@dekumatland war so freundlich Interesse an meinen Ausführungen zu bekunden. Das freut mich. Deshalb dann noch ein paar Zeilen zur Endphase der Krise, wo "nur" noch die serbische Frage erhebliche Schwierigkeiten bereitete.
Die Endphase der Krise gestaltete sich auch vor allem deshalb so schwierig, weil die Briten, die kein Bündnis mit Russland oder Serbien unterhielten, sich russischer als die Russen verhielten.
Der Zar wollte per se nichts von Bülows Forderung hören, die Serben doch bitte an die kurze Leine zu nehmen. Im Gegenteil, er versicherte den serbischen Ministerpräsidenten Pasic , das er nicht gewillt sei die Annexion der beiden Provinzen durch Wien zu dulden. Das war genau das Stichwort, welches Pasic zu Beginn der Krise zu hören wünschte.
Serbien mobilisierte, im gleichen Atemzug mit seinem internationalen Geschrei, seine Reservisten und verlegte dann seine Truppen an die Grenze zu Österreich.
Österreich-Ungarn reagierte entsprechend und verstärkte seine Truppen an der Grenze beträchtlich.
In Galizien standen sich dann später diverse Truppen der Russen und der Monarchie gegenüber.
Serbien sah seine eigenen Wunschträume durch die Annexion der beiden Provinzen durch Österreich-Ungarn geplatzt. Ansprüche, gar rechtliche, hatte es nicht zu stellen. Es war keine Signatarmacht des Berliner Vertrages, noch wurde serbisches Territorium annektiert. Trotzdem wurde ordentlich Lärm gemacht, gezündelt und Unruhe verbreitet.
Wien hatte sich zwischenzeitlich mit Konstantinopel verglichen; ebenso Sofia mit Konstantinopel. Damit war der eigentlich der unmittelbare Anlass der Krise beseitigt. Aber nicht für Serbien und Montenegro. Die sollten für ihren “Krawall” noch entlohnt werden.
Österreich-Ungarn verlangte, sichtbar gereizt, nunmehr von Serbien, das es an der Grenze “abrüste” und schriftlich unmissverständlich zum Ausdruck bringt, das es die Annexion akzeptiere, dies auch künftig tun werde und eine freundschaftliche Politik gegenüber der Monarchie fahre.
Belgrad wollte aber erst nach der Anerkennung der Annexion durch die Großmächte diese selbst anerkennen.
Hierbei erfuhr Belgrad die nachdrückliche Unterstützung Petersburgs und mittelbar die Londons.
London war partout nicht willens, obwohl es eine, ganz im Sinne von London, Einigung zwischen Wien und Konstantinopel erzielt worden war, diese anzuerkennen, sondern verlangte, dass erst das serbische Problem vorher gelöst werden muss. Die Krise köchelte nun schon bald 7 Monate vor sich hin
Das muss man sich jetzt einmal genau überlegen. Serbien war ein Kleinstaat, dem es gefiel, mit russischer Rückendeckung, absurde Ansprüche, für die es überhaupt gar keine Rechtsgrundlage gab, zu formulieren und somit eine Großmacht massiv herauszufordern. Es gab eigentlich gar kein serbische Problem; es wurde durch Belgrad mit Unterstützung von Petersburg und nicht zuletzt London erst geschaffen.
In dieser Situation verloren Bülow und Aehrenthal schließlich die Geduld. Aehrenthal machte gegenüber Grey massiven Druck, in dem er ausführte, die offene Frage sei eine Angelegenheit zwischen der Monarchie und Serbien. Wien könnte sich entschließen selbstständig gegen Serbien vorzugehen. Das war wohl eher eine Kriegsdrohung als die Ausführung von Bülow.
Iswolsky wich dessen diplomatischen Druck. Die Briten aber noch nicht. Im Foreign Office war sehr verärgert über Iswolsky.
Die Briten trugen durch ihre unnachgiebige Unterstützung der Russen und somit eben auch der Serben, ja sie weigerten sich entsprechend Druck auf Belgrad auszuüben, zu den verschärften Spannungen bei und standen damit auch im Gegensatz zu Frankreich.
Der deutsche Militärattaché Kageneck meldete, das Aehrenthal und der Kriegsminister ihre bisherigen Bedenken gegen einen Krieg hätten fallen lassen. Den Angriff beabsichtigte Aehrenthal aber nicht. Vielmehr rechnete er damit, das Belgrad die Nerven verlor.
Am Abend des 28.März riet Grey schließlich Serbien einzulenken, aber erst nachdem auf der Ebene der Großmächte die Entscheidungen zugunsten Wiens ausgefallen waren.
Die Parallelen mit der Julikrise sind nicht zu übersehen.