Die Gründungssage Roms

Wegen der Sprache. Hab erst kürzlich die zusammenfassende Darstellung im beck/wissen-Büchlein über die Etrusker gelesen, wo als Konsequenz herauskam, dass man so genau wirklich gar nichts sagen kann. Es scheint zwar irgendwelche Bezüge vor allem nach Lemnos zu geben, doch findet sich dort archäologisch nichts, was irgendwie "etruskisch" aussieht, so dass die Frage ist, wie man diese leichten sprachlichen Bezüge deuten muss.
 
Wikipedia meint ja dazu, dass heutzutage eher eine Synthese der beiden Theorien vertreten wird :
Die heutige Etruskologie fragt nicht mehr nach der Herkunft der Etrusker, sondern nach deren Entstehung als Volk. Dabei geht man von einer altmediterranen Volksschicht aus, die bis um 1000 v. Chr. eine sesshafte Bauernkultur entwickelte und in die fremde Volkselemente sowohl aus dem Osten (phönizische Seefahrer) als auch aus dem Norden (indogermanische Italiker) eindrangen. Auf diese Weise entstand die Villanova-Kultur. Diese Bevölkerung wurde durch eine sehr dünne Schicht von Einwanderern aus Kleinasien (Tyrrhener) überlagert. Aus der Vermischung mit der lokalen Bevölkerung entwickelte sich das etruskische Volk.
Ich glaube, dass es wiederum halbwegs einleuchtend erscheint, dass gerade durch die enge Verbindung Griechenlands mit den Kolonien sicherlich einen regen Kulturaustausch, sowie vielleicht auch etwas größere Gruppen an Flüchtlingen gegeben haben könnte.
 
Ich glaube, dass es wiederum halbwegs einleuchtend erscheint, dass gerade durch die enge Verbindung Griechenlands mit den Kolonien sicherlich einen regen Kulturaustausch, sowie vielleicht auch etwas größere Gruppen an Flüchtlingen gegeben haben könnte.

Das etruskische Alphabet stammt vom phönizischen Alphabet ab und verweist mithin auf ältere Beziehungen (lange vor griechischen Kolonien in Italien), die durchaus eine zeitliche und räumliche Nähe zur mykenischen Expansion in Kleinasien (Troja!) aufweisen.
 
Wie alt sind denn die ältesten etruskischen Schriftzeugnisse? Ein punisches Ausgreifen ins Westmittelmeer können wir ab dem 9. vchrl. Jhdt. ansetzen, Herodot berichtet für das 6. Jhdt. eine Seeschlacht bei Korsika (Alalia) zwischen phokaiischen Kolonisten und einer verbündeten tyrrhenisch-karthagischen Flotte (Tyrrhener = Etrusker)
 
Wie alt sind denn die ältesten etruskischen Schriftzeugnisse?

Die Ältesten stammen wohl aus dem -8./-7. Jahrhundert.

Ein punisches Ausgreifen ins Westmittelmeer können wir ab dem 9. vchrl. Jhdt. ansetzen, Herodot berichtet für das 6. Jhdt. eine Seeschlacht bei Korsika (Alalia) zwischen phokaiischen Kolonisten und einer verbündeten tyrrhenisch-karthagischen Flotte (Tyrrhener = Etrusker)

Wenn ich die auf die Schnelle im Netz gefundenen Schriftproben für Etruskisch einerseits und Phönizisch/Punisch/Spätpunisch andererseits vergleiche, scheint mir rein optisch das "originale" phönizische dem etruskischen Alphabet am nächsten zu stehen.
 
Das etruskische Alphabet stammt vom phönizischen Alphabet ab und verweist mithin auf ältere Beziehungen (lange vor griechischen Kolonien in Italien), die durchaus eine zeitliche und räumliche Nähe zur mykenischen Expansion in Kleinasien (Troja!) aufweisen.

