Die Ethnogenese der Kelten ist unklar

Fischiot

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Kelten
Unter Forschern lautet der Konsens heute so, dass die Ethnogenese der Kelten (Gallier / Galater) unklar ist. Fakt ist jedoch, dass es die Kelten / Gallier / Galater gab. Innenpolitisch werden die Kelten als Völker mit einer ausgeprägten Kultur beschrieben. Es handelt sich bei den Kelten (altgriechisch Κελτοί Keltoí oder Γαλάται Galátai, lateinisch Celtae oder Galli) um Volksgruppen der Eisenzeit. Außenpolitisch müssen die Kelten sehr kriegerisch gewesen sein, beispielsweise fielen sie um 380 vor unserer Zeitrechnung in das Land der Etrusker ein.

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Ein wenig ketzerisch gefragt: Die Ethnogenese welches antiken "Volkes" wäre denn nicht unklar?

Gemeint ist wahrscheinlich folgendes:
Die Idee, es habe eine "keltische Ethnogenese" gegeben, wird schon seit längerer Zeit in Zweifel gezogen und mittlerweile in der Wissenschaft nahezu einhellig abgelehnt:

Festzuhalten bleibt, dass es weder eine keltische „Ethnogenese“ noch ein keltisches „Kernland“ gab.
Die Erfindung der Kelten
 
Die Entstehung einer Sprache ist keine Ethnogenese. Zwei unterschiedliche Ethnien oder Völker können dieselbe Sprache sprechen.

Die Griechen nannten alle Völker von Frankreich bis Rumänien Kelten. Und natürlich die Galater in Kleinasien.

Dank Cäsar 'wissen' wir, dass allein zwischen Pyräneen und Rhein zahlreiche Stämme lebten, die in vier Großethnien eingeteilt werden konnten: Aquitanier, Gallier, Belger und Germanen. In Britannien sind später Belger, Caledonier und andere "keltische" Stämme erwähnt. Wir wissen von verschiedenen keltischen Sprachen, aber nicht wieviele es waren oder welcher Stamm welche sprach. Wir wissen auch, dass nicht alle als Kelten bezeichneten Stämme Kelten waren und nicht alle davon keltisch Sprachen.

Es hilft auch nicht Hallstadt- oder Latène-Kultur einfach als keltisch zu apostrophieren.

Schriftquellen fehlen für eine Zeit, die früh genug wäre, um die Frage einer keltischen Ethnogenese zu klären. Ein Gruppenbewusstsein, egal ob aus Fremd- oder Eigensicht kann nicht aus anderen Quellen erschlossen werden.

(Spätere Sagen beschreiben nur das Bewusstsein der Zeit ihrer schriftlichen Fixierung.)
 
Man braucht dann halt eine Vorstellung davon, wie sich die gemeinsame Sprache oder Sprachfamilie über Gruppen von Menschen verbreitet hat, die ansonsten nichts miteinander zu tun hatten.
 
Man braucht dann halt eine Vorstellung davon, wie sich die gemeinsame Sprache oder Sprachfamilie über Gruppen von Menschen verbreitet hat, die ansonsten nichts miteinander zu tun hatten.
Das wird bei den keltischen Sprachen schwierig. Im Alpenraum mit der Hallstatt-, Golasecca- und La-Tene-Kultur hat sich keine keltische Sprache erhalten. Wissen wir überhaupt gesichert, ob in Gegenden, die sich heute als "keltische Nation" über die Sprache definieren, im Altertum tatsächlich auch Kelten lebten. Wie gesichert lebten in der Antike in Schottland Kelten bzw. sprachen Pikten eine keltische Sprache? Wie sicher ist es, dass es im Altertum in Irland Kelten gab? Ist die antike ibero-keltische Sprache mit den keltischen Sprachen im Alpenraum verwandt?

