Die ersten Slawen - Germanen - Hunnen?!?!

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Ich arbeite gerade an einem Referat über die Besiedelung des Balkans.
Was mich speziell interessiert ist dabei die Verwandschaft der indoeuropäischen Völker.
Ich habe mit dieser Frage in einem englischsprachigen Forum jetzt glaube ich schon einen neuen Balkankrieg heraufbeschworen, nachdem sich jetzt da Serben und Kroaten bekriegen wer nun von wem abstammt. Die abstrustesten Theorien gehen mittlerweise bis aufs antike Persien zurück. Fast schon komisch.

Jetzt mal meine Theorie über diesen nationalistischen Unsinn. Wäre nett wenn mir einer widerspricht wenn ich etwas falsches schreibe. Bin mehr oder weniger Amateur.

Also wenn ich anfange die Herkunft eines Volkes zu suchen ist das nicht aleine schon kompletter Unsinn? Kann irgendjemand nachvollziehen wer neben wem in welchem Planwagen saß als die indoeuropäische Besiedelung Europas begann die sich ja bestimmt über Jahrhunderte hinzog. Und ist die Suche nach einer Urheimat nicht deshalb schon Blödsinn weil sie ja zwangsläufig auch vorraussetzt daß es sowas wie einen Startzeitpunkt gegeben haben muss. Wann setzt man den? Vor 10.000 Jahren?!?!, vor 50.000 Jahren?
Ich hab mich jetzt eine Zeit mit dem Thema beschäftigt und komme irgendwie zu dem Schluss, daß die Entstehung von Völkern eigentlich geschichtlich immer mehr eine Sache der Namensgebung als von wirklicher genetischer Verwandschaft war.
Für die slawische Geschichte ergibt sich zum Beispiel folgendes Rätsel, vor dem Hunnensturm war die heutige russische Steppe noch beliebtes Siedlungsgebiet von Stämmen die man heute eindeutig den Germanen zurechnet. Nach den Hunnen herrscht dann erstmal Chaos und Völkerwanderung. Und kaum klärt sich der Nebel ein wenig beginnen aus der selben Gegend plötzlich Stämme einzufallen die man ab diesem Zeitpunkt dann plötzlich als Slawen bezeichnet. Und nicht nur ein paar, ganze Völkerschaften. Wo sollen die hergekommen sein, wenn sie nicht identisch sind mit den Bewohnern die in dieser Gegend auch vorher schon gewohnt haben. Wie in wahrscheinlich tausend anderen Fällen sind hier doch augenscheinlich zwei Kulturen ineinander aufgegangen und haben einfach etwas neues gebildet. Ich glaub die Lösung dieser ganzen Fragen ist daß man in diesen Zeiten einfach wichtigeres zu tun hatte als sich um solche kleinkarierten Fragen zu sorgen.
Diese Erkenntnis scheint heute leider allerortens zu fehlen, wenn ich an oben erwähntes Forum denke.
Genauso ein Schwachsinn ist es doch wenn ähnlich denkende Deutsche ihre Herkunft unbedingt von den Germanen ableiten wollen. Ein homogenese gemanisches Volk hat es niemals gegeben und ist bloss eine relativ moderne Zusammenfassung von Völkerschaften die in einem bestimmten Gebiet lebten. Und davon wäre Deutschland nur ein kleiner Teil.
Aber genauso haben in Süddeutschland vorher die Kelten das Szepter geschwungen und östlich der Elbe begann nach mittelalterlicher Definition lange Zeit noch das Slawenland.
Die südgermanische Götterwelt unterschied sich teilweise sehr deutlich von der nordgermanischen und hat eben soviele Elemente aus der keltischen wie aus der nordischen Sagenwelt, sofern sie heute überhaupt noch bekannt ist. Das war doch alles ein MischMasch.
Und der altslawische Stamm der Preussen würde sich wahrscheinlich geschlossen im Grabe umdrehen wenn sie wüssten dass aus ihrem Namen ein deutsches Königreich entstanden ist, wo man von den selben Leuten doch gerade erschlagen und christianisiert worden ist.
Wir Deutschen müssen uns damit abfinden, wir sind ,wie jedes andere Volk auch, mal mehr mal weniger, einfach eine Promenadenmischung.

Vielleicht hat ja hier jemand dazu auch eine Meinung.

