Die Gracchen

Sucher67

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Hallo,
weiß jemand, ob es gute Bücher über die römische Geschichte zur Zeit der Gracchen gibt?
Und als Zusatzfrage: Zeigt das Scheitern der Gracchen möglicherweise, daß das antike Rom schon damals (Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr.) innerlich marode war, sozusagen "auf tönernen Füßen" gestanden hat?
 
Zeigt das Scheitern der Gracchen möglicherweise, daß das antike Rom [...] sozusagen "auf tönernen Füßen" gestanden hat?
Du weißt, dass das ein Bibelzitat ist, dass dann von Christen im Frühmittelalter auf Rom bezogen wurde und beliebter Anlass zum Schreiben von Weltchroniken war?

Deine Idee trägt zumindest oberflächlich betrachtet nicht, Rom hatte seinen Zenith ja lange noch nicht erreicht. Man könnte nun vielleicht sagen, dass Rom expandieren musste, um seine inneren Widersprüche zu übertünchen. Kann man deine These in etwa so greifen?
 
Und als Zusatzfrage: Zeigt das Scheitern der Gracchen möglicherweise, daß das antike Rom schon damals (Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr.) innerlich marode war, sozusagen "auf tönernen Füßen" gestanden hat?
Meinst Du mit "Rom" vielleicht eigentlich die Republik?

Das Scheitern der Gracchen zeigt eigentlich, dass sich die Republik (im althergebrachten Sinn) noch zu behaupten vermochte. Schließlich versuchten die beiden Gracchen ihre Reformvorstellungen allein auf das Volk gestützt und mit verfassungsrechtlich zumindest problematischen oder gar eindeutig verfassungswidrigen Methoden durchzusetzen, scheiterten aber letztlich beide.
Natürlich kann man den Umstand, dass es überhaupt so weit kam, als Zeichen werten, dass die Republik marode war. Allerdings sollte man die Republik ohnehin nicht idealisieren. Gekracht und geknirscht hat es schon davor relativ oft. Politisch einigermaßen stabil war sie - scheinbar - nur für etwa eineinhalb Jahrhunderte zwischen dem Ende der Ständekämpfe und den Gracchen. Das 2. Jhdt. v. Chr. vor den Gracchen war davon geprägt, dass sich die Macht zunehmend in den Händen weniger Familien konzentrierte. Probleme wie das Grundeigentum oder der Umgang mit den Bundesgenossen blieben ungelöst und entwickelten zunehmende Sprengkraft.
 
Du weißt, dass das ein Bibelzitat ist, dass dann von Christen im Frühmittelalter auf Rom bezogen wurde und beliebter Anlass zum Schreiben von Weltchroniken war?

Ja, das weiß ich. Wenn ich nicht irre, ist es ein Zitat aus dem Buch Daniel im AT.

Deine Idee trägt zumindest oberflächlich betrachtet nicht, Rom hatte seinen Zenith ja lange noch nicht erreicht. Man könnte nun vielleicht sagen, dass Rom expandieren musste, um seine inneren Widersprüche zu übertünchen. Kann man deine These in etwa so greifen?

Das ist einerseits klar, denn der Zenith zumindest nach außen hin sollte ja wohl erst etwa 100 Jahre später mit Augustus kommen.
Aber vielleicht zeigt schon das Erscheinen der Gracchen, daß im alten Rom nicht alles Gold war, was geglänzt hat, denn Auslöser für diese Reformwünsche scheinen doch ernsthafte Versorgungsengpässe gewesen zu sein.
 
Meinst Du mit "Rom" vielleicht eigentlich die Republik?

Grundsätzlich meine ich mit Rom die gesamte Zeit von der legendären Gründung 753 v. Chr. bis zum bitteren Ende des weströmischen Reiches um 476 n. Chr.
Aber ich hatte nach den Gracchen gefragt, und die fallen ja in die Republik.

Das Scheitern der Gracchen zeigt eigentlich, dass sich die Republik (im althergebrachten Sinn) noch zu behaupten vermochte. Schließlich versuchten die beiden Gracchen ihre Reformvorstellungen allein auf das Volk gestützt und mit verfassungsrechtlich zumindest problematischen oder gar eindeutig verfassungswidrigen Methoden durchzusetzen, scheiterten aber letztlich beide.
Natürlich kann man den Umstand, dass es überhaupt so weit kam, als Zeichen werten, dass die Republik marode war. Allerdings sollte man die Republik ohnehin nicht idealisieren. Gekracht und geknirscht hat es schon davor relativ oft. Politisch einigermaßen stabil war sie - scheinbar - nur für etwa eineinhalb Jahrhunderte zwischen dem Ende der Ständekämpfe und den Gracchen. Das 2. Jhdt. v. Chr. vor den Gracchen war davon geprägt, dass sich die Macht zunehmend in den Händen weniger Familien konzentrierte. Probleme wie das Grundeigentum oder der Umgang mit den Bundesgenossen blieben ungelöst und entwickelten zunehmende Sprengkraft.

Das klingt interessant.
Kann oder muß - oder darf - man da Parallelen zur heutigen Zeit sehen?
Die Machtkonzentration in immer weniger Händen wird ja auch heute von manchen festgestellt.
Und scheinbar ist ja auch der innere Zusammenhalt der heutigen demokratischen Gesellschaften nicht mehr so vorhanden wie noch vor einigen Jahrzehnten.

