Deutscher Imperialismus

Kiffing schrieb:
Aber der Hauptgrund war schließlich der, daß Deutschland befürchtete, auf lange Sicht den Entente-Mächten waffenmäßig unterlegen zu sein, weswegen die von Deutschland seit der Aggressionspolitik Wilhelms II. von langer Hand geplante Revision des aus deutscher Sicht inakzeptablen Status Quo nur jetzt noch verwirklicht werden könnte. Und um dieses Ziel mit Gewalt zu erreichen, kam das Sarajewoer Attentat den Aggressionsmächten gerade recht.

Ohje, es gibt hier ein Mitglied, mit dem du sicher ganz tolle, bestätigende Gespräche führen könntest...:S ;)


Du meinst also, jemand, der weiß, daß er in der Enge steckt, wählt bewußt, ja plant sogar lange ausgerechnet den Ausweg, der ihn gegen die Wand rennen lässt?
Du stellst mit einer erstaunlichen Bestimmheit deine Meinung als absolute Wahrheit hin und stellst dich mit deinem Wissen über Jahrzehntelange Historikerdiskussionen. Melde dich doch mal bei denen und sage ihnen, das du die Lösung weißt. :cool:
 
Arne schrieb:
Ohje, es gibt hier ein Mitglied, mit dem du sicher ganz tolle, bestätigende Gespräche führen könntest...:S ;)
Jetzt hast Du mich aber neugierig gemacht. :D


Arne schrieb:
Du meinst also, jemand, der weiß, daß er in der Enge steckt, wählt bewußt, ja plant sogar lange ausgerechnet den Ausweg, der ihn gegen die Wand rennen lässt?
Deutschland hatte sich doch selbst in die Isolation getrieben:
- Ablehnung dreier Bündnisangebote Englands zwischen 1888 und 1891
- sein ablehnendes Verhalten auf den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 gegenüber den kriegsentschärfenden Maßnahmen, die dennoch beschlossen wurden
- sein Säbelrasseln während den beiden Marokkokrisen (Beispiel: Panzersprung nach Agadir)
- sein Flottenprogramm
- die Nichtverlängerung des Rückversicherungsabkommen mit Rußland 1890
- Wilhelms II. unberechenbares Auftreten wie Hunnenrede, Daily-Telegraph-Affäre und Krüger-Depesche

Aus dieser selbstverschuldeten Enge wollte Deutschland eben mit Gewalt ausbrechen, was die bekannten infernalischen Folgen evozierte...


Arne schrieb:
Du stellst mit einer erstaunlichen Bestimmheit deine Meinung als absolute Wahrheit hin und stellst dich mit deinem Wissen über Jahrzehntelange Historikerdiskussionen. Melde dich doch mal bei denen und sage ihnen, das du die Lösung weißt. :cool:

Es ist sicherlich kein Geheimnis, daß die Historikerdiskussionen im Ausland trotz Ferguson klarer ist als in Deutschland selbst. Wenn also Historiker in Deutschland trotz der erdrückenden Faktenlage (die ich in Form von Quellen bereits teilweise studiert habe), zu dem Schluß kommen, daß die Schuld mehr oder weniger gleich auf die Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg verteilt sei oder gar reaktionäre Positionen vertreten wie der unvermeidbare Nolte, dann kann ich der deutschen Historikergilde teilweise durchaus eine gewisse Parteilichkeit unterstellen. Ob ich mich damit über diese Gilde "erhebe", das mögen andere beurteilen... :yes:
 
Kiffing schrieb:
Arne schrieb:
Ohje, es gibt hier ein Mitglied, mit dem du sicher ganz tolle, bestätigende Gespräche führen könntest...:S ;)
Jetzt hast Du mich aber neugierig gemacht. :D
Ich warte nur darauf, daß er sich einschaltet, dann könnt ihr euch gegenseitig zustimmen und ich bin raus aus der "Diskussion".


