauderhaft die Besuche des Zaren auf die Mittel- und Westeuropäischen Höfe gewirkt haben müssen, da doch dessen Hof so wenig, den Vorstellungen im Westen entsprach. Vielleicht brachte auch das ihm schon die Annahme der anderen Höfe ein, ein Gewaltherrscher zu sein.
 
Zu Peter I. weiß ich nicht viel. Ich und Scorpio erwähnten mal irgendwo hier im Forum, wie schauderhaft die Besuche des Zaren auf die Mittel- und Westeuropäischen Höfe gewirkt haben müssen, da doch dessen Hof so wenig, den Vorstellungen im Westen entsprach. Vielleicht brachte auch das ihm schon die Annahme der anderen Höfe ein, ein Gewaltherrscher zu sein.

Na ja, die Manieren ließen einfach zu wünschen übrig, die waren halt noch etwas derber.
An den westlichen Höfen war man darüber entsetzt.

Zudem war Peter ein Mann der Tat und teilweise etwas ungestüm und ungeduldig, wenn es darum ging, seine Ideen in die Tat umzusetzen.

Gruß...
 
Brissotin
Vielleicht wäre noch interessant, ob es denn nochmehr absolutistische Herrscher gab, welche den calvinistisch geprägten Auffassungen wie der Soldatenkönig folgten.
Kann man in diesem Zusammenhang vielleicht auch eine Verbindung zwischen Calvinismus und Despotismus ziehen?
 
Man kann ihn unmöglich beschreiben, so war das Urteil eines Zeitgenossen über Peter. In Wien war man entsetzt, dass er sich über das protokoll hinwegsetzte. Er sollte am 7. Fenster mit Leopold I. zusammentreffen, aber er ging auf ihn zu und umarmte ihn. Sonst aber verblüffte er oft seine gegenüber. So war Sophie Charlotte durchaus ganz angetan von ihm. Schlimm wüteten vor allem die Leute seines Gefolges. In London beschwerte sich Admiral Benbow, dass Peters Gefolge Möbel verheizt, Bilder zerschossen und natürlich die Alkoholvorräte geplündert hatten. wenn sie geladen hatten, rodelten sie auf kostbaren Möbeln oder schossen auf Porträts. Die Russen verblüfften überall durch ihre Trinkfestigkeit. Von Lefort hiess es, dass er unglaubliche Mengen vertrug, ohne jemals wirklich betrunken zu werden. Als er von dem Aufstand der Strelitzen erfuhr, reiste er ab, traf sich aber in Rawa mit August dem Starken, wo sich die beiden nach einem monumentalen Besäufnis sehr sympathisch fanden.

Politisch hatte Peter sein Ziel nicht erreicht, eine Allianz gegen die Türken zu schmieden. Beim Treffen mit August nahm dann der Plan, Ingermanland und Karelien von den Schweden zurückzuerobern schon Konturen an.
 
Sehr trinkfest soll auch Peters Frau Katharina I. gewesen sein. Eine ihrer Stärken, die er sehr an ihr geschätzt haben soll.

Nebenbei: Was hat eigentlich Peters Tochter Elisabeth für einen "Regierungsstil" gehabt?
 
Bei reinem und aufgeklärtem Absolutismus sind die Unterschiede klar erkennbar, dass man die Regierungsform der absoluten Monarchie unterteilt.

Aber war der reine Absolutismus nicht schon eine willkührliche Regierung genug? Muss man extra nochmals unterteilen? :grübel:
 
Ich denke nicht. Zwischen reinem und aufgeklärten Absolutismus gibt es gravierende inhaltliche Unterschiede (umfassende Gesetzgebung; prinzipielle Unabhängigkeit der Justiz; Herrscher als erster Diener des Staates, der anstelle des Herrschers in das Zentrum der Betrachtung rückt). Ob ein Herrscher im reinen Absolutismus despotisch oder "väterlich" herrschte, bedeutete für das System allenfalls eine Nuance.
 
(...) prinzipielle Unabhängigkeit der Justiz (...)

OT, aber ich wollt mal nachfragen:

Bei dieser Aussage stimm ich dir nicht ganz zu. Es stimmt, dass die Justiz unter der Herrschaft eines aufgeklärten Monarchen "weniger" lid, aber ich würde nicht sagen, dass man unter dem Absolutismus von einer Unabhängigkeit der Justiz sprechen kann.
Ein Beispiel, was ich hier anbringen möchte, ist, dass Katharina II. eine aufgeklärte Monarchin war. Aber bei der Verurteilung des Aufstandes unter Pugatschow, hat sie entschieden, welche Strafen auf wen zukamen.
 
Ein Beispiel, was ich hier anbringen möchte, ist, dass Katharina II. eine aufgeklärte Monarchin war. Aber bei der Verurteilung des Aufstandes unter Pugatschow, hat sie entschieden, welche Strafen auf wen zukamen.

