Die Epoche des Barock

Lukrezia Borgia

Moderatorin
Das Wort „Barock“ lässt uns an prunkvolle Schlösser und Kirchen, festliche Musik, dralle Formen sowie üppige Schlemmereien denken.

Die Epoche des Barock ist zeitlich etwa zwischen 1600 und 1750 einzuordnen, wobei es natürlich regionale Schwankungen gibt. Die Bezeichnung stammt aus dem Portugiesischen und ist mit „unregelmäßig geformte Perle“ zu übersetzen. Doch was bewegte die Adligen und Reichen dieser Zeit? Warum holten sie sich mit ihrer Kunst und ihrer Lebenskultur den Himmel auf die Erde?

Es wirkt fast paradox, betrachtet man die Deckenfresken einer Barockbasilika und bedenkt dabei, wie sehr die Menschen des Barock gelitten haben. In diese Zeit fallen der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), die Türkenkriege (1683-1718) sowie der Spanische (1701-1714) und der Österreichische Erbfolgekrieg (1740-1748). Auch unter der Pest sowie unter den Hexenverfolgungen hatte die Bevölkerung zu leiden. Andreas Gryphius beschreibt die Leiden des Dreißigjährigen Krieges:

„Unser Strome Flutt – von Leichen fast verstopfft. Die Turme stehn in Glutt, die Jungfern sind geschand´t, und wo wir hin nur schaun, ist Feuer, Pest und Tod.“

Das Sterben war in der Zeit des Barock allgegenwärtig, weshalb der Wahlspruch des Barock „Memento Mori“ lautet. Die Menschen strebten danach, ihr Leben in vollen Zügen genießen – wobei sich das nur die Adligen und Reichen leisten konnten. in steter Gegenwart des Todes entwickelte sich eine regelrecht Lebensgier, was sich neben der Kunst auch in Fressgelagen, wie sie beispielsweise in der Lebensgeschichte des Simplicissimus von Grimmelshausen (1622-1676) beschrieben werden.

Betrachtet man die Deckengewölbe einer Barockkirche, so fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, man sei im Himmel. Engel und Heilige bevölkerten die Fresken, die durch geschickte Architektur und optische Tricks aufgeblasen wirken.

Der Hof von Versailles kann wohl als ein Zentrum der barocken Lebensfreude gesehen werden. Nicht nur politische Macht ging von diesem Ort aus, auch kulturell beeinflusste der „Sonnenkönig“ das übrige Europa. Mätressen wurden gesellschaftsfähig und der Adel vergnügte sich auf Jagden, während die Masse des Volkes von der Hand in den Mund lebte.

Mangelnde Körperhygiene wurde mit dicken Schichten Puder und aufdringlichen Düften überdeckt. Man glaubte, dass durch die Poren, die vom Badewasser geweitet wurden, Krankheiten wie etwa die Syphilis in den Körper gelangen würden. Die Medizin bediente sich unter anderem des Aderlasses, wodurch die Patienten meistens nur noch mehr geschwächt wurden.

Eine Antwort auf die Verschwendungssucht absolutistischer Herrscher war das Gedankengut eines Descartes oder eines Locke. John Locke (1632-1703) forderte, dass die Staatsgewalt nicht in der Hand eines Menschen liegen sollte und läutete damit die Epoche der Aufklärung ein.
 
Liebe Lukrezia,

zu deinen Ausführungen habe ich noch eine Frage...
Entstand in diesem Zeitabschnitt der Geschichte der Vanitasgedanke oder existiert dieser schon seit dem Mittelalter? :confused:
 
Hallo Muck,

der Vanitasgedanke findet sich in der Malerei wie auch in der Lyrik des Barock. Doch wenn ich an gotische Totentänze denke, ist hier auch der Vergänglichkeitesgedanke bwz. das "Gedenken des Todes" präsent.

Ich würde nicht sagen, dass der Vanitasgedanke eine "Erfindung" des Barock ist. Er war vorher schon verbreitet.

Liebe Grüße :bussi:
 
Und hier noch eine Vergänglichkeitsallegorie aus der Renaissance, bei der die genaue Bedeutung zwar noch nicht geklärt ist, der Vanitasgedanke jedoch klar zu erkennen ist:
 

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Deutung: Der Tod beherrscht alle Phasen des Lebens und setzt diesem ein Ende. Die Wahrnehmung dieses Endes ist je nach Altersstufe verschieden: Das Kleinkind ist sich dessen überhaupt nicht bewusst; der junge Mensch verdrängt ihn, indem er sich mit sich selbst beschäftigt und Anzeichen des Todes nicht wahrnehmen will; der alte Mensch lebt in vollem Bewusstsein des Endes, wehrt sich aber dagegen.