Kiffing schrieb:
Deutschland hatte sich doch selbst in die Isolation getrieben:
- Ablehnung dreier Bündnisangebote Englands zwischen 1888 und 1891
- sein ablehnendes Verhalten auf den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 gegenüber den kriegsentschärfenden Maßnahmen, die dennoch beschlossen wurden
- sein Säbelrasseln während den beiden Marokkokrisen (Beispiel: Panzersprung nach Agadir)
- sein Flottenprogramm
- die Nichtverlängerung des Rückversicherungsabkommen mit Rußland 1890
- Wilhelms II. unberechenbares Auftreten wie Hunnenrede, Daily-Telegraph-Affäre und Krüger-Depesche

Aus dieser selbstverschuldeten Enge wollte Deutschland eben mit Gewalt ausbrechen, was die bekannten infernalischen Folgen evozierte...
Ich will jetzt nicht näher auf alle diese Punkte eingehen. Aber du stellst ja richtig fest, daß sich Deutschland zu diesem Zeitpunkt (1914) durch viele Fehler in eine unglückliche Lage manövriert hatte. Und du meinst, daß war teuflische Absicht? :confused:
 
Die Geschichte wird mir recht geben, wenn ich sage: Am Ende waren's doch wieder

DIE AMERIKANER! :motz:

und tschüs :winke:
 
Arne schrieb:
Ich will jetzt nicht näher auf alle diese Punkte eingehen. Aber du stellst ja richtig fest, daß sich Deutschland zu diesem Zeitpunkt (1914) durch viele Fehler in eine unglückliche Lage manövriert hatte. Und du meinst, daß war teuflische Absicht? :confused:
Die Tatsache, daß sich Deutschland durch viele Fehler in eine unglückliche Lage manövrierte, würde ich nicht als Absicht, wohl aber als Produkt von maßloser Selbstüberschätzung und Ungeduld einschätzen. Nachdem das Kind aber schon in den Brunnen gefallen war, indem Deutschland isoliert war und in seiner Weltgeltung in keiner Relation zu seiner eigentlichen Potenz stand, versuchte es mit aller Gewalt, diesen unbefriedigenden Zustand zu revidieren und nahm dafür sogar einen Krieg in Kauf. Das ist es, was ich Deutschland vorwerfe.
 
Kiffing schrieb:
Bei alledem sollte man niemals vergessen, daß es Deutschland gewesen ist, das Österreich-Ungarn zu dem Kriegseinsatz gegen Serbien drängte. Obwohl die Schuld Serbiens an dem Attentat längst nicht feststand und Serbien Franz Ferdinand sogar vor seinem Besuch in Bosnien-Herzegowina gewarnt hatte, gab Österreich-Ungarn Serbien die Alleinschuld an dem Attentat von Sarajewo und richtete mit Wissen und Billigung Deutschlands ein Ultimatum an Serbien, das bewußt auf Unerfüllbarkeit ausgerichtet war. Somit sollte vor der Weltöffentlichkeit die moralische Rechtfertigung für den anvisierten Krieg gegen Serbien eingeholt werden. Nur ärgerlich, daß Serbien das Ultimatum dann weitestgehend akzeptierte...

Als Deutschland und Österreich-Ungarn zudem sämtliche internationalen Vermittlungsangebote wie die von England angeregte Viermächtekonferenz in den Wind schlugen und Österreich-Ungarn stattdessen Belgrad, eine ungeschützte Stadt, bombardierte, war es für die Weltöffentlichkeit völlig klar, wer nach Krieg dürstete!

Außerdem war es Deutschland, das als erstes Frankreich und Rußland den Krieg erklärte und dies obendrein mit solch verlogenen Gründen wie die Grenzverletzungen beider Staaten (Sender Gleiwitz läßt grüßen) rechtfertigte. Und das, obwohl Frankreich mit der Juli-Krise nichts, aber auch gar nichts, zu tun hatte und Zar Nikolaus obendrein verzweifelt versuchte, Kaiser Wilhelm dazu zu bewegen, mäßigend auf seinen außer Rand und Band geratenden Bundesgenossen einzuwirken.

Die Ziele Österreich-Ungarns waren, wieder verstärkt auf dem Balkan Fuß zu fassen und seine ostirredentistischen Strömungen seines Vielvölkerstaates in den Griff zu bekommen, während Deutschland an einer Revision des aus seiner Sicht ernüchternden Status quo interessiert war. Der Unterschied zwischen den Mittelmächten und den Mächten der Entente bestand zudem darin, daß in Moskau, Paris und London zivile Kräfte an der Macht waren, während in Deutschland der Einfluß des Militärs extrem groß war und was sich im Laufe des Krieges auch an der Militärregierung der OHL niederschlug. Auch wenn der internationale Imperialismus sicherlich seinen Teil zum Krieg beigetragen hat, ist die heute wieder populäre Sichtweise, alle seien mehr oder weniger gleich Schuld an dem Krieg gewesen, eine unzulässige Relativierung. Denn die Aggressoren waren nicht die Mächte der Entente, sondern die Mittelmächte. Sie haben den Krieg gewollt und den Krieg auch folgerichtig angezettelt!