Edit: Oder ist es gesicher, dass heutige keltische Sprachen wie Irisch oder Gälisch tatsächlich mit den Sprachen verwandt sind, die von der Hallstatt-, Golasecca oder La-Tene-Kultur gesprochen wurden?
 
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Wie sicher ist es, dass es im Altertum in Irland Kelten gab? Ist die antike ibero-keltische Sprache mit den keltischen Sprachen im Alpenraum verwandt?

Edit: Oder ist es gesicher, dass heutige keltische Sprachen wie Irisch oder Gälisch tatsächlich mit den Sprachen verwandt sind, die von der Hallstatt-, Golasecca oder La-Tene-Kultur gesprochen wurden?
Die modernen keltischen Sprachen sind ja noch lebendig und daher recht gut zu erforschen. Vom Altkeltischen sind Inschriften erhalten, außerdem Orts- und Personennamen, vermutlich auch Hydronyme und Oronyme. Die Überlieferungslage ist nicht überragend. Ganz so dramatisch schlecht ist die Überlieferungslage aber auch nicht.
 
Schriftquellen fehlen für eine Zeit, die früh genug wäre, um die Frage einer keltischen Ethnogenese zu klären. Ein Gruppenbewusstsein, egal ob aus Fremd- oder Eigensicht kann nicht aus anderen Quellen erschlossen werden.

Dem würde ich widersprechen wollen, gemeinsame Symbole, Kultorte etc. können durchaus auch abseits von Sprache ein recht deutlicher Hinweis auf ein wie auch immer geartetes Gruppenbewusstsein geben.
 
Edit: Oder ist es gesicher, dass heutige keltische Sprachen wie Irisch oder Gälisch tatsächlich mit den Sprachen verwandt sind, die von der Hallstatt-, Golasecca oder La-Tene-Kultur gesprochen wurden?

Im Gebiet des einstigen Noricum lassen sich historisch fünf verschiedene Sprachen nachweisen. In weiten Teilen des Landes wurde also viermal die einheimische Sprache jeweils vollständig durch eine neu hinzugekommene fremde Sprache verdrängt.

Die älteste Sprache war eine indoeuropäische, nicht-keltische Sprache. Sie lässt sich nur über Toponyme erschließen. In Tirol, wo keine durchgehende sprachliche Keltisierung stattgefunden hat, gibt es Siedlungsnamen, die auf diese (oder eine benachbarte, nah verwandte) Sprache zurückgehen; ansonsten geben nur noch die (oft besonders zählebigen) Gewässernamen Auskunft.

Dann kam das Keltische. Ob die vorkeltische Sprache vom Keltischen komplett verdrängt wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Falls es noch vorkeltische Sprachinseln gegeben haben sollte, wurden diese - wie auch das Keltische - im Lauf der fünfhundertjährigen Römerherrschaft vom Lateinischen verdrängt.

Ob im Osthallstattkreis schon keltisch gesprochen wurde, ist also durchaus fraglich.
 
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Ist die antike ibero-keltische Sprache mit den keltischen Sprachen im Alpenraum verwandt?

Ja, sicher. Sie ist auch mit den nicht-keltischen indoeuropäischen Sprachen im Alpenraum verwandt, seien es die vorkeltischen, seien es die heutigen wie Bairisch oder Ladinisch.

Die keltischen Sprachen sind natürlich untereinander enger verwandt. Die Unterschiede zwischen den noch existierenden Sprachen sind aber recht groß; es handelte sich ja schon zur Zeit der frühesten Sprachzeugnisse um unterschiedliche Sprachen.

