Die deutsche Ostexpansion

florian17160

unvergessen
Ein Artikel von Ronald Schumacher, den ich euch nicht vorenthalten will.
Schreib ich aus dem ND vom 9.10. 2004 ab
Die deutsche Ostexpansion.anno929

Das Jahr 929 war für das Land an der Elbe, Havel und Saale ein schweres Jahr.Es begann mit einem harten Winter, der viele Flüsse zufrieren ließ. Doch das sollte erst der Beginn von vielen schweren Entbehrungen sein.Schon das zweite Jahr zog der deutsche König Heinrich I. mit seinem Heer durch die Lande und versuchte mit Feuer und Schwert die westslawischen Gebiete für das junge deutsche Reich zu erobern.
Seit sich zum Ende des 8. jahrhunderts die slawischen Stammesverbände der Wilzen und Obodriten herausgebildet hatten, ließ das ostfränkische Reich nichts unversucht, diese Bündnisse zu verhindern oder die Stammesverbände zumindest zu schwächen. Mit politischen und militärischen Mitteln wollte man der Herausbildung frühstaatlicher Organisationsformen unter den slawischen Stämmen an der Ostgrenze des Frankenreiches verhindern.
928 hatte die erste Etappe der frühdeutschen Ostexpansion begonnen. König Heinrich I. überschritt die Elbe und drang mit seinem Heer erfolgreich in die Gebiete des slawischen Stammesverbandes der Wilzen vor. Im Spree- Havel- Gebiet schluge er die dort wohnenden Heveller. im Winter 928/929 belagerte er Brenabor. Diese Fürstenburg der Heveller, die später den Namen Brandenburg erhalten wird, war strategisch äusserst günstig auf einer Insel in der Havel erbaut worden, die spätere Dominsel.Doch die im Sommer strategisch ausgezeichnete lage, wurde ihr im Winter zum Verhängnis. Die zugefrohrene havel bot der Burg keinen natürlichen Schutz mehr. Dennoch dauerte die Belagerung noch 4 Monate, bis Heinrich den stark befestigten Fürstensitz durch Hunger, Kälte und Schwert erobern konnte. Die verteidiger wurden gefangen genommen, der hevellische Stammesfürst Tugumir ward als Geisel an den Hof des Königs gebracht.
Im weitern Verlaufe des Jahres 929 wandte sich Heinrich elbaufwärts und kämpfte gegen die zwischen Elbe und Saale lebenden Daleminzier. Nach 30 Tagen Belagerung wurde deren Stammezentrum, die Burg Gana, erstürmt. Die männlichen Verteidíger erschlug man, Frauen und Kinder wurden in die Gefangenschaft verschleppt. Thietmar von Merseburg, sächsischer Geschichtsschreiber und Bischof, berichtet, dass an einem wichtigen Elbübergang Heinrich I. in diesem Jahr auch die Burg Meißen errichten ließ. Sie diente als militärischer Stützpunkt für dir Kämpfe gegen die Milzener in der Oberlausitz. in den folgenden Jahren gelangen Heinrich weiter Siege über die Lusizer und Milzener in der Nieder- und Oberlausitz. Thietmar von Merseburg berichtet von der Burg Liubusua, die im Jahr 932 zerstört wurde( wahrscheinlich in Luckau, Niederlausitz). Zum Ende der Regierungszeit König Heinrich I. mussten die meissten westslawischen Stämme die militärische Überlegenheit anerkennen. Ihre Abhängigkeit wird im wesentlichen in einer Tributpflicht bestanden haben.
Die Unterwerfung der slawischen Gebiete war aber weder vollständig noch entgültig. Schon im Sommer 929 kam es unter den zum Stammesverband der Lutizen gehörenden Redariern zu einem Aufstand gegen die deutsche Herrschaft. Sie überschritten die Elbe und drangen bis in die Altmark vor. Im herbst 929 kam es zur Entscheidungsschlacht bei Lenzen an der Löcknitz.Eine slawische Burg schützte dort einen Elbübergang und galt als wichtiger Handelsplatz zwischen Franken und Slaven. Der sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvvey berichtet in seiner " Sachsengeschichte" über diese Schlacht. Anfangs schien der Kampf günstig für dir Redarier zu verlaufen. Lange Zeit konnten sie den Angriffen des von den Adelsleuten Bernhard und Thietmar geführten deutschen Heeres standhalten. Erst als die fränkische Panzerreiterei in die Schlacht eingriff, wurde der Kampf gegen das Heer der Slawen zu Gunsten der Deutschen entschieden. 940 geriet auch das Gebiet zwischen mittlerer Elbe und Oder in deutsche Abhängigkeit. Die deutsche Herrschaft schien auf Dauer gesichert zu sein. Doch im Sommer 983 beseitigte ein erneuter großer Aufstand der Stammesverbände der Lutizen und der Oboriten- für immerhin mehr als 150 Jahre- die Vorherrschaft des deutschen Feudalstaates in den westslawischen Gebieten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was sagt uns dieser Beitrag aus dem ND?
Er kommt im Gewand der historischen Unschuld daher und verbirgt fast seine ideologische Absicht. Spätestens der Schluss des Artikels lässt die Katze aus dem Sack:

ND schrieb:
Doch im Sommer 983 beseitigte ein erneuter großer Aufstand der Stammesverbände der Lutizen und der Oboriten- für immerhin mehr als 150 Jahre- die Vorherrschaft des deutschen Feudalstaates in den westslawischen Gebieten.
Der deutsche Feudalstaat von 983?

Interessant, weil nicht rechercherbar, wäre die Frage, ob es sich hier einen einzelnen Beitrag handelt oder um die als Fortsetzungsserie konzipierte marxistische Darstellung der Entstehung des deutschen Feudalstaates .
 
Mercy schrieb:
Was sagt uns dieser Beitrag aus dem ND?
Er kommt im Gewand der historischen Unschuld daher und verbirgt fast seine ideologische Absicht. Spätestens der Schluss des Artikels lässt die Katze aus dem Sack:

Der deutsche Feudalstaat von 983?

Interessant, weil nicht rechercherbar, wäre die Frage, ob es sich hier einen einzelnen Beitrag handelt oder um die als Fortsetzungsserie konzipierte marxistische Darstellung der Entstehung des deutschen Feudalstaates .
Hallo Mercy,

was meinst du mit historischer Unschuld, ideologischer Absicht und Katze aus dem Sack ? Woran erkennt man bei diesem Artikel, daß es sich um eine marxistische Darstellung der Entstehung des deutschen Feudalstaates handelte ?
Ich verglich den Artikel mit den heute offiziell im Geschichtslehrbuch für Berliner Oberstufen abgedruckten Texten (Stand 1998). Da finde ich keinen Unterschied.
 
ja gut, ich mach mir immer den Spass und kaufe mir Sonnabends das ND. Da kriege ich auch meine Fragen für das Allgemeinwissensquiz her. das läuft alles unter der Rubrik Geschichte. Auch der letzte Artikel. Ich kann da beim besten Willen nichts konterrevolutionäres rauslesen.

Aber, soll es jeder nehmen, wie er es braucht. ich hab mir eine Stunde lang die Finger wund getippt, weil ich es für einen sachlichen Beitrag hielt
 
Strupanice schrieb:
Hallo Mercy,

was meinst du mit historischer Unschuld, ideologischer Absicht und Katze aus dem Sack ? Woran erkennt man bei diesem Artikel, daß es sich um eine marxistische Darstellung der Entstehung des deutschen Feudalstaates handelte ?
Ich verglich den Artikel mit den heute offiziell im Geschichtslehrbuch für Berliner Oberstufen abgedruckten Texten (Stand 1998). Da finde ich keinen Unterschied.
Gab es 983 schon den Begriff "Feudalstaat"?
 
Der Begriff Feudalstaat bezieht sich auf ein Staatswesen, welches im allgemeinen auf das Lehnswesen gestützt ist.
Der Feudalismus (der Begriff ist im 17. Jh. für diese Charakterisierung dieser Gesellschaftsform entstanden) ist die Bezeichnung für die hoch- und spätmittelalterliche Gesellschaftsordnung, die auf dem Lehnswesen gründete und sich dadurch auszeichnete, dass der Monarch eine freie, adelige Oberschicht durch das Lehnsrecht mit Grundherrschaften und verschiedenen Hoheitsrechten ausstattete.
Die lehnsrechtlich bestimmte Gesellschaft war streng hierarchisch gegliedert und wurde durch gegenseitige Treuebeziehungen zusammengehalten.

