Día de la Pepa - 200 Jahre

El Quijote

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Heute vor 200 Jahren wurde in Cádiz feierlich die erste spanische Verfassung, la Pepa, in Kraft gesetzt.

Im März 1808 war es zum Motín (Meuterei) de Aranjuez (ein Schloss bei Madrid, Königsresidenz) gekommen, deren Anlass vor allem die Unzufriedenheit des spanischen Adels mit dem Premierminister Manuel Godoy war, dem zudem ein Verhältnis mit der Königin nachgesagt wurde. Die Unzufriedenheit mit Godoy hatte diverse Gründe, die vor allem mit der spanisch-französischen Niederlage gegen die Briten vor Trafalgar zusammenhing, aber auch, dass der spanische Adel mit Sorge das Einsickern französischer Truppen aufgrund des Vertrags von Fontainebleau in Spanien sah. Der Vertrag von Fontainebleau, der die Aufteilung Portugals vorsah, war so gestrickt, dass er u.a. Godoy sehr genützt hätte, der damit zum Fürsten der Algarve geworden wäre. Im Motín von Aranjuez musste nun Carlos IV. zugunsten seines Sohnes Fernando VII. zurücktreten, woraufhin Murat, unsicher, ob die spanisch-französische Allianz nach dem Sturz Carlos' IV. und seines Premiers Godoys noch Bestand haben würde, Madrid besetzte.

Fernando reiste daraufhin Richtung Frankreich, um Napoleon von seinen guten Absichten zu überzeugen. Nach seiner Abreise befreite Murat Godoy, der nach Bayonne gebracht wurde. Auch Carlos reise nach Bayonne.
Napoleon versuchte in den darauffolgenden Tagen eine Lösung zu finden (die natürlich in erster Linie ihm zu Gute kommen sollte) und zwang Fernando am 1. Mai, nach einem gemeinsamen Abendessen mit Godoy und Carlos, zu Gunsten seines Vaters wieder abzudanken. Godoy und Fernandos Lehrer und Berater (und wohl auch Anwärter auf den Premiersposten) Escóiquiz übten sich weiter in Intrigen und letztendlich kam es auch zur Abdankung von Carlos IV. und seiner Gattin. Napoleon behauptete später, diese seien froh gewesen in Frankreich Zuflucht zu finden - was wohl kaum Carlos' Wahrnehmung entsprochen haben dürfte, da er in Valençay unter der Aufsicht Talleyrands stand. (Nach Napoleons Sturz lebten Carlos IV., seine Frau María Luisa zusammen mit Godoy im Palazzo Barberini in Rom).
Neben den Intrigen der Höflinge scheint auch die Dynamik der Ereignisse in Spanien Napoleon dazu veranlasst zu haben, die Bourbonen vollständig zu entmachten, jedenfalls begannen am 2. Mai die Aufstände in Spanien und am 6. Juni wurde Joseph Bonaparte von seinem Bruder als König Spaniens eingesetzt.
Die französischen Truppen hatten bald das ganze Land besetzt, konnten jedoch nicht verhindern, dass noch ungeschlagene spanische Truppen aus der Extremadura am franzosenfreundlichen und friedlich besetzten Sevilla vorbei marschierten und in Cádiz und auf der Isla de León (San Fernando bei Cádiz) Position bezogen und hier die französischen Schiffe, die seit der Niederlage von Trafalgar hier lagen, besetzten.
Cádiz war somit für die Franzosen zur uneinnehmbaren Festung geworden, auch da die Kanonenschussreichweiten noch nicht ausreichten, um den Stadtbefestigungen ernsthaften Schaden zuzufügen und die Briten seit Trafalgar die einzige wirkliche Seemacht waren.

In dieseser Situation war die Seehandelsstadt Cádiz das Zentrum des bröckelnden spanischen Weltreichs, Liberale und Konservative kamen aus allen Ecken Spaniens und den amerikanischen Provinzen hierher und begründeten zunächst eine Generalversammlung (Las Cortes de Cádiz) die sich in einem Klosterkonvent (San Felipe Neri, heute ein Museum, dessen besuch sich lohnt) konstituierte und die Wahlordnung für die verfassungsgebenden Cortes erarbeitete.
Die Diputierten der verfassungsgebenden Generalversammlung waren in zweierlei Hinsicht fragmentiert: Zum einen in Liberale und Konservative, zum anderen in Europäer und Amerikaner. Insbesondere die Amerikaner waren sehr darauf bedacht, in der Verfassung die Gleichrangigkeit aller Spanier, egal ob Europäer oder Amerikaner und auch egal welcher Hautfarbe durchzusetzen. Viele der amerikanischen Diputierten aus Cádiz nahmen später, nach der Unabhängigkeit der amerikanischen Besitzungen hier erneut an den verfassungsgebenden Versammlungen teil.