Das stimmt so nicht!

1. Das Ultimatum war eine alleinige Idee von Österreich-Ungarn, Deutschland sicherte Ö-U nur seine Unterstützung zu, was als Verbündete Macht selbstverständlich war. Im übrigen gab es auch von Deutscher Seite beschwichtigungs Versuche.
Du hast in dem Punkt recht, dass das Ultimatum unerfüllbar für Serbien war.

2. Deutschland hat Russland den Krieg erklärt, nach dem Russland eine Generalmobilmachung angeordnet hatte, und Serbien seine Unterstützung gegen Ö-U zugesagt hat, also Ö-U de facto den Krieg erklärt hat. Da Deutschland mit Ö-U verbündet war musste es Russland den Krieg erklären. Da Frankreich mit Russland verbündet war, war von vornherein klar, dass auch Frankreich in den Krieg eintreten würde. Die Folge, ein zweifronten Krieg konnte nur mit dem Schliefen-Plan beantwortet werden. England war auch nicht in den Krieg eingetreten, weil Deutschland Frankreich den Krieg erklärt hatte, sondern weil es gemäss dem Schliefenplan Belgiens netralität verletzt hatte.

3. Du setzt die Mittelmächte mit Deutschland gleich, dass stimmt nicht. Die ;Mittelmächte waren ausser Deutschland Ö-U und das Osmanische Reich.

4. Auch in Russland war eine militärische Führung an der Macht, und Russland hat mit der Generalmobilmachung wesentlich zu Eskalation des Konfliktes beigetragen.
Frankreich wollte wiedergutmachung, weil es sich wegen der Niederlage 1871 gedemütigt fühlte.

5. Es waren keineswegs die Mittelmächte die den Krieg angezettelt haben, sondern der Krieg ergibt sich aus dem komplexen Bündnisssystem dieser Zeit. Erst ein entsprechender Artikel im Friedensvertrag von Versailles nannte Deutschland als allein Schuldig am 1 Weltkrieg.

Viele Historiker sind sich heute einig das kein einzelner Staat die alleinige Schuld am Aussbruch des Krieges trug. :motz:


Inwiefern stand Deutschland in keiner Relation zu seiner wirklichen Potenz? :confused:
 
Zuletzt bearbeitet:
KFdG schrieb:
Das stimmt so nicht!

1. Das Ultimatum war eine alleinige Idee von Österreich-Ungarn, Deutschland sicherte Ö-U nur seine Unterstützung zu, was als Verbündete Macht selbstverständlich war. Im übrigen gab es auch von Deutscher Seite beschwichtigungs Versuche.
Du hast in dem Punkt recht, dass das Ultimatum unerfüllbar für Serbien war.
Deutschland sicherte Österreich-Ungarn nicht nur seine Unterstützung für sein Ultimatum gegen Serbien zu, sondern billigte sein Vorgehen sogar. Historiker sprechen sogar davon, daß Deutschland hinter dem Vorgehen von Österreich-Ungarn die treibende Kraft war. Beschwichtigende Versuche gab es m. E. nichts, wie gesagt war eher das Gegenteil der Fall.

KFdG schrieb:
2. Deutschland hat Russland den Krieg erklärt, nach dem Russland eine Generalmobilmachung angeordnet hatte, und Serbien seine Unterstützung gegen Ö-U zugesagt hat, also Ö-U de facto den Krieg erklärt hat. Da Deutschland mit Ö-U verbündet war musste es Russland den Krieg erklären. Da Frankreich mit Russland verbündet war, war von vornherein klar, dass auch Frankreich in den Krieg eintreten würde. Die Folge, ein zweifronten Krieg konnte nur mit dem Schliefen-Plan beantwortet werden. England war auch nicht in den Krieg eingetreten, weil Deutschland Frankreich den Krieg erklärt hatte, sondern weil es gemäss dem Schliefenplan Belgiens netralität verletzt hatte.
Dazu ist nun sehr viel zu sagen:
Zum einen geschah die erste Kriegshandlung nicht durch Rußland oder Frankreich, sondern von Österreich-Ungarn, da es als erstes Serbien trotz seines überraschenden Entgegenkommens in der Ultimatum-Frage den Krieg erklärte und Belgrad bombardierte. Erst als Reaktion darauf erfolgte die Mobilmachung Rußlands. Und da Rußland der Verbündete Serbiens war, war seine Reaktion sogar mehr als berechtigt. Man darf nicht vergessen, daß Rußland bereits 1908 die Annektion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn zugelassen hatte. Da kann man m. E. nicht erwarten, daß es das Gleiche noch einmal mit sich machen läßt. Abgesehen davon ist eine Mobilmachung noch nicht gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung, da es nach internationalem Rechtsstandard jedem Staat überlassen bleibt, was er innerhalb seines Territoriums mit seinen Einheiten macht.

