Die größten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches – Subjektiv und objektiv

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Auf die Gefahr hin, daß dieses Thema von manch einem als "Sommerloch"-Thread abgetan wird, eröffne ich das mal. ;)

Freilich ist schon die Frage subjektiv. Wie definiert man die "Größe" eines Herrschers? Doch soll jetzt keine Grundsatzdebatte darüber entstehen.

Kann man mit objektiven Kriterien überhaupt die größten – oder sollten wir vielleicht besser sagen: die bedeutendsten – Kaiser (und Könige) des Heiligen Römischen Reiches benennen? Bei welchen ist man sich "landläufig" einigermaßen einig, daß sie genannt werden müssen, bei welchen ist es umstritten?

Ich würde vorschlagen, daß hier jeder seine Favoriten nennen kann, am besten mit Begründung.

Bin mal gespannt!:yes:

P.S.: Bevor die Frage aufkommt: Gemeinhin läßt man das HRR ja mit Otto dem Großen beginnen, allerdings würde ich ggf. auch Heinrich I. und Konrad I. erlauben.
 
Dann will ich mal meine persönlichen Favoriten benennen:

- Karl V. (1519-1556/58)
Das "Phänomen Karl V." hat bereits die Zeitgenossen beschäftigt. Auch wenn er letztlich gescheitert ist (an seinen eigenen, sehr hohen Ansprüchen), so muß man ihm doch bescheinigen, daß er aufgrund seiner gewaltigen Hausmacht der bereits vergangen gewähnten "Kaiserherrlichkeit" noch eine letzte Spätblüte beschert hat. Die Tragik seiner Person ist für mich faszinierend. Seine Entscheidung, abzudanken, zeugt in meinen Augen von wahrer Größe. Er war konsequent bis zuletzt.

- Karl IV. (1346/47-1378)
"Nie ist das Reich von einer Pest betroffen worden, die verderblicher als Karl IV. gewesen wäre." (Maximilian I.) – Das ist erstmal starker Tobak und hat das Bild dieses Kaisers als "Böhmens Erzvater", aber "des Reiches Erzstiefvater" lange Zeit geprägt. Fraglos war die Zeit Karls IV. der Höhepunkt der Zentralgewalt im spätmittelalterlichen Reich. Seine Goldene Bulle blieb "Reichsgrundgesetz" bis 1806. Seit Jahrhunderten hatte das Reich mit Prag wieder ein Zentrum. Seine Regierungszeit ist umrandet von den beiden schlimmsten Katastrophen des 14. Jahrhunderts, dem Ausbruch der Pest 1347 und dem Beginn des Großen Abendländischen Schismas 1378. Ein letzter Ruhepol in hektischen Zeiten.

- Friedrich II. (1212/15-1250)
Im 19. Jahrhundert ob ihrer Italienpolitik als "undeutsch" gebrandmarkt, erfreuen sich die Staufer heute größter Beliebtheit. Der spannendste Stauferkaiser war für mich immer Friedrich II., der zwar wohl kaum "der erste moderne Mensch auf dem Thron", aber trotzdem für die moderne Staatlichkeit wegweisend war (Königreich Sizilien). Seine Offenheit für fremde Kulturen, sogar den Islam, macht ihn m. E. noch interessanter. Sein Tod war ein Epochenereignis und gilt bis heute als Schlußpunkt des hohen Mittelalters im Reich.

- Friedrich III. (1440-1493)
Wieso grad "des Reiches Erzschlafmütze" hier vorkommt, will erklärt sein. Wie hat man ihn nicht beschimpft, besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Dabei hat er mit kleinsten Mitteln und eiserner Sparsamkeit trotz mickriger Hausmacht das Fundament für Habsburgs Weltgeltung geschaffen. In den entscheidenen Momenten bewies er Standhaftigkeit (z. B. Treffen mit Karl dem Kühnen) und erlebte ganz am Ende noch die Früchte seines Jahrzehnte langen Ringens. Nach 53 Regierungsjahren war Habsburg 1493 eine Großmacht geworden, die sich einen Großteil des burgundischen Erbes sichern konnte. Nur ein Vierteljahrhundert später wurde auf dieser Grundlage eine Weltmacht daraus.