Es gibt keinerlei Beweis für die Annahme, dass die Etrusker und ihre Sprache aus Westkleinasien kamen. Die meisten Archäologen und Sprachwissenschaftler nehmen an, dass das Volk der Etrusker aus der eisenzeitlichen italienischen Villanova-Kultur hervorgegangen ist, also autochthon auf italienischem Boden entstand. Als Beweis dafür wird stets angeführt, dass es keinerlei Brüche in dieser Kultur gab, die auf eine Invasion oder einen Einbruch von außen schließen ließen.

Früher wurden als Beweis für die ägäische Herkunft der Etrusker oftmals orientalische Elemente in ihrer frühen Kultur angeführt. Heute erklären das die meisten mit einer orientalisierenden Phase, die lediglich durch kulturellen Austausch und Handelskontakte mit Völkern der Levante erfolgte, wobei die Griechen mit ihrer ausgedehnten Kolonisation und Handelsschiffahrt eine wichtige Rolle als Übermittler spielten.

Nicht ausgeschlossen wird von einigen, dass nach dem Untergang des Hethiterreichs um 1200 v. Chr. und den anschließenden Völkerbewegungen auch Gruppen aus Kleinasien nach Italien gelangt sein könnten. Dort erfolgte dann die Verschmelzung mit der ansässigen Bevölkerung. Darauf könnte der historische Nachhall einer kleinasiatischen Heimat der Etrusker beruhen.
 
Nicht ausgeschlossen wird von einigen, dass nach dem Untergang des Hethiterreichs um 1200 v. Chr. und den anschließenden Völkerbewegungen auch Gruppen aus Kleinasien nach Italien gelangt sein könnten. Dort erfolgte dann die Verschmelzung mit der ansässigen Bevölkerung. Darauf könnte der historische Nachhall einer kleinasiatischen Heimat der Etrusker beruhen.

Ein kultureller Nachhall in Form von Sprache und Schrift immerhin, wenn sich auch die materielle Kultur der neuen Heimat dieser Minderheit nicht signifikant veränderte.
 
Ein kultureller Nachhall in Form von Sprache und Schrift immerhin, wenn sich auch die materielle Kultur der neuen Heimat dieser Minderheit nicht signifikant veränderte.

Die Zugehörigkeit des Etruskischen zu einer bestimmten Sprachfamilie ist unklar. Eine ägäische oder kleinasiatische Herkunft konnte nie bewiesen werden.
 
Die Zugehörigkeit des Etruskischen zu einer bestimmten Sprachfamilie ist unklar. Eine ägäische oder kleinasiatische Herkunft konnte nie bewiesen werden.

Auf Wikipedia liest sich das anders; vielleicht sollte ein Fachmann den Artikel ändern. Dort heißt es beispielsweise:

"Durch die sprachliche Verbindung mit dem Lemnischen könnte die Hypothese gestützt werden, dass die Etrusker aus dem agäisch-kleinasiatischen Raum eingewandert sind" [Quelle]
 
Dä steht doch "könnte", also ist es nicht eindeutig. Was offenbar dagegen spricht ist, dass die archäologischen Funde nicht vergleichbar sind. Und das soll dann für Italien an sich sprechen, weil es dort offenbar keine Brüche in der sachkultur gibt.
 
Dä steht doch "könnte", also ist es nicht eindeutig. Was offenbar dagegen spricht ist, dass die archäologischen Funde nicht vergleichbar sind. Und das soll dann für Italien an sich sprechen, weil es dort offenbar keine Brüche in der sachkultur gibt.

Weiter oben in dem Artikel liest man:

"Eine Verwandtschaft des Etruskischen mit der auf der ägäischen Insel Lemnos bis zur Invasion der Athener im 6. Jahrhundert v. Chr. gesprochenen vorgriechischen lemnischen Sprache konnte nachgewiesen werden."

Hier könnte man eine Parallele zu den Magyaren des 8. Jhs. annehmen, von deren Kultur sich heute ebenfalls im Wesentlichen nur die Sprache erhalten hat.
 
