Mir ist, nachdem ich mittlerweile einige Werke über das ausgehende Zarenreich, die "Oktoberrevolution" und die frühe Sowjetunion immer wieder aufgefallen, dass bei der Bewertung des Umsturzes durch die Bolschewiki das Faktum der konstituierenden Versammlung und ihre Abkanzelung durch Lenin und Konsorten, desöfteren als ein mehr oder minder wegweisendes Ereignis dargestellt.
Dabei wird dann gerne die Perspektive der Entwicklung eines demokratischen Russlands gegenüber den Verlauf der tatsächlichen Geschichte kontrastiert oder wenigstens angedeutet.
Ich möchte der Vorstellung dieser Perspektive auch gar nicht grundsätzlich widersprechen oder das staatssreichartige Vorgehen der Bolschewiki irgendwie marginalisieren oder legitimieren, um hier von vorn herein nicht falsch verstanden zu werden.
Allerdings, frage ich mich schon, ob die Rezeption der konstituierenden Versammlung an und für sich, da nicht ein wenig sehr übertrieben positiv im Hinblick auf demokratische Perspektiven ist, unabhägig von den sonstigen Entwicklungen.
Dabei möchte ich natürlich nicht den fiktiven Übergang zu einer modernen Demokratie im heutigen Sinne, (mit Frauenwahlrecht und allem drum und dran) zum Maßstab erheben, das wäre sicherlich überzogen.
Ein für mich dabei maßgebendes Problem ist dabei die Frage, inwiefern diese Konstituante tatsächlich als legitimes Werkzeug betrachtet werden kann, im damaligen Sinne die Plattform für die Bildung des authentischen Willens der Bevölkerungen Russlands darzustellen.
Mein Hauptproblem dabei ist, dass sie unter Kriegesbedingungen stattfand, die es der Bevölkerung Russisch-Polens, Litauens, Kurlands und von Randgebieten Livlands, der Ukraine und Weißrusslands durch das Faktum der Besetzung dieser Territorien durch die Zentralmächte, offensichtlich nicht so ohne weiteres möglich war, entsprechend der jeweiligen Proportionen an der Gesamtbevölkerung Deputierte zur Wahrnehmung ihrer Interessen zu wählen und nach Petrograd zu entsenden.
Gleichzeitig hielt ja die provisorische Regierung Kerenskij eisern an dem Prinzip fest, in keinem Fall einen Frieden auf der Basis von Gebietsabtretungen schließen zu wollen.
Das bringt für mich, was die Bewertung der Konstituante als wichtigen Schritt zu einer greifbar nahen Demokratisierung Russlands angeht, so ein wenig das Problem mit sich, dass auf diese Weise ein durchaus ansehnlicher Teil der nationalen Minderheiten innerhalb des Staatsverbandes, de facto an der Mitgestaltung der angestrebten, künftigen verfassungsmäßigen Realität gehindert wurde, während die amtierende provisorische Regierung Gebietesabtretungen nicht in Betracht zog.
Wäre das "Projekt Konstituante" also zu einem erfolgreichen Abschluss gelangt, hätte das bedeutet, dass die nationalen Minderheiten in den westlichen Provinzen sich dann einer verfasungstechnischen Realität hätten beugen müssen (da ein Ablehnen von Gebietsabtretungen ja auch die Unabhängigkeit ausschließt), die in ihrer Abwesenheit von einer konstituierenden Versammlung ausgehandelt wurde, in der kriegsbedingt die russische Bevölkerung des Reiches deutlich stärker vertreten gewesen wäre, als es ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sonst hergegeben hätte, mit der entsprechenden Möglichkeit eigene, zentralistischere Interessen wesentlich effektiver in die verfassungsmäßige Realität einzubringen, als das ansonsten der Fall gewesen wäre.
Wie es im Rahmen der konstituierenden Versammlung en detail um die Vertretung der Minderheiten aus Sibirien, Turkistan und dem fernen Osten stand, ist mir nicht im Detail klar, demgegenüber durchaus, dass die Ukraine, so weit nicht besetzt und die kaukasischen Territorien durchaus (mitunter auch wirkmächtig) vertreten waren, wenn auch nicht als ethnisch organisierte Gruppe, sondern im Rahmen der verschiedenen Parteiungen.
An der Stelle möchte ich auch nochmal deutlich betonen, dass das, was ich hier bezwecke, Kritik an der Konstituante per se, ihres Abhaltens während des Krieges, inklusive der Besatzung zu üben oder unterstellen möchte dass man dies absichtlich so gehalten hätte um die entsprechenden nationalen Minderheiten in dieser Hinsicht zu diskriminieren.