- Maximilian I. (1493-1519)
Als "letzter Ritter" ging er in die Geschichte ein, aber dabei war er viel mehr. Er war vielleicht der erste frühneuzeitliche Kaiser (trotz fraglos sehr mittelalterlich-traditioneller Züge). Trotz aller Widrigkeiten ließ er sich nicht unterkriegen und konnte den Weg seines Vaters fortsetzen, indem er 1515 definitiv das böhmisch-ungarische Erbe für das Haus Habsburg sicherte. Den gerade einmal elf Jahre später eingetretenen Erbfall hat er zwar nicht mehr erlebt, doch darf Maximilian I. sicherlich als einer der wesentlichen Schöpfer der späteren Donaumonarchie gelten. 1511 wollte er sogar Papst werden, und über Luther meinte er 1518 gegenüber dem kursächischen Gesandten: "Was macht euer Mönch? Seine Thesen sind gewiss nicht zu verachten." Wer weiß, wie die Reformation mit einem Kaiser Maximilian I. weitergegangen wäre.
 
Auf die Gefahr hin, daß dieses Thema von manch einem als "Sommerloch"-Thread abgetan wird,...
Aber nein, so etwas ist doch witzig.
Wenn man es natürlich nicht zu ernst nimmt - denn natürlich können das mangels allgemein akzeptierter Maßstäbe für "Größe" nur subjektive Einschätzungen sein.

Deine Vorschläge sind mir z. B. zu Habsburger-lastig. Soll heißen, ein Friedrich III ist für die Dynastie wichtig, aber nicht so sehr als deutscher/europäischer Herrscher.
Man könnte auch bei Karl V streiten, ob nicht seine Funktion als spanischer König die wesentliche Bedeutung ausmacht. Nur aufs Reich bezogen finde ich ihn weniger überzeugend.

Um mich mal umgekehrt aus dem Busch zu wagen: Eine solche Liste muß prominent wohl Otto den Großen enthalten. Der dominierende Herrscher einer ganzen Epoche in Europa. Er hat nicht nur das Reich und das Kaisertum so etabliert, daß wir überhaupt eine solche Diskussion führen können. Auch die Neuordnung der Nachbarn im Osten war eigentlich die Grundlage für die historische Entwicklung dieser Völker bis heute.

Als nächsten würde ich Friedrich I Barbarossa nennen, da sollte die Bedeutung ohne weitere Erklärungen klar sein.
 
- Friedrich II. (1212/15-1250)
...aber trotzdem für die moderne Staatlichkeit wegweisend war (Königreich Sizilien). Seine Offenheit für fremde Kulturen, sogar den Islam, macht ihn m. E. noch interessanter. Sein Tod war ein Epochenereignis und gilt bis heute als Schlußpunkt des hohen Mittelalters im Reich.

Wie du schon geschrieben hast, hat er seine größten Errungenschaften als König von Sizilien vollbracht. Als Kaiser des HRR sieht seine Bilanz nicht so rosig aus. Bis zum Ende seines Lebens konnte er die Reichsautorität gegenüber den Lombarden nicht wiederherstellen und damit zugleich den Machtkampf mit dem Papst nicht entscheiden. In Deutschland hat er mit dem confoederatio cum principibus ecclesiasticis 1220 und dem statutum in favorem principum 1232 wichtige Königsrechte (Regalien) an die geistlichen und weltlichen Territorialfürsten Abgetreten und somit die königliche Zentralmacht entscheidend und unumgänglich geschwächt (Stichwort deutscher Förderalismus). Also so ziemlich das Gegenteil veranstaltet was er in Sizilien anders gemacht hat. Dort hatte er die Königsmacht gegenüber den Vasallen gestärkt und einen wohlorganisierten und zentralisierten Beamtenstaat aufgebaut, mit einer einheitlichen Rechtssprechung (Konstitutionen von Melfi). Davon hatte sogar der ärgste Feind der Staufer, Karl von Anjou, noch profitiert.
 
