Deutsche Kolonialpläne

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Gast

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Hallo zusammen!

Ich interessiere mich sehr für deutsche Kolonialgeschichte und habe auch schon viel darüber gelesen. Dabei stand in einem Artikel, dass die deutschen planten, ein großes Mittelafrikanisches Kolonialreich zu gründen. Als 1914 der Krieg ausbrach, hatte die Regierung wohl vor, nach einem Sieg den Kongo und einige französische Kolonien zu annektieren und so ein Reich von der West- bis zu Ostküste Afrikas zu schaffen.

Ich wüsste gerne genaueres zu den Plänen und wäre sehr dankbar, wenn einer von euch hier ein paar Infos oder Links zu diesen Plänen hätte. Das würde mich sehr freuen.
Vielen dank schon mal im Voraus!
 
Da wird Dir sicher in Kürze unser Kolonialspezialist Arne weiterhelfen.
 
Hallo Gast!

Unabhängig von möglichen Plänen nach einem erfolgreichen Sieg an der europäischen West- und Ostfront war den Deutschen wohl klar, dass sie vor allem aufgrund der geostrategischen Lage keine ihrer Kolonien würde halten können: Togo und Kamerun waren komplett umschlossen von Besitzungen der Kriegsgegner England und Frankreich, Ostafrika von englischen Kolonien, Südwest hatte den starken Nachbarn Südafrika. Zu Kriegsbeginn zogen sich gaben die Deutschen Togo nach nur geringem Widerstand auf. In den anderen Kolonien führten sie einen Defensivkrieg, ohne ernsthafte Pläne, dort Verstärkungen hinzuschicken, um das Blatt zu wenden. (was angesichts der britischen Flottendominanz wohl kaum eine Option gewesen wäre). Nach Togo fiel 1915 zunächst Südwest gegen eine hoffnungslose Übermacht, 1916 zogen sich die Deutschen auch in Kamerun zurück. Nur in Ostafrika hielten sich Deutsche Truppen bis 1918.
 
ja das ist schon klar, nur haben die deutschen gedacht, dass der Krieg sowieso in Europa entscheiden wird und dass man dann nach einem Sieg in Europa auch die evtl. wieder verlorengegangenen Kolonien + zusätzliche zurückverlangen könne.
 
Ganz so war es aber doch nicht. In Bezug auf Südwest- und Ostafrika war es entscheidend, dass es den Engländern gelang die Buren für einen Krieg gegen die deutschen Kolonien zu gewinnen.

Im übrigen ist es kein Zufall, dass es in Namibia noch heute eine recht große deutsche Minderheit gibt, das ist ein Ergebnis der von deutscher Seite umsichtig geführten Waffenstillstandsverhandlungen von 1915.

Es gab vor dem Krieg schon einen deutsch/englischen Aufteilungsplan der portugiesischen Kolonien. Der sollte wohl die Basis der deutschen Kriegsziel-Kolonialpläne sein.

Grüße Repo
 
@ Repo: es gab ja auch einen kleineren burischen Aufstand zu Beginn des Ersten Weltkriegs, der im wesentlichen jedoch folgenlos blieb. Auch in Südwest waren sich die Deutschen ihrer schwierigen militärischen Lage bewußt, und die wichtige britische Landung in der Lüderitzbucht konnten sie von vornherein nicht stören.
 
Gast schrieb:
Ich wüsste gerne genaueres zu den Plänen und wäre sehr dankbar, wenn einer von euch hier ein paar Infos oder Links zu diesen Plänen hätte. Das würde mich sehr freuen.