Obwohl man in Cádiz naturgemäß sehr antifranzösisch eingestellt war - die Franzosenfreunde wurden als afranceados oder josefinos (nach Joseph Bonaparte oder auch "Pepe Botellas") bezeichnet - übernahm man durchaus viele Elemente der französischen Verfassung bzw. des Code Napoleon in die neue Verfassung. Historikern gilt sie als die liberalste in Kraft getretene europäische Verfassung ihrer Zeit.
In einem Punkt allerdings war sie strikt, nämlich in der Frage der Religion: Wer der spanischen Nation in beiden Spanien (also in Amerika und in Europa) angehören wolle, müsse Katholik sein.

Die Verfassung wurde von den Verfassungsgebern auf Fernando VII. zugeschnitten, der El Deseado ('der Ersehnte') gerufen wurde. Am 19. März 1812 - also genau heute vor 200 Jahren - trat sie in Kraft und wurde liebevoll als La Pepa bezeichnet.

Der Name rührt daher, dass der 19. März der Patronatstag des Heiligen Josef ist, der Kosename von Josef (José) ist Pepe (vgl. auch den Namen von Joseph Bonaparte, Pepe Botellas), was von p.p. abgeleitet ist der Abkürzung von padre putativo - der Heilige Josef als angenommener Vater von Jesus Christus.

Bis 1814 gelang es - auch im Angesicht des missratenen Russlandfeldzuges Napoleons - die Franzosen mit Hilfe der Briten aus Spanien zu vertreiben.

Fernando VII., nach dem Sturz Napoleons befreit, zeigte sich aber gar nicht begeistert von der liberalen Verfassung und setzte sie wieder außer Kraft, bzw. erklärte sie sogar - einschließlich der Entscheidungen der Junta Suprema - für ungültig. Den Anführer der verdientesten Guerilla-Kämpfer - die für seine Rückkehr gekämpft hatten - ließ Fernando hinrichten und auch die Inquisition ließ er wieder einführen. Der liberale König, der einer konstitutionellen Monarchie vorstehen würde, wie sich ihn die Verfassungsgeber gewünscht hatten, war Fernando eben nicht.

Erst 1820 konnte die Verfassung für drei Jahre (deshalb spricht man auch vom Trienio Liberal) wieder in Kraft gesetzt werden.

Die absolutistische Restauration die Fernando nach seiner Rückkehr durchgesetzt hatte, hatte dazu geführt, dass die Unabhängigkeitsbestrebungen der Amerikaspanier, die sich als Spanier zweiter Klasse fühlten, immer stärker wurden und dass immer mehr Leute der politischen Klasse sich der Unabhängigkeitsbewegung anschlossen.
In Spanien wurden daher mehr und mehr Truppen ausgehoben, um dem Problem militärisch zu begegnen.
1820 waren es dann genau solche Truppen, die in die amerikanischen Kolonien verschifft werden sollten, die den Aufstand wagten und die Verfassung von 1812 mit dem Ruf "¡Viva la Pepa!" wieder in Kraft setzten.

Fernando musste sich dem beugen und regierte die kommenden drei Jahre gemäß der Verfassung von Cádiz.
Die Heilige Allianz (Österreich, Preußen, Russland und Frankreich) beschloss daraufhin, Fernando aus seiner "Gefangenschaft" durch Frankreich befreien zu lassen, woraufhin im April 1823, neun Jahre nach ihrer Vertreibung aus Spanien, erneut französische Truppen (die "Hunderttausend Söhne des Heiligen Louis", so ein spanischer Spottname) die Pyrenäen überquerten.

Erneut war - es zeigte sich schnell, dass die Regierung nicht den Rückhalt aller Militärs hatte, obwohl die Revolution von 1820 aus den Reihen des Militärs ausgerufen worden war - bald Cádiz das Zentrum der Ereignisse, wo Fernando nun tatsächlich festgesetzt wurde. Diesmal gelang es den Franzosen, in der Schlacht von Trocadero (eine Insel in der Bahía de Cádiz), die Spanier zu schlagen und - inzwischen hatte sich die Artillerietechnik weiter verbessert und die Engländer waren auch nicht mehr zur Stelle, wie noch gegen Napoleon - Cádiz zu bombardieren.

Nach drei Wochen des Bombardements wurde Fernando VII., nachdem er das Versprechen einer Generalamnestie gegeben hatte, freigelassen.

Nur eine Woche nach seiner Freilassung, widerrief er die Generalamnestie und ließ wieder einmal viele seiner Gegner hinrichten.

Er lebte und regierte noch zehn weitere Jahre, die in der spanischen Geschichtsschreibung als die dunkle Dekade (Década ominosa) bekannt sind,.
 
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Die Diputierten der verfassungsgebenden Generalversammlung waren in zweierlei Hinsicht fragmentiert: Zum einen in Liberale und Konservative, zum anderen in Europäer und Amerikaner. Insbesondere die Amerikaner waren sehr darauf bedacht, in der Verfassung die Gleichrangigkeit aller Spanier, egal ob Europäer oder Amerikaner und auch egal welcher Hautfarbe durchzusetzen.