Ich gehöre, das sollte ich vielleicht noch sagen, nicht zu denen, die meinen die Geschichte wiederhole sich eins zu eins. Das ist wohl auch kaum möglich, und im konkreten Fall wäre es sicher leicht, die Unterschiede zwischen dem alten Rom und der heutigen westlichen Welt herauszuarbeiten. Aber bezüglich einzelner Fragen mag es ja Analogien geben.
 
Diskussionen zu aktuellen politischen Themen sind in diesem Forum nicht zulässig, weswegen über die heutige Situation hier nicht diskutiert werden kann. Ich beschränke mich daher darauf, was in der fortgeschrittenen römischen Republik anders war.

Im alten Rom war es so, dass sich - in besonderem Maße im 2. Jhdt. v. Chr., aber auch schon davor - die Macht in den Händen weniger Familien konzentrierte, die über Generationen hinweg in fast jeder Generation Konsulate bekleideten, mitunter sogar mehrere Vertreter einer Generation. Paradebeispiel war etwa Quintus Caecilius Metellus Macedonicus, der selbst Konsul war und dessen vier Söhne alle auch Konsuln wurden. (Und das bei über 300.000 männlichen Bürgern.) Politikerdynastien gibt es heutzutage zwar auch, aber nicht mit solchen Auswüchsen.

Außerdem gab es im alten Rom keine formellen Parteien, eine wichtige Rolle spielten stattdessen Familien und ihre Beziehungen. Die einflussreichen Familien hatten ihre Klienten und ihren Reichtum, die eine generationenüberdauernde Machtbasis und Grundlage für eine politische Karriere bildeten. Obendrein waren die wichtigen Familien oft auch untereinander verschwägert. Beziehungen sind zwar auch heute wichtig, aber nicht in dieser Form.

Politisch wirkte all das durchaus stabilisierend und sorgte für Kontinuitäten. Die innenpolitischen Konflikte der späten Republik entzündeten sich auch kaum an dieser ungleichen Machtverteilung und den geringen Aufstiegschancen von Männern, die nicht zur herrschenden Schicht gehörten. Viele Politiker, die für Konflikte sorgten, gehörten selbst der althergebrachten Oberschicht an. Etliche Machtkämpfe fanden also innerhalb der herrschenden Schicht statt. Wenn Aufsteiger in Konflikte verwickelt waren, dann eher erst nachdem sie den Aufstieg grundsätzlich schon geschafft hatten.
 
Diskussionen zu aktuellen politischen Themen sind in diesem Forum nicht zulässig, weswegen über die heutige Situation hier nicht diskutiert werden kann.

Danke für den Hinweis, das wußte ich bisher nicht, werde es aber künftig beachten.

Im alten Rom war es so, dass sich - in besonderem Maße im 2. Jhdt. v. Chr., aber auch schon davor - die Macht in den Händen weniger Familien konzentrierte, die über Generationen hinweg in fast jeder Generation Konsulate bekleideten, mitunter sogar mehrere Vertreter einer Generation. Paradebeispiel war etwa Quintus Caecilius Metellus Macedonicus, der selbst Konsul war und dessen vier Söhne alle auch Konsuln wurden. (Und das bei über 300.000 männlichen Bürgern.) Politikerdynastien gibt es heutzutage zwar auch, aber nicht mit solchen Auswüchsen.

Außerdem gab es im alten Rom keine formellen Parteien, eine wichtige Rolle spielten stattdessen Familien und ihre Beziehungen. Die einflussreichen Familien hatten ihre Klienten und ihren Reichtum, die eine generationenüberdauernde Machtbasis und Grundlage für eine politische Karriere bildeten. Obendrein waren die wichtigen Familien oft auch untereinander verschwägert. Beziehungen sind zwar auch heute wichtig, aber nicht in dieser Form.

Politisch wirkte all das durchaus stabilisierend und sorgte für Kontinuitäten. Die innenpolitischen Konflikte der späten Republik entzündeten sich auch kaum an dieser ungleichen Machtverteilung und den geringen Aufstiegschancen von Männern, die nicht zur herrschenden Schicht gehörten. Viele Politiker, die für Konflikte sorgten, gehörten selbst der althergebrachten Oberschicht an. Etliche Machtkämpfe fanden also innerhalb der herrschenden Schicht statt. Wenn Aufsteiger in Konflikte verwickelt waren, dann eher erst nachdem sie den Aufstieg grundsätzlich schon geschafft hatten.

Ist es angesichts dieser Sachlage vielleicht gerechtfertigt, zu sagen, die späte römische Republik sei eine Oligarchie gewesen?
 
Bekanntlich interpretierten Polybios und Cicero die römische Verfassung als Mischung aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie.

Ein oligarchisches Element hatte die späte römische Republik sicher, aber auf eine Oligarchie kann man sie nicht reduzieren. Schließlich gab es auch die Volksversammlungen. Gelenkt wurden sie zwar meist von Bürgern, die selbst den herrschenden Familien entstammten, aber sie konnten ein machtvolles Instrument werden.
Außerdem stand der Zugang zu den Ämtern in der Theorie allen männlichen Bürgern offen, anders als in echten Oligarchien, in denen er z. B. an die Zugehörigkeit zu bestimmten Familien, an ein bestimmtes Vermögen oder an Grundbesitz geknüpft ist.
 
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