Das ist doch schon mal was.
http://www.ni.schule.de/~pohl/literatur/material/barocklyrik.htm

oder

Hans Baldung gen. Grien (1484/85-1545) greift wie kein anderer Maler in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Motiv auf, bedient sich jedoch eines zusätzlichen erotischen Mittels: des weiblichen Aktes. Seit dem 16. Jahrhundert orientierten sich die Künstler bei der Darstellung der weiblichen Nacktheit nicht mehr an dem Körper des Mannes, sondern studierten die Beschaffenheit des weiblichen Körpers am lebenden Modell. Eine seiner frühesten Kompositionen ist noch nicht auf die Zweipaarung Frau und Tod festgelegt, sondern hat die drei Lebensalter der Frau zum Thema. Die Darstellung der Lebensalter ist eine typische Vanitas, die durch das nackte Mädchen mit Spiegel noch einmal hervorgehoben wird. Das Mädchen, dessen Körper durch seine Helligkeit betont wird, sieht den Tod noch nicht, der nur durch einen dünnen Schleier, der sich über beider Geschlecht legt, mit ihr verbunden ist,. Nur die alte Frau im Hintergrund erkennt den Tod, der sein Stundenglas hochhält, und versucht ihn abzuwehren. Der dem Schönheitsideal entsprechende nackte Körper des Mädchens in Kombination mit dem verwesten Körper des Todes verstärkt den ästhetischen Schock dieser Bildidee. Aus dieser Vanitas-Allegorie spricht die Mahnung, an den Tod und die Vergänglichkeit der gegenwärtigen Gestalt zu denken und das Streben nach Eitelkeit wird als nutzlos erklärt.

http://www.sfn.uni-muenchen.de/forschung/koerper/bkarb_de.html
 
Hallo Mercy,

dieses Bild lässt sich meines Wissens auf sehr viele Arten deuten und wurde auch sehr oft umbenannt. 1896 stand in einem Katalog, dass das Laster durch das alte Weib und die Eitelkeit durch die junge Frau verkörpert werde. Das Kind sei eine Darstellung Armors. Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde das Werk in "Die drei Lebensalter umbenannt", wobei sich nach meinen Informationen die Kunsthistoriker immernoch nicht einig sind, was genau dargestellt ist. Als gesichert gilt, dass es sich um eine Vergänglichkeitsallegorie handelt.

Das Kind, dass das erste Lebensalter darstellt, lässt durch die Schattierungen hinter dem Schleier vermuten, dass es sich um einen Jungen handelt. Auch das Steckenpferd zu seinen Füßen deutet auf sein männliches Geschlecht hin. Es wäre unpassend, die drei Lebensalter auf Leinwand bringen zu wollen und die Stationen als kleiner Junge, junge Frau, altes Weib darzustellen.

Die von Dir herausgesuchte Seite der Uni München ist hervorragend. Diese Bildbeschreibung finde ich wirklich sehr gelungen. :bussi:

Liebe Grüße
 
Lukrezia Borgia schrieb:
Mangelnde Körperhygiene wurde mit dicken Schichten Puder und aufdringlichen Düften überdeckt. Man glaubte, dass durch die Poren, die vom Badewasser geweitet wurden, Krankheiten wie etwa die Syphilis in den Körper gelangen würden.

In dieser Sache möchte ich mal eine Lanze brechen für die Menschen der Barockzeit. So schmutzig wie man denkt war es nämlich bei weitem nicht. Es mag sein, dass sich so mancher deutscher Provinzfürst nicht wusch, aber für die europäische Elite sieht das ganz anders aus. Dazu möchte ich von Ludwig XIV. berichten, den kenn ich nun inn- und auswendig.

