Die Griechen im Atlantik

Dieses Thema im Forum "Antikes Griechenland" wurde erstellt von silesia, 2. Februar 2018.

  1. Armer Konrad

    Armer Konrad Aktives Mitglied

    Obwohl ich es auch für unwahrscheinlich halte, dass Griechen nach Amerika oder auch "nur" zum Weissen Meer gekommen sind, möchte ich doch in Erinnerung rufen, das Thor Heyerdal mit seinem auf dem Titicaca-See gebauten Schilfboot nach Amerika gekommen ist. Und mir kommt jetzt so ein Schilfboot (bei welchem das Schilf offenbar noch zur falschen Jahreszeit geschnitten wurde) nicht seetüchtiger vor als eine Tireme, ebensowenig im Hinblick auf die Segeleigenschaften.
     
  2. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Vielleicht schaust Du nochmal auf Seite 1 nach, worüber hier diskutiert wird?



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  3. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Hast Recht - habe leider nicht mehr daran gedacht.
     
  4. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Die These, von der wir hier sprechen, geht von wiederholten Fahrten aus und notwendigerweise, wenn die Beschreibung von Plutarch, auf die sie sich bezieht tatsächlich von einer solchen Fahrt berichtet, dann müssen die Seefahrer auch zurückgekehrt sein. Die Frage ist nun, ob die Urheber der These nicht Plutarch völlig falsch interpretieren.

    Das ist noch so ein Problem. Die Handelschiffe waren langsam. Sie konnten kaum gegen den Wind kreuzen. Die antiken Seefahrer betrieben Küstennavigation.
    Kolumbus brauchte von Gomera aus 37 Tage bis in die Karibik. Deine Griechen hätten mit Schiffen, die nicht wirklich gut kreuzen konnten, weniger hochbordig waren - und Kolumbus' Schiffe waren schon Nussschalen! - eine w e i t e r e Strecke schaffen sollen.
    Magellan brauchte 76 Tage von Spanien bis zur Sichtung von Südamerika (allerdings fuhr er auch nicht von den Kanaren in die Karibik sondern hielt einen südlichen Kurs). Im 18. Jhdt. brauchte man von England nach Amerika zwischen 20 und 30 Tagen.

    Wir wissen nicht, wo Pytheas wirklich war. Die meisten gehen eher davon aus, dass er Norwegen erreicht hat.

    Reden wir jetzt über griechische Handelssegler, die Stauraum hatten, aber langsam waren oder über griechische Galeeren, die auf kurze Distanz schnell waren, aber keinen Stauraum hatten?
    Denn du passt deine Verteidigung der Griechen in Amerika-Hypothese irgendwie immer wieder an. Einerseits nimmst du die Geschwindig- und Wendigkeit der Triremen für die Fahrt in Anspruch, wenn du sie mit den Wikingerbooten vergleichst, andererseits den Stauraum der Handelssegler.
    Die wikingischen Schiffe hatten alles drei, Segel, Ruder und Stauraum.
    Zudem entdeckten die Wikinger Amerika eher zufällig als sie auf dem Weg zwischen Island und Grönland in einen Sturm gerieten. Es gelang ihnen danach, Amerika gezielt anzufahren und mindestens zwei, heute archäologisch nachgewiesene Siedlungen zu gründen. Aber sie hatten andere Schiffe und waren auch viel näher dran.

    Da hast du etwas nicht begriffen. Das was bei Pytheas Seelunge (πλεύμονι θαλαττίῳ) heißt, wird als ein Gemisch aus Wasser, Land und Luft beschrieben. Daraus wird noch kein Treibeis. Dass das Treibeis sei, ist eine Interpretation, die zumal rätselhaft ist, weil der Begriff im Altgriechischen bereits für Quallen besetzt war.
     
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  5. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    (Pytheas) und
    (Plutarch)
    klingen für mich wie eine antike Beschreibung des Wattenmeers.
     
  6. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Es gibt in der Tat Interpretationen, die meinen, dass Pytheas im Westen der britischen Inseln gesegelt sei und dann von den äußeren Hebriden rüber nach Trondheim und von dort durch die Nordsee an Deutschland vorbei zurück.
     