Gruß
 
Gast schrieb:
Ich habe mit dieser Frage in einem englischsprachigen Forum jetzt glaube ich schon einen neuen Balkankrieg heraufbeschworen, nachdem sich jetzt da Serben und Kroaten bekriegen wer nun von wem abstammt. Die abstrustesten Theorien gehen mittlerweise bis aufs antike Persien zurück. Fast schon komisch.

Mit diesen Theorien hatten wir uns hier in diesem Forum auch schon unseren Spaß.



Gast schrieb:
Ich hab mich jetzt eine Zeit mit dem Thema beschäftigt und komme irgendwie zu dem Schluss, daß die Entstehung von Völkern eigentlich geschichtlich immer mehr eine Sache der Namensgebung als von wirklicher genetischer Verwandschaft war.ist

Dem würde ich nicht widersprechen.



Gast schrieb:
Für die slawische Geschichte ergibt sich zum Beispiel folgendes Rätsel, vor dem Hunnensturm war die heutige russische Steppe noch beliebtes Siedlungsgebiet von Stämmen die man heute eindeutig den Germanen zurechnet. Nach den Hunnen herrscht dann erstmal Chaos und Völkerwanderung. Und kaum klärt sich der Nebel ein wenig beginnen aus der selben Gegend plötzlich Stämme einzufallen die man ab diesem Zeitpunkt dann plötzlich als Slawen bezeichnet. Und nicht nur ein paar, ganze Völkerschaften. Wo sollen die hergekommen sein, wenn sie nicht identisch sind mit den Bewohnern die in dieser Gegend auch vorher schon gewohnt haben.

"Identisch" sicher nicht, denn wenn Völkerwanderung und Chaos herrschen, ist es schwierig, von einer "Identität" zwischen Vorher und Nachher zu sprechen.



Gast schrieb:
Ein homogenese gemanisches Volk hat es niemals gegeben

Korrekt.



Gast schrieb:
Und der altslawische Stamm der Preussen

Einspruch! Die Pruzzen, die Du wohl meinst, sprachen keine slawische, sondern eine baltische Sprache.
 
Die ersten, die mit den Slawen in Verbindung gebracht werden können sind die Anten im 4. Jhd. Aber erst im 5. Jhd dringen Slawen mit den Hunnen westwärts. Im Laufe des 5. Jhds besiedeln sie das weitgehend aufgelassene Gebiete in Kleinpolen. Ab 517 dringen sie auch ins Römische Reich ein. In der zweiten Hälfte des 6. Jhd. scheinen sie sich auf dem Balkan zu verbreiten. Dies gilt wohl auch für Mitteldeutschland und Böhmen. Erst in der 2. Hälfte des 7. Jhd dringen die Slawen bis zur Ostsee vor. Unklar ist die Lage in Siebenbürgen und Ungarn. Möglicherweise lebten hier schon Slawen unter gepidischer Oberhoheit.
 
Oh, hat ja doch geklappt. Ich war ein wenig verwirrt. Ich bin beorna bin ich.

Noch ein Zusatz, die direkte Herkunft aus der Lausitzer Kultur bzw. eine slawische Lausitzer Kultur ist ebenso Blödssinn wie eine slawische Przeworsk-Kultur.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für die Auskunft.
Und weiss man etwas woher diese Anten stammen? Ich meine irgendwie fällt es schwer zu glauben daß sie die gesamte Strecke mit den Hunnen mitgezogen sind. Die Hunnen waren ja wohl eindeutig Asiaten. Demnach müssen sie ja zwangsläufig aus einem Gebiet zwischen Schwarzmeergebiet und der Mongolei stammen, wenn man mal annimmt daß die Hunnen aus dieser Gegend kommen. Also Kasachstan oder ähnliche Gegenden. Allerdings habe ich auch irgendwo mal gelesen daß Attila sogar Tribute vom König der Finnen erhielt. Bin mir aber nicht sicher ob das jetzt gesichert ist, könnte ich auch aus irgendeinem Roman haben. Wenn dem so ist, dann wäre Finland doch eine Option, die auch das völlig unasiatische Aussehen erklärt.
Hätte da dann gleich noch eine Frage aus dieser Gegend. Die Sarmaten ... waren die aus diesen Gegenden zu diesem Zeitpunkt schon verschwunden. Weiss man da Details was aus diesem Volk geworden ist?
 