Zudem waren sowohl Frankreich als auch Rußland in ihre Bündnisverpflichtungen gegenüber der Entente involviert, so daß die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn genau wußten, welche Ketten des Krieges sie durch ihren Angriff auf Serbien und die Kriegserklärung an Rußland in Bewegung setzten. Auch England wäre nie und nimmer neutral geblieben, da es für lange Zeiten seine Verbündeten verloren hätte und vor der Weltöffentlichkeit sein Gesicht verloren hätte.

Hinsichtlich der russischen Mobilmachung ist der Historiker Immanuell Geiss sogar der Meinung, durch die Beschießung Belgrads durch Österreich-Ungarn sollten nicht nur die störenden internationalen Vermittlungsbemühungen konterkariert werden, sondern sogar Rußland zu der Mobilmachung genötigt werden, damit das Zarenreich vor der Weltöffentlichkeit, aber vor allem in den Augen von England als der eigentliche Aggressor dasteht. Insofern ist für mich das deutsche Beharren auf die russische Generalmobilmachung nicht glaubwürdig, sondern ein gezielter und gut inszenierter Trick zur Täuschung Englands und der Weltöffentlichkeit gewesen.

KdFG schrieb:
3. Du setzt die Mittelmächte mit Deutschland gleich, dass stimmt nicht. Die ;Mittelmächte waren ausser Deutschland Ö-U und das Osmanische Reich.
Ich weiß.

KdFG schrieb:
4. Auch in Russland war eine militärische Führung an der Macht, und Russland hat mit der Generalmobilmachung wesentlich zu Eskalation des Konfliktes beigetragen.
Frankreich wollte wiedergutmachung, weil es sich wegen der Niederlage 1871 gedemütigt fühlte.
Wie erläutert wurde Rußland aus Propagandagründen zur Generalmobilmachung geradezu genötigt. Es wollte genausowenig wie England den Krieg und Sansonov hat genauso wie Grey ein Gespräch nach dem anderen mit den intransigenten deutsch-österreichischen Vertretern geführt, um den Krieg doch noch abzuwenden. Tatsache ist, daß Rußland sofort bereit gewesen wäre, an der von England angeregten Viermächtekonferenz teilzunehmen. Alleine durch die Weigerung Deutschlands und Österreich-Ungarn kam diese Viermächtekonferenz nicht zustande, da diese den ersehnten Schlag gegen Serbien vielleicht noch verhindert hätte.

Und zu Frankreich ist zu sagen, daß sein Streben nach Revanchismus wegen 1870/71 gänzlich unbedeutend ist in der Kriegsschuldfrage. Denn das bereits von Bismarck in die Isolation getriebene Frankreich hatte sich im Rahmen der Julikrise in keinster Weise irgendwie kriegsbereit gezeigt.

KdFG schrieb:
5. Es waren keineswegs die Mittelmächte die den Krieg angezettelt haben, sondern der Krieg ergibt sich aus dem komplexen Bündnisssystem dieser Zeit. Erst ein entsprechender Artikel im Friedensvertrag von Versailles nannte Deutschland als allein Schuldig am 1 Weltkrieg.
Sicherlich ist das Bündnissystem in diesem Krieg von Bedeutung. Ich habe aber nie etwas anderes behauptet. Tatsache aber ist, daß die Mittelmächte den Krieg provoziert und begonnen haben und daß die Mächte der Entente vor dem Kriegsbeginn wirklich alles versucht haben, um den Krieg doch noch abzuwenden.

KdFG schrieb:
Viele Historiker sind sich heute einig das kein einzelner Staat die alleinige Schuld am Aussbruch des Krieges trug. :motz:
Es geht um die Hauptschuld, nicht um die alleinige Schuld. :yes:
 
Zuletzt bearbeitet:
Robert Craven schrieb:
Liebe Geschichtsfans,

wie wäre es wenn ihr euch einmal über die Fischer Kontroverse informiert anstatt Teile dieser bereits ausgefochtenen Schlacht nach zu kämpfen.