Hallo Gast,
in der Tat tauchte schon zu Kriegsausbruch 1914 in der Planung der Kriegsziele durch Kanzler Bethmann-Hollweg in seinem "Septemberpapier" vom 9.September 1914 der Punkt 5 auf:
"Die Frage der kolonialen Erwerbungen, unter denen in erster Linie die Schaffung eines zusammenhängenden mittelafrikanischen Kolonialreichs anzustreben ist, desgleichen die Rußland gegenüber zu erreichenden Ziele werden später geprüft.(...)"
Quelle: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/hollweg/

Das ist alles recht wage, man schob es auf später und in der folgenden Zeit gab es eine Vielzahl von Überlegungen und Forderungen durch diverse Personen und Institutionen. Dir da die Einzelquellen zu suchen ist müßig. Eine recht gute Zusammenfassung als Sekundärquelle findest du in der Schrift von Emil Zimmermann "The German Empire of Central Afrika", London 1918.
Es gibt extreme Gedankenspiele, die auf ein "Mittelfrika" oder "Deutsches Zentralafrika" zwischen 20° nördl. Breite und 20° südl. Breite hinauslaufen. Guck dir das mal auf der Karte an: Ein Irrsinnsgebiet!
Andere Ausarbeitungen planten "kleiner", mit Nigeria, Teilen Französisch-Äquatorialafrikas, Belgisch-Kongo, Angola und Rhodesien -> Ziel, die bisherigen/früheren deutschen Kolonien auf dem Landweg zu verbinden. Soweit ich weiß, gab es aber nie eine wirklich konkrete Planung was man sich vorstellte. Das änderte sich auch je nach Kriegsverlauf schätze ich. Es gab viele Leute, die sich etwas wünschten, aber der "Weihnachtsmann", sprich der Sieg kam dann nicht. ;)

Im 2.Weltkrieg wurden diese Gedanken übrigens wieder aufgenommen und sogar recht konkret in die Planung genommen. Das "Kolonialpolitische Amt der NSDAP" (KPA) sammelte Bewerbungen und bildete Leute aus, die das spätere Mittelafrika verwalten sollten. Man dachte da vor allem an die belgischen Besitzungen in Zentralafrika, also den Kongo, den du selbst erwähnt hast.
Dieser Aktionismus erstarb dann aber 1943 sehr plötzlich, so wie der gesamte Kolonialrevanchismus aus der Tagespolitik verschwand.
Die Südseegebiete waren übrigens schneller gedanklich abgeschrieben, das galt als Interessengebiet des japanischen Verbündeten.
Falls dich auch dieses Thema interessiert: Wolfe W. Schmockel "Der Traum vom Reich - Der deutsche Kolonialismus 1919-1945", Gütersloh 1967.
 
Das deutsche Kaiserreich Mittelafrika als Grundlage einer neuen deutschen Weltpolitik

Zur Vertiefung und als ein Beispiel für die Planspiele zur Errichtung eines großen, mittelafrikanischen deutschen Kolonialreiches möchte ich hier Auszüge der Propagandaschrift von Emil Zimmermann wiedergeben. Ich muß meine vorherige Antwort vom 18.11.05 insofern korrigieren, als daß Zimmermann dort weniger andere Quellen im Wortlaut wiedergegeben hat, er hat vielmehr die diversen, vermutlich ungeordneten Gedanken zu einem detaillierten Zielplan verwoben, also strukturiert. Mir lag erst jetzt diese Schrift im Original vor, hatte mich vorher auf Beschreibungen in anderen Quellen verlassen - und fehl leiten lassen...

