die 68er

N

Nooomi

Gast
guten abend!

ich schreibe kommenden donnerstag eine klausur über die Brd also ab 49 bis erstmal mitte der 70er, weiter sind wir im unterricht noch nicht gekommen.
Die "68-er Bewegung" ist natürlich auch ein thema. es kann er gut sein, dass ich einen essay schreiben muss, ob die Studentenbewegung DL verändert hat, oder ob es sich dabei nur um eine gruppe naiver pazifisten ging, die nichts auf die beine stellen. ich vertete eigentlich eher die erste meinung. mein opa sagte mir, dass diese "Bewegung" historisch notwenig war, da die leute ja anfingen sachen kritisch zu hinterfragen und zwar in politischen, sozialen, kulturellen bereichen. ich suche jetzt pro und contra argumente. also für pro hätte ich, dass die rolle der frau in der gesellschaft sehr verändert wurde, die beziehung heute zwischen staat und bürger besser ist. aber kann man die 68er bewegung wirklich als so notwenig ansehen? und wie genau endete sie dann, endete sie, weil es immer radikaler wurde und das bloße demonstrieren auf der strasse zu nichts führte? -da fallen mir die notstandsgesetzte ein, diese wurden 68 ja trotz der heftigen proteste im grundgesetz aufgenommen, die regierung ging nicht auf die protestler ein. es wurde radikaler, die RAF kam ja dann mitte der 70er.
aber nochmal, was genau macht die 68er bewegung aus? aus wen genau setzte sie sich zusammen,die APO,aus der SDS?wann genau fing sie an? hat sie etwas wirklich grosses erreicht?

Ich wäre über eure ideen und argumente sehr dankbar-gerne auch von leuten, die damals dabei waren
 
Hallo Noomi,

heute ist es beinahe en vogue, die 68er schlecht zu reden. Mach dir mal Gedanken, warum das so sein könnte.
Interessant wäre es, mal die Rolle deines Opas genauer anzuschauen. Er spricht ja sehr für die 68er. War er selber einer oder ein Sympathisant? Oder vielleicht auch nicht, fand sie aber trotzdem wichtig? (Ich weiß von jemandem, der zeitlebens CDU-Anhänger war und trotzdem auf einer SDS-Demo mitmarschiert ist, als es darum ging, den SDS zu verbieten - er fand den SDS wichtig, auch wenn er dessen Ziele nicht teilte).

Ich möchte dir raten, vernünftig zu schreiben (groß/klein), dann ist die Bereitschaft zu lesen höher und damit steigt auch deine Chance auf Antworten.

EQ
 
Hallo,

und viel Glück.:winke:

es kann er gut sein, dass ich einen essay schreiben muss, ob die Studentenbewegung DL verändert hat, oder ob es sich dabei nur um eine gruppe naiver pazifisten ging, die nichts auf die beine stellen.

Naiv hin oder her, als Pazifisten würde ich "die 68er" pauschal nicht bezeichnen, da gabs zuviele Ausnahme; vgl dazu Schlagworte wie "bewaffneter Kampf (RAF)" oder "Der Friede muss bewaffnet sein!".

ich suche jetzt pro und contra argumente. also für pro hätte ich, dass die rolle der frau in der gesellschaft sehr verändert wurde, die beziehung heute zwischen staat und bürger besser ist. aber kann man die 68er bewegung wirklich als so notwenig ansehen?
(...)
aber nochmal, was genau macht die 68er bewegung aus? aus wen genau setzte sie sich zusammen,die APO,aus der SDS?

Eben: Ist die politische Richtung um den SDS herum gemeint? Die Gruppen, denen es va um eine Veränderung von Leben und Alltag ging, die Kommune 1 an der medialen Spitze? Die Frauenbewegung (in der BRD eher ein Phänomen der 70er), die sich auch deshalb bildete, weil frau auch im SDS gegen patriarchale Wände lief?

Je nachdem, welchen Schwerpunkt man hier setzt, kommt man auch zu unterschiedlichen Ergebnissen, was die Erfolge angeht. ;)

Einige Bsp für gesellschaftliche Veränderungen: In dieser Zeit bzw der Folge wurde die WG erfunden, wurden außereheliche Beziehungen und Kinder entstigmatisiert, wurde ein neues Kapitel der Aufarbeitung der NS-Diktatur aufgeschlagen, das steht außer Frage, und erlebten die Universitäten einen tiefgreifenden Wandel.