Die bekannten keltischen Sprachen lassen sich folgendermaßen unterteilen:

Festlandskeltisch/Q-Keltisch: Keltiberisch
Festlandskeltisch/P-Keltisch: z. B. Lepontisch, Gallisch
Inselkeltisch/Q-Keltisch ("Goidelisch"): z. B. Irisch, Schottisch-Gälisch
Inselkeltisch/P-Keltisch ("Britannisch"): z. B. Walisisch, Bretonisch
 
Im Übrigen scheint sich in den romanischen Sprachen ein ähnlicher Auseinanderfall in P- und Q-Sprachen vollzogen zu haben, wie in den keltischen.
In den meisten romanischen Sprachen hat sich der /k/ bzw. /kw/-Laut erhalten, bzw. wurde lenisiert.
aqua > span./port. agua/água; frz. eau, ital. acqua aber rum. apă
quattuor >
span. cuatro/port. quatro; frz. quatre; ital. quattro, dagegen rum. patru
octo >
span. ocho, port. oito, frz. huit, ital. otto, (alle bedingt durch den kt-Nexus ohne erhaltenem /k/, /kw/), dagegen rum. opt
 
Dem würde ich widersprechen wollen, gemeinsame Symbole, Kultorte etc. können durchaus auch abseits von Sprache ein recht deutlicher Hinweis auf ein wie auch immer geartetes Gruppenbewusstsein geben.

Hinweise sind kein Beweis. In Polen und Bayern gibt es einen Haufen gleicher Symbole und katholische Kultstätten. q.e.d.
 
Es ist anzunehmen das "keltisch" die zentrale dominierende Kultur Mitteleuropas in der Eisenzeit bezeichnet. Die Unterscheidungen sind 1.Zentrum und Peripherie 2.Oben und Unten(Stratifikation) und 3. Arbeitsteilung(funktionale Differenzierung).
Die ästhetisch-gestalterische Formensprache wirkt als verbindendes und abgrenzendes Charaktermerkmal von Eliten, die sich überregional zusammenfinden und deren Sprache auch überregional verstanden wird.
An wichtigen Handelsruten akkumuliert sich Reichtum und Technologie. Das Zentrum dominiert die Peripherie. Die Fremden, die überregionale Netzwerke bilden, sind in der Peripherie gefragte Fachleute und dominierende Krieger, sowie auch Missionare einer attraktiven Kultur und profitablen Wirtschaftsweise.
Das ganze Cluster pulsiert von der Glockenbecherkultur über die Urnenfelderzeit bis zur Latenezeit. Die Oppida sind auch visuelle Herrschaftssymbole, die die Landschaft dominieren. Das ist ähnlich wie die griechische Dominanz über das Mittelmeer.
Aber es gibt keine Staatsbildung, keine Schrift und kein schriftlich kodifiziertes Recht. Es gibt keine Stadtstaaten und Königreiche. Es gibt keine Beamten und keine formalen Steuern.
Auch wenn es andere Ethnien in Mitteleuropa gab, wie z.B. alteuropäische Stämme(Aquitanier, Ligurer) oder kulturell entwickeltere Gebiete(Iberer, Etrusker) konnten sie doch von der Ausbreitungdynamik des europäischen Zentrums tangiert werden.
Ich habe jetzt ein furchtbar ethnozentristisches Bild gemalt, aber die eisenzeitlichen Mitteleuropäer waren das, ohne sich selbst als Kelten zu bezeichnen, und sie wären vielleicht am liebsten Griechen gewesen und folgten dem "Lux Orientes".
Helau!
 
Ja das stimmt. Aber man kann Stammesorganisation und Föderation auch als Staat bezeichnen. Man kann Stammeshäuptlinge als Könige bezeichnen. Man kann penibel mündlich weitergegebene Normen als Rechtscode bezeichnen und man kann Druiden zu Vergobreten umbenennen, die dann von den Römern Magistrate genannt werden.
In der Haeduerhauptstadt Bibracte gibt es ja auch so eine Art römisches "Domus" mitten in der traditionell keltisch geprägten Stadt, wo man sich vielleicht mit den römischen Gästen auf Augenhöhe fühlte. Habe ich grade in einer Doku gesehen.
https://www.zdf.de/dokumentation/zd...racte-galliens-vergessene-hauptstadt-100.html
 
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