Deutschland auf Ungarns Seite - warum?

KnightMove

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Heutzutage nicht allzu vielen Menschen bekannt ist die revisionistische Expansion Ungarns vor und während des Zweiten Weltkrieges. Dass sie früher zu Ungarn gehörende Gebiete zurückholten, ist plausibel.

Was ich allerdings nicht verstehe: Warum stand Deutschland auf Seiten Ungarns in den Konflikten mit der Slowakei und Rumänien? Dass die Deutschen Ungarn gewissermaßen einen höheren Platz in der Hackordnung als der Slowakei zubilligten, leuchtet noch ein. Aber bei Rumänien, das als Erdöllieferant so wichtig war?
 
Warum stand Deutschland auf Seiten Ungarns in den Konflikten mit der Slowakei und Rumänien? Dass die Deutschen Ungarn gewissermaßen einen höheren Platz in der Hackordnung als der Slowakei zubilligten, leuchtet noch ein. Aber bei Rumänien, das als Erdöllieferant so wichtig war?
Vielleicht war Rumänien nach Hitlers Geschmack noch zu souverän:

Februar 1938: Carol II. errichtet eine profaschistische Königsdiktatur
März 1939 u. Mai 1940: Wirtschaftsvertrag und "Öl-Waffen-Pakt" mit Deutschland
1939: Rumänien erklärt sich bei Ausbruch des 2. WK trotz dieser Verträge als neutral
August 1940: 2. Wiener Schiedsspruch, bei dem Transsylvanien zu Ungarn kommt, wird für den Sturz von Carol II. ausgenutzt
- Errichtung einer Militärdiktatur unter Ion Antonescu, der nun deutsche Truppen ins Land läßt

Das erklärt doch einiges, oder?
;)
 
Dass die Deutschen Ungarn gewissermaßen einen höheren Platz in der Hackordnung als der Slowakei zubilligten, leuchtet noch ein. Aber bei Rumänien, das als Erdöllieferant so wichtig war?

Da dürfte die ungarische Politik eine Rolle gespielt haben. Ungarn hat sich selbständig an die Politik Nazi-Deutschlands orientiert. Das fruchtete in den Ergebnissen des Ersten Wiener Schiedsspruches 1938, bei dem Deutschland politischen Druck auf Rumänien ausübte. 1940 selbständiger Beitritt Ungarns zu den Achsenmächten Deutschland, Italien und Japan.
Wer muß also mehr Sympathien Nazi-Deutschlands haben, Ungarn oder Rumänien?
 
[FONT=&quot]Ungarn war genau wie Deutschland der Verlierer des Ersten Weltkrieges. Rumänien verdankte sein Überleben (nach deutscher Eroberung im 1.WK) dem Sieg der Entente über die Mittelmächte.