Zimmermann versucht in seiner Schrift die Notwendigkeit der Errichtung des deutschen Mittelafrikas als Gegengewicht zum angelsächsischen Machtblocks klar zu machen. Er widerspricht Stimmen, die eher auf Litauische und kurländische Ländereien abzielen oder auf Flandern und dessen Nordseehäfen gucken - das würde die Weltlge nicht ändern.
Er stellt anfangs fest, daß sich Deutschland bisher (vor dem Krieg) in britischer und nordamerikansicher Abhängigkeit befindet - vor allem durch Rohstofflieferungen und zum "Siedlerexport". Eine wirkliche Weltpolitik könne es erst betreiben, wenn es sich nicht nur selbst aus diese Abhängigkeit befreit, sondern sich auch Südamerika als neuer Bundesgenosse anbieten könne. Durch die Errichtung eines großen Machtblocks in Mittelafrika könne in vielerlei Hinsicht Einfluß ausgeübt werden. Ein Land dieser Größe, mit wirtschaftlichen und militärischen Gewicht an geographisch zentraler Stelle wäre nicht nur eine Bedrohung wichtiger Handelswege sondern könnte sich auch als Bündnispartner kleinere Mächte anbieten, die durch England oder Frankreich bedroht werden. Er nennt da zum Beispiel klar die Araber in Nordafrika und die industriell wichtigen Ländern Südamerikas, die sich aus der Umklammerung Nordamerikas lösen könnten.
Recht realistisch erkennt er, daß dieses neue Reich in Mittelafrika nur die gewünschte Position erreichen kann, wenn eine völlig andere Kolonialpolitik betrieben würde, als vor dem Weltkrieg. Mit rigerosen Landnahmen, großflächiger Plantagenwirtschaft und staatlichen Zugriff auf Bodenschätze will er ein Reich schaffen, daß Einwanderungszeil möglichst vieler Auslandsdeutscher werden soll. Die Initialzündung des staatlichen Erstarkens soll durch Geldzuflüsse der Auslandsdeutschen ausgelöst werden. Er geht davon aus, daß Auslandsdeutsche, die von den Kriegsverlierern (USA, England etc.) entschädigt werden, nach Afrika umsiedeln und ihr Geld mitbringen. Die Wirtschaft in Mittelafrika soll konsequent nach Marktgesetzen ausgerichtet werden. Was (vor allem seit 1907) deutsche Kolonialpolitik war, auch einheimische Anbauwirtschaft zu fördern und zu schützen, wirft er über Bord. Er sieht in der rigerosen großen Plantagenwirtschaft und Viehzucht das wirtschaftlich erfolgreichste Konzept. Gegen den Willen der Eingeborenen soll das zu ihrem späterem Wohl durchgezogen werden. Profitieren sollen sie aber von den Erträgen im Rahmen einer Beteiligung am Erfolg. Eine Art der Zwangskollektivierung unter europäischer Leitung...

Hier nun die Auszüge:

„Mittelafrika ist für eine Ergänzung unserer der schon erschlossenen billigen tropischen Böden benötigenden Wirtschaft durch Südamerika so sehr Vorbedingung, dass es um deswillen schon an der Spitze aller Kriegsforderungen stehen müsste.
Hinzu kommt, daß Deutsch-Mittelafrika auch nach dem Indischen Ozean, der Südsee und Ostasien hin starke Wirkungen ausübt.“

„Mittelafrika in der Größe, wie wir es fassen wollen (wir nehmen dazu Kamerun, Franz. Äquatorialafrika, Belgisch-Kongo, Deutsch-Ostafrika, Britisch-Ostafrika, Uganda, große Teile von Angola mit einem Flächeninhalt von 7 – 7 ½ Millionen qkm), hat bei Kriegsausbruch mindestens 20.000 Weiße beherbergt. Es kann in den ersten Jahren nach dem Kriege, wenn eine vernünftige Politik eingeschlagen wird, sofort die doppelte Anzahl aufnehmen, und wenn wir an 40.000 Überseedeutsche mit je 25.000 Mark im Durchschnitt Kapital hinziehen, nochmals weitere 10.000 bis 20.000 Deutsche als Hilfskräfte, Lernende, Aufseher, Kaufleute, Bankbeamte. Denn wenn mit einem Schlage ein Kapital von einer Milliarde Mark ins Land kommt, entwickelt sich ein ganz anderes Leben als bei tröpfenweiser Besiedlung.“

„Der Haupteinwand gegen die Plantagen- und Farmwirtschaft fällt mit der Feststellung fort, dass für ein Eingeborendorf zweitausend Hektar Land in einer durch Verkehrswege und Europäerwirtschaft emporgebrachten Koloniemehr wert sind, als zehntausend in einem Afrika unter schwarzer Herrschaft.“