Gast schrieb:
Die Hunnen waren ja wohl eindeutig Asiaten. Demnach müssen sie ja zwangsläufig aus einem Gebiet zwischen Schwarzmeergebiet und der Mongolei stammen, wenn man mal annimmt daß die Hunnen aus dieser Gegend kommen.

Weder "eindeutig" noch "zwangsläufig", denn die Hunnen selbst waren auch eher ein buntes Gemisch als eine geschlossene Gesellschaft, die von irgend einem bestimmten Punkt aus nach Europa gezogen ist.

Gast schrieb:
Die Sarmaten ... waren die aus diesen Gegenden zu diesem Zeitpunkt schon verschwunden. Weiss man da Details was aus diesem Volk geworden ist?

Die Sarmaten dürften bis zur Gotenzeit noch als Volk identifizierbar gewesen sein, danach nicht mehr. Sie werden in den Goten, Slawen etc. aufgegangen sein.
 
Das wäre eine Erklärung dafür, warum viele altslawische Gottheiten sich so den iranischen ähneln. Entweder kommt es dort die frühere Anwesenheit der Samarten, Skythen, Alanen usw oder durch die räumliche Nähe zu iranischen Gebieten.

Ich hörte einmal das der polnische Adel sich direkt vom den Samarten herleitet. Wunschdenken oder altüberlieferte Erinnerung?
 
Hätte da dann gleich noch eine Frage aus dieser Gegend. Die Sarmaten ... waren die aus diesen Gegenden zu diesem Zeitpunkt schon verschwunden. Weiss man da Details was aus diesem Volk geworden ist?

Ums etwas pathetisch zu sagen, das letzte mal tauchten die Sarmaten gegen Mitte des fünften Jahrhunderts in den Quellen auf. Nach der Auflösung des Hunnenreiches zogen die Sarmaten anscheinend die Theiß hinab und besetzten Singidunum, das heutige Belgrad, und die Umgebung. Sie hatten aber dort keine lange Verweildauer, da die Sarmaten unter dem König Babai von dem noch jungen Theoderich mit 6.000 Mann geschlagen und versklavt wurden. So jedenfalls Iordanes in der "Getica" LV, 282.
Zeitlich wäre das 468/69 n. Chr.
 
askan schrieb:
Ich hörte einmal das der polnische Adel sich direkt vom den Samarten herleitet. Wunschdenken oder altüberlieferte Erinnerung?

Welcher polnische Adel? Der ganze? Da wäre alte Überlieferung wohl ausgeschlossen.
 
@hyokkose: "Weder "eindeutig" noch "zwangsläufig" " <- Okay hast recht ich neige dazu etwas zu euphorisch zu formulieren:)

Aber ich persönlich halte es für unwahrscheinlich daß der Hunnensturm seinen Ursprung nicht in der Mongolischen Steppe stattgefunden haben soll, wenn die Geschichte stimmt daß die Hunnen zuerst an der großen Mauer abgeprallt sind bevor sie sich nach Westen wanderten.
Alleine die Existinenz dieser Mauer zu diesem Zeitpunkt spricht ja dafür daß die Völker der mongolischen Steppe schon fast mit Tradition dazu neigten in plötzlichen Wanderbewegungen eine Gefahr für ihre Nachbarn dargestellt zu haben. Ich meinte damit praktisch die "Ur"hunnen, wie auch immer dieser Stamm sich damals genannt haben mag.
Ich denke mal die wirklich bunte Gesellschaft wird dann erst auf dem Marsch nach Westen aus ihnen geworden sein. Aber ein erster Anstoßpunkt muß doch existiert haben. Es kann kein Zufall sein daß hunderte von Stämmen ohne Möglichkeiten sich nach heutigen Maßstäben abzusprechen zur selben Zeit auf den Gedanken kommen nach Westen zu ziehen. Hätte es dabei keine Oberhohheit gegeben hätten diese Stämme doch wahrscheinlich niemals Europa erreicht, sondern sich auf gegenseitige Überfälle beschränkt.
Ist ja sowieso alles Spekulation, aber ich könnte mir da schon einen grossen Herrscher a la Genghis Khan / Temudjin vorstellen, bloss tausend jahre füher, der dem ganzen irgendwann einmal den Anstoss gegeben hat. Dagegen spricht allerdings wieder daß die Mongolen innerhalb von seiner Lebensspanne Europa auch erreicht haben, die Hunnen scheinen wesentlich langsamer und wahrscheinlich auch mit wesentlich weniger organisiertem militärischen Vorrücken vorgegangen zu sein. Das spricht wieder für keinen wirklichen Oberbefehl irgendeines Einzelherrschers während dieser Wanderung, sondern aufgrund ihrer Langsamkeit eher für umherziehende Nomaden.
Ach Geschichte ist schon interessant...ich bräuchte halt mal eine Zeitmaschine um solche Fragen alle zu klären.:)

Aber danke auf jeden Fall mal an dieses Forum. Ihr wisst echt Sachen die findet man in hundert Jahren in keinem Lexikon !!!