Zum Beispiel bei Wiki: http://de.wikipedia.org/wiki/Fischer-Kontroverse

Interessanter Link. Da hatte ich noch nie reingesehen. Aber ich fühle mich insoweit bestätigt, daß die Diskussion dazu seit Jahrzehnten läuft und es keine "absolute Wahrheit" gibt, nur verschiedene Interpretationen und Ansichten. Ich halte es insoweit für fragwürdig transparentartig Behauptungen mit Ausrufungszeichen als definitiv richtig hochzuhalten, die nur eine Position in der Diskussion sind.
 
Lieber Arne,
eine absolute Wahrheit gibt es nie. Die Kontroverse läuft nicht seit Jahren und immer noch, sondern gilt als weitestgehend beigelegt. Der wichtige Satz ist wohl dieser:
Es bleibt jedoch die nachhaltige Leistung Fritz Fischers, der apologetischen Geschichtsschreibung ein Ende bereitet zu haben, denn kein Historiker ist heute noch bereit, einen bedeutenden Anteil des Deutschen Reiches an dem Kriegsausbruch zu leugnen.
Besonders die damals einsetzende selbstkritische Haltung unter der Historikerzunft ist nicht hoch genug zu werten.
Geschichtsinterpretationen, die auf eine geringe Teilschuld des Reiches am ersten Weltkrieg oder sogar auf Präventivkriegsthesen zurückgreifen, kommen klar aus der revisionistischen Ecke. (Was ich dir natürlich keinesfalls unterstellen möchte!)
Deine Bemerkung mit den Ausrufezeichen lastigen transparenten Behauptungen versteh ich nicht ganz. Wird wohl nicht auf meinen Beitrag bezogen gewesen sein??..

Hochachtungsvoll, Robert Craven
 
Robert Craven schrieb:
Lieber Arne,
eine absolute Wahrheit gibt es nie.
Doch, gibt es in vielen Fragen, die eine eindeutige Antwort erlauben. Zum Beispiel zu einer Datierung eines Dokumentes oder so. Aber nicht immer oder nie in einer diesbezüglichen Einschätzung oder Interpretation.

Robert Craven schrieb:
Die Kontroverse läuft nicht seit Jahren und immer noch, sondern gilt als weitestgehend beigelegt. Der wichtige Satz ist wohl dieser:
Es bleibt jedoch die nachhaltige Leistung Fritz Fischers, der apologetischen Geschichtsschreibung ein Ende bereitet zu haben, denn kein Historiker ist heute noch bereit, einen bedeutenden Anteil des Deutschen Reiches an dem Kriegsausbruch zu leugnen.
Besonders die damals einsetzende selbstkritische Haltung unter der Historikerzunft ist nicht hoch genug zu werten.
Geschichtsinterpretationen, die auf eine geringe Teilschuld des Reiches am ersten Weltkrieg oder sogar auf Präventivkriegsthesen zurückgreifen, kommen klar aus der revisionistischen Ecke. (Was ich dir natürlich keinesfalls unterstellen möchte!)
Eine erhebliche Mitschuld bestreite ich doch auch gar nicht. Ich halte nur gar nichts davon, die Regierungen der Regierungszeit Wilhelms II. und den Kaiser selbst als kriegslüsternde, militaristische Bande hinzustellen, die über 26 Jahre hinweg nur Krieg als Ziel hatte. Man darf nicht so ideologisch verblendet sein, daß man alle Beteiligten als blutrünstige Bestien sieht, sondern sollte ein Mindestmaß an psychologischen und historischen Verständnis aufbringen, für eine Entwicklung, die über Jahre hinweg dafür gesorgt hat, daß "die Karre im Dreck" stand. Was dann von den Beteiligten durch ihr Verhalten letztendlich verursacht wurde, konnten sie selbst kaum übersehen und war in dieser Konsequenz meines Erachtens keinem der Beteiligten klar - Schon weil es bis dato keinen Weltkrieg gab.

Robert Craven schrieb:
Deine Bemerkung mit den Ausrufezeichen lastigen transparenten Behauptungen versteh ich nicht ganz. Wird wohl nicht auf meinen Beitrag bezogen gewesen sein??..
Natürlich nicht. Hast doch von mir einen Grünen bekommen, nicht bemerkt?
 