Nachtrag

Gestern Abend getraute ich mich noch nicht die genetischen Beweise für eine Migration aus Kleinasien zu erwähnen, jetzt habe ich den entsprechenden Artikel gefunden:

"We found that the DNA samples from individuals from Murlo and Volterra were more closely related those from near Eastern people than those of the other Italian samples", says Professor Piazza. "In Murlo particularly, one genetic variant is shared only by people from Turkey, and, of the samples we obtained, the Tuscan ones also show the closest affinity with those from Lemnos."

European Society of Human Genetics. "Ancient Etruscans Were Immigrants From Anatolia, Or What Is Now Turkey." ScienceDaily, 18 June 2007.

Link zum Originalartikel:
Cavalli-Sforza et al., Mitochondrial DNA Variation of Modern Tuscans Supports the Near Eastern Origin of Etruscans. Am J Hum Genet. 2007 Apr; 80(4): 759–768.
 
Auf Wikipedia liest sich das anders; vielleicht sollte ein Fachmann den Artikel ändern. Dort heißt es beispielsweise:

"Durch die sprachliche Verbindung mit dem Lemnischen könnte die Hypothese gestützt werden, dass die Etrusker aus dem agäisch-kleinasiatischen Raum eingewandert sind" [Quelle]

Wie dort richtig zu lesen ist, gibt es zur Herkunft der Etrusker und ihrer Sprache lediglich Hypothesen. Ein von der Forschung akzeptierter Beweis wurde bislang nicht erbracht.

In welcher historischen Verbindung die Sprecher des Lemnischen zu den Etruskern standen, bleibt rätselhaft.

Die Heimat der Etrusker kann eine solch kleine Insel nicht sein. Also bleiben nur die zwei Optionen: Besiedlung durch Proto-Etrusker auf ihrem Weg von Kleinasien nach Italien oder Besiedlung von Italien aus durch etruskische Seeräuber oder eine Gruppe etruskischer Kolonisten. Das wäre allerdings eine Ausnahme, da von etruskischen Kolonien ansonsten nichts bekannt ist.

Folgt man deieser Hypothese so heißt das, dass die Vorfahren der Etrusker in der östlichen Ägäis bzw. dem Küstengebiet Kleinasiens siedelten. Als die mykenische Macht zusammenbrach und im 12. und 11. Jh. v. Chr. durch nachfolgende politische Umwälzungen eine Migrationswelle ausgelöst wurde, wanderten Proto-Etrusker möglicherweise (!) nach Italien ab. Sie legten sich - immer nach dieser unbewiesenen Hypothese - als dünne Schicht über die eisenzeitliche einheimische italische Bevölkerung und bildeten die politische und soziale Elite. Lemnos wäre demnach eine Zwischenstation gewesen, auf der sich Etrusker im Zuge ihrer Westwanderug niedergelassen hätten.

Allerdings sagen alle Archäologen, dass es in der italischen Villanova-Kultur, die mit den Etruskern deckungsgleich ist, keinerlei Brüche gibt. Auf jeden Fall hat sich die etruskische Kultur, so wie wir sie kennen, erst auf dem Bodem Etruriens entwickelt. Insofern mag die Frage der Herkunft nicht so entscheidend sein.
 