Gruß
 
Hi.
Da hier im Forum ja so furchtbar gerne über die Herkunft gesprochen wird (eine Folge der Globalisierung? ;)) möchte ich hier mal zwei Dokumente einwerfen, über die ich gerade gestolpert bin:

Es geht um die genetische Herkunft und Zusammensetzung der Ungarn / Magyaren :

Probable ancestors of Hungarian ethnic groups: an admixture analysis

und

MtDNA and Y chromosome polymorphisms in Hungary: inferences from the palaeolithic, neolithic and Uralic influences on the modern Hungarian gene pool


Leider habe ich keinen Thread gefunden, der explizit die Herkunft der Ungarn thematisiert. Sollte ihn noch ein Mod finden, dann steht es ihm frei, diesen Post dorthin zu beamen. :)
Ansonsten kann man ihn auch in den Thread "Osman. Erbe in SO-Europa" hinpacken, wenn man sich die türk. Gene anschaut?

Egal. Wen es interessiert, wird es sicher finden...

Tschüß, LG lynxxx
 
Es geht um die genetische Herkunft und Zusammensetzung der Ungarn / Magyaren :


Welche Völker und Kulturen im Lauf der Jahrtausende den Raum des heutigen Ungarn berührten oder dort siedelten, lässt sich recht gut bestimmen.

In ganz früher Zeit waren es neolithische Kulturen, die sich vermutlich im Rahmen einer Kulturtrift vom Balkan her nach Mitteleuropa ausbreiteten. Hier sind zu nennen die Vinca-Kultur, die Starcevo-Kultur sowie die donauländische Kultur der Linearbandkeramiker. Welche Völker dahinterstanden, lässt sich natürlich nicht sagen.

Seit etwa dem 3. Jahrtausend vermutet man das Eindringen indoeuropäisch sprechender Völkerschaften, die sich seit etwa 1600 v. Chr. mit der Lausitzer Kultur bzw. der Hügelgräber-Kultur zeigen, danach mit der Urnenfelder-Kultur. Etwa um 800 v. Chr. wird der ungarische Raum von der Hallstatt-Kultur erfasst, die vermutlich von Illyrern und frühen Kelten geprägt ist. Auch zur Latène-Zeit wird der Raum wohl von Kelten berührt, wie stark das der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zur Zeit des Römischen Reichs entsteht dort die Provinz Pannonien, und es ist anzunehmen, dass die ansässige Bevölkerung - mehr oder weniger stark - romanisiert wird. Ab dem frühen 5. Jh. gerät das Gebiet unter die Herrschaft der Hunnen, zum Teil ab 510 unter die Herrschaft der Ostgoten. Von 526-568 erfolgt ein Intermezzo durch die Langobarden im Zuge der germanischen Völkerwanderung, 568 folgen die Awaren, die meist als turkstämmig angesehen werden. 791/96 werden sie von Karl dem Großen vernichtet und verschwinden von der Bühne.

Seit 896 besetzen dann die zu den finnisch-ugrischen Völkern zählenden Magyaren das Land, die, aus der Gegend südlich des Ural abwandernd, in die ungarische Tiefebene kommen. Manche vermuten, dass sie mit einer türkische Führungsschicht vermischt waren, und vor den Petschenegen flüchteten. Auf jeden Fall vermischten sie sich mit der altansässigen Bevölkerung, zu der inzwischen auch Slawen zählten, die seit dem frühen Mittelalter eingewandert waren.

In welchem Umfang nun finnisch-ugrisch-türkische Elemente im heutigen ungarischen Volk verankert sind, ist strittig. Die oben genannte Genanalyse setzt sie als nicht existent oder verschwindend gering an, doch bin ich nicht sicher, wie repräsentativ das ist.
 
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