Durch die Lasten des Krieges und dessen Fortstezung war die provisorische Regierung natürlich bereits schaon aus Grünen der eigenen Glaubwürdigkeit und Legitimation dazu gezwungen Schritte zu unternehmen, die in Richtung der Setzung einer Verfassung und von Reformen zielte um nicht jeden Kredit in der Bevölkerung zu verspielen.
Mein Ansatzpunkt bezieht sich also nicht auf Kritik an den Ereignissen an und für sich, sondern auf deren Rezeption, weil ich mich schon durchaus frage, ob man das so ohne weiteres als einen weiten Schritt in Richtung Demokratisierung betrachten kann, wie das meinem Eindruck nach häufig getan wird.
Natürlich war es ein Schritt in Richtung Pralamentarisierung.
Eine tatsächlich demokratischer Akt, wäre diese Verfassungsgebende Versammlung nach meinem Dafürhalten aber nur dann gewesen, wenn man sie entweder erst einberufen hätte, nachdem der Krieg vorbei war und wirklich auch alle Landesteile durch die Wahl von Deputierten an der Willensbildung mitwirken konnten oder aber, wenn man von vorn herein den Geltungsbereich dieser Verfassung auf die nicht zum Zeitpunkt der Wahl zur konstituierenden Versammlung nicht besetzten Teile des Landes bechränkt und den besetzten Teilen des Landes später freigestellt hätte, der in ihrer Abwesenheit aussgehandelten Verfassung entweder freiwillig beizutreten oder dem russischen Staat künftig nicht mehr anzugehören.
Beide Varianten sind unrealistisch, weil sie die provisorische Regierung um jeden Kredit bei der Bevöklerung gebracht hätten und weil daraus logisch kaum kontrollierbare Folgeprobleme hervorgegangen wären.
Dennoch bleibt für mich festzuhalten, dass diese Konstituierende Versammlung, unabhängig ihrer Kujonierung durch die Bolschewiki und deren Absichten, für mich, im Hinblick auf die Frage zum Übergang zu einer wirklichen Demokratie da einen ganz gravirenden Schönheitsfehler ausfweist.
Weswegen ich dann auch der Meinung bin, dass eine Umgestaltung Russlands zu einer bürgerlichen Demokratie nach westlichem Vorbild, gegebenenfalls perspektivisch durchaus möglich gewesen wäre, man allerdings durch diese Form der Konstituante, wäre sie zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen, wahrscheinlich noch einen langen Weg sehr zählebiger innterer Kämpfe mit zweifelhaftem Ausgang hätte durchmachen müssen.
An der Stelle würde mich sehr interessieren, wie ihr die konstituierende Versammlung in Russland und ihre Rezeption bewerten würdet.
Dabei wird dann gerne die Perspektive der Entwicklung eines demokratischen Russlands gegenüber den Verlauf der tatsächlichen Geschichte kontrastiert oder wenigstens angedeutet.
Ich möchte der Vorstellung dieser Perspektive auch gar nicht grundsätzlich widersprechen oder das staatssreichartige Vorgehen der Bolschewiki irgendwie marginalisieren oder legitimieren, um hier von vorn herein nicht falsch verstanden zu werden.
Allerdings, frage ich mich schon, ob die Rezeption der konstituierenden Versammlung an und für sich, da nicht ein wenig sehr übertrieben positiv im Hinblick auf demokratische Perspektiven ist, unabhägig von den sonstigen Entwicklungen.
Dabei möchte ich natürlich nicht den fiktiven Übergang zu einer modernen Demokratie im heutigen Sinne, (mit Frauenwahlrecht und allem drum und dran) zum Maßstab erheben, das wäre sicherlich überzogen.
Ein für mich dabei maßgebendes Problem ist dabei die Frage, inwiefern diese Konstituante tatsächlich als legitimes Werkzeug betrachtet werden kann, im damaligen Sinne die Plattform für die Bildung des authentischen Willens der Bevölkerungen Russlands darzustellen.
Mein Hauptproblem dabei ist, dass sie unter Kriegesbedingungen stattfand, die es der Bevölkerung Russisch-Polens, Litauens, Kurlands und von Randgebieten Livlands, der Ukraine und Weißrusslands durch das Faktum der Besetzung dieser Territorien durch die Zentralmächte, offensichtlich nicht so ohne weiteres möglich war, entsprechend der jeweiligen Proportionen an der Gesamtbevölkerung Deputierte zur Wahrnehmung ihrer Interessen zu wählen und nach Petrograd zu entsenden.
Gleichzeitig hielt ja die provisorische Regierung Kerenskij eisern an dem Prinzip fest, in keinem Fall einen Frieden auf der Basis von Gebietsabtretungen schließen zu wollen.