„Wenn wir uns zu dem festen Ziel der bestmöglichen Eingliederung Mittelafrikas in unsere heimische Wirtschaft auf diese Art durchgerungen haben, dass wir die natürlichen Reichtümer als für die Allgemeinheit bestimmt betrachten, den übrigen afrikanischen Boden als etwas, das durch unsere Arbeit veredelt und im Preise erhöht wird und wovon wir mit dem Rechte, das uns unsere Arbeit verleiht, dem Bedarf entsprechend unter Achtung der entgegenstehenden Rechte der Ureinwohner nehmen dürfen, dann haben wir bereits einen guten Teil der Grundlage für eine gedeihliche Tropenwirtschaft geschaffen.“

„Unser bisheriger Plantagenanbau, der Bahnbau haben große Umwälzungen unter der schwarzen Bevölkerung hervorgerufen, haben alte soziale Formen zerstört, die neue Generation teilweise entwurzelt, ganze Gebiete entvölkert. (…)..Hier wie dort wurde ganz richtig beobachtet, dass die Neuerungen dem Volke wenig Segen brachten. Wie der arbeitende Großstädter gegenüber dem Landarbeiter zunächst nicht mehr gewann als Äußerlichkeiten, die er oft mit der Gesundheit zu bezahlen hatte, so brachte der Bahn- und Plantagenarbeiter in Afrika nicht viel mehr in sein heimatliches Dorf mit, als einige bunte Lappen und Krankheiten, und dem Volksfreunde musste das Herz bluten.
Es ist ganz zweifellos, dass all diese Übel sich vervielfältigen werden, wenn größere Mengen weißer Ansiedler ins Land kommen. Aber da hilft alles nichts; auch Mittelafrika muß durch den Schmelztiegel hindurch, und aus den Leiden einer gegenwärtigen Generation erblüht das Glück künftiger.“

„Aber trotz alledem: Große Nöte der Eingeborenenbevölkerung werden zunächst die Folge starker Europäereinwanderung sein mit ihren Ansprüchen an Boden, an die Sammelprodukte des Landes, besonders an Arbeitskräfte. Große Verschiebungen mit einer Vervielfältigung aller Unzuträglichkeiten werden eintreten, die wir in der Vergangenheit in Kamerun und in Ostafrika beobachtet haben. Doch wenn wir einmal die Entscheidung getroffen haben, dass unser Überseedeutschtum künftig nicht mehr Kulturdünger für Amerika und englische Kolonien sein soll, dann müssen wir durch diese Schwierigkeiten hindurch, und wir werden sie meistern.“

„Überblicken wir an der Hand der vorstehend genannten Ziffern die Lage, so ergibt sich klar, dass unser Kampf um Geltung als selbstständige Weltwirtschaftsmacht und um Befreiung vom Angelsachsentum durchaus nicht aussichtslos ist. Natürlich muß der Kampf eröffnet werden, und das kann nicht anders geschehen als durch entschiedene Bekenntnis zu einer großen, starken Kolonialpolitik. Wir müssen der Welt zu erkennen geben, dass wir nicht länger die „Zaungäste und Freitischler“ der Angelsachsen sein wollen. Wir müssen unseren Trumpf Mittelafrika ausspielen. Seine Stärke liegt nicht in dem, was er an sich ist, sondern in der Art, wie er ausgespielt wird. Wenn wir heute sagen, wir wollen den belgischen und französischen Kongo als verbindende Glieder unseres alten west- und ostafrikanischen Besitzes und wenn wir nachrechnen, was wir dabei an Schlafkrankheit und Sümpfen mitbekommen, an „neuen Lasten“, dann ist die ausgespielte Karte wertlos. Nur die Betonung, dass wir mit Mittelafrika in Verbindung mit dem Auslandsdeutschtum den Grund zu einer wirklichen Weltpolitik legen wollen, macht diese Karte in unserer Hand zur entscheidenden Gewinnkarte. Und ihr Ausspielen reißt Nord- und Südamerika auseinander, macht Indien, Australien und Ostasien bemerkbar, lässt das nordafrikanische Arabertum aufhorchen.“

„Es ist gar nicht einzusehen, weshalb Mittelafrika, richtig angefasst, nicht sehr bald eine eigene Einnahme von 100 Millionen Mark haben sollte.“