Zu seiner Zeit galt die Königsfamilie als vom Hygienefimmel besessen. Die Zeitzeugen berichten, dass König Louis und sein Bruder Philippe mindestens dreimal am Tag sämtliche Kleidung wechselten und sich morgens und abends vollständig mit Spirituswasser abrieben. Auch, dass man Angst vor Wasser gehabt hätte, erscheint widersinnig. Denn der französische Hof unternahm Badeausflüge an Seen und Flüsse. Besonders berühmt waren die Marmorbäder in Versailles, welche sich Louis direkt unterhalb seiner Privatgemächer 1670 hat anlegen lassen. In diesem luxuriösen Bad stand eine riesige achteckige Wanne, die aus einem einzigen weißem Marmorblock geschlagen war und mit heißem Wasser gespeist wurde. Von seiner Gemahlin wird berichtet, dass sie nichts lieber tat als ausgedehnte Schaumbäder zu nehmen, in eben diesem Marmorbädern. Auch war es Louis XIV. der die berühmten Seifenmanufakturen in Marseilles gründete, um genug Nachschub zu haben, angesichts der gewaltigen Mengen Seife die der Hof verschlang.

Auch erinnere ich mich noch an meinen Geschichtsunterricht und was mir da beigebracht wurde: Versailles war ein abrundtief schmutziger Ort. Der Adel erleichterte sich dort hinter Vorhängen und in Kaminen. Denn es gab dort keine Toiletten.

Nun habe ich aber schon mehrere Bücher über Versailles gelesen und musste feststellen, dass dieses Bild alles andere als die Wahrheit ist. Zunächst gab es im 17. Jh. mehr Klos als dies heute der Fall ist und zu keinem Zeitpunkt hat irgend jemand dem König ins Schloss gemacht. Das einzige mal, dass ein Zeitzeuge über so was berichtet, ist bei Liselotte von der Pfalz. Sie berichtet: Einige Soldaten der königlichen Leibgarden würden unter den Fenstern ihrer Gemächer urinieren. Sie würden dies tun, weil sie sich während ihrer Wache nicht vom Platz entfernen dürften und sich so helfen würden. Liselotte regt sich so sehr darüber auf, dass man schnell erkennt, dass das nicht gerade üblich war. Auch nennt sie es den guten Sitten widersprechend. Jedenfalls war sie so sehr erbost, dass sie sich selbst beim König ihrem Schwager beschwerte. Der musste nun Abhilfe schaffen. Solche Liederlichkeiten wurden bei Hofe nicht toleriert und das erst recht nicht drinnen.

Die Legende vom schmutzigen Versailles beruht auf etwas anderem. Alle königlichen Schlösser waren der Öffentlichkeit frei zugänglich. Manchmal waren solchen Massen im Schloss, die Dreck von der Straße hineintrugen und Essen mitbrachten, dass es in den Fluren wirklich manchmal wie Kraut und Rüben aussah. Der Adel lief dagegen auch wieder Sturm. Aber der „Reinigungsdienst“ war meist sehr schnell zur Stelle. Übrigens lehnte König Louis die Forderung seiner Höflinge ab, die Anlage für die Menschen zuschließen, mit dem Argument ab: „Der König gehört zu seinem Volk.“

Wie auch immer, die Legende dass die Menschen des Barock ALLE dreckig waren und ALLES schmutzig gewesen ist, widerspricht den historischen Kenntnissen. :)
 
Danke Louis. :bussi:

Dann habe ich da wohl in meiner Naivität versucht, einen verbreiteten Irrtum, noch bekannter zu machen. :rofl:
 
Zitat Lukrezia Borgia :
Das Wort „Barock“ lässt uns an prunkvolle Schlösser und Kirchen, festliche Musik, dralle Formen sowie üppige Schlemmereien denken.

Die Epoche des Barock ist zeitlich etwa zwischen 1600 und 1750 einzuordnen, wobei es natürlich regionale Schwankungen gibt. Die Bezeichnung stammt aus dem Portugiesischen und ist mit „unregelmäßig geformte Perle“ zu übersetzen. Doch was bewegte die Adligen und Reichen dieser Zeit? Warum holten sie sich mit ihrer Kunst und ihrer Lebenskultur den Himmel auf die Erde?


