Die drei Gleichen und ein (angebliches) Wetterphänomen

Dieses Thema im Forum "Sonstiges im Mittelalter" wurde erstellt von El Quijote, 30. August 2018.

  1. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Die drei Gleichen sind allen, die schon mal über die A4 durch Thüringen gefahren sind, bekannt. Drei Burgen auffällig nah beieinander auf drei Bergen bzw. Hügeln gelegen. Eine davon heißt tatsächlich Burg Gleichen und naheliegend ist, dass auch die beiden anderen Burgen (Mühlburg und Wachsenburg) daher ihren Namen haben, eben durch eine Art volketymologischer Umdeutung, welche Burg Gleichen mit gleich(aussehend) - Entschuldigung! - gleichsetzte.

    Nun heißt es bei Wikipedia:

    Der Sage nach entstand der Begriff Drei Gleichen nach dem Einschlag eines Kugelblitzes am 31. Mai 1231, nach dem die Burgen wie drei gleiche Fackeln gebrannt haben sollen.​

    Abgesehen davon, dass ich das Phänomen des Kugelblitzes noch nicht ganz verstanden habe: Kennt jemand diese Sage und ihren historischen Hintergrund?
     
  2. Riothamus

    Riothamus Aktives Mitglied

    Aus Thüringen kenne ich die Sage, dass ein Ritter drei gleiche Burgen für seine Frau und seine Geliebten baute, um keine zu benachteiligen...

    Da habe ich mich auch immer nach dem Alter und der Herkunft der Sage gefragt.
     
  3. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Da die drei Gleichen alle aus verschiedenen Zeit stammten und z.T. gar nicht gleichzeitig in Funktion waren, kann man dergleichen natürlich gleich ad acta legen.
     
  4. Riothamus

    Riothamus Aktives Mitglied

    Ja, mir ging es eigentlich darum, ob es nicht eine recht junge Sage ist...
     
  5. Galeotto

    Galeotto Aktives Mitglied

    Die hat wahrscheinlich der thüringer Tourismusverein erfunden.
     
  6. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Nein.

    Der Blitzschlag (allerdings kein "Kugelblitz") wird in Chroniken des 14. Jahrhunderts berichtet.

    Cronica S. Petri Erfordensis moderna:
    "Hoc eciam anno II. Kal. Iunii in Turingia in tribus castris, scilicet Glichen, Wassenburc et Mulburc, turres et propugnacula uno fulmine pariter succensa succendebantur."
    dMGH | Band

    Oder auf Deutsch in der Erfurter Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik:

    "Des selbin jares in deme sommere da quam ein blicz unde brante zue Doringen an desen drien borgen, die bie einander lin, Glichen, Waßenbuerg, Molbuerg, die torme unde die zinnen abe"

    dMGH | Band | Scriptores [Geschichtsschreiber] | Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi (SS rer. Germ.) | [42]: Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV. | Chronici Saxonici continuatio (Thuringica) Erfordensis
     
    Zuletzt bearbeitet: 31. August 2018
  7. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Erfunden ist die Behauptung, der Begriff "Drei Gleichen" habe etwas mit dem für 1231 berichteten Blitzschlag zu tun, denn der Name ist nachweislich wesentlich älter.

    Die Burg Gilichi wird bereits in einer Urkunde aus dem Jahr 1089 genannt:
    RI III,2,3 n. 1308, Heinrich IV., 1089 Dezember 12, Gleichen : Regesta Imperii

    Der Wiki-Artikel zur Burg Gleichen behauptet:
    Ersteres ist irreführend: Die Reinhardsbrunner Chronik nennt zwar für das Jahr 1034 einen Grafen "de Glychen". Die Chronik wurde aber erst Mitte des 14. Jahrhunderts kompiliert, der Ortsname dürfte ein späterer Zusatz sein:
    dMGH | Band

    Zweiteres halte ich für Quatsch.


    Entschuldigung, aber es könnte genau umgekehrt gewesen sein: Die Berge könnten schon seit alters her "die Gleichen" genannt worden sein, der Name dann an der (zeitweise) bedeutendsten Burg hängengeblieben sein.

    "Gleiche Berge" gibt es auch anderswo, z. B. die Gleichberge bei Römhild, "für das J. 867 als montes ... similes bezeugt."
    Reallexikon der germanischen Altertumskunde

    Oder bei Göttingen:

    "Die im 12. Jh. erbauten zwei Burgen auf den Bergen Gleichen waren seit 1235 im welfischen Besitz, kamen jedoch 1270 an die von Uslar(-Gleichen); Alten-Gleichen blieb im Besitz der Familie, während Neuen-Gleichen 1451 an Hessen verkauft wurde; beide adlige Gerichte fielen 1815 bzw. 1816 an Hannover. II. 1118–37 Lichen [F. 13. Jh., Kop. 15. Jh.], 1196 Gelichen; Gleichen (um 1588). III. Der Name beruht auf dem App. mnd. līk, mhd. līch ‘gleich’, das neben gleichbedeutendem mnd. g(e)līk, mhd. g(e)līch steht und im Namen substantiviert ist."​

    Deutsches Ortsnamenbuch
     
    dekumatland und jchatt gefällt das.
  8. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Ich will da den Wiki-Artikel nicht verteidigen, aber zumindest ist Clach/Clachan im schottischen Gälisch der 'Stein'/die 'Steine'. Jetzt will ich mich mit einer vagen phonetischen Ähnlichkeit nicht zufrieden geben, aber ganz abwegig scheint mir das auf den ersten Blick nicht.
     