„Das Land soll nun zu seiner Verteidigung eine große Kolonialarmee aufstellen, zunächst 50.000 bis 60.000 Schwarze unter 5000 weißen Offizieren und Unteroffizieren.“

„An der Spitze von Mittelafrika soll ein Vizekönig stehen, ein Mann aus fürstlichem Geblüt, dessen Person dafür bürgt, dass Reibungen zwischen militärischen und zivilen Behörden fortfallen. Der Vizekönig – sein Sitz soll möglichst zentral gelegen, aber von der Küste aus leicht erreichbar sein – hat die zentrale Verwaltung unter sich; unter ihm stehen die Gouverneure. Das ganze Gebiet wird in vier bis fünf Gouvernements zerschlagen. Die Provinzen werden möglichst selbstständig nach dem Muster der brasilianischen; aber Armeewesen, Verkehrswesen sollen einheitlich geleitet sein. Die koloniale Gesetzgebung liegt in den Händen des Vizekönigs, der dem Kaiser verantwortlich ist. Dem Vizekönig steht eine Bundesversammlung zur Seite, die sich aus Delegierten der Provinzen zusammensetzt. Es ist von vorn herein auf die Entwicklung einer möglichst weitgehenden Selbstverwaltung Bedacht zu nehmen. Jede Ansiedlung tüchtiger Deutscher, welchen Glaubens sie immer auch seien, welcher politischen Richtung sie angehören mögen, ist zu begünstigen.“

„Überwinden wir Vorurteile, gehen wir mit Vertrauen und Freudigkeit an Mittelafrika heran! Es wird schnell zu einer blühenden, reichen Kolonie werden und zur festen Grundlage für eine große deutsche Weltpolitik der Wirklichkeit, die jetzt an jene des Scheins treten muß, die wir bis zum Ausbruch des Krieges getrieben haben.
Los von den Angelsachsen! ist jetzt die Losung; wir erfüllen dies Gebot durch Deutsch-Mittelafrika.“

Quelle: Emil Zimmermann “Das deutsche Kaiserreich Mittelafrika als Grundlage einer neuen deutschen Weltpolitik” Berlin, 1917 Verlag der Europäischen Staats- und Wirtschaftszeitung GmbH
 
@Arne

Ich las mal, dass die deutsche Kriegsführung nicht mit einem Krieg in den Kolonien plante, da es ein Abkommen gab, in welchem die afrikanischen Kolonien in Kriegshandlungen in Europa nicht hineingezogen werden durften.

Afrika sollte demnach quasi eine demilitaritisierte Zone sein...

Stimmt das? Wie hieß das Abkommen?
 
Lungos schrieb:
@Arne

Ich las mal, dass die deutsche Kriegsführung nicht mit einem Krieg in den Kolonien plante, da es ein Abkommen gab, in welchem die afrikanischen Kolonien in Kriegshandlungen in Europa nicht hineingezogen werden durften.

Afrika sollte demnach quasi eine demilitaritisierte Zone sein...

Stimmt das? Wie hieß das Abkommen?

Du meinst eine Vereinbarung der sogenannten Kongo-Akte. Im §11 des Schlußdokuments der Berliner Kongo-Konferenz verpflichteten sich die europäischen Mächte, einen europäischen Krieg nicht auf die Kolonien auszuweiten.

In der Kongokonferenz, die im Jahre 1885 auf Anregung Bismarcks zur Regelung der internationalen auf Mittelafrika bezüglichen verhältnisse in Berlin zusammengetreten war, war vereinbart worden, daß, wenn eine Macht, welche Souveränitäts- oder Protektoratsrechte in Mittelafrika besäße, in einen Krieg verwickelt werden sollte, sich die übrigen vertragsschließenden Teile verpflichteten, dafür einzutreten, daß auf Antrag bestimmte Landgebiete in Afrika neutralisiert werden sollten. Die kriegführenden Teile sollten dann darauf Verzicht leisten, ihre Feindseligkeiten auf die so neutralisierten Gebiete zu erstrecken.
Quelle: Deutscher Kolonialkalender, 1918

Die Vereinbarung wurde wohl ursprünglich mit dem Hintergedanken aufgenommen, daß keine Eingeborenen Zeugen eines Krieges zwischen Weißen werden sollten und war vermutlich auf Drängen der US-Amerikaner aufgenommen worden, die unter dem Eindruck der Indianerkriege solches verhindern wollten.