Liebe Lukrezia Borgia,

ich werd nicht ganz schlau aus Deinen Ausführungen.
Auf der einen Seite bringst Du Beispiele der Lebenskultur dieser Zeit , auf der anderen Seite wiederholst Du längst überholte Klischees über die Zeit , wie z.B in Deinem Einleitungssatz.
Um sich über die spannende Zeit auszutauschen Bedarf es vielleicht etwas griffigere Punkte der Epoche, um hier anzusetzten und festzustellen was mit "Barock" in den verschiedensten
Erscheinungsformen gemeint sein könnte.
Die Beispiele von Dir passen zum Teil besser unter das Thema: Absolutismus und seine Erscheinungsform.
Das Barockzeitalter meint vorallem auch eine kunsthistorisch und geistesgeschichtliche einzuordnende Epoche, die sich nicht nur auf den von Dir angegebenen Zeitrahmen beschränkt.
Wie gesagt, Deine Überschrift impliziert eine Art Definition des Barockzeitalters , ich würde aber von einer epochalen Definition einer Epoche hier im Forum absehen, da dabei zuviele
Punkte nicht zu ihrem Recht kommen und die Klischees überwiegen würden :)
 
Arcimboldo schrieb:
...auf der anderen Seite wiederholst Du längst überholte Klischees über die Zeit , wie z.B in Deinem Einleitungssatz.

Hallo Arcimboldo

ich weiß nicht, was an meinem Einleitungssatz falsch sein soll. Ich zumindest muss bei dem Wort "Barock" an derartige Dinge denken. Ich glaube auch nicht, dass ich die Einzige bin, der diese Assoziationen in den Sinn kommen.

Liebe Grüße
 
Zitat Lukrezia Borgia:

Hallo Arcimboldo
ich weiß nicht, was an meinem Einleitungssatz falsch sein soll. Ich zumindest muss bei dem Wort "Barock" an derartige Dinge denken. Ich glaube auch nicht, dass ich die Einzige bin, der diese Assoziationen in den Sinn kommen.



Gar nix falsch , das wollte ich nicht sagen. Deine Überschrift läßt einfach wie bei Deinen Philosophen-Kandidaten auf eine Art Definition schließen ,das soll und kann es wohl nicht sein. Das die Assoziation mit dem Wort Barock vorallem Rubensszenen hervorufen , ist verständlich wenn auch überholungsbedürftig.
Den Aspekt der "Vanitas" im Barockzeitalter finde ich wiederum sehr interessant, hier kann man auch einhaken. :bussi:
 
Barock lässt sich eben nicht in wenigen Sätzen abhandeln - Lucrezias Einleitungssatz umreisst eigentlich die Klischees die mit Barock assoziiert werden - und sofort spannende Diskussionen ausgelöst haben (z.B. Hygiene, übrigens danke Louis, deine Abhandlung war sehr interessant)
Die Epoche des Barocks ist für mich eine der spannendsten überhaupt wobei ich mir sehr schwer tu sie einzugrenzen.
Am leichtesten tu ich mir bei einer Abgrenzung des Baustils, ich würde den Barock mit Vignolas Il Gesu beginnen lassen und mit den Werken der Dienzenhofers, Neumanns und Hildebrandt für Mitteleuropa und Vanvitelli für Italien enden lassen.
Frankreich und England bauten beide kaum Barock im mitteleuropäischen Sinn sondern "Palladianisch" in England bzw. pflegten eine Vorwegname des Klassizismus wie Le Vau oder Perrault in Frankreich.
 
Zum Architekten Le Vau und Versailles gibt es eine schöne Episode .

Ein Beispiel der Schloßbaukunst im Frankreich des 17.Jahrh. ist das Schloß von Vaux-le Vicomte.
Bauherr war der Günstling Mazarins , Parlamentspräsident Nicolas Fouquet.
Dieser hatte als Finanzminister ab 1653 die "Gelegenheit" ,sich schamlos auf Staatskosten zu bereichern.
Dies zeigte er auch und ließ ab 1665 das Schloß Vaux-le Vicomte bauen ,an dem zeitweise bis zu 18000 Menschen beteiligt waren . Architekten waren; Le Vau, der Gartenarchitekt Le Notre und der Innenausstatter Le Brun, also alles vom Feinsten.
Die Regierungsübernahme Ludwigs XIV.. im Jahre 1661 fiel nun zufällig mit dem größten gesellschaftlichen Ereignis des Jahres zusammen, der Einweihung des Schlosses Vaux-le-Vicomte.
Fouquet, der Bauherr lud natürlich vorallen Ludwig XIV.. nebst Gattin zur Einweihung ein.
Die Pracht des massivgoldenen Services für den König,der ganze Pomp drumherum,80 Tafeln,30 Büffets, 1200 Kaskaden, Fontänen..etc...etc...(LaFontaine beschreibt diese Fest )
u.a. Uraufführung von Molieres "Les Facheux" mit der Musik von Lully, bedeutete eine verständlich anmaßende Provokation Ludwigs. Er konnte nur mit Mühe von seiner Mutter davon abgehalten werden Fouquet sofort zu verhaften.
Der König verzichtete auf die Übernachtung in eigens für ihn eingerichtete Schlafzimmer und
reiste wutentbrannt nach Fontainebleau, seinem damaligen Wohnsitz.
Drei Wochen später wurde Fouquet verhaftet, das Gefängnis hat er zeitlebens nicht mehr
verlassen.
Die drei Stararchitekten wurden umgehend für den geplanten Bau des neuen Schlosses in Versailles "gewonnen".
:)
 