  9. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Wobei es sich bei dieser Urkunde um eine "Fälschung von einer Hand des 12. Jhdts." handelt. Der Bearbeiter der Urkunde, Dietrich von Gladiss, meint allerdings:

    Immerhin darf vermutet werden, daß der Fälscher sein Machwerk zu 1089 eingereiht sehen wollte. Da die Belagerung der Burg Gleichen tatsächlich im Herbst 1088 stattfand, muß unterstellt werden, daß der Fälscher von ihr nur eine ungenaue Kenntnis hatte.

    MGH DD H IV (Bd. II), S. 541.​
     
  10. LEG XVII

    LEG XVII Aktives Mitglied

  11. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Ui, das hatte ich tatsächlich übersehen.
    Die Belagerung zog sich bis Weihnachten 1088 hin. Da Weihnachten als Jahresanfang galt, wird das Ereignis von den alten Chronisten unter dem Jahr 1089 verbucht.

    Dann müssen wir an die Ersterwähnung noch ein paar Jahre dransetzen; bei Frutolf von Michelsberg / Ekkehard von Aura wird die Burg jedenfalls auch schon namentlich erwähnt. In jedem Fall liegen wir da deutlich vor 1231.
     
  12. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Zumindest gibt es m. W. kein keltisches "glich". Daher halte ich die Aussage für nach wie vor für Quatsch.


    Es gibt Gälisch clach, das kommt aus dem Altirischen cloch, aber der Burgname ist sicher weder aus dem Gälischen noch aus dem Altirischen abzuleiten.
    Aus den inselkeltischen Formen lässt sich eine Proto-Form *klukā rekonstruieren. Falls wir diese als Ausgangsbasis nehmen: Welche hypothetischen Zwischenschritte wären erforderlich, damit sich daraus gilīchī > gelīchen > Gleichen ergibt?

    Ein festlandskeltisches Pendant zu *klukā ist nicht nachweisbar. Ob ein solches jemals existiert hat, ist fraglich. Ranko Matasović zählt das Wort jedenfalls zu den Kandidaten für Substratwörter im Inselkeltischen:

    "If all of those words with possible or probable cognates in Continental Celtic, or other IE languages are excluded, we are left with only 38 words shared by Brythonic and Goidelic without any plausible IE etymology. These words belong to the semantic fields that are usually prone to borrowing, including words referring to [...] elements of the physical world (PCelt. *liro- ‘sea’, cf. OIr. ler, MW llyr, PCelt. *klukā ‘stone, rock’, cf. OIr. cloch, MW clog, Co. clog)."​
    http://www.jolr.ru/files/(101)jlr2012-8(160-164).pdf

    Auf der anderen Seite ist ein festlandskeltisches Wort *akaunon - seinerseits wiederum ohne inselkeltische Kognaten - wohlbekannt; die Bedeutung 'Stein, Fels' ist durch Glossen (Plinius, Marcellus Empiricus) gesichert. Auf dieses Wort lassen sich tatsächlich Ortsnamen zurückführen: Acaunum (Saint Maurice, Schweiz), Acunum (Montélimar) und wohl auch der Bergname Hohe Acht (Eifel, im 12. Jh. als "ad montem achon" erwähnt).

    Reallexikon der germanischen Altertumskunde
     
  13. Ralf.M

    Ralf.M Aktives Mitglied

    Vielleicht hilft dieser Artikel weiter, erschienen in der „Thüringer Allgemeine“ am 28.03.2012, Autor Prof. Peter Arlt.
    Im Artikel, der Name „Gleichen“ hat nichts mit dem Adelsgeschlecht der Grafen von Tonna zu tun. Also nichts mit dem Grafen der 2 Frauen hatte. Siehe hierzu auch: „Der Graf von Gleichen“ (Deutsche Sagen, Herausgeber Gebrüder Grimm).

    Hier zum Artikel:

    https://www.thueringer-allgemeine.d...hen-zu-ihrem-beruehmten-Namen-kamen-984802155
     
  14. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Hier noch die erste Erwähnung der Burg Gleichen in der Weltchronik Frutolfs von Michelsberg

    Weltchronik Frutolfs von Michelsberg mit Fortsetzung

    upload_2021-2-2_20-16-8.png
    https://collections.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/HisBest_derivate_00013187/Frutolfus_0182v.tif

    "Post hec congregato exercitu oppidum quoddam marchionis Eggiberti in Thuriniga positum nimis firmum, Gliche dictum, obsedit"
    =
    Danach [im Jahr 1089] sammelte [der Kaiser] ein Heer und belagerte eine Burg namens Gliche, welche Markgraf Eggibert in Thüringen sehr stark befestigt hatte.
     
    Zuletzt bearbeitet: 2. Februar 2021
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  15. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    In der Reinhardsbrunner Chronik wird ein Graf Byso von Glychen erwähnt:
    https://www.dmgh.de/mgh_ss_30_1/index.htm#page/518/mode/1up

    Auf der verlinkten Seite heißt es zur Burg Gleichen: "Ersterwähnung 1043", das dürfte sich auf diese Chronik beziehen (mit einem Zahlendreher, der Eintrag bezieht sich auf das Jahr 1034).

    Daraus entsteht der falsche Eindruck, es gäbe eine Erwähnung aus dem Jahr 1034/1043. Die Reinhardsbrunner Chronik entstand aber erst um 1340/50.
    https://www.geschichtsquellen.de/werk/1174
     
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