Die Vereinbarung wurde aber später unterschiedlich interpretiert. Engländer und Franzosen meinten, sie würde nur für Zentralafrika gelten. Deutsche wollten sie für alle Kolonialgebiete verstanden wissen. Spätestens als jeder dem anderen vorwarf den Krieg nach Afrika getragen zu haben, war sie eh nur Makulatur. Der Bruch der Akte wurde dann später gern von den Kolonialrevisionisten aufgefriffen, spielte aber völkerrechtlich meines Wissens keine Rolle mehr.
 
Nochmal Mittelafrika

Ich sehe grad zufällig, daß es überraschenderweise sogar einen Wikipedia-Artikel zu diesem "exotischen" Thema gibt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelafrika

Etwas stört mich an dem Artikel allerdings. Zu leicht kommt da ein Eindruck, daß diese ganzen Pläne sehr konkret waren. Nach meinen bisherigen Informationen baute man da eher an Luftschlössern. Das heißt, man griff Ideen von X und Y auf - weniger um tatsächliche Forderungen für die Zeit nach einem Sieg zu formulieren, als einfach Wünsche aus dem Inland, zumindest theoretisch in den Kriegszielen, zu befriedigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja die Alldeutschen hatten schon erstaunliche Ziele. Festzuhalten bleibt, dass außer Ostafrika sich keine deutsche Kolonie bis zum Kriegsende halten konnte.:grübel:
 
Habe gerade etwas zu den späteren "Mittelafrika"-Planungen des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP nach 1934 gefunden, das hier als Ergänzung wohl gut hinpasst. Man griff den Gedanken wieder auf....

1934 richtete die NSDAP das Kolonialpolitische Amt ein, dessen Hauptsitz in München war, und das in Berlin mehrere Büros hatte. Dieses Amt war personell außerordentlich gut ausgestattet: 36 Beamte im höheren Dienst, 44 Beamte im gehobenen und mittleren Dienst, 129 Arbeiter und Angestellte und 50 nebenamtlich Beschäftigte waren dort tätig. Für das Haushaltsjahr 1940 verfügte es über einen Etat von mehr als sechs Millionen Reichsmark. Das Kolonialpolitische Amt verfügte über kein eigenes Gebäude. In Berlin war es auf mehrere Orte verteilt: Es nutzte Räume im Auswärtigen Amt in der Charlottenstraße 71, in der Reichsstelle für Bodenforschung in der Invalidenstraße 44, im Reichsamt für Landesaufnahme in der Puttkammerstraße 19 und im Afrika-Haus Am Karlsbad 10.

Ziel der Arbeit war die Errichtung eines zusammenhängenden „Mittelafrikanischen Kolonialreiches“ von Ghana bis Namibia im Westen und vom Tschad bis Tansania im Osten. Es wurden in Zusammenarbeit mit der SS-Reichsführung Einsatzstäbe zur Übernahme belgischer, britischer und französischer Kolonien gebildet, Entwürfe für eine koloniale Gesetzgebung ausgearbeitet und Sprach- und Schulungskurse für Polizisten und Wehrmachtsangehörige, für Fernmeldetechniker, Post- und Verwaltungsbeamte angeboten.
Eines der detailliert erarbeiteten Gesetze war ein „Kolonialblutschutzgesetz“, das eine mfassende „Rassentrennung“ zwischen Schwarz und Weiß vorsah. Das geplante „mittelafrikanische Reich“ dürfte die best organisierte Administration gehabt haben, die je für ein nicht existierendes Kolonialimperium entwickelt worden ist!
Quelle: http://www.dhm.de/ausstellungen/namibia/stadtspaziergang/pdf/9_reichskolonialamt.pdf

Die Quellen/Literatur zum Thema:

Kum’a Ndumbe III: "Was wollte Hitler in Afrika? NS-Planungen für eine faschistische Neugestaltung"
Afrikas. Frankfurt a.M. 1993.