Jaja, Louis XIV und die Architektur.....
Ich finde ja die Geschichte mit den Louvre-Kollonaden ähnlich bezeichnend wie die eben von Arcimboldo erzählte:

Der Louvre war ja ein mixtum compositum aus Jahrhunderten, nur alles andere als repräsentativ für die aufsteigende Macht der Mitte des 17. Jhdts.
Der König war ja an einer Pariser Residenz nicht sehr interessiert und baute schon an Versailles herum, aber vor allem Colbert wollte der Pariserhauptresidenz Louvre eine angemessene Fassade verpassen.
Man lud deswegen Gian Lorenzo Bernini, den absoluteten Kunst-Superstar der Zeit, nach Paris ein, er sollte sich an einem Wettbewerb beteiligen. Bernini lieferte auch einige Entwürfe ab - im Stil des römischen Hochbarocks. Also einschwingende und ausschwingende Fassaden, ein unglaublich bewegter Bau. Und dann gings los - man würdigte zwar die Arbeiten des römischen Meisters, war aber dann doch der Meinung dies sein "unfranzösisch" und beauftragte schlussendlich Perrault, den im Wettbewerb drittgereihten. Er hatte eine eigentlich durch - und durch klassizistische Säulenkollonade vorgeschlagen und diese ziert auch heute noch die Stadtfassade des Louvre - und beendete gleichzeitig den barocken Baustil in Frankreich bevor er überhaupt begonnen hatte.
Bernini wurde aufs höflichste heimkomplimentiert, man beauftragte sogar eine Reiterstatue bei ihm. Als diese endlich fertig nach Versailles kam hat sie nicht gefallen - Louis liess sie ans äußerste Ende des Schweizer Beckens bringen.
 
Hallo ihr zwei.
Ich möchte einige wohlwollenden Ergänzungen machen.

@Arcimboldo :)
In der Fouquet-Affäre stellt, wie du ganz richtig gesagt hast, das Fest von Vaux-le-Vicomte eine Episode dar. König Louis fühlte sich nicht so sehr vom Schloss an sich provoziert, sondern von der Unbesonnenheit seines Ministers. Er hatte Fouquet schon mehrmals gewarnt, dass dieser eine größere Verantwortung in seinem Amt an den Tag legen sollte. Der König verdächtigte ihn schon seit langen, dass er tief in die Staatskasse griff und die Rechnungen manipulierte. Doch Fouquet zeigte sein geläutertes Wesen durch eben dieses Fest und dieses Schloss, dass in Wahrheit vollständig der König bezahlt hat, von den Backsteinen bis zu den Wandteppichen und Gemälden. Mit Sicherheit wollte König Louis Fouquet nicht am Tag dieses Festes verhaften lassen. Bereits Wochen vorher hatte der König den Termin auf seinen eigenen Geburtstag festlegen lassen den 5. September, denn er brauchte seinen Finanzminister noch für die Verhandlungen mit den Generalpächtern. Diese fanden im Sommer statt und es wäre unklug gewesen, den Oberintendanten der Finanzen zu so einem empfindlichen Augenblick auszutauschen. Es ist wahr, er war sehr wütend auf dem Fest und ging zu seiner Mutter. Diese war neben Colbert die einzige, die von den Vorwürfen gegen Fouquet wusste. Sie brauchte ihn nicht vor einer solchen Dummheit zu bewahren, wohl sprachen sie aber darüber. Bei dieser Gelegenheit wird sich wohl Louis’ Eindruck, dass ein Fouquet in seinen Augen ein Hochverräter ist, endgültig festgesetzt haben. Zumal er bei dieser Gelegenheit erfahren musste, dass Fouquet die Insel Belle-Isle zur Festung hatte ausbauen lassen. Dies ohne die Erlaubnis der Krone eingeholt zu haben, oder gar den König davon in Kenntnis zu setzen. Allein das war Hochverrat, worauf die Todesstrafe gestanden hätte, denn alle Festungsanlagen in Frankreich unterlagen der persönlichen Genehmigung des Königs. Das musste besonders diesem König, der die Fronde hatte miterleben müssen, als mögliche Vorbereitung zur Rebellion vorkommen.