Arne schrieb:
Ich halte nur gar nichts davon, die Regierungen der Regierungszeit Wilhelms II. und den Kaiser selbst als kriegslüsternde, militaristische Bande hinzustellen, die über 26 Jahre hinweg nur Krieg als Ziel hatte. Man darf nicht so ideologisch verblendet sein, daß man alle Beteiligten als blutrünstige Bestien sieht,...

Das sagt ja hier keiner.

Ich hoffe aber auch, dass Du weisst, dass Schuld und Absicht zwei verschiedene Dinge sind.
 
Pope schrieb:
Ich hoffe aber auch, dass Du weisst, dass Schuld und Absicht zwei verschiedene Dinge sind.

Ich kann dich beruhigen. Das weiß ich und auch was Fahrlässigkeit und Vorsatz ist und daß bei einer Tatbeurteilung, also einer Schuldzuweisung all das eine Rolle spielt.
 
Gast schrieb:
"am deutschen wesen soll die welt genesen!" - was der deutsche imperialismus einer der hauptgründe der katastrophe von 1914?
bitte um hilfestellung, ich bin in einer heißen diskussion verwickelt....
Ich würde auf deutscher Seite als die Haupttriebfeder für den Weg in den WK1 weniger den kolonialen Imperialismus als vielmehr den deutschen Nationalismus und den deutschen Militarismus ansehen, den man auch als deutschen Europa-Imperialismus auffassen kann.
Robert Craven schrieb:
Die Kontroverse läuft nicht seit Jahren und immer noch, sondern gilt als weitestgehend beigelegt. Der wichtige Satz ist wohl dieser:
Es bleibt jedoch die nachhaltige Leistung Fritz Fischers, der apologetischen Geschichtsschreibung ein Ende bereitet zu haben, denn kein Historiker ist heute noch bereit, einen bedeutenden Anteil des Deutschen Reiches an dem Kriegsausbruch zu leugnen.
Besonders die damals einsetzende selbstkritische Haltung unter der Historikerzunft ist nicht hoch genug zu werten.
Geschichtsinterpretationen, die auf eine geringe Teilschuld des Reiches am ersten Weltkrieg oder sogar auf Präventivkriegsthesen zurückgreifen, kommen klar aus der revisionistischen Ecke. (Was ich dir natürlich keinesfalls unterstellen möchte!)
1. Ich stimme Dir zu, dass die Fischer-Kontroverse heutzutage dahin gehend erledigt ist, dass die These, Deutschland sei wie alle Großmächte in den WK1 fahrlässig hineingeschlittert, eindeutig widerlegt ist. Übrigens kam schon Hermann Kantorowicz im Mai 1927 in seinem Gutachten für den Untersuchungsausschuß des Deutschen Reichstages zu dem Ergebnis, dass das Deutsche Reich den WK1 mit bedingtem Vorsatz herbeiführte und neben ÖU die Hauptschuld für den Ausbruch dieses Krieges trug (vgl. http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=99758#post99758).

2. Offen geblieben ist jedoch die Frage, ob das Deutsche Reich den WK1 nur mit bedingtem Vorsatz oder nicht sogar mit zielgerichtetem Willen oder Absicht herbeiführte. Was diese Frage angeht, konnte Fischer nicht den "letzten Beweis" führen, dass auf deutscher Seite der zielgerichtete Wille zum Krieg oder die Kriegsabsicht bereits zu Beginn der Julikrise 1914 bestand. ABER wie sollte er dies auch? Schon als Kantorowicz für die Erstellung seines Gutachtens die deutschen Akten einsah, musste er feststellen, dass diese manipuliert waren. Urkunden wurden entfernt oder verändert; falsche nachträglich in den Aktenbestand aufgenommen, etc. Insofern muss man befürchten, dass die deutsche Hauptschuld wohl noch größer ist, als man dies bislang nachweisen kann.

Interview des Spiegel mit dem Wilhelm-II.-Biograf John Röhl über die Verantwortung des Kaisers für den Ausbruch des Ersten WK in: Stephan Burgdorff, Klaus Wiegrefe (Hg.), Der Erste Weltkrieg, 2004, S. 37:
>>Röhl: (...) Das Attentat von Sarajevo kam Bethmann Hollweg insofern gelegen. Vielleicht haben die Deutschen sogar von dem Anschlagsplan vorab gewusst.
Spiegel: Wie kommen Sie darauf?
Röhl: Oberquatiermeister Graf Georg von Waldersee hat zwölf Tage vor dem Attentat die Militärbevollmächtigten, die die Könige von Sachsen, Bayern und Württemberg in Berlin unterhielten, zu sich gerufen und gebeten, keine schriftlichen Berichte mehr für die Kriegsminister ihrer Regierungen zu verfassen. Das deutet darauf hin, dass etwas streng Geheimes vor sich ging.<<