Das bringt für mich, was die Bewertung der Konstituante als wichtigen Schritt zu einer greifbar nahen Demokratisierung Russlands angeht, so ein wenig das Problem mit sich, dass auf diese Weise ein durchaus ansehnlicher Teil der nationalen Minderheiten innerhalb des Staatsverbandes, de facto an der Mitgestaltung der angestrebten, künftigen verfassungsmäßigen Realität gehindert wurde, während die amtierende provisorische Regierung Gebietesabtretungen nicht in Betracht zog.
Wäre das "Projekt Konstituante" also zu einem erfolgreichen Abschluss gelangt, hätte das bedeutet, dass die nationalen Minderheiten in den westlichen Provinzen sich dann einer verfasungstechnischen Realität hätten beugen müssen (da ein Ablehnen von Gebietsabtretungen ja auch die Unabhängigkeit ausschließt), die in ihrer Abwesenheit von einer konstituierenden Versammlung ausgehandelt wurde, in der kriegsbedingt die russische Bevölkerung des Reiches deutlich stärker vertreten gewesen wäre, als es ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sonst hergegeben hätte, mit der entsprechenden Möglichkeit eigene, zentralistischere Interessen wesentlich effektiver in die verfassungsmäßige Realität einzubringen, als das ansonsten der Fall gewesen wäre.
Wie es im Rahmen der konstituierenden Versammlung en detail um die Vertretung der Minderheiten aus Sibirien, Turkistan und dem fernen Osten stand, ist mir nicht im Detail klar, demgegenüber durchaus, dass die Ukraine, so weit nicht besetzt und die kaukasischen Territorien durchaus (mitunter auch wirkmächtig) vertreten waren, wenn auch nicht als ethnisch organisierte Gruppe, sondern im Rahmen der verschiedenen Parteiungen.
An der Stelle möchte ich auch nochmal deutlich betonen, dass das, was ich hier bezwecke, Kritik an der Konstituante per se, ihres Abhaltens während des Krieges, inklusive der Besatzung zu üben oder unterstellen möchte dass man dies absichtlich so gehalten hätte um die entsprechenden nationalen Minderheiten in dieser Hinsicht zu diskriminieren.
Durch die Lasten des Krieges und dessen Fortstezung war die provisorische Regierung natürlich bereits schaon aus Grünen der eigenen Glaubwürdigkeit und Legitimation dazu gezwungen Schritte zu unternehmen, die in Richtung der Setzung einer Verfassung und von Reformen zielte um nicht jeden Kredit in der Bevölkerung zu verspielen.
Mein Ansatzpunkt bezieht sich also nicht auf Kritik an den Ereignissen an und für sich, sondern auf deren Rezeption, weil ich mich schon durchaus frage, ob man das so ohne weiteres als einen weiten Schritt in Richtung Demokratisierung betrachten kann, wie das meinem Eindruck nach häufig getan wird.
Natürlich war es ein Schritt in Richtung Pralamentarisierung.
Eine tatsächlich demokratischer Akt, wäre diese Verfassungsgebende Versammlung nach meinem Dafürhalten aber nur dann gewesen, wenn man sie entweder erst einberufen hätte, nachdem der Krieg vorbei war und wirklich auch alle Landesteile durch die Wahl von Deputierten an der Willensbildung mitwirken konnten oder aber, wenn man von vorn herein den Geltungsbereich dieser Verfassung auf die nicht zum Zeitpunkt der Wahl zur konstituierenden Versammlung nicht besetzten Teile des Landes bechränkt und den besetzten Teilen des Landes später freigestellt hätte, der in ihrer Abwesenheit aussgehandelten Verfassung entweder freiwillig beizutreten oder dem russischen Staat künftig nicht mehr anzugehören.
Beide Varianten sind unrealistisch, weil sie die provisorische Regierung um jeden Kredit bei der Bevöklerung gebracht hätten und weil daraus logisch kaum kontrollierbare Folgeprobleme hervorgegangen wären.
Dennoch bleibt für mich festzuhalten, dass diese Konstituierende Versammlung, unabhängig ihrer Kujonierung durch die Bolschewiki und deren Absichten, für mich, im Hinblick auf die Frage zum Übergang zu einer wirklichen Demokratie da einen ganz gravirenden Schönheitsfehler ausfweist.
Weswegen ich dann auch der Meinung bin, dass eine Umgestaltung Russlands zu einer bürgerlichen Demokratie nach westlichem Vorbild, gegebenenfalls perspektivisch durchaus möglich gewesen wäre, man allerdings durch diese Form der Konstituante, wäre sie zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen, wahrscheinlich noch einen langen Weg sehr zählebiger innterer Kämpfe mit zweifelhaftem Ausgang hätte durchmachen müssen.
An der Stelle würde mich sehr interessieren, wie ihr die konstituierende Versammlung in Russland und ihre Rezeption bewerten würdet.