Das Lehnswesen ging als Synthese aus der römischen clientela und dem germanischen Gefolgschaftswesen hervor.
Es entwickelte sich mit der Änderung der Wehrverfassung im 7./8. Jahrhundert im Frankenreich: Das Aufgebot aller Freien im Volksheer wurde abgelöst durch ein ständig verfügbares, besser ausgerüstetes Reiterheer aus Berufskriegern.

Somit würde ich kühn behaupten, daß das deutsche Reich von Beginn an ein Feudalstaat war.
 
Strupanice schrieb:
Somit würde ich kühn behaupten, daß das deutsche Reich von Beginn an ein Feudalstaat war.
getreu der marxistisch-leninistischen Lehre, wonach auf den Sklavenhalterstaat der Feudalstaat folgt.
 
Ich finde die Art der Formulierung auch DDR/ND-typisch. Das liegt nicht mal so sehr an sachlichen Fehlern, sondern mehr an der Art wie es geschrieben wurde.

Nachdem man den Artikel gelesen hat, findet man die (West-)Deutschen böse und die Slawen, die Vorfahren der Ostdeutschen und das Brudervolk der UDSSR, gut und unterdrückt. Da ist es doch toll, dass sie sich für 150 Jahre aus der Knute der Deutschen befreien konnten.

Abseits dieser unterschwelligen Intention, die man für sich ja herausfiltern kann, finde ich die Fakten ganz interessant.
 
Welche Ironie, dass Tugumir der "Der der traurige über den Frieden ist" geschlagen wird!
 
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Mercy schrieb:
getreu der marxistisch-leninistischen Lehre, wonach auf den Sklavenhalterstaat der Feudalstaat folgt.

Also Lenin hat mit dieser These nun gar nichts zu tun!
Da kam das KArlchen schon selbst drauf!
 
Andronikos schrieb:
Abseits dieser unterschwelligen Intention, die man für sich ja herausfiltern kann, finde ich die Fakten ganz interessant.
Die Fakten sind es ja nicht, die anzuzweifeln wären; die sind bekannt.
Der Artikel ist vermutlich in eine Serie eingebunden, isoliert also nicht so einfach zu bewerten. Worauf ich aber noch hinweisen will, ist der historische Kontext.
Der Feldzug Heinrichs I 928/29 steht zwischen 922 (Feldzug gegen die mit den Ungarn verbündeten Daleminzer) und 933 (Sieg Heinrichs über die Ungarn an der Unstrut)
Damit wird ein politsches Programm sichtbar.
 
Hallo,
Nun, ich bin mir nicht so ganz sicher, wer hier ideologische Winkelzüge betreibt.
Feudalstaat hin, Feudalstaat her. Was war denn das deutsche Königreich dann, wenn kein Feudalstaat ? Hier wird das Lehnswesen als eine Verteufelung seitens des marxistischen Weltanschauung dargestellt. Die Analyse des Überganges von der Sklavenhaltergesellschaft und der spätgentilen Ordnung als ein Gemisch, wie es im Frankenreich vorhanden war, zum sogenannten Feudalismus wurde seit dem 17. Jh. betrieben. Der Begriff entstand in Frankreich. Was hat also die Entstehung dieser Analyse mit marxisitischer Weltanschauung zu tun, die sich erst im 19. Jh. im "bürgerlichen" Europa herausbildete?

Ich glaube eher, daß hier einfach alte "Feindbilder" aus der Zeit des kalten Krieges so tief eingebrannt sind, daß man jede Andeutung, die von der jeweiligen "anderen Seite" kommt, als verdächtig ansieht, bewusst ideologische Interessen zu verbreiten.

Wie das Feudalwesen entstanden ist, habe ich doch kurz erläutert. Diese Erklärung findet sich in allen, wenn man so will, "bürgerlichen" allgemeinen Geschichtswerken.