Harald Sippel: "Kolonialverwaltung ohne Kolonien –Das Kolonialpolische Amt der NSDAP und das geplante Reichskolonialministerium" in: Ulrich van der Heyden / Joachim Zeller (Hg.):Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin 2002. S. 256-261
 
Habe gerade etwas zu den späteren "Mittelafrika"-Planungen des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP nach 1934 gefunden, das hier als Ergänzung wohl gut hinpasst. Man griff den Gedanken wieder auf....

Hallo,

und diese Planungen konkretisierten sich wieder 1940 nach dem Waffenstillstand mit Frankreich. Im Entwurf des Vertrages zum Viermächtepakt -Anfang November 1940 - wird die deutsche Interessensphäre der Nachkriegsregelungen (natürlich neben Europa) in Mittelafrika definiert (Italien sollte Teile von Nordafrika und Nordost-Afrika zugeschlagen bekommen). Der Plan wurde also auch im Dritten Reich hartnäckig verfolgt.

Grüße
Thomas
 
Hallo,

und diese Planungen konkretisierten sich wieder 1940 nach dem Waffenstillstand mit Frankreich. Im Entwurf des Vertrages zum Viermächtepakt -Anfang November 1940 - wird die deutsche Interessensphäre der Nachkriegsregelungen (natürlich neben Europa) in Mittelafrika definiert (Italien sollte Teile von Nordafrika und Nordost-Afrika zugeschlagen bekommen). Der Plan wurde also auch im Dritten Reich hartnäckig verfolgt.

Grüße
Thomas

Das ist mir nun ganz neu.
Bisher dachte ich, dass bewusst vermieden wurde irgendwelche territorialen Ziele zu nennen.
Gibt es da Quellen?

Irgendwo habe ich schon gelesen, dass sich Hitler in den letzten Wochen seines Lebens darüber beklagt, dass er aus Rücksicht auf Italien die "Koloniale Karte" nicht gespielt hätte. Indem z. b. nach dem Zusammenbruch Frankreichs die franz. Kolonien für unabhängig erklärt hätte.
Was ja heißen würde, dass koloniale Interessen zumindest bei Hitler nicht vorhanden waren.


Grüße Repo
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist mir nun ganz neu.
Bisher dachte ich, dass bewusst vermieden wurde irgendwelche territorialen Ziele zu nennen.
Gibt es da Quellen?

Hallo Repo,

der Entwurf des "Viermächtepaktes" mit geheimen Zusatzprotokollen ist in den ADAP enthalten, Reihe D, Band XI,1 und 2. Vorgetragen wurde der Entwurf von Ribbentrop gegenüber Molotow beim Berlin Besuch im November 1940, die russische Antwort mit 5 statt 2 geheimen Zusatzprotokollen vom 26.11.1940 findet sich dort ebenfalls. Der deutsche Entwurf beinhaltet die Nachkriegs-Interessensphären (nach deutschem Verständnis sind das territoriale Zuordnungen).

Grüße
Thomas
 
Hallo,

hier der Text, Zusatzprotokoll Nr. 1:

"Entwurf Geheimes Protokoll Nr. 1
Die Vertreter von Deutschland, Italien, Japan und der Sowjetunion haben bei der heutigen Unterzeichnung des zwischen ihnen geschlossenen Abkommens folgendes festgestellt:

1) Deutschland erklärt, daß, abgesehen von den im Friedensschluß durchzuführenden europäischen territorialen Revisionen, der Schwerpunkt seiner territorialen Aspirationen in den mittelafrikanischen Gebieten liegt.
2) Italien erklärt, daß, abgesehen von den im Friedensschluß durchzuführenden europäischen territorialen Revisionen, der Schwerpunkt seiner territorialen Aspirationen in den Gebieten Nord- und Nordostafrikas liegt.
3) Japan erklärt, daß der Schwerpunkt seiner territorialen Aspirationen im ostasiatischen Raum südlich des japanischen Inselreichs liegt.
4) Die Sowjetunion erklärt, daß der Schwerpunkt ihrer territorialen Aspirationen im Süden des Staatsgebietes der Sowjetunion in Richtung des Indischen Ozean liegt.