  7. balkanese

    balkanese Aktives Mitglied

    und wer sagt dass Pytheas seine Reisen auf eigenem Kiel unternommen hat und nicht als zahlender Passagier mit Einheimischen gefahren ist.
     
  8. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Gut vorstellbar, dass er nicht auf eigenem Kiel reiste. So vermutet es jedenfalls laut wiki der englische Archäologe Barry Canliffe.

    Da man im Mittelmeer der Antike von den Zinnvorkommen Britanniens wusste, erscheint es mir plausibel, dass irgendwelche Nachrichten über das für mediterrane Verhältnisse sehr ungewöhnliche Wattenmeer, in welcher sagenhafter Form auch immer, dorthin gelangten. Wattenmeer muss ja nicht unbedingt die heutige deutsche Nordseeküste sein. Das gibt es doch auch z.B. an der Themse- oder Loiremündung, Normandie, etc.
     
  9. Biturigos

    Biturigos Aktives Mitglied

    Nur kurz, zur Schiffsfrage, Julius Cäsar beschreibt im Kap. III,13 Bell. Gall. die Schiffe der keltischen Veneter:
    "die Kiele waren erheblich flacher als bei unseren Schiffen, um bei Untiefen und Ebbe zu fahren Bug und Heck sehr hochragend, hohem Wellengang und Stürmen angepasst; die Schiffe ganz aus Eichenholz, um aller Gewalt und jedem Aufprall zu trotzen;...statt der Segel haben sie Felle und dünn gegerbte Häute, entweder aus Mangel an Leinen und Unkenntnis seines Gebrauchs, oder, was wahrscheinlicher ist, in der Meinung, Leinensegel können den schweren Stürmen des Ozeans und den mächtigen Windböen nicht standhalten und seien zur Lenkung so schwerer Schiffe ungeeignet." Im gleichen Kapitel sagt Cäsar auch, dass die aquitanischen Santoner und Piktonen seetüchtige Flotten hatten (III,11).
    Damit will ich nicht sagen, dass mit diesen Schiffen eine Atlantiküberquerung wahrscheinlicher wäre, nur, dass in frührömischer Zeit die Konstruktionsweisen nach gallo-britannischer Tradition den mediterranen Mächten bekannt geworden sind und sie aus diesen gelernt haben könnten. Unten das mittelkaiserzeitliche Wrack von London-Blackfriars, das alle Merkmale erfüllt, die Cäsars Beschreibung der spätkeltischen Schiffe enthält. Bockius, Keltische Schifffahrt-ein historisch-archäologisches Konstrukt, 2011
    Dass Griechen in Amerika gewesen sein sollen verwundert mich natürlich auch, über die vorgeschlagene Route bin ich erstaunt. Wie weit römische Expeditionen reichten (sicher ist Irland), weiß ich nicht, ausschließen lässt sich nicht, dass im Rahmen der Erfoschung des Nordmeers der Küstenlinie Skandinaviens gefolgt würde. In augusteischer Zeit gab es Flotten-Expeditionen in den Öresund.

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    Zuletzt bearbeitet: 13. Februar 2018
  10. balkanese

    balkanese Aktives Mitglied

    das werden eher Küstensegler als Hochseeschiffe sein.
     
  11. Apvar

    Apvar Premiummitglied

    Woran machst Du das fest? Geringerer Tiefgang? Dann waren die Niederländischen Schiffe des 17- Jahrhunderts alle samt Küstensegler, selbst die großen Retourschiffe der VOC, da geringerer Tiefgang als die Pendants der Engländer und Franzosen.
    Man muß bei der Konstruktion und Bau immer Kompromisse eingehen. Seetüchtigkeit ist das eine. Handling das andere und auch wie ich im Flachwasser klar komme.
    Kennst Du die Vendee in Frankreich? Das war die Heimat der Veneter, da braucht man auf jeden Fall Hochseetüchtige Schiffe.
     