Louis war also nicht von der Pracht eines Ministers provoziert worden, sondern von der Art und Weise, wie er seinem König gestohlenes Gut unter die Nase rieb und dabei kein Anzeichen von Reue zeigte. Außerdem wurden Le Vau, Le Nôtre und Le Brun bei dieser Gelegenheit nicht „gewonnen“. Alle drei standen bereits in den Diensten des Königs und Fouquet musste sie sich vom König „ausleihen“. Le Nôtre war bereits Obergärtner der königlichen Tuillerien in Paris, Le Brun bereits Maler des Königs und Le Vau einer der berühmtesten Architekten Frankreichs, der bereits für die Krone gearbeitet hatte. Wohl aber kann man sagen, dass Vaux für Le Nôtre der Durchbruch war, denn Louis war von seiner Komposition dort hingerissen. So entschloss er sich Le Nôtre an weit größere Projekte heranzulassen. Dort erst sollte er sein wahres Potenzial zeigen: Versailles, Chantilly, Saint-Cloud, Fontainebleau oder Marly-le-Roy.


@Rovere :)
Ja das gefällt mir auch gut. Man muss aber noch dazu sagen, dass Berninis Entwürfe nicht nur als unfranzösisch galten, sondern als schlichtweg hässlich angesehen wurden. Warum: Bernini machte sich keinerlei Gedanken darüber, wie der neue Bau ins Bild von Paris passte. Alle seine Entwürfe hätten im krassem Gegensatz zur Umgebung gestanden. Zudem baute er - wie du gesagt hast – im italienischen Barock. Diesen hatte man aber in Frankreich nur in der ersten Hälfte des 17. Jh. verwand, er galt also völlig unmodern. Jedes Land begann damals eigene Strömungen des Barock zu entwickeln und die Franzosen orientierten sich an den imperialen Ansprüchen Roms und wünschten eine klare und eher strukturierte Architektur. So entwickelte sich der französische Barockstil der stark klassizistisch ist, aber noch kein Klassizismus ist, dafür ist er in barocker Manier zu verspielt. Erkennbar an den zahlreichen Dekorationen. Aber du hast recht, der Louvre kann als ein Quell des späteren Klassizismus gelten, obwohl er im französischen Barockstil erbaut wurde.

Warum Louis nicht an einer Pariser Residenz interessiert war: Das riesige Paris war zu eng für seine Ansprüche und Vorstellungen. Er wollte frei bauen und sich nicht von der Umgebung etwas aufzwingen lassen. Die Art von Repräsentation und Schönheit, die er im Kopf hatte, brauchte Raum, sehr viel Raum. Zudem konnte er in Paris nicht seine geliebten Gärten bauen lassen, ohne die wollte er aber nicht sein. So wurde halt Versailles der Vorzug gegeben und nicht dem Louvre. Europas Fürsten sollten ihm bald recht geben.

Die Geschichte mit Berninis Reiterstaue: Kam noch viel schlimmer, Louis fand das Ding abscheulich und in keiner weise seinen hohen Ansprüchen genügend. Allein der berühmte Bildhauer bewahrte es vor der Zerstörung. Mansart musste es umarbeiten und erst dann konnte es sein Exil am Schweizer Becken antreten.


So jetzt hab ich genug Senf dazugetan. :bussi:
 
Zitat : Louis le Grand


Warum Louis nicht an einer Pariser Residenz interessiert war: Das riesige Paris war zu eng für seine Ansprüche und Vorstellungen. Er wollte frei bauen und sich nicht von der Umgebung etwas aufzwingen lassen. Die Art von Repräsentation und Schönheit, die er im Kopf hatte, brauchte Raum, sehr viel Raum. Zudem konnte er in Paris nicht seine geliebten Gärten bauen lassen, ohne die wollte er aber nicht sein. So wurde halt Versailles der Vorzug gegeben und nicht dem Louvre. Europas Fürsten sollten ihm bald recht geben.