Ob Katharina II. eine aufgeklärte Monarchin war gilt doch nach wie vor als umstritten.
Im Gegenteil, wurde sie von den aufgekärten Geistesgrößen ihrer Zeit nicht gar abgelehnt?:grübel:
 
1) Ob Katharina II. eine aufgeklärte Monarchin war gilt doch nach wie vor als umstritten.
2) Im Gegenteil, wurde sie von den aufgekärten Geistesgrößen ihrer Zeit nicht gar abgelehnt?:grübel:

1) Da hast du Recht, dass es unterschiedliche Ansichten gibt. Ich denke, dass sie es versuchte eine aufgeklärte Herrscherin zu sein. Sie hat sich um erfolgreiche Reformen bemüht und versucht die Stellung des russischen Zarenreiches als europäische Großmacht zu erhalten und weiter auszubauen.
Ich bin der Meinung, dass man Katherina durchaus in der Hinsicht zu den aufgeklärten Herrschern zählen kann, weil sie sicht mit den Ansichten der zeitgenössischer Aufklärer befasste.
Ich denke, dass ein Sonnenkönig oder ein starker August sich nicht mit den Lehren Locks oder Rousseaus befasst hätte. Wobei ich jetzt die Veränderungen der Zeit und der Gesellschaft in den Hintergrund stelle.

2) An erster Stelle sehe ich Voltaire. Er war nie in Petersburg, obwohl Katherina sehr viel von ihm hielt.
 
@geschichtsfan07
Ich schrieb ja auch prinzipielle und nicht tatsächliche.
Der Unterschied ist, daß der aufgeklärte Absolutismus die Unabhängigkeit anerkennt und diese nur durch den Machtspruch des Fürsten durchbrochen wird. Im reinen Absolutismus gilt die Justiz erst gar nicht als unabhängig, sondern "vertritt" lediglich den Fürsten.
In der Praxis führte dies zu einer Bindung der Justiz an das Recht, statt an den Willen des Fürsten und zu größerer Zurückhaltung des Fürsten bei Eingriffen in das Justizwesen.

Katherina die Große hat sich zwar für aufklärerisches Gedankengut interessiert, aber mehr als Sympathie resultierte meines Wissens daraus nicht. Im Gegensatz zu Preußen und Österreich zeitigte die Beschäftigung mit der Aufklärung hier keine wesentlichen Folgen. So wurden in Österreich und in Preußen bedeutende Gesetzbücher entwickelt (z.B. das ABGB). Übrigens machte in Deutschland Bayern mit dem Codex Maximillianeus den Anfang.
Die Aufklärer gelesen zu haben, macht niemanden bereits zum Aufgeklärten. Ob und was von den Lehren auf- und angenommen wurde, muß sich in Wort und Tat beweisen. Diesen Beweis blieb Katherina m.E. schuldig.
 
1) Katherina die Große hat sich zwar für aufklärerisches Gedankengut interessiert, aber mehr als Sympathie resultierte meines Wissens daraus nicht.

2) Im Gegensatz zu Preußen und Österreich zeitigte die Beschäftigung mit der Aufklärung hier keine wesentlichen Folgen. So wurden in Österreich und in Preußen bedeutende Gesetzbücher entwickelt (z.B. das ABGB).

3) Die Aufklärer gelesen zu haben, macht niemanden bereits zum Aufgeklärten. Ob und was von den Lehren auf- und angenommen wurde, muß sich in Wort und Tat beweisen.

4) Diesen Beweis blieb Katherina m.E. schuldig.

1) Ich denke, dass der Kauf der Bibliothek Diderots und weitere finanzielle Unterstützung seines Wirkens durch Katharina durchaus auch als Förderung der Aufklärung gesehen werden kann.
Zwar hätte sie an einigen Ecken mehr tun können um ihren Ruf als aufgeklärte Monarchin zu festigen, aber ich denke nicht, dass sie nur Sympatien für die Aufklärung hegte.

2) Das in Preußen und in Österreich Gesetzbücher entwickelt wurden ist durchaus eine starke Entwicklung.
Ich bin aber der Meinung, dass man deshalb nicht sagen kann, dass in Russland unter Katharina II. "nichts zu stande kam".
Sie bringt die Verwaltung des Landes relativ weit in Ordnung und schafft eine gewisse Reform der Staatsgeschäfte.
Die Aufklärung brachte eine Weiterentwicklung Russlands, aber weniger die Erfüllung des Zieles mit den westeuropäischen Großmächten auf einer Stufe zu stehen.
Denn die Einführung von Statthalterschaften ist eher kennzeichnend für den reinen Absolutismus. Die Einführung von Intendanten hatte in Frankreich Ludwig XIV. schon vorgenommen.
Ich bin der Ansicht, dass die Aufklärung schon was im russischen Zarenreich bewirkt hat, nur "zeitverschoben".
Es waren Fortschritte, die in den Westeuropäischen Staaten schon alltäglich waren.

3) Das sehe ich auch so.

4) Ich bin jedoch der Ansicht, dass Katharina dessen nicht schuldig geblieben ist. (oben angesprochen)
 
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