Das sich die westslawischen Völker von der deutschen Feudalherrschaft 983 befreien konnten, ist doch historischer Fakt. Ob nun die innerhalb dieser Stämme herrschende Gesellschaft besser war, sei dahingestellt. Dabei ging es nicht um den Kampf gegen das gemeine Volk im deutschen Reich, sondern gegen die Fremdherrschaft, die vom deutschen Königshaus und der römisch-katholischen Kirche ausging. Es war ebenso ein Freiheitskampf gegen den entstehenden polnischen und dänischen Feudalstaat, die mit dem deutschen Feudalstaat mehrfach im Bunde waren. Es ging um die Aufteilung der noch verbliegenen Gebiete. Dies bewirkte bei den eher lose von einander lebenden Stämmen eine Bildung von Stammesverbänden bis hin zu Ansätzen zweier Nationalstaaten (ebenfalls auf Grundlage der feudalen Ordnung). Ähnlich der "Bekehrung" der Sachsen einige Jahrhunderte zuvor, wurde vor allem von Seiten des deutschen Königs ein Vernichtungsfeldzug gegen die Zivilbevölkerung unternommen. Nach 1150 waren große Gebiete völlig entvölkert. Bei dem Bündnis der Daleminzer mit den Ungarn war den Daleminzern wohl oder übel nicht viel Spielraum übrig geblieben. Die zwischen den entstehenden feudalen Großreichen übriggebliebenen westslawischen Stämme waren ein Spielball und wurden von allen Seiten herumgeschupst. Der aggressivste Gegenspieler war nun mal der deutsche Feudalstaat.

Übrigens die Daleminzer hatten 983 schon nicht mehr die Möglichkeit, an dem Aufstand teilzunehmen, da die Bildung eines Nationalstaates in den sorbischen Gebieten durch die frühe Errichtung der deutschen Oberhoheit dort nicht mehr zum Tragen kam. Andererseits kann man von Glück reden, daß sie es nicht mehr konnten, denn dadurch war es ihnen weit mehr möglich im Landesausbau mitzuwirken, der in Daleminzien (sprich Mark Meißen) bis ins 12. Jh. fast ausschließlich durch sorbische Siedler unter der Führung deutscher Afterlehnsmänner vorangetrieben wurde. Hingegen wurden die Liutizen und Obodrizen durch die fast jährlichen Kriegszüge immer stärker dezimiert. Im 12./13. Jh. wurde die slawische Sprache unter Androhung von Todesstrafe in der Regel verboten. In einigen wenigen Gebieten konnten sich noch vereinzelt Dialekte halten, vor allem in den Gebieten der böhmischen Lehnshoheit (siehe Lausitz).

Hier eine Parallele zwischen "bösen Westdeutschen" und "guten Ostdeutschen" zu ziehen, ist wohl eher Wunschgedanke unseres hochverehrten Bundespräsidenten und völlig fehl am Platze.
 
Mercy schrieb:
Die Fakten sind es ja nicht, die anzuzweifeln wären; die sind bekannt.
Der Artikel ist vermutlich in eine Serie eingebunden, isoliert also nicht so einfach zu bewerten. Worauf ich aber noch hinweisen will, ist der historische Kontext.
Der Feldzug Heinrichs I 928/29 steht zwischen 922 (Feldzug gegen die mit den Ungarn verbündeten Daleminzer) und 933 (Sieg Heinrichs über die Ungarn an der Unstrut)
Damit wird ein politsches Programm sichtbar.
Mein Gott, was habe ich da jetzt losgetreten. wollte ich gar nicht. Mercy, es war nur ein Einzelbeitrag. Die Überschrift lautete" Anno 928" ich wollte weder Klassenkampf, noch was weiss ich provozieren. Ich fand das einfach nur interessant. Und am Sonnabend kauf ich mir das Blatt wieder. da sind immer drei Seiten Geschichte drin. Mal sehen, was dann wieder herausgelesen wird. Hätte ich Frankfurter Rundschau geschrieben, hätte sich nicht einer zu Wort gemeldet
 
Zuletzt bearbeitet:
florian17160 schrieb:
Richtig, habe ich nicht aufgepasst. Vieleicht kann es ein Moderator verschieben
Ich habe es mal in die Rubrik "Das Deutsche Reich" verschoben, da scheint es am ehesten zu passen.
 
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