Wie Du schon erwähnt hast ,war der Fronde-Aufstand das bestimmende Erlebnis seiner Kindheit .Die Ereignisse damals waren sicher mitbestimmend für die politische Aussage und Lage der Gesamtanlage von Versailles, die er so nicht in Paris hätte umsetzten können. Dem Adel hat nicht nur dieser König nicht getraut, die Pariser Bevölkerung war im wohl auch nicht ganz geheuer, er war es aber wohl, der am konsequentesten den absolutistischen Machtanspruch sichtbar umgesetzt hat.

Mich würde mal interessieren , ob Louis selbst die "sechs Bücher über den Staat"
von Jean Bodin gelesen hat, die doch den franz. Absolutismus nachhaltig geprägt haben.

Auf Deinen neuen Senf bin ich also so gespannt ,der hier hat schon sehr gut geschmeckt. :yes:
 
Arcimboldo schrieb:
Mich würde mal interessieren , ob Louis selbst die "sechs Bücher über den Staat"
von Jean Bodin gelesen hat, die doch den franz. Absolutismus nachhaltig geprägt haben.

Da würde ich mal sagen, dass er das ganze Werk sicherlich nicht vollständig selbst gelesen hat. Wohl aber wird ihm die Materie sehr gut bekannt gewesen sein. Dafür wird schon sein Mentor Mazarin gesorgt haben, der dieses Buch weitläufig zur Unterweisung seines königlichen Schülers genutzt haben könnte. Die Sinnausagen Bodins - insbesondere die Unteilbarkeit der Souveränität - beherrschte Louis zumindestens Blind im Schlaf, was seine politischen Memoiren deutlich zeigen.

Auch dürften ihm die Schriften und Ideen Machiavellis nahegebracht worden sein. Ironischer Weise hatte Machiavelli seinen Fürsten für den Prinzen von Medicis, Großherzog der Toskana geschrieben. Den UrUrgroßvater Louis XIV., man kann also behaupten, dass Louis aufgrund seiner polit. Ausbildung, ein Meister der polit. Theorie war, wie kaum einer unter seinen Vorgängern. ;)
 
Hi,

um unnötig viele Threads zu vermeiden, würde ich hier gerne anknöpfen.
Mich erwartet in meiner morgigen Deutschklausur ein "barocker Sachtext", was wie ich finde zur Folge hat, dass meine Erörterung weniger geschichtliche Tiefe aufweisen muss als im Fach Geschichte, das auch nur als Anmerkung, falls der Einwurf kommen sollte, dass mir zu viele epochenbezogene Basics fehlen.
Jedenfalls würde ich gerne ähnlich wie Lukrezia meinen Fundus über den Barock niederschreiben und würde euch bitten, was man ergänzen oder streichen könnte, das wäre sehr lieb. =)
Und ja, meine Anfrage kommt etwas spät, dafür, dass die Klausur morgen ist ...
Die Chance, dass mir jetzt nicht alles einfällt ist vorhanden, vieles sollte ich allerdings zusammen bekommen.

Legende
(kursiver Text) = Kommentar

Antithetik: Die wohl bekannteste Assoziation zum Barock und ein wahrhaftiges Spiegelbild der Gesellschaftslagen.
Wohl bekannt sind des Adels Sitten, ihren Prunk ganz nach dem Gesetze des carpe diem zu richten, ohne dabei die Existenz der Vergänglichkeit (vanitas) und des Todes (momento mori) außer acht zu lassen.
Doch wie der Adel sein Sein auslebte: Von den Festen bis zum Garten, so versuchte auch die (katholische) Kirche durch aufwändige Malereien, Kathedralen und Jesuitentheaterstücken sich gegen die Reformation Martin Luthers zu stellen, einem auslösenden Funken der Verbreitung deutscher Sprache, dessen vollkommene Entfaltung bis hin zum dreizßigjährigen Krieg (1618 - 48) nicht mehr mit erlebte.