[/FONT] Rumänien war ein Hauptnutznießer der Pariser Vorortverträge (Siebenbürgen (Ungarn), Dobruscha (Bulgarien) und „Moldawien“ (teils ehemals Zaristisch/Russisch) kamen in seinen Besitz. Das ureigenste Interesse Rumäniens nach diesem Kriege war die Aufrechterhaltung des Status Quo auf dem Balkan, da jede Revision natürlich an seinem Besitzstand rütteln musste. Durch die eigene Expansion waren Differenzen mit den oben genannten Staaten (vor allem Ungarn!) vorprogrammiert. Die bedeutendste Macht Europas direkt nach dem 1.WK, die ebenfalls peinlich darauf aus war den aktuellen Status Quo zu halten war natürlich Frankreich, in dessen Bündnissystem sich Rumänien einbrachte. Frankreich blieb die Stütze des rumänischen Staates! Rumänien trat der Balkanentente wie der „kleinen Entente“ bei die beide unter französischer Förderung und in deren Interesse standen. Frankreich hatte ein Interesse daran in Rumänien einen zuverlässigen Partner zu haben. Um so mehr als sich andere, potentiell stärkere Verbündete Frankreichs (wie Polen & die Tschechoslowakei) als sehr Eigensinnig erwiesen und der nächst größere Bündnispartner Jugoslawien als innenpolitischer und in Frankreich teils unpopulärer „Zwangsstaat“ erwies. Rumänien blieb bis zur französischen Niederlage 1940 der mit Abstand engste und zuverlässigste Partner Frankreichs im Osten, war doch Rumänien im Wesentlichen „Satuiert“ Im Gegensatz etwa zu Polen das mehrfach Lust zu weiteren Abenteuern gezeigt hatte. Die Bande mit Frankreich waren daher auch militärisch sehr eng. Als Polen 1939 von Hitler zerschlagen wurde, gelangen tausenden polnischen Soldaten über Rumänien die Flucht in den Westen wo die Exilarmee aus ihnen gebildet wurde. Auch zahlreiche Flugzeuge und Panzer der polnischen Armee ließen sich gerne in diesem ihnen lange Zeit wohl gesonnenen Staat internieren.
Unter diesen Umständen ist Hitlers Vorliebe für Ungarn leicht nachvollziehbar. Die Bestrebungen Ungarns boten ihm mehrfach Vorschub für seine eigenen Pläne, wobei Rumänien immer die Rolle als potentieller Hemmschuh spielte. Erst nach dem Kollaps Frankreichs 1940 wandte sich das Blatt und Rumänien suchte händeringend eine neue Schutzmacht. Eine Rolle für die nur Hitlers Deutschland in Frage kam. Je größer der Druck der umliegenden Nationen auf Rumänien sich steigerte, desto enger wurde der Schulterschluss mit dem Dritten Reich. Unter Marschall Ion Antonescu wurde Rumänien ab 1941 zum eifrigsten und mächtigsten Verbündeten Deutschlands beim Krieg gegen die UdSSR. Abgesehen von Finnland hat kein anderes Land einen derart großen militärischen Beitrag für diesen Krieg an Hitlers Seite geleistet als es Rumänien tat!
Andere "Verbündete" Hitlers mit "mehr Ansehen" bei dem Herrn aus Braunau wie besagtes Ungarn (deren militärischer Einsatz deutlich hinter dem zurückblieb was Rumänien beisteuerte) oder gar Bulgarien mussten sich halt weniger anstrengen um die Gunst dieses Mannes zu erhalten. Dazu tragen die Tatsachen bei das Ungarn schon sehr früh Hitlers Politik gegen die Tschechoslowakei unterstützt hatte und Bulgarien half die Südostflanke zu konsolidieren und auf die Haltung der Türkei zurückwirkte. Die Regierung der Türkei verhielt sich übrigens neutral mit Sympathien zu den westlichen Alliierten, während die Meinung des türkischen Volkes als eher prodeutsch angesehen wurde.
 
Ungarn war genau wie Deutschland der Verlierer des Ersten Weltkrieges.
Rumänien war ein Hauptnutznießer der Pariser Vorortverträge (Siebenbürgen (Ungarn), Dobruscha (Bulgarien) und „Moldawien“ (teils ehemals Zaristisch/Russisch) kamen in seinen Besitz.

1934 bis 1938 versuchte das nationalsozialistische Deutschland zunächst, politischen Druck auf Rumänien durch das Außenpolitische Amt Rosenbergs auf verschiedenen Ebenen auszuüben, vermischt mit diversen angetriebenen innerstaatlichen Intrigen in Rumänien. Dieser Weg erwies sich als wenig erfolgreich.

Vielmehr wurde nun deutscherseits erwartet, dass verstärkte wirtschaftliche Beziehungen zu Rumänien verbunden mit dem deutschen Machtzuwachs in Europa Rumänien an die deutsche Seite treiben würde. Die Öllieferungen vor dem Krieg sollten in diesem Rahmen nicht überbewertet werden, Deutsch. bezog 1937 und 1938 im Durchschnitt rd. 500.000 to, weniger als 10% der rumänischen Produktion, und ein entsprechend kleiner Anteil am deutschen Bedarf. Zudem hatte man weitere potentielle "Bezugsquellen" im Auge, aus Sicht der Marine insbesondere Mexiko. Erst 1939 stieg das ganz erheblich an, nach Überwindung zahlloser Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit einem nach wie vor "reservierten", vorsichtigen Rumänien (die Ölgesellschaften als Aktiengesellschaften hatten mW britische Anteilseigner).