Haben "die 68er" damit ihre Ziele erreicht? Einige Ziele durchgesetzt? Oder sind sie völlig gescheitert?

Zum Abschluss ein Satz aus einem Roman:

"Ohne die 60er Jahre wären die 50er nie zu enden gegangen."

So betrachtet sieht es zumindest nach einer mathematischen Notwendigkeit aus. =)
 
Naiv hin oder her, als Pazifisten würde ich "die 68er" pauschal nicht bezeichnen, da gabs zuviele Ausnahme; vgl dazu Schlagworte wie "bewaffneter Kampf (RAF)" oder "Der Friede muss bewaffnet sein!".

Die Frage ist natürlich, ob es tatsächlich eine Direktverbindung von 68 zur RAF gibt. Und hätte es die Entwicklung ohne den Tod Ohnesorgs und das Attentat auf Dutschke überhaupt gegeben? Was wäre passiert, wenn der Staat damals nicht so unentspannt auf die Spaßguerilla ("Puddingattentat") und ähnliche harmlose Dinge reagiert hätte? Oder haben wir es hier wieder bloß mit einem Master Narrative zu tun? Sicher, viele der 68er haben peinlicherweise Phasen gehabt, in denen sie mit der RAF insgeheim oder offen sympathisierten. Dennoch: 1968 ist nicht 1977 und 1977 ist nicht ohne die Dinge zu erklären die 1967/68 schief gelaufen sind - nämlich das Langhaarige sich wie Freiwild fühlen mussten, auch wenn das vielleicht eine völlig überzogene Wahrnehmung gewesen sein mag.
Der Slogan "Der Friede muss bewaffnet sein!" ist mir aus der 68er-Ecke unbekannt, ich kenne ihn bloß aus der DDR. Eher "Macht kaputt, was euch kaputt macht!"
 
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antwort

Danke für die Antworten. ja, ich weiss ich hätte mich mehr konkretisieren müssen. Auf gesellschaftlicher ebene haben sie auf jeden fall veränderungen gebracht und auch auf politischer. man kann das jahr 68 eigentlich als zweite demokratische staatsgründung deuztschlands ansehen, diesmal nur mit "echten" demokratischem volk.
Mein Opa war damals erst 17 aber hat hat mitgemacht bei Anti-Vietnam-Demos in Heidelberg und war eindeutig ein Aussteiger. "Macht kaputt was euch kaputt macht" das kommt doch von Rio Reiser oder? Genauso wie "Keine macht für Niemand"
Bin mal gespannt ob das in meiner Klausur drankommt. Und wenn nicht, auch nicht schlimm, ich interessiere mich eben sehr für die 60er was vllt. daran liegt, das die musik die ich am liebsten hör aus der zeit kommt..Bob Dylan, The Doors..
Naja, aber lieben Dank trotzdem für eure Antworten.
 
Die Analyse der gesellschaftlichen Situation der Bundesrepublik durch die APO, die glaubte, einen neuen Faschismus heraufziehen zu sehen, erscheint in heutiger Rückschau grotesk verzerrt. Dabei wird häufig vergessen, dass es in den späten 60er Jahren ein beträchtliches Anwachsen des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik gab. Die NPD schaffte zwischen 1966 und 1969 den Einzug in die Landtage von Hessen, Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Im April 1968, kurz nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke, bekam sie bei den Wahlen in Baden-Württemberg fast 10 % der Stimmen. Bei den Bundestagswahlen 1969 scheiterte sie nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. 1966/67 gab es den ersten leichten wirtschaftlichen Einbruch nach Jahren stürmischen Wachstums. Noch hatte die kaum 20 Jahre alte Bundesrepublik keine ernsthafte Krise erlebt.