Die vier Mächte erklären, daß sie, vorbehaltlich der Regelung von Einzelfragen, diese territorialen Aspirationen gegenseitig respektieren und sich ihrer Verwirklichung nicht entgegensetzen werden.
Moskau, den.......... 1940"
Abschrift ADAP, Serie D, Band XI,1 Nr. 309

Grüße
Thomas
 
und diese Planungen konkretisierten sich wieder 1940 nach dem Waffenstillstand mit Frankreich.

Hmm..findest du den Text in diesem Entwurf konkret?
Nach wie vor wird die Interessensphäre doch recht "schwammig" beschrieben...

Der Ball wird locker im Spiel behalten, wo er dann aber wirklich hingeschlagen werden soll, bleibt offen.
 
Geht mir irgendwo auch so.
So arg konkret ist das nicht.

Aber der Spruch von der "kolonialen Karte" schwirrt mir immer aufs neue durch den Kopf.

Kein Rußlandfeldzug mit Völker-Mord und Todschlag, sondern "Befreiung der unterdrückten Völker Afrikas und Asiens".

Nach meinem dafürhalten vermutlich die einzige Chance den Krieg zu gewinnen.


Und wir armen Schweine müssten Adolfen und Clique bis heute aushalten.



Puhhhhhhhhhhhhh
besser nicht.



Grüße Repo
 
Hmm..findest du den Text in diesem Entwurf konkret?
Nach wie vor wird die Interessensphäre doch recht "schwammig" beschrieben...

Hallo Arne,

ich würde das Schwammige als üblich/gewöhnlich im diplomatischen Stil betrachten. Wenn man dieses Dokument etwa mit dem Zusatzprotokoll vom 23.8.39 vergleicht, ist letzteres kaum genauer formuliert. Dennoch hat es reale Folgen in der Umsetzung gehabt, vorausgesetzt natürlich, die politischen/militärischen Möglichkeiten bestehen hierzu.

Der Begriff "Interessensphäre" ist von der Vorgeschichte her deutscherseits belegt und konkretisiert, nämlich in einem territorialen Sinn, schon seit den Gesprächen mit Grossbritannien im Sommer 1939, erst recht seit den Moskauer Verhandlungen. Die territorialen Aspekte des Viermächtepaktes sind dann so auch von Ribbentrop und Hitler im Gespräch vorgetragen worden.

Weitere Analogie: der Bezug auf Italiens Kolonialreich, welches mit Nord- und Nordostafrika umschrieben wird. Zu den italienischen Besitzungen kämen wohl noch Teile der französischen Kolonien. Diesen Bezug kann man auf die deutsche Gebietszuweisung "Mittelafrika" übertragen, dann wird klar, was gemeint ist.

Etwas anderes wäre die Frage, ob hierüber zwischen den Parteien nachträglich Streit in der Vertragsauslegung entstehen kann, siehe etwa im Vergleich die "Balkanklausel" zu Südosteuropa im Nichtangriffspakt und die späteren Diffenrenzen über die Auslegung (Nordbukowina, Bulgarien). Genauso schwammig formuliert: und Ribbentrop wird von Hitler anlässlich der Rumänienkrise im Juni 1940 aufgefordert, mal zu erklären, was er denn da eigentlich in Moskau verhandelt und unterschrieben habe und was Stalin jetzt daraus einfordern kann.

Grüße
Thomas

EDIT: unter der Nr. 325, S. 451 sind z. B. Ribbentrops Erläuterungen zu finden, die sich auf Hitlers Ansichten beziehen:
Deutschland ... Raumexpansion in südlicher Richtung, d. h. in Zentralafrika im Gebiet der ehemaligen deutschen Kolonien, finden. ...

Nr. 326, S. 457, Ausführungen Hitlers:
... 2) Es sei eine gewisse koloniale Ergänzung in Zentralafrika notwedig. ...
 
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