... und erläutern warum jener 100 Jahre funktioniert hat.
Dieser Satz ist durchaus irritierend, wie schon bei Klaus bemerkt. Nur lassen wir mal komplizierte Wissenschaftstheorie hier mal aus.
Der DiaMat ist ganz gut dafür geeignet, ein grobes Erklärungsmodell für die Menschheitsgeschichte anzubieten. Nur ist Geschichte keine Naturwissenschaft und es gibt kein historisches Labor (wiewohl man tatsächlich um 1900 versucht hat, historische Labore einzurichten). Bei einem Versuch in der Chemie oder Physik wirst du unter gleichen Bedingungen immer gleiche Ergebnisse erhalten, eben weil es unabänderliche Naturgesetze gibt. In der Wissenschaftstheorie spricht man hier von der
Wiederholbarkeit/
Reproduzierbarkeit. Bei Menschen allerdings ist das etwas schwieriger. Die haben nämlich die Möglichkeit - anders als die Reaktoren einer chemischen Reaktion - sich zu entscheiden. (Es gibt zwar in der Neurologie Strömungen, die behaupten, dass der menschliche Wille doch nicht so frei sei, aber die sind auch innerhalb der Neurologie nicht unumstritten).
Der HistoMat geht von der Wiederholung historischer Ereignisse aus, er konstruiert historische Notwendigkeiten. Durch technische Fortentwicklung entstehen neue Produktionsverhältnisse die wiederum neue gesellschaftliche Klassen hervorrufen, die einerseits ein Interesse an einer erneuten technischen Fortentwicklung haben und andererseits daran, an der Macht zu partizipieren. Weil aber die alten Klassen ihre Macht nicht abgeben wollen, kommt es zum Konflikt, indem notwendigerweise die neuen Klassen ihren Sieg davon tragen. Vielleicht nicht sofort, aber dauerhaft.
Allerdings schreibt Marx auch: "Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce." (
Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, 1852)
Das Problem ist jetzt - und ich denke, dass dein "erläutern warum er 100 Jahre funktionierte" entweder von dir missverstanden oder missverständlich formuliert wurde - das Marx' Theorie in den Ländern des Ostblocks wie eine naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeit verstanden wurde, und was dazu kam, sie konnte nicht falsifiziert werden weil das quasi einem Sakrileg gleichkam.
Die Falsifizierbarkeit ist seit Karl Popper (das ist eigentlich komplizierte Wissenschaftstheorie, aber ich fasse mich kurz und einfach, auf die Gefahren hin, die Vereinfachungen in sich haben) ein wesentliches Element der Wissenschaftstheorie. Nach Popper ist eine Hypothese, die sich nicht widerlegen lässt, unwissenschaftlich. Nun ließe sich zwar der DiaMat von Marx widerlegen, aber es wurde zwischen 1917 und 1990 in den Ländern des Ostblocks und bis heute bei einigen Parteien nicht zugelassen, die Marx'schen Theorien zu widerlegen. Obwohl Religion abgelehnt wird, hat der Marxismus hier einen streng religiösen Charakter erreicht, der meist die Schriften Marx' und Engels, je nach Strömung auch Lenins, Stalins und Maos umfasst(e).
Sprich: Der DiaMat funktionierte nicht und hat aufgehört zu funktionieren sondern als Erklärmodell hat er immer dieselben Leistungen erbringen können mit immer denselben Schwächen - aber er war eben Staatsdoktrin und ist es heute nicht mehr (allenfalls auf Kuba, in China und Nordkorea - wobei ich um ehrlich zu sein nicht weiß, wie viel die Chinesen und Nordkoreaner von Marx wirklich in ihren Systemen integriert haben).