Bundeskanzler war das ehemalige NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger, in der Justiz und der Lehrer- und Hochschullehrerschaft wimmelte es noch von Altnazis. Seit 1966 regierte eine Große Koalition, die über 90% der Abgeordneten im Bundestag hinter sich hatte, in einer Demokratie eigentlich eine völlige Anomalie, und diese Regierung verabschiedete ein Gesetz, dass für den Krisenfall die Einschränkung von Grundrechten vorsah.

Die Radikalisierung der damaligen jugendlichen Protestbewegung ist wirklich nur verständlich vor dem Hintergrund der aggressiven Intoleranz, der sie bei großen Teilen der älteren Generation und selbst bei manchen Gleichaltrigen begenete. Demonstranten wurden als 'Asoziale' und 'Gammler' beschimpft. Dutschke wurde schon vor dem Attentat von 1968 tätlich angegriffen. Dazu kam die internationale Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg. Die Beschwörung westlicher Werte von Freiheit und Demokratie mußte auf viele junge Leute wie Hohn wirken, wenn man im Fernsehen zu sehen bekam, wie amerikanische Bomber Napalm auf Frauen und Kinder abwarfen.

Die Studentenbewegung erreichte ihren Höhepunkt im Frühjahr 1968 und zerfiel dann sehr rasch in zahlreiche Grüppchen. Ein Teil verschrieb sich einem doktrinären Marxismus-Leninismus, woraus die unübersehbare Viefalt der winzigen K-Grüppchen der 70er Jahre hervorging, die sich hauptsächlich gegenseitig mit dem Vorwurf des 'Revisionismus' und 'Renegatentums' beharkten. Es gab die Sponti-Bewegung, andere gründeten autarke Landkommunen, Dritte-Welt-Läden oder alternative Fahrradwerkstätten.

Vielleicht war es unvermeidlich, dass eine kleine Gruppe in völliger Verkennung der gesellschaftlichenn Realität der Bundesrepublik meinten, die Guerillakampftheorien Che Guevaras und Mao Tse Tungs ("Den Krieg in die Metropolen tragen", "Schafft zwei, drei, viele Vietnams!") auf dieses Land anwenden zu können und in den terroristischen Untergrund gingen. Dies war jedoch eine winzige Minderheit. Typischer erscheint mir, dass sich die Mehrheit der rebellierenden Jugend auf die eine oder andere Weise wieder in die bundesrepublikanische Gesellschaft integrierte. Nach der Regierungsübernahme 1969 konnte die SPD einen enormen Zustrom junger Mitglieder verzeichnen und erreichte 1973 den historischen Höchststand ihrer Mitgliederzahl.

Wir wissen heute, dass die Entwicklung nach 1968 ganz anders verlief, als viele damals befürchteten. 1969 wurde der ehemalige Emigrant Willy Brandt Bundeskanzler und leitete eine Reformpolitik ein, die das Land in vielen Bereichen modernisierte und liberalisierte. Von der neomarxistischen Gesellschaftsanalyse, wie sie der 'harte Kern' der APO um den SDS propagierte, hat bis heute wenig überlebt. In ihren konkreten Zielen, insofern sie auf so etwas wie ein sozialistisches Rätesystem abzielte, ist die APO in der Tat komplett gescheitert. Mentalitätsgeschichtlich diffundierte aber vieles, was sich nach 1968 in der Frauen- Umwelt- Schwulen- oder Friedensbewegung artikulierte, minus den utopistischen Überschwang und pragmatisch gewendet, in die bundesdeutsche Mehrheitgesellschaft hinüber.
 
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Man darf bei der Analyse der deutsche Studentenbewegung nicht aus den Augen lassen, dass es parallel in den USA und z. B. in Frankreich ähnliche Bewegungen gab, obwohl dort der geschichtliche Hintergrund - insbesondere im Hinblick auf die Zeit des 2. WKs - ein völlig anderer war.

Ich sehe die 68er-Bewegung zunächst als Generationswechsel an. Die Nachkriegsgeneration war unter anderen Lebensumständen und technischen Möglichkeiten aufgewachsen und hielt daher andere Ziele und Werte für wichtig als ihre Elterngeneration.
 
Danke danke nochmal, habe ein paar eurer ansichten heute einfach in meiner Klausur übernommen! Hab mich über das thema echt eingelesen und bücher gewälzt wie noch was.
 
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