  12. balkanese

    balkanese Aktives Mitglied

    Julius erklärt nicht, was er unter "unseren Schiffen" versteht, die Römer hatten verschiedene Typen im Einsatz, aber eigentlich war der Tiefgang bei keinem mehr als 1 Meter, wieviel ist dann also "erheblich flacher ", und
    es gibt eine Physik des Segelns, ein Schiff muss den Winddruck in Vorwärtsbewegung umsetzen können und nicht seitlich abtreiben, ein flaches Schiff braucht dazu irgendwelche Schwerter, oder Seitenschwerter, oder sonstwas, sowie,
    da du schon die >"großen Retourschiffe der VOC " ins Spiel bringst, das Verhältnis Länge zu Tiefgang beträgt bei diesen 10:1, eine 35 Meter lange Trireme hat statt dementsprechend 3,5 Meter Tiefgang aber nur einen, was das Problem wohl ausreichend beschreibt.
     
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  13. Solwac

    Solwac Aktives Mitglied

    Hm, wenn ich mir die Antworten hier so anschaue, dann gibt es eine Menge guter Begründungen, warum eine reproduzierbare Fahrt von antiken Griechen nach Amerika und zurück sehr unwahrscheinlich ist.
    Zum Vergleich die Diskussion über Karthager als Entdecker Amerikas.
    Außerdem wurde bei der Diskussion über eine mögliche Sperre der Straße von Gibraltar einiges über die Probleme bei der Durchfahrt angeführt. Also schon vor der Fahrt im Atlantik gab es beim Verlassen des Mittelmeers Hindernisse. Überwindbar, aber die Risiken summierten sich halt.

    Es können nicht alle Details in den überlieferten Berichten erklärt werden, aber eine angenommene Fahrt nach Amerika und zurück (um zu berichten) wirft mehr neue Frage auf als alte beantwortet werden können.
     
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  14. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Auf die Experimente mit der Olympias und die Publikationen dazu ist schon hingewiesen worden. Ansonsten u.a.:
    Maritime Celts, Frisians and Saxons

    Die Diskussion hat eine merkwürdige Spreizung in den Vergleichen erreicht. 2000 Jahre, Seeverhältnisse Nordatlantik bis Äquatorial-Strömungen, Floss bis Schiff, Prinzip „aufschwimmender Korken“ über Segel für Bristol Channel bis Ruder mit geringem Freibord, mit nennenswertem Kiel und ohne, etc.

    Immerhin sollte die Trireme keine Rolle für den Nordatlantik mehr zu spielen.
     
  15. balkanese

    balkanese Aktives Mitglied

    Das berühmte Retour- Schiff "Batavia" ist wie viele anderen vor Australien in Klippen gerauscht weil es ohne Uhren nicht möglich gewesen ist die Länge zu bestimmen, die sind nach der Südspitze Afrikas die Breiten entlang gesegelt, haben irgendwie die Entfernung völlig falsch geschätzt und versäumt rechtzeitig links abzubiegen. Typischer Unfall wenn man nicht weiß wo man eigentlich ist.
     
  16. balkanese

    balkanese Aktives Mitglied

    Bingo.
    Nachdem das geklärt ist können wir uns endlich wieder der Frage widmen wie das Wolgadelta ins Spiel kommt.
    Zur Veranschaulichung meiner Gedanken: Wenn man heutzutage über das Klima in New York spricht, sagt man, die Winter in NY sind so kalt, obwohl es auf der gleichen Breite liegt wie ............
    a Rom
    b Seoul

    Also muss das Wolgadelta mit der Geschichte einen über die Beschreibung der Breite hinausgehenden Zusammenhang haben,
     
  17. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Das gibt weiteres Rätselraten.

    Nochmals zum „Schiffsbetrieb“ plusminus500, und warum aus (grob) etappenweisen Küstenverkehr bis Irland und evt. Norwegen nichts zur Querung nach island folgt (auf die Seebedingungen ab einer gewissen Distanz zur Küste ist schon oben in der Karte des Schottischen Marineinstituts hingewiesen worden)

    Dark Age Traffic on the Bristol Channel, UK: A Hypothesis
    IJo Nautical Archaeology (2007), S. 336-343
    behandelt den Fernhandel (per Schiff) von AD 5.-7. Jhdt anhand der archäologischen Fundlage, mit Hinweisen zum Schiffskontakt entlang der Atlantikküsten seit 3 Jhdt BC.

    Some remarks on Romano-Celtic boat construction and Bronze Age wood technology
    IJo Nautical Archaeology (1999) S. 34-44
    Details zu den Schiffskonstruktionen bis Blackfriars

    McGrail, Maritime Celts, Frisians and Saxons
    Details siehe link oben.