Gibt es irgendwelche Beweise, oder eine halbwegs begründete Annahme dafür, dass es wirklich trojanische, oder zumindest aus einer anderen eroberten Stadt, Auswanderer gab, welche sich im Latium niedergelassen haben und somit für die Gründung Alba Longas und Roms verantwortlich waren?
Gegen einen realen historischen Hintergrund, zumindest soweit es Alba Longa betrifft, spricht schon die Überlieferungsgeschichte. In den ältesten bekannten Quellen wird Rom meist noch von Aeneas selbst, seinem Sohn oder Enkel gegründet, Alba Longa spielt noch keine Rolle. Allem Anschein nach wurden erst später, als man erkannte, dass zwischen dem trojanischen Krieg und der mutmaßlichen Gründung Roms über vierhundert Jahre lagen, die Gründung Alba Longas und die Liste der Könige dieser Stadt eingeschoben, um diesen Zeitraum überbrücken zu können. Zumindest die Gründung Alba Longas durch Trojaner ist also offenkundig eine spätere Erfindung, um chronologische Probleme zu lösen, und geht auf keine alten Überlieferungen, die einen realen Hintergrund haben könnten, zurück. Eine Gründung von Rom selbst durch Trojaner ist aber schon rein chronologisch unmöglich.
Das schließt natürlich noch nicht generell aus, dass sich Trojaner in Latium niederließen und ihre Nachfahren Rom gründeten. Allerdings sprachen die Römer bekanntlich Latinisch, also eine italische Sprache, während die historischen Bewohner Trojas wohl eine Sprache Kleinasiens, eventuell Luwisch, sprachen. Also selbst wenn Rom tatsächlich von Menschen mit trojanischen Wurzeln gegründet worden wäre, wären diese wahrscheinlich längst in der Bevölkerung Latiums aufgegangen gewesen, sodass es wenig sinnvoll wäre, sie noch als Trojaner zu bezeichnen. Beweise gibt es ohnehin keine, auch keine "halbwegs begründete" Annahme.

Bei Troja wird es ja wohl auch zeitlich eher unwahrscheinlich sein, doch gibt es vielleicht einen kleinen wahren Kern in diesem Teil der Aenais, oder dient das ausschließlich als "propagandistischer Mythos" ?
Der Kreis der Literaten um Maecenas und Augustus war recht gebildet, Griechenland war in Philosophie und Literatur das Vorbild schlechthin und so kannte und verarbeitete man - oder konkret Vergil - eben Hesiod und Homer etc.
Die ältesten bekannten Quellen für einen trojanischen Ursprung Roms waren griechische Autoren und reichen bis ins 5. Jhdt. v. Chr. zurück, also bis in eine Zeit, als Rom noch unbedeutend war. Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass die ältesten bekannten Autoren, denen zufolge Rom von Aeneas gegründet wurde, nämlich Hellanikos von Lesbos und Damastes von Sigeion, stadtrömische Lokalsagen kannten. Mir scheint es daher eher so gewesen zu sein, dass die Römer begierig eine griechische Überlieferung über einen trojanischen Ursprung ihrer Stadt aufgriffen und weiter ausschmückten, um sich einen ruhmvollen Ursprung zu verschaffen und sich mit der griechischen Welt zu verbinden.
Dass Rom einen trojanischen Ursprung gehabt haben soll, war übrigens kein Einzelfall: Auch bei etlichen anderen Städten Italiens und Siziliens wurde die Gründung (trojanischen oder griechischen) Überlebenden des trojanischen Krieges zugeschrieben.
Die Eigenleistung von Vergil ist, soweit es die Entwicklung des Mythos betrifft, relativ gering. Er verarbeitete im Wesentlichen nur ältere Überlieferungen der Griechen und Römer zu einem großen Epos.
 
Ich muss in Geschichte eine Aufgabe beantworten aber komme bei dieser Frage nicht weiter.
 
Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstanden habe, aber: Antike Städte hatten nun einmal üblicherweise ihre Gründungsmythen. Auch dass die Stadt nach einem sagenhaften Gründer (gerne mit berühmter, im Idealfall göttlicher, Verwandtschaft) benannt gewesen sein soll, war nicht unüblich. Oft wurde dabei die Stadt außerdem auch noch älter gemacht, um sie ehrwürdiger erscheinen zu lassen, oder ihre Gründung an einen bekannten Sagenkreis (z. B. um den trojanischen Krieg und die Irrfahrten seiner Überlebenden) angeknüpft.
Rom war da eben keine Ausnahme. Wenn Du Dich in die griechische und römische Mythologie vertiefst, wirst Du genügend andere Beispiele finden.
 
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