Das Interesse an der deutschen Sprache war geweckt (warum weiss ich allerdings nicht und gerade diese Information ist wichtig) und die einst fast komplett lastige lateinsprache Welt der Literatur fand durch Literaten wie Hofmann von Hofmannswaldau, Gryphius, Opitz und weiteren im deutschsprachigen Raum eine starke Umwandlung. Anglizismen wurden ersetzt, schmückende Beiwörter hinzugefügt und Wortzusammensetzungen des Klanges und der Bedeutung wegen "erfunden". Klangreich sollte die neue deutsche Sprache sein und um so länger und prunkvoller, desto besser.
Im deutschsprachigen Raum wurde diese neue Sprachbewegung allumgreifend alltäglich, dass die Anzahl aller in Latein geschriebenen Schriften daher um 1790 auf ca. 5% schrumpfte, vor 1570 sind es noch ca. 70% gewesen. Nach wie vor ist Latein jedoch die Sprache der Lehre und Französisch die des Hofes gewesen. Als Einheitssprache setzte sich Deutsch gegenüber dem Latein und Französisch allerdings erst im 18. Jahrhundert durch.

Doch obwohl es dem geringsten Anteil der Bevölkerung, dem Adel, sehr gut ging und die deutsche Sprache eine große Wandlung erhielt, geschah einiges auf Kosten des Volkes.
Von der Mittelschicht absteigend erleidete 1/3 der europäischen Bevölkerung den Tod durch die Pest, der dreißigjährige Krieg, bestehend aus vielen in Europa geführten, führte zur Zerstörung kirchlichen Eigentumes, der Städte und Dörfer, bei dem eine ungewisse Zahl an Personen starb. Anders als bei von der Kirche genaueren protokollierten Sterberate während der Pest, wurden während des dreißigjährigen Krieges kirchliche Dokumente verbrannt. Nicht genug ist es daher, dass die Last der Steuern noch auf Schultern der Bevölkerung, um die anstehenden Kosten des frivolen Lebenswandels des Adels zu finanzieren. Selbst die Leibeigenschaft wandelte bei einigen ärmeren Bürgern noch.
Dem Großteil der Bevölkerung ging es rund um gesagt sehr schlecht: Ihnen fehlte das Geld, der Besitz und einigen die Freiheit.

Anmerkung

Einiges ist mir allerdings unklar und zwar pflegten Handwerkshäuser in Zeiten des Barockes Originalgemälde an die Wand zu hängen, widerspricht das allerdings nicht der Lage "aller" Bürger?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Handwerkshallen dermaßen viel Geld hatten und das Kapitel besitzende Bürgertum etablierte sich vorallem erst in der Aufklärung.
Sicher, es ist nicht so, dass es nur ganz reiche und sehr arme Schichten gab, allerdings ist die politische und gesellschaftliche Lage nicht entsprechend gut, um sich Originalgemälde leisten zu können, oder irre ich mich gewaltig?
Und ja, abhandlungsreif ist mein dahin geschluderter Text bei weitem nicht, aber war die Argumentation in Ordnung?
Außen vor zu lassen ist das Fehlen eines zu erörternden Sachtextes und der nicht investierten Zeit zur Belegung meiner Thesen anhand Primär- oder auch lediglich Sekundärquellen.


ps. Louis Beitrag zur Hygiene des Hofes und des Einflusses Ludwig XIV. in Europa ist sehr gut, das hat noch mal einiges wach gerufen, Lücken geschlossen und Fehler korregiert.
Da wir bisher uns vorallem mit den Literaten von Hofmannswaldau, Gryphius, Wiedemann und Opitz beschäftigten nehme ich an, dass der Sachtext auch von entweder Wiedemann, Gryphius oder Opitz sein wird, welcher von ihnen schrieb noch gleich ein Kompendium zur "teuschen Poeytesei"?
 
Das Interesse an der deutschen Sprache war geweckt (warum weiss ich allerdings nicht und gerade diese Information ist wichtig) und die einst fast komplett lastige lateinsprache Welt der Literatur fand durch Literaten wie Hofmann von Hofmannswaldau, Gryphius, Opitz und weiteren im deutschsprachigen Raum eine starke Umwandlung.
du findest hierzu in der Geschichte der Rhetorik Informationen. Opitz übertrug das klass. lat. System der Rhetorik in die deutsche Sprache, um diese zu emanzipieren, d.h. sie literaturtauglich und wissenschaftstauglich zu machen. Interessanterweise wurden in derselben Epoche - Barock - auch die rhetorisch-poetischen Kunstfertigkeiten und Schemata in die Musik übertragen.
 
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