    A boat of the Roman period found at Bruges, Belgium, in
    1899, and related types
    IJo Nautical Archaeology (1976), S. 23-55
    Vergleiche zw. Brügge- und Blackfriars-Schiff und weitere Erläuterungen

    Some Principles for the Reconstruction of Ancient Boat Structures
    IJo Nautical Archaeology (2006), S. 53-57
    Aussagegrenzen der Funde

    Romano-Celtic Boats and Ships - characteristic features
    IJo Nautical Archaeology (1995), S. 139-145
    Konstruktionsdetails und Eigenschaften.

    Bei Bedarf bitte per PN anfragen.
     
  18. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Einverstanden – aber dann gilt auch, was ich geschrieben habe: Wenn es stimmt, dass die Hinfahrt wegen der vorherrschenden Westwinde schwierig und langsam wäre, dann wäre die Rückfahrt einfacher und schneller.

    Ob die meisten so denken, weiß ich nicht. Die Wikipedia jedenfalls, sich auf Strabon berufend, sagt Folgendes:
    Dass Pytheas erstaunlich genau wusste, wo er sich befand, dokumentiert folgender Eintrag – Zitat aus Wikipedia, sich ebenfalls auf Strabon berufend:
    Wenn man von der Nordspitze Schottlands weiter in nördlichen Richtung segelt, dann kommt man nicht nach Norwegen, sondern zu Färöerinseln.

    Ich habe Triremen nicht ins Spiel gebracht – ich habe dem Gesagten nur nicht widersprochen, weil ich’s nicht besser wusste.

    Gestern habe ich mich informiert und gesehen, dass die Griechen große Handelsschiffe hatten, die genau so groß, wenn nicht größer waren wie die Schiffe des Kolumbus, und auf jeden Fall größer als die Wikinger. Bei der Größe kommt es nicht auf die Geschwindigkeiten an, sondern wie viel Verpflegung und Wasser man mitnehmen kann: Je mehr, desto länger kann man auf hoher See bleiben, ohne anlanden zu müssen.

    Das sind keine Gegenargumente: Auch die Griechen könnten Amerika zufällig gefunden haben. Und wenn sie auf Island waren, wären sie genauso nah dran wie Wikinger.

    Da bin ich überfragt, kann nur wiedergeben, was ich gelesen habe – Zitat aus Strabo Geography Book I Chapter 4:
    frozen sea = gefrorenes Meer = Eis.

    Gut möglich, dass das eine falsche englische Übersetzung bzw. Interpretation des griechischen Textes ist, ich frage mich nur, wie jemand im Jahr 1917 dazu gekommen ist.

    Um hier Klarheit im Zusammenhang zu bekommen, müsste man den ganzen Pytheas-Abschnitt in einer deutschen Übersetzung haben. Das scheint vorhanden zu sein: „Strabons Geographika / 1: Prolegomena, Buch I - IV: Text und Übersetzung“, Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2002.

    Ich habe zwar das Buch in der Bayerischen Staatsbibliothek bestellt, bekomme es aber voraussichtlich nicht vor 1.3.2018. Wenn jemand früher dran kommt, könnten wir hier auch früher weiter diskutieren, denn zumindest ich sehe in der Debatte derzeit keinen rechten Fortschritt in der Kernfrage mehr.
     
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  19. Apvar

    Apvar Premiummitglied

    Das Problem der Batavia war ein anderes. Oder besser gesagt es gab ein weiteres strukturelles in der Befehlskette. Der Schiffer war nicht der Befehlshaber auf dem Schiff. Sondern der Oberkaufmann, welcher keinerlei nautischen Kenntnisse haben musste und in diesem Fall auch hatte.
    Vergleichbar der RN. Der Captain war der Befehlshaber und gerade in der Zeit gab es sehr viele Gentleman Captains ohne jede Ahnung. Und der Master , von alters her der Schiffsführer, war nur beratend an Bord. Musste trotzdem im Zweifel den Kopf hinhalten.

    Wobei das klar OT ist. Vielleicht währe es bei weiterem Diskussionsbedarf der Navigation des 17. Jahrhunderts und die Befehlskette an Bord sinnvoll es aus zulagern.
     
  20. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Leider nur auszugsweise kann man es online lesen.
     

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