Gewiß, Otto d. Gr. und Barbarossa müßten eigentlich auch genannt werden. M. E. aber auch Heinrich III., fast noch mehr als Barbarossa. Und was ist mit Heinrich VI.?

Bzgl. der Reichspolitik Friedrichs II. gibt es ja in der Tat diese Diskussion. Ich meine mich zu erinnern, daß manche Historiker den Standpunkt vertreten, daß seine Zugeständnisse von 1220 bzw. 1232 nur das schriftlich fixierten, was längst Gewohnheitsrecht (seit den späten Tagen Barbarossas) war. Auch glaube ich mich zu erinnern, daß eine Untersuchung bzgl. des Reichsgutes ergab, daß dieses gerade unter Friedrich II. am größten war von allen Staufern. Mir ist da eine Graphik im Hinterkopf, die eine sogar aufsteigende Linie von etwa 1180 bis 1240 zeigt, dann freilich abrupt abfällt bis 1273.
 
Dann will ich mal meine persönlichen Favoriten benennen:

Für mich fehlt in dieser Aufstellung z.B. Otto der Große, den man mit einigem Recht Begründer des HRR nennen kann. Und bestimmt ist auch Friedrich I. Barbarossa ein interessanter Vertreter seiner kaiserlichen Zunft.

Friedrich II. ist zwar eine machtvolle historische Persönlichkeit, die im Königreich Sizilien wichtige administrative und juristische Reformen voranbrachte; doch für den Zusammenhalt des HRR waren seine Maßnahmen zwiespältig, da er mit der confoederatio cum principibus ecclesiasticis 1220 und dem statutum in favorem principum 1232 zentrale Reichsrechte preisgab, was künftig zu einer Dominanz der Reichsfürsten und einem Schwinden der kaiserlichen Macht führte.
 
Nun ja, was ist "kaiserliche Größe"?
Ich denke mal, leben und leben lassen können, den Zusammenhalt fördern und die Eigenheiten tolerieren. Und da hat Friederich II wohl den Grundstein für "Deutschland " gelegt. Andere haben dann später sein Werk durch "Machtpolitik" gemindert, so das eben das Königreich der Vereinigten Niederlande, die Schweiz, Österreich und andere Teile seines HRR sich nicht mehr in diesem Reich "wohlfühlten".
Ich denke mal, "Deutschland" hat Friedrich II seine "Einheit in Vielfalt" zu verdanken, und das ist eben eine SEHR große Leistung. (Auch wenn er´s vielleicht garnicht so wollte)
 
Ich denke mal, leben und leben lassen können, den Zusammenhalt fördern und die Eigenheiten tolerieren. Und da hat Friederich II wohl den Grundstein für "Deutschland " gelegt. Andere haben dann später sein Werk durch "Machtpolitik" gemindert, so das eben das Königreich der Vereinigten Niederlande, die Schweiz, Österreich und andere Teile seines HRR sich nicht mehr in diesem Reich "wohlfühlten".
Wie meinst Du das? Österreich blieb bis 1806 Teil des HRR und hatte auch keine Austrittsbestrebungen - wie auch, wo doch jahrhundertelang seine Landesherren HRR-Kaiser waren.
 
Ich denke mal, "Deutschland" hat Friedrich II seine "Einheit in Vielfalt" zu verdanken, und das ist eben eine SEHR große Leistung. (Auch wenn er´s vielleicht garnicht so wollte)

Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man das sieht. Die Herrscher des Mittelalters waren in Frankreich, Spanien oder Russland darauf bedacht, ihre Macht gegenüber den Partikulargewalten durchzusetzen und zu stärken, um auf diese Weise ihre Position unangreifbar zu machen und die Staatsgewalt zu vereinheitlichen. Auch Eroberungen bzw. die Ausweitung des Staatsgebietes waren so leichter möglich.