Übrigens: zur Kriegsschuldfrage habe ich vor einiger Zeit folgenden Thread eröffnet:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=99758#post99758. Vielleicht könnt Ihr diesen mit Euren Thesen etwas auffüllen. Ansonsten muss man, um einen Überblick über die Geschichtsforum-Kriegsschulddebatte zu gewinnen, eine Vielzahl von einzelnen Strängen durchsuchen, was doch ziemlich nervig ist.
 
Als Philosoph kann ich dir leider nicht zustimmen, dass es überhaupt absolute Wahrheiten gibt, ist wohl aber eine Art Berufskrankheit. :)

Arne schrieb:
Ich halte nur gar nichts davon, die Regierungen der Regierungszeit Wilhelms II. und den Kaiser selbst als kriegslüsternde, militaristische Bande hinzustellen, die über 26 Jahre hinweg nur Krieg als Ziel hatte.
Natürlich war Krieg nicht das Primärziel. Allerdings die Staatsräson, die Stabilität und Erhaltung des Staates, was ein Expansionsstreben, starke wirtschaftliche Interessen und Aufrüstung beinhaltete. Der Militarismus als Mittel der Außenpolitik, welche klar der Primat der damaligen Politik war, ist wohl ein Erbe Preußens und natürlich auch in den anderen Nationen vorherrschend gewesen. Wer aber bewusst auf militärische Stärke setzt, zielt wohl kaum auf friedliche Konfliktlösungen. Soviel Weitsicht sollte man auch dem Kaiser zutrauen.

Arne schrieb:
[...]daß "die Karre im Dreck" stand

Vorsicht. Das klingt fast so als sei der Karren von alleine, oder zumindest ohne Krafteinwirkung in den Dreck gerollt. Das widerspräche nicht nur den Gesetzen der Physik, sondern auch der Historie. Natürlich können wir aus unserer Perspektive deutlich mehr Zusammenhänge und Entwicklungen erkennen als die verantwortlichen Staatsoberhäupter, dennoch bestand deren Handeln nicht aus bloßer actio-reactio. Ihrer Verantwortung als Herrscher und ihre gezielte Machtpolitik müssen hier berücksichtigt werden. Die Jahre vor dem ersten Weltkrieg waren keine Selbstläufer unabhängig von politischen Weisungen und so mancher Zeitgenosse erkannte die Gefahr. Im übrigen kann man davon ausgehen, dass die Bedeutung eines Krieges nach dem konliktgeladenen 18. Jahrhundert nicht gänzlich in Vergessenheit geraten war. Verständniss für die Entscheidungen der Großmächte kann ich für keine der Parteien aufbringen.
Ich hoffe ich habe nicht wieder an dir vorbei geredet, mir geht es nur um eine moralischere Wertung der damals vorherrschenden Politik.
Ein wirklich hervorragendes Werk in diesem Zusammenhang ist der wohl schon vielen bekannte Entwurf "Zum ewigen Frieden" von Kant. Ein Politiker darf nicht losgelöst von der Moral entscheiden und muss daher auch die volle Verantwortung für seine Entscheidungen zugesprochen bekommen.

Hochachtungsvoll, Robert Craven
 
Auf dich habe ich ja schon seit gestern abend gewartet =)

Gandolf schrieb:
2. Offen geblieben ist jedoch die Frage, ob das Deutsche Reich den WK1 nur mit bedingtem Vorsatz oder nicht sogar mit zielgerichtetem Willen oder Absicht herbeiführte. Was diese Frage angeht, konnte Fischer nicht den "letzten Beweis" führen, dass auf deutscher Seite der zielgerichtete Wille zum Krieg oder die Kriegsabsicht bereits zu Beginn der Julikrise 1914 bestand. ABER wie sollte er dies auch? Schon als Kantorowicz für die Erstellung seines Gutachtens die deutschen Akten einsah, musste er feststellen, dass diese manipuliert waren. Urkunden wurden entfernt oder verändert; falsche nachträglich in den Aktenbestand aufgenommen, etc. Insofern muss man befürchten, dass die deutsche Hauptschuld wohl noch größer ist, als man dies bislang nachweisen kann.