Im März/April 1939 stand Rumänien jedenfalls aus dritter Sicht (Westmächte, Polen) unter direkter deutscher Bedrohung, nach der deutschen Besetzung des Rest-Tschechei. Verhandlungen über einen Garantiepakt wurden mit den Westmächten geführt, bereits während der Sudetenkrise gab es erste Gespäche sogar mit der SU. Mit letzterer eine Einigung zu erzielen, war wohl wegen der Gebietsverschiebungen nach Ende des Ersten Weltkrieges nie realistisch. Hitler schob Rumänien (mit Ausnahme zu sichernder deutscher wirtschaftlicher Interessen) dann im August 1939 der politischen=territorialen Interessensphäre der SU im Geheimen Zusatzprotokoll des Nichtangriffspaktes zu (woran man - Hitler, Ribbentrop - sich offenbar im April/Mai 1940 nicht mehr so recht erinnern wollte). Dieses Gebietsopfer - unter Wahrung der deutschen Wirtschaftsinteressen: Öl und Getreide - ist also vor dem Hintergrund des Überfalls auf Polen und des dazu notwendigen Stillhaltens der SU erfolgt.

So hatte die spätere "Demütigung" Rumäniens durch das Gebietsdiktat des Wiener Schiedsspruchs vom 30.8.1940 (auch nach dem "Verkauf" im dt.-sowjt. Nichtangriffspakt) ein überraschendes Ergebnis: Es mußte Rumänien - da alternativlos: die Westmächte weitgehend ausgeschaltet, die SU drohend im Osten bezüglich des Rest-Bukowina und der Donaumündung bis Bulgarien - immer weiter und stärker an die Seite Deutschlands treiben.

Nun hatten sich allerdings für das Dritte Reich auch die wirtschaftlichen Bedingungen des Krieges gedreht: die Konfrontation mit der SU stand vor der Tür (mit erwartbarem zeitweisem Ausfall der sowjt. Öllieferungen 1941), gegen Großbritannien ließ sich der Krieg aus deutsche Sicht nicht beenden. Die rumänischen Öllieferungen wurden zum Schlüssel der weiteren Kriegsfähigkeit der Wehrmacht, vom unfertigen Stand der Synthetisierungsversuche und des quasi gescheiterten Öl-Autarkieprogramms geprägt. Rumänien wurde zudem als Aufmarschgebiet gegen die SU - völlig anders als Ungarn - von Beginn an mit den ersten Operationsstudien eingeplant. Der Schutz des Ölgebietes war nun ein wichtiger Faktor, der selbst in die spätere Feldzugentwicklung 1941 einwirkte und mehrfach von Hitler in seinen Weisungen zur Kriegsführung angesprochen wurde. (Stichwort zB: Kiew-Krim-Donez oder Moskau im August 1941). Ungarns Kriegseintritt im Juni 1941 kam dagegen nahezu "ungeplant", nicht mit entsprechender Vorbereitung aus Waffenhilfe und nicht mit gleichartiger Einbeziehung in die deutschen Operationspläne.

Rumäniens Position war in dieser Zeit 1939-1941 fast unverändert: eine Rückgewinnung Siebenbürgens und der Bukowina-Bessarabiens ebenso wie weiterer Schutz vor der SU war nur mit deutscher Hilfe denkbar, trotz der deutschen "Auslieferung" weiter Gebietsteile im Nichtangriffspakt an die SU, was recht schnell im Detail auch in Rumänien bekannt wurde.

Daraus resultierte fast zwingend die Anlehnung an das Dritte Reich.


Quelle: Andreas Hillgruber: Hitler, König Carol und Marschall Antonescu, die dt.-rum. Beziehungen 1938-1944, Wiesbaden 1954 sowie diverse ADAP.
 
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