Dies wiederum war für die Europaspanier - auch für die Liberalen - ein Problem, denn sie mussten befürchten, nun aufgrund der Bevölkerungsmehrheit in den amerikanischen Gebieten ständig überstimmt zu werden. Die führende Rolle des europäischen Mutterlandes (verbunden natürlichen auch mit den wirtschaftlichen Interessen der europaspanischen Diputierten) war in Gefahr, wenn man zuließe, dass sämtliche Bewohner wählen dürften. So gab es z.B. Versuche, zwischen den castas* zu unterscheiden. Indios und Nachkommen von Indios und Europaspaniern sollten z.B. wahlberechtigt sein, die Nachkommen schwarzer Sklaven dagegen nicht, da sie keine naturales waren, also weder aus Spanien kamen, noch aus Amerika. Letztlich konnten sich hier aber amerikanische Abgeordnete und Liberale durchsetzen.

Viele der amerikanischen Diputierten aus Cádiz nahmen später, nach der Unabhängigkeit der amerikanischen Besitzungen hier erneut an den verfassungsgebenden Versammlungen teil.

Ich kann nur für die mexikanischen Dokumente Acta Constitutiva und die mexikanische Verfassung von 1824 sprechen: Manche der Artikel sind völlig oder beinahe wortgleich zu denen der spanischen Verfassung von 1824, andere erinnern mehr an die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika (die Verfassung der Vereinigten Staaten von Mexiko orientierte sich auch daran), dritte sind eigenständig bzw. stammen aus einem frühen Verfassungsentwurf, der vor der Unabhängigkeit entstand und auch nicht die volle Unterstützung insbesondere des Bürgertums und Adels hatte: der Verfassung von Apatzingán von 1814 (In dieser wurde das Gebiet Nueva España erstmals als México bezeichnet, was bis dahin nur die Stadt México war).

*das Wort erinnert nicht von ungefähr an das indische Kastensystem: Das in Europa bekannte Wort für die Kasten der Hindus stammt vom portugiesischen Wort castas.
 
Es ist übrigens eine sogar in Spanien kaum bekannte Tatsache, dass es im Umfeld der Verfassung von 1812 Wahlen für die Abgeordnete gab.

Da Spanien sich im Krieg und zum großen Teil besetzt befand, kann man dort eher von delegierten als von abgeordneten sprechen, teilweise die einzigen verfügbaren Bürger eine Stadt, die zufällig als flüchtlinge in Cadiz waren.

In dem Amerikanischen Teil des Reiches wurde jedoch gewählt und sogar mit einer erstaunlich hohen Beteiligung. Natürlich ein selektives Wahlrecht welches als Wähler und Gewählte nur Familienväter mit festen Wohnsitz, Eigentum bzw. Grundbesitz und/oder einem Beruf zuliess, jedoch wie EQ schon schrieb, unter diesen Bedingungen auch farbige und Indianer und darunter Kleinbauern und Handwerker.

Das ganze wurde Regional sehr unterschiedlich aufgenommen und durchgeführt, (auch in der Festlegung der erforderlichen Bedingungen) in einigen Zonen wie z.B. Mittelamerika mit einer erstaunlich hohen Beteiligung. Die Enttäuschung war um so größer als dann die Cortes in Cadiz Angst vor der eigenen Courage bekamen und als erstes versuchten, die selber eingeleitete Gleichstellung der "Americanos" wieder zu begrenzen. Damit wurde vermutlich der Unabhängigkeitsbewegung der letzte erforderliche Anschub gegeben.

Vielerorts waren diese ersten Wahlen die letzten in sehr vielen Jahrzehnten. In einigen Ländern kam danach die Unabhängigkeit und die Zeit der Bürgerkriege und Diktaturen, anderorts die spanische Reaktion und Besatzung durch royalistische und konservative Kreise.
 
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Da Spanien sich im Krieg und zum großen Teil besetzt befand, kann man dort eher von Delegierten als von Abgeordneten sprechen, teilweise die einzigen verfügbaren Bürger einer Stadt, die zufällig als Flüchtlinge in Cádiz waren.

Wobei man hier hinzufügen muss, dass es einen Grund gab, warum sich so viele Leute des gehobenen Bürgertums in Cádiz befanden.
Aufgrund der merkantilen Wirtschaftsordnung des bourbonischen Spanien und des zumindest offiziell bestehenden Monopols Cádiz' - welches nach dem Erbfolgekrieg dieses von Sevilla geerbt hatte (das hatte sowohl praktische Gründe, als auch, dass Cádiz im Erbfolgekrieg auf der richtigen Seite, nämlich der der späteren Sieger stand) - hatten die Familien/Handelshäuser, die im Amerikahandel tätig waren, Dependencen und Lagerhäuser in Cádiz. Sie hatten also Unterkünfte und häufig sowieso ein Familienmitglied oder einen Vertreter vor Ort.
 
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