Interview des Spiegel mit dem Wilhelm-II.-Biograf John Röhl über die Verantwortung des Kaisers für den Ausbruch des Ersten WK in: Stephan Burgdorff, Klaus Wiegrefe (Hg.), Der Erste Weltkrieg, 2004, S. 37:
>>Röhl: (...) Das Attentat von Sarajevo kam Bethmann Hollweg insofern gelegen. Vielleicht haben die Deutschen sogar von dem Anschlagsplan vorab gewusst.
Spiegel: Wie kommen Sie darauf?
Röhl: Oberquatiermeister Graf Georg von Waldersee hat zwölf Tage vor dem Attentat die Militärbevollmächtigten, die die Könige von Sachsen, Bayern und Württemberg in Berlin unterhielten, zu sich gerufen und gebeten, keine schriftlichen Berichte mehr für die Kriegsminister ihrer Regierungen zu verfassen. Das deutet darauf hin, dass etwas streng Geheimes vor sich ging.<<

Thesen...Vermutungen....Befürchtungen.... wie du selbst schreibst ohne Beweise. :runter:
Und was ich von Röhl halte, kannst du dir sicher denken ;)

Gandalf schrieb:
Übrigens: zur Kriegsschuldfrage habe ich vor einiger Zeit folgenden Thread eröffnet:
Gandalf schrieb:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=99758#post99758. Vielleicht könnt Ihr diesen mit Euren Thesen etwas auffüllen. Ansonsten muss man, um einen Überblick über die Geschichtsforum-Kriegsschulddebatte zu gewinnen, eine Vielzahl von einzelnen Strängen durchsuchen, was doch ziemlich nervig ist.
Hier kann ich dir allerdings eifrig und mit voller Überzeugung zustimmen! :)
 
Robert Craven schrieb:
Vorsicht. Das klingt fast so als sei der Karren von alleine, oder zumindest ohne Krafteinwirkung in den Dreck gerollt. Das widerspräche nicht nur den Gesetzen der Physik, sondern auch der Historie.
Habe ich nicht gemeint. Da haben sie selbst kräftig geschoben. Wie bereits mehrfach gesagt: Es gab grobe Fehler, einen Angriffskrieg, aber nach meiner Einschätzung war man sich letztendlich über die Konsequenzen nicht bewußt, weil man sie gar nicht abschätzen konnte.
 
Arne schrieb:
Auf dich habe ich ja schon seit gestern abend gewartet =)
Ich habe es gelesen.:D
Arne schrieb:
Thesen...Vermutungen....Befürchtungen.... wie du selbst schreibst ohne Beweise. :runter:
Nun man kann beweisen, dass die Deutschen ihre Akten manipuliert haben und dies spricht ja wohl eher dafür, dass sie ihren Schuldanteil verharmlosen wollten, oder?;)
Arne schrieb:
Und was ich von Röhl halte, kannst du dir sicher denken ;)
Aber sicher: Du hälst ihn für einen angesehenen Hochschullehrer, nicht wahr?:D
 
Gandolf schrieb:
Nun man kann beweisen, dass die Deutschen ihre Akten manipuliert haben und dies spricht ja wohl eher dafür, dass sie ihren Schuldanteil verharmlosen wollten, oder?;)
Wer mit Akten zu tun hat, hat sicher schon das dort häufig aufzufindende Chaos kennengelernt. Fehlerhafte Nummerierungen, falsch abgelegte Unterlagen oder entfernte Teile ohne Vermerke beweisen, daß die Akten nicht in Ordnung sind. Sonst erstmal gar nichts.

Gandolf schrieb:
Arne schrieb:
Was ich von Röhl halte, kannst du dir sicher denken.
Aber sicher: Du hälst ihn für einen angesehenen Hochschullehrer, nicht wahr?:D
Nicht unbedingt. Aber ich werde hier nicht das schreiben, was ich denke, denn vielleicht guckt ja doch mal meine alte Mutter hier rein und dann muß ich mir den Mund mit Seife auswaschen...:S =)
 
Arne schrieb:
Wer mit Akten zu tun hat, hat sicher schon das dort häufig aufzufindende Chaos kennengelernt. Fehlerhafte Nummerierungen, falsch abgelegte Unterlagen oder entfernte Teile ohne Vermerke beweisen, daß die Akten nicht in Ordnung sind. Sonst erstmal gar nichts.
Zwischen Chaos und Manipulation gibt es aber einen Unterschied.;)
 
Zurück
Oben