Unter diesem Gesichtspunkt sind die Entscheidungen Friedrichs II. sicher negativ zu bewerten, denn er gab wichtige Rechte aus der Hand und schwächte die Machtstellung des Kaisers entscheidend - was allerdings bei seinen Vorgängern schon begonnen hatte.

Betrachtet man allerdings kulturelle Vielfalt als einen Gewinn, so liegen bei Friedrich II. zentrale Wurzeln für die spätere Kleinstaaterei mit zahlreichen winzigen Zaunkönigen, die sich - wenn schon wegen ihrer geringen Landesgröße nicht politisch - so doch kulturell profilieren wollten.
 
Das sehe ich auch so.
Generell müsste man erst einmal klären, welche Erwartungen man eigentlich an einen Kaiser des HRR hat. Auch heutzutage ist es noch stark von der eigenen ideologischen Haltung abhängig, was man von einem heutigen Politiker erwartet, aber wenigstens erwartet außer extremen Nationalisten heute niemand mehr von einem Politiker eines europäischen Staates, dass er dessen Territorium auf Kosten der Nachbarstaaten ausweitet. Aber früher? Spricht es eigentlich für oder gegen einen Herrscher, wenn er erfolgreiche Eroberungskriege geführt hat? Damit sind wir beim nächsten Problem: Beurteilen wir einen Herrscher nach heutigen Maßstäben oder versuchen wir uns in seine Zeitgenossen hineinzuversetzen und ihn nach deren Erwartungshaltung zu beurteilen? (Wobei man gerade bei HRR-Kaisern zwischen der Erwartungshaltung der Landesfürsten, des Klerus; der Kaisertreuen und der Papsttreuen; der Katholiken und der Protestanten; etc. unterscheiden müsste.) Und inwieweit soll man die langfristigen Auswirkungen seiner Politik (die für ihn möglicherweise nicht vorhersehbar waren) berücksichtigen?
Letztlich lässt sich fast jede Entscheidung und Tat eines Kaisers unterschiedlich beurteilen, je nachdem. Ein wichtiges Beispiel hat Dieter gebracht. Oder was ist mit der Italienpolitik diverser Kaiser? Letztlich war sie erfolglos, aber aus Sicht eines hochmittelalterlichen Kaisers war es sicher notwendig, seine Autorität in Italien zu wahren zu suchen. (Insofern geht auch die Beurteilung mancher Historiker des 19. und frühen 20. Jhdts. fehl, die kritisiert haben, dass so viel "deutsches Blut" in Italien vergossen wurde, statt im Osten zu expandieren, denn da verwechseln sie den Kaiser des HRR von der Aufgabenstellung her mit einem "deutschen" Herrscher im nationalistischen Sinn.)
 
Oder was ist mit der Italienpolitik diverser Kaiser? Letztlich war sie erfolglos, aber aus Sicht eines hochmittelalterlichen Kaisers war es sicher notwendig, seine Autorität in Italien zu wahren zu suchen.

Ein ganz wichtiger Aspekt!

Wir tippen uns heute an den Kopf und fragen uns, warum die ottonischen, salischen und staufischen Kaiser nicht in deutschen Landen blieben, anstatt ständig verlustreiche und kostspielige Züge nach Italien zu unternehmen. Aber: Italien war ideologisch ein Herzstück des Heiligen Römischen Reichs und vom Selbstverständnis des abendländischen Kaisers her konnte darauf nicht verzichtet werden.
 
Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man das sieht. Die Herrscher des Mittelalters waren in Frankreich, Spanien oder Russland darauf bedacht, ihre Macht gegenüber den Partikulargewalten durchzusetzen und zu stärken, um auf diese Weise ihre Position unangreifbar zu machen und die Staatsgewalt zu vereinheitlichen.

Wie du schon richtig geschrieben hast, ist es eine Frage des Standpunktes. Wenn man heute 750 Jahre nach Friedrich II. die förderalistische Verfassung Deutschlands als "natürliche" Eigenheit dieser Nation warnimmt, mag Friedrich II. in seinem Handeln nichts anderes getan haben als dem Rechnung zu tragen.

Aber zu Beginn des 13. Jahrhunderts war das noch keine Zwangsläufigkeit. Noch Heinrich VI. hatte bis zu seinem Lebensende die Etablierung einer starken vererbbaren Königsmacht in Deutschland für möglich gehalten. Und wie schon erwähnt hatten zeitgleich in Frankreich und England die Könige alles mögliche unternommen um den monarchischen Zentralismus gegenüber dem feudalen Anarchismus durchzusetzen. Die französischen Könige walteten vom 10. bis 12. Jahrhundert unter ähnlichen Bedingungen über ihr Königreich (bzw. Vasallen) wie die deutschen, nur haben sie sich stets geweigert, diese Verfassung durch ihre Anerkennung zu zementieren. Stattdessen haben sie darauf hingearbeitet ihn zu Gunsten der Königsmacht zu ändern und waren letztlich erfolgreich.

Mag sein das Friedrich II. einen Zustand anerkannte, der bereits Generationen vor ihm zur Gewohnheit geworden war. Nur durch dessen Anerkennung hat er ihn für seine Nachfolger faktisch unumkehrbar gemacht. Und was aus dem eigentlich universellen römisch-deutschen Kaisertum nach seinem Tod wurde ist hinlänglich bekannt.

Dieter schrieb:
Auch Eroberungen bzw. die Ausweitung des Staatsgebietes waren so leichter möglich.

Sie waren aber nicht zwangsläufg von Nöten um eine starke Monarchie zu errichten.
 
Mag sein das Friedrich II. einen Zustand anerkannte, der bereits Generationen vor ihm zur Gewohnheit geworden war. Nur durch dessen Anerkennung hat er ihn für seine Nachfolger faktisch unumkehrbar gemacht. Und was aus dem eigentlich universellen römisch-deutschen Kaisertum nach seinem Tod wurde ist hinlänglich bekannt.
Zumindest einige Kaiser wollten die universelle Stellung des Kaisertums erneuern, besonders Karl IV. (Reichstag von Metz 1356 mit der fast schon vasallenartigen Unterwerfung des Dauphin) und natürlich Karl V., zeitweise vielleicht auf Ferdinand II.
Die beiden erstgenannten haben dies allerdings nur aufgrund ihrer gewaltigen Hausmacht vermocht, da gehe ich schon d'accord. Ferdinand II. hatte Ende der 1620er dank Wallenstein ganz Deutschland unterworfen, was natürlich im höchsten Maße "unnatürlich" war und die bekannten Folgen zeitigte.
 
(Reichstag von Metz 1356 mit der fast schon vasallenartigen Unterwerfung des Dauphin)

Er für die Dauphine und in Stellvertretung seines Bruders Philipp von Burgund für die Freigrafschaft Burgund gehuldigt, die beide damals noch dem Lehnsverband des HRR angehörten. Anschließend war er urkundlicher Zeuge der in Metz verkündeten Bestimmungen der goldenen Bulle.
 
Kann aber nicht sein Bruder gewesen sein. 1356 war noch Philipp von Rouvres Herzog und Pfalzgraf von Burgund. Philipp II. wurde erst 1363 Herzog von Burgund.

Der Reichstag von Metz (nicht ohne Grund so nahe an der frz. Grenze abgehalten) und die Königskrönung in Arles 1365 verdeutlichen schon noch einen universalen Herrschaftsanspruch des Kaisers (die Rede war auch von einer monarchia mundi).
Durch die eigene Heirats- und Hausmachtspolitik war Karl IV. dann aber in den 1370er Jahren bereit, dem französischen König Zugeständnisse zu machen (Reichsvikariat für das Arelat auf Lebzeiten des Dauphin, allerdings keine juristische Abtretung), um seine polnisch-ungarischen Erbpläne nicht zu gefährden durch eine Anjou-Kandidatur.
Es war wohl eher ein Versäumnis der Nachfolger Karls IV. als sein eigenes Verschulden, daß im Westen die Reichsrechte im Arelat dauerhaft an Frankreich fielen.
 
Nun ja, wie meine ich das?
Die beiden deutschsprachigen Bundesrepubliken hätten ohne Bismarck und andere einen Weg gefunden, unter einem wie auch immer gearteten , demokratischen Dach zu bleiben.
Mit etwas mehr Toleranz der Lombardei gegenüber durch die "sächsischen Nationalisten Otto I ff ." wäre wohl doch etwas weniger Blut geflossen.
Der Kaiser , und das hat Friedrich II richtig erkannt, ist etwas anderes als ein deutscher /sizilianischer König. Und auch ein deutscher König hat als Wahlkönig etwas andere Aufgaben als ein englischer König. Er ist die Klammer des Reiches und wenn die zu stramm sitzt, werden Teile rausgequetscht.

Der Kaiser, so wie Friedrich ihn vielleicht gesehen hat, ist das weltliche Schwert der römischen Kirche und die weltliche Klammer dieser Kirche/dieses Imperiums.
 
Eine allgemeine Frage
Woran soll man die Größe eines Kaisers festmachen?
Am Territorialgewinn? Geht nicht, denn anerkanntermassen reicht sein "Reich" von der Nordsee bis Sizilien und von der Elbe bis zum Antlantik.An seiner "Präsenz" gegenüber den Königen? Oder eher an seiner Fähigkeit zur Integration und zum Ausgleich?
In seiner Zeit oder aus der Retrospektive von heute?
 
Mit etwas mehr Toleranz der Lombardei gegenüber durch die "sächsischen Nationalisten Otto I ff ." wäre wohl doch etwas weniger Blut geflossen.

Von "Nationalismus" kann in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rede sein, denn das Heilige Römische Reich war ein übernationales Gebilde, in dem sehr unterschiedliche Völker vereint waren. Es bestand mit den Königreichen Italien, Burgund und dem deutschen Reichsteil aus Ländern mit sehr unterschiedlichen politischen und ökonomischen Strukturen und ganz individuellen historischen Schicksalen.

Der Herrscher dieses Reichs war kein "deutscher" Kaiser, auch wenn der deutsche Reichsteil eine politische Dominanz besaß. In wirtschaftlicher Hinsicht war außerdem Oberitalien den ökonomischen Verhältnissen im deutschen Königreich weit voraus. Wenn also Kaiser des hohen Mittelalters Züge nach Italien unternahmen, so wollten sie lehns- und reichsrechtliche Forderungen gegenüber unbotmäßigen italienischen Kommunen und Adelsgeschlechtern durchsetzen.

Dass dieses Ziel mit voranschreitender Zeit immer unrealistischer wurde, die Selbstständigkeit Oberitaliens nicht auf Dauer zu verhindern war, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin zählte das Königreich Italien noch bis in die Neuzeit als "Reichsitalien" formal zum Heiligen Römischen Reich.

Der Kaiser , und das hat Friedrich II richtig erkannt, ist etwas anderes als ein deutscher /sizilianischer König. Und auch ein deutscher König hat als Wahlkönig etwas andere Aufgaben als ein englischer König. Er ist die Klammer des Reiches und wenn die zu stramm sitzt, werden Teile rausgequetscht.

Friedrich II. hat ebenso wie seine Vorgänger versucht, das universelle Kaisertum zu behaupten. Da die deutschen Reichsfürsten seine Macht
mit dem Statutum in favorem principum 1231 eindämmten und sein Kampf mit dem Papsttum unglücklich verlief, ist er dabei gescheitert.
 
Spricht es eigentlich für oder gegen einen Herrscher, wenn er erfolgreiche Eroberungskriege geführt hat?
Das ist in der Tat aus den Maßstäben der Zeit zu beurteilen.

Das Interessante beim HRR ist: Das Reich bzw. seine Kaiser haben eigentlich nach der ersten Konsolidierung nie Eroberungskriege geführt! Wobei "die Kaiser" natürlich die Herrscher in ihrer Reichsfunktion meint. "Privat" haben die Kaiser durchaus intern für ihre Hausmacht oder extern im "Nebenjob" als Könige von Spanien oder Ungarn etc. Eroberungen gemacht.
Aber ansonsten hat das Reich über ein halbes Jahrtausend lang keinen Expansionsversuch mehr gemacht - das ist schon ziemlich selten in der Weltgeschichte.

Oder was ist mit der Italienpolitik diverser Kaiser? Letztlich war sie erfolglos, aber aus Sicht eines hochmittelalterlichen Kaisers war es sicher notwendig, seine Autorität in Italien zu wahren zu suchen.
Richtig.
Aber das "letztlich erfolglos" ist eigentlich auch falsch bzw. eine unhistorische Sicht. Denn dieses Urteil impliziert ja, der Erfolgsfall wäre gewesen, daß (Nord-)Italien heute noch zu Deutschland gehören würde.

Aber Italien hat ja nie zu Deutschland gehört. Sondern die beiden getrennten Königreiche Italien und Deutschland haben bis zur Auflösung des Reichs dazu gehört, die Italienpolitik der Kaiser war also bis zum Schluß erfolgreich.

Insofern geht auch die Beurteilung mancher Historiker des 19. und frühen 20. Jhdts. fehl, die kritisiert haben, dass so viel "deutsches Blut" in Italien vergossen wurde, statt im Osten zu expandieren, denn da verwechseln sie den Kaiser des HRR von der Aufgabenstellung her mit einem "deutschen" Herrscher im nationalistischen Sinn.
Richtig. Aber noch viel weiter: Diese Historiker verkennen völlig die Bedeutung der jeweiligen Gebiete zur damaligen Zeit.

Italien war das wirtschaftlich und kulturell führende Gebiet des Hochmittelalters, die Kontrolle darüber war ganz zentral für die europäische Machtstellung des Kaisertums. Da konnten die armen Sumpf- und Sandgebiete Pommerns nun überhaupt nicht mithalten.

Der Verzicht auf die Italienpolitik wäre ähnlich sinnlos gewesen wie heute der Ratschlag an einen deutschen Autokonzern, das USA-Geschäft endlich aufzugeben und statt dessen das Geschäft in Papua-Neuguinea zu forcieren. Selbst angenommen, in fünfhundert Jahren hätte sich Papua-Neuguinea zu einem florierenden Automarkt entwickelt - für die heutige Geschäftsstrategie wäre der Ratschlag trotzdem grottendoof.
 
Das Interessante beim HRR ist: Das Reich bzw. seine Kaiser haben eigentlich nach der ersten Konsolidierung nie Eroberungskriege geführt! Wobei "die Kaiser" natürlich die Herrscher in ihrer Reichsfunktion meint. "Privat" haben die Kaiser durchaus intern für ihre Hausmacht oder extern im "Nebenjob" als Könige von Spanien oder Ungarn etc. Eroberungen gemacht.
Aber ansonsten hat das Reich über ein halbes Jahrtausend lang keinen Expansionsversuch mehr gemacht - das ist schon ziemlich selten in der Weltgeschichte.
Eben weil die Kaiser sich schon bald mehr um die Expansion ihrer eigenen Länder kümmerten als um die des Reiches. Hinsichtlich des Reiches begnügten sie sich schon bald damit, ihre kaiserliche Macht innerhalb des Reiches zu erhalten zu versuchen.

Aber das "letztlich erfolglos" ist eigentlich auch falsch bzw. eine unhistorische Sicht. Denn dieses Urteil impliziert ja, der Erfolgsfall wäre gewesen, daß (Nord-)Italien heute noch zu Deutschland gehören würde.

Aber Italien hat ja nie zu Deutschland gehört. Sondern die beiden getrennten Königreiche Italien und Deutschland haben bis zur Auflösung des Reichs dazu gehört, die Italienpolitik der Kaiser war also bis zum Schluß erfolgreich.
Aber Italien gehörte schon ab dem Spätmittelalter nur noch nominell zum Reich. Insofern ist die Politik verschiedener Kaiser, eine effektive Kontrolle über Norditalien zu